UNISCENE Berlin 12/12

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setzte sein Studium nebenbei fort. Seit er fertig ist, arbeitet er Vollzeit. „Bei meinem Studium war überhaupt nicht klar, in welche Richtung es geht oder ob ich überhaupt einen Job finde“, erzählt Joost. Das Klischee des Geisteswissenschaftlers, der Taxifahrer wird, hat sich bei ihm zum Glück nicht bewahrheitet.

Entspannt: Joost kommt in Jeans und Kapuzenpulli zur Arbeit.

Karriere

Foto: Carsten Schulz

Ressortleitung: Anna Brüning E-Mail: karriere@uniscene.de

Traumjobs in der Werbebranche

Wortverdreher, Sätzebastler und Um-die-Ecke-Denker aufgepasst! Anna Brüning hat Joost Hillringhaus, Projektmanager bei Jung von Matt, besucht und sich die Welt der Kreativen genauer angeschaut. Jeden Tag sind wir mit etwa 5000 Werbebotschaften konfrontiert. Online, im Bus, auf Plakaten, im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung, überall buhlen Wörter und Bilder um unsere Aufmerksamkeit und wollen uns Produkte, Dienstleistungen oder Sendungen schmackhaft machen. 5000 Botschaften – wer da auffallen will, muss wirklich etwas zu bieten haben. Sätze, die hängen bleiben, wie zum Beispiel „Alles Müller... oder was?“ (Müllermilch), „Ich bin doch nicht blöd“ (Media Markt) und „Geiz ist geil“ (Saturn). Oder Ideen wie die schreiende Frau, die ihr Zalando-Paket bekommt – so mancher Postbote hat die Werbespots schon 20

verflucht, als er zum zehnten Mal am Tag angeschrien wurde. Blick hinter die Kulissen Für viele Studenten ist es ein großer Traum, in dieser kreativen Branche zu arbeiten. Sie haben den Kopf voller Ideen und sind hochmotiviert, in die faszinierende Glitzerwelt einzutauchen. Doch was steckt dahinter, wie funktioniert eine Werbeagentur eigentlich wirklich? Joost Hillringhaus (29) lässt uns hinter die Kulissen blicken. Er arbeitet als Projektmanager bei Jung von Matt, einer der größten und erfolgreichsten Agenturen Deutschlands. Jung von Matt ist in einzelne Agenturen gegliedert,

die verschiedene Schwerpunkte haben, Joost arbeitet bei „Jung von Matt/next“ und betreut digitale Angebote. Als Projektmanager, andere Agenturen würden ihn Kontakter oder Berater nennen, ist seine Hauptaufgabe die Kommunikation mit dem Kunden und dem Agenturteam. Während Texter für die Inhalte sorgen und Webdesigner Anwendungen bauen, überzeugt Joost den Kunden von Idee und Konzept der Agentur. Er steuert, wer wann was macht, kennt die Deadlines, bucht Ressourcen und hält sein Team und den Kunden auf dem Laufenden über alle aktuellen Entwicklungen. Durch Zufall in die Werbung Joost, der im Frühjahr sein Magister-Studium an der Uni Hamburg abgeschlossen hat, hatte nie geplant, in die Werbung zu gehen. „Das passierte eher zufällig“, erzählt er. „Ein Freund, der inzwischen Werbetexter ist, sagte mir, dass Jung von Matt Werkstudenten sucht.“ Mit 20 Stunden pro Woche stieg Joost auf 400-Euro-Basis ein und pflegte Content Management Systeme (CMS). Nach zwei Jahren wurde er übernommen, in Teilzeit, und

Klassisch oder auf Umwegen Doch was, wenn gerade keine Werkstudenten gesucht werden? Wie sieht der klassische Einstieg in die Werbebranche aus? „Es gibt den Weg über diverse Ausbildungswege und Texterschmieden“, sagt Joost. Aber: Die Werbung sei eine der wenigen Branchen in Deutschland, in der nicht nur die perfekt geplante Karriere zum Ziel führen kann. „Wenn du Klempner bist, aber den Copytest hervorragend absolvierst, wirst du mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch zum Vorstellungsgespräch als Texter eingeladen.“ Der Copytest ist ein kreativer Test, in dem Werbetexte zu verschiedenen Aufgaben geschrieben werden müssen; diese Copytests sind auf den Webseiten der Werbeagenturen zu finden. Dennoch rät er Studenten, die in die Werbung wollen, über die klassischen Wege einen Fuß in die Tür zu bekommen. „Macht Praktika, nehmt Studentenjobs in Agenturen an. Wenn man erstmal dabei ist und sich bewährt hat, dreht sich das Karussell immer weiter.“ Die 80er sind vorbei Doch was ist denn nun mit all den Vorurteilen und Gerüchten? „Die 80er sind vorbei“, lacht Joost. „Wer denkt, dass er sich in Cannes die Sonne auf den Pelz scheinen lassen und Porsche fahren kann, liegt falsch.“ Die Werbebranche sei ein knallhartes Business. Jobs wie der von Joost spielen sich vor dem Rechner und in Konferenz-Räumen ab. Krasse, kreative Exzesse? Fehlanzeige. Auch über unzumutbare Arbeitszeiten kann Joost nicht klagen. „Natürlich kommt es mal vor, dass es mehr als 40 Stunden pro Woche werden. Aber da muss jeder auf sich selbst achten. Kein Arbeitgeber beschwert sich beim Arbeitnehmer, wenn er 60 Stunden die Woche gearbeitet hat.“ Jeder muss sich selbst seine Grenzen setzen – das gilt natürlich nicht nur für die Werbebranche. Für die Zukunft erwartet Joost eine weitere Professionalisierung der Branche. Gerade durch die schnelllebige und rasant wachsende digitale Welt entstehen neue Formen der Werbung, die bedient werden müssen. Neue Medien setzen neue Impulse. Dennoch geht Joost nicht davon aus, dass jeder Texter und Designer in Zukunft die Java- und Dezember 2012 |


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