MUZ - MigrantInnenUmweltZeitschrift: Ausgabe 5/2010

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BÜRGER FRAGEN – DAS UMWELTBUNDESAMT ANTWORTET

> Herr Flasbarth, vor genau einem Jahr sind Sie zum Präsidenten des Umweltbundesamts berufen worden. Was genau macht das UBA? Das Umweltbundesamt ist seit seiner Gründung 1974 Deutschlands zentrale Umweltbehörde. Es ist im Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums (BMU) angesiedelt und hat den gesetzlichen Auftrag und Anspruch, die Politik mit seiner wissenschaftlichen Expertise und praktikablen Vorschlägen zu beraten – und zwar zu aktuellen wie auch zu Zukunftsfragen des Umweltschutzes. Darüber hinaus ist das UBA zuständig für den Vollzug von Umweltgesetzen, zum Beispiel für die Zulassung von Chemikalien, Arznei- und Pflanzenschutzmitteln oder den Emissionshandel. > Und welche Themen stehen aktuell an? Es gibt natürlich ganz herausragende, wichtige Themen, die auch öffentlich stark diskutiert werden. Zum Beispiel der Klima- und Ressourcenschutz und die damit einhergehenden notwendigen Veränderungen in der Energieversorgung. Das Amt hat in diesem Sommer eine Studie vorgelegt, wie sich die deutsche Stromversorgung bis zum Jahr 2050 vollständig auf erneuerbaren Energien umstellen ließe.

Jochen Flasbarth • 1962 geboren in Duisburg-Rheinhausen • 1994-2003 Präsident des NABU e.V. • 2003-2009 Abteilungsleiter „Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung“ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit • seit 2009 Präsident des Umweltbundesamtes

> Soweit mir bekannt ist, gibt das UBA Informationsmaterialien heraus und beantwortet Anfragen von BürgerInnen. Könnten Sie dazu einige Sätze sagen? Ja, das ist richtig. Die Öffentlichkeit zu Fragen des Umweltschutzes zu informieren, ist eine weitere zentrale Aufgabe vom UBA. Denn der nachhaltige Schutz der Umwelt kann nur als Gemeinschaftsaufgabe gelingen. Um ein ganz aktuelles Beispiel zu nehmen: Wir haben eine Broschüre zum Thema „Heizen mit Holz“ neu aufgelegt. Sie gibt Tipps, wie man eine Holzheizung richtig bedient, ohne dass unnötig viele klimaschädliche Treibhausgase entstehen oder gesundheitsbelastende Schadstoffe in Wohnräume gelangen. > Aktuell gibt es eine hitzige Debatte über den Atomausstieg. Die Verteidiger argumentieren mit dem Klimaschutz-Sorglos-Paket. Was meinen Sie, sollte es beim Atomausstieg

bleiben? Das Umweltbundesamt hat hierzu eine fachlich ganz klare Position. Die Atomenergie ist ja keine nachhaltige Form der Energieversorgung und deshalb empfiehlt das Amt schon seit den 90er Jahren, auf die Atomkraftnutzung zu verzichten. Es gibt auch keine Notwendigkeit, die Laufzeit von Kernkraftwerken unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit zu verlängern. Wir haben das bis in das Jahr 2020 berechnen lassen: Die Kapazität des bestehenden Kraftwerksparks und der im Bau befindlichen Kraftwerke reicht auch dann zur Deckung unseres Strombedarfs aus, wenn die Kernkraftwerke – wie in der Novelle des Atomgesetzes von 2002 vorgesehen – nach und nach abgeschaltet werden. > Ökostrom wird immer günstiger und konkurrenzfähiger im Strommarkt. Haben Sie einen Ratschlag für unsere LeserInnen, der ihnen den Umstieg zum Ökostrom erleichtern könnte? Mit einem Anteil von 16,3 % am Bruttostromverbrauch im vergangenen Jahr haben die erneuerbaren Energien ihr früher oft belächeltes Nischendasein längst verlassen. Vor zehn Jahren waren es noch 4,0 %. Darüber hinaus können die Verbraucher natürlich auch selbst die Entwicklung ein Stück weit steuern, indem sie beispielsweise Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Mittlerweile ist Strom aus Wind, Sonne, Biomasse, Wasser und Erdwärme gar nicht so sehr viel teurer als Strom aus konventionellen Energieträgern. > Welche Herausforderungen gibt es bezüglich der Energieversorgung in der Zukunft? Für eine klimaverträgliche und ressourcenschonende Stromversorgung müssen wir früh und entschlossen die richtigen Weichen stellen. Neben dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren brauchen wir eine zukunftsfähige Gestaltung des Stromnetzes. Wir brauchen intelligente Netze und Speichertechnologien, damit die Stromnachfrage jederzeit gedeckt werden kann. Hier besteht ein großer Investitionsbedarf. Eine andere Herausforderung ist, dass wir auch für die gesellschaftliche Akzeptanz der erneuerbaren Energien sorgen müssen. > Und wie ist es mit Energiesparen? Langfristig müssen wir unseren Energieverbrauch drastisch senken. Wir müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass die Geräte mit dem niedrigsten Stromverbrauch am Markt zum Standard werden. Voraussetzung dafür ist eine Kennzeichnung des Stromverbrauchs auf dem Energielabel, die für den Kunden einfach verständlich ist. Im Idealfall kann er darauf nicht nur die Effizienzklasse erkennen, sondern auch die durchschnittlichen Stromkosten, die das Gerät verursacht. Auch im Verkehrsbereich gibt es dazu viele Möglichkeiten - etwa bei der Wahl des Verkehrsmittels, bei der Auswahl eines spritsparenden Autos oder mit energiesparendem Fahrverhalten. Energiesparen schont ja nicht nur das Klima, sondern auch den eigenen Geldbeutel. > Wie ist der Zusammenhang zwischen Ressourcenknappheit und Energieverbrauch? Wie könnte man beide zusammenbringen? Unsere Energieversorgung beruht z. Z. vor allem

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auf Rohstoffen, die uns nur in begrenzter Menge zur Verfügung stehen: auf Braun- und Steinkohle, auf Erdöl, Erdgas und Uran. Je früher und je stärker wir unsere Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger umstellen, desto mehr schonen wir die endlichen Ressourcen – damit die auch von den zukünftigen Generationen noch genutzt werden können. Aber nicht erst dann macht sich eine geringere Abhängigkeit von Kohle oder Erdgas positiv bemerkbar: Je knapper ein von vielen nachgefragter Rohstoff wird, desto stärker steigt sein Marktpreis. Sicher ist also, dass Energie mit zunehmender Knappheit fossiler Rohstoffe immer teurer wird. Auch aus volkswirtschaftlichen Gründen ist es also sinnvoll, auf erneuerbare Energien zu setzen. > Sie waren ja ehemals Präsident des NABU, später haben Sie im BMU die Abteilung „Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung“ geleitet und in Ihrer Jugend haben Sie sich ehrenamtlich engagiert. Was hat Sie damals dazu bewogen, als Jugendlicher für den Naturschutz einzutreten? Ich bin in DuisburgRheinhausen aufgewachsen und da ist man mit den Umweltbelastungen ja unmittelbar konfrontiert. Vor allem in den 70er konnte man dort die Umweltbelastung förmlich sehen und erleben, also rauchende Fabrikschlote, Kohleberge und Rußschwaden. Gleichzeitig gab es noch ein paar grüne Flecken in Duisburg, die es zu erhalten galt. Und das war eigentlich für mich der Ausgangspunkt für ein Engagement, das ich dann später nicht mehr richtig gebremst gekriegt habe. > Viele unserer Leser sind MigrantInnen. Haben Sie eine Idee, wie man sie in diese Bereiche mit einbinden könnte? Das ist, glaube ich, ein wichtiger Teil tatsächlich gelebter Integrationspolitik. Das war ja auch schon in den Umweltverbänden so, dass die Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund eigentlich gar nicht im Fokus, auch der eigenen Aktivitäten, standen. Nicht einmal als Adressaten. Ich kann mich erinnern, dass wir beim NABU irgendwann einmal überlegt haben: Sollten wir nicht mal türkischsprachige Beitrittsformulare drucken und Broschüren, die den Verband vorstellen und dafür werben, da auch Mitglied zu werden? Das war damals noch ein ungewöhnlicher Gedanke, heute gibt es das natürlich längst. Es gibt auch die gemeinsamen Aktivitäten mit dem TDZ-Umweltzentrum. Ich denke, wir sind beim aufeinander Zugehen ein bisschen weiter, als das vor Jahren der Fall war. Und auch die Öffentlichkeitsarbeit einer Behörde wie das UBA ist gut beraten, gezielt Ansprachen zu finden für Menschen aus anderen Kulturkreisen, die in unserem Land leben, die Teil des Konsums und letztlich der Umweltbelastung darstellen, aber auch ein beachtlicher Teil der Lösung sein könnten. Deshalb stellen wir seit einiger Zeit auch Informationsmaterial etwa in türkischer oder in russischer Sprache bereit. Vielen Dank für das Interview

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