Umwelt Direkt - 03/2015 - August Ausgabe

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demografischen Wandel begleiten Wissenschaftler den Bau eines Mehrgenerationenhauses in der Bahnstadt und bringen dabei ihr Expertenwissen aus der Gerontologie und den Diakoniewissenschaften mit ein. Die Gerontologische Forschung hat etwa gezeigt, dass sich ältere Menschen gerne um jüngere Menschen kümmern möchten. Auf Basis dieser Forschungen erheben die Wissenschaftler zunächst, welche Bedürfnisse ältere Menschen an ihre Wohnform stellen. Wie können technische Hilfsmittel die Menschen im Alltag unterstützen? Wie sollten Dienstleister, Bewohner und institutionelle Anbieter zusammenarbeiten? All das fließt in die baulichen Maßnahmen ein. Es gibt hier also eine direkte Rückkopplung zwischen den Wissenschaftlern und den Architekten. UD: Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihrer Arbeit? Editha Marquardt: Wir haben das Glück, dass wir schon seit zwei Jahren in engem Kontakt mit der IBA und der Stadt Heidelberg stehen – also schon lange vor unserem Antrag beim Ministerium. Trotzdem ist es manchmal schwierig, alle Beteiligten ins Boot zu holen. Da prallen unterschiedliche Kulturen und Denkweisen aufeinander, allein schon sprachlich. UD: Welche Rolle spielt die Internationale Bauausstellung (IBA) bei dem Projekt? Editha Marquardt:Die IBA ist ebenso wie die Stadtverwaltung

maßgeblich an dem Projekt beteiligt und eng in die Forschung eingebunden. Das liegt daran, dass sich die IBA dem Thema „Wissen schafft Stadt“ verpflichtet hat und in Heidelberg innerhalb von zehn Jahren innovative Projekte anstoßen und umsetzen will. Ein wichtiges Thema der IBA ist die Umgestaltung der Konversionsflächen. Neue Wissensorte können hier wesentliche Stadtteilfunktionen übernehmen. Deshalb haben wir auch IBA-Kandidaten als Referenzprojekte ausgewählt, um so die IBA durch eine begleitende Forschung zu unterstützen. UD: Wie weit sind die Projekte schon vorangeschritten? Editha Marquardt: Das ist unterschiedlich. An allen Projekten sitzen Doktorandin-

nen und Doktoranden, die sich in den letzten Wochen und Monaten intensiv in die Themen eingearbeitet haben. Grob gesagt sind wir über den Start hinaus und jetzt beginnt die Erhebungsphase. UD: Und was steht am Ende der drei Jahre? Editha Marquardt: Aus wissenschaftlicher Sicht stehen am Ende vier Doktorarbeiten zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Auch die Stadt erhofft sich konkrete Rückschlüsse. Wir stoßen jetzt Prozesse an und sehen dann, welche Prozesse gut gelaufen sind und wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Und natürlich wollen wir im Idealfall Kriterien entwickeln, um die Ergebnisse auf andere Projekte übertragen zu können.

UD: Was wünschen Sie sich für das Projekt? Editha Marquardt: Reallabore sind ein ganz neues Format und wir müssen sehen, wie sich das entwickelt. Aber ich würde mir wünschen, dass wir über die drei Jahre der Förderung hinaus stärker mit der Bürgerschaft und anderen Praxispartnern in Kontakt sind. Gerade in der Stadtentwicklung gibt es viele brennende Fragen. Wir müssen die globalen Herausforderungen auch im sozialen Sinne nachhaltig gestalten. Deshalb wäre es langfristig schön, wenn Einwohnerinnen und Einwohner oder Stadtteilvereine ihre Anliegen an uns herantragen und wir gemeinsam an einer Lösung arbeiten. UD: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Editha Marquardt studierte Kulturwissenschaften, Germanistik und Hispanistik an den Universitäten Leipzig und Edinburgh, bevor sie 2004 am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig promovierte. Besonders interessiert sich Marquardt für die Wahrnehmung von Region und Stadt. In ihrer Forschung geht sie etwa der Frage nach, was eine Stadt zur Stadt oder eine Region zur Region macht. Außerdem befasst sie sich mit Transformationsprozessen und urbaner Mobilität. Seit September 2013 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Geographischen Institut der Universität Heidelberg, wo sie gemeinsam mit Prof. Ulrike Gerhard das durch das Land Baden-Württemberg geförderte Reallabor „Nachhaltige Stadtentwicklung in der Wissensgesellschaft“ leitet.


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