03/2013 - Disziplin / Dominanz / Unterwerfung

Page 18

Waaaam! Durch! Rein! Wummm!!! Blendung. Eine tosende neue Welt. Der jubelnde Chor von 20.000: der lebende Horizont. Weiter! Renn! Rechts weg zur Bande! Anhalten. Umdrehen. Eins. Zwei. Drei. Nichts. Wo sind die Stiere? (Bin ich etwa zu früh losgelaufen?) Vier. Fünf. Sechs. Waaaam!!! Ein Ungetüm ergießt sich in das sandige Rund. Der weiße Schwarm weicht aus. Weitere 600-Kilogramm-Tiere stürmen herein. Gleich werden sie gegenüber ins Off gehetzt. Da! Die Ochsen. Endlich! Alle hinter Schloss und Riegel. Puh! Scheiße! Der Eingang wird verriegelt. Gefangen? Wo raus? Frenetischer Jubel. Wem gilt der? ... UNS!!! Uns Stierläufern! Uns Gladiatoren! Ich reiß die Arme in die Höhe. Alle reißen die Arme in die Höhe. Gejohle. Wir. Ja! Wir! Nächster Punkt am Unterhaltungsprogramm: AmateurStierkampf. Nacheinander treiben Jungbullen ihr Unwesen im Sand. Die Torros tanzen mit der Masse, die Masse tanzt um die Torros. Ich bin mittendrin, filme mit dem Handy. Der Bulle scharrt. Seine Hörner sind mit aufgepfropften Gummibällchen entschärft. Verwegene rennen vor seiner Nase rum, knien sich vor ihm nieder, posieren im Karate-KidStyle. Andere tapsen ihm auf die Flanke, auf den Hinterlauf, ziehen das gequälte Tier am Schwanz, springen, ja werfen sich über seinen Rücken – es gibt Buh-Rufe und Pfiffe.

18

Vor dem Einlasstor ein Menschenhaufen. Sie knien und hocken sich hin, das Tor geht auf, der Jungstier schießt raus und springt mit einem eleganten Satz über das dreimetrige Menschenhindernis in die Arena. Beim nächsten Bullen dasselbe Schauspiel. Das Tor geht auf. Der Stier galoppiert durch den finsteren Schacht, prescht heraus, senkt sein Haupt und – fährt wie ein Rammbock in die Menschenbarrikade; fährt hinein in den Schädel eines hockenden Menschen, dass mich der dumpfe Knall trifft wie ein Faustschlag in die Magengrube; dreht durch, stochert den Gerammten auf, kämpft sich austretend und aufgabelnd durch die Fleischwand der Knienden, bearbeitet sein Opfer, als er die Barrikade bereits durchmäht hat, wirft es um sich, rennt in die weiße Flut, die aufgeschreckt auseinander fährt, und – aus. Der Mann bleibt regungslos im Sand liegen. Blut an seiner Stirn. Ich bin mir sicher: Er ist tot. Ich denk mir: die Rache der Torros … Sofort wird der Körper auf einer Bahre aus der Arena getragen. Genug. Ich haue ab, spring über die Bande. Dahinter wird ein Verletzter in Weiß vorbei getragen. Er schreit wie am Spieß, hält sich sein Knie. Es ist voller Blut.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.