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Das Holz für einen Model muss trocken und astfrei sein, damit sich die Form nicht verzieht und unregelmäßige Muster entstehen.
Eine Familie macht Blau Es ist die Geschichte eines fast vergessenen Handwerks zwischen Kreativität und schwerer körperlicher Arbeit. Es ist die Geschichte einer Familie, in der Kenntnisse und Fertigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Es ist die Geschichte von Familie Wagner, die bis heute die Kunst des Blaudrucks beherrscht. Text: Franziska Tholema Fotos: Volker Weibold (OÖN), Blaudruck Wagner
F
iligrane Blumen, feine Blätterranken und Paisleys leuchten in strahlendem Weiß auf tiefblauem Grund. Bettwäsche, Vorhänge und Kleider werden zum Teil bis heute aus diesen aufwändig bedruckten Stoffen gefertigt. Kaum vorstellbar, dass die zarten Muster auch heute noch per Hand auf die riesigen Baumwoll- und Leinenstoffballen gebracht werden. Doch Familie Wagner aus Oberösterreich kann, was sie kann. Und das schon in der vierten Generation. Die Geschichte des Blaudrucks führt zurück ins 18. Jahrhundert und dem tiefen, ur-menschlichen Wunsch, sich selbst zu schmücken, die Kleidung zu verzieren. Wer Geld hat, dekoriert seine Kleider mit kostspieligen Perlen und Stickereien auf teuren Stoffen. Doch auch die weniger betuchte Bevölkerungsschicht sucht nach Möglichkeiten,
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Sonntags- und Alltagskleider zu verschönern. Und so entsteht ein neues Kunsthandwerk – der Blaudruck. Dass der Name irreführend ist, dass bei diesem Handwerk eigentlich nicht gedruckt, sondern gefärbt wird, und warum die Arbeit eines Blaudruckers sowohl kreatives Fingerspitzengefühl als auch körperlichen Einsatz und Ausdauer erfordert, versteht man erst bei einem genaueren Blick hinter die Kulissen. Zum Beispiel bei einem Blick in die Färberei Wagner in Bad Leonfelden – der Heimat von Karl Wagner und seinen Kindeskindern, die dieses besondere Handwerk bis heute beherrschen. Arbeit und Kunst
Das „Blaumachen“ ist eine mühsame und langwierige Arbeit. Am Anfang muss ein sogenannter Model – ein Holzbrett mit Griffen
und Rapportstift – hergestellt werden. In dieses Brett wird ein Muster gestochen, ein individuelles Einzelstück, das allein der Kreativität und Fingerfertigkeit des jeweiligen Formenstechers entspringt – die Sammlung der unterschiedlichen Model gilt daher in jeder Blaudruckerei als wahrer Schatz. Auf den fertigen Model wird eine gummiartige, farbabweisende Schutzmasse aufgetragen, die einst aus Wachs oder Leim bestand, und deren genaue Rezepturen von jeder Blaudruckerei stets geheim gehalten und nur von Vater zu Sohn weitergegeben wurden. Der Model mit Schutzmasse, auch Papp genannt, wird dann auf den Baumwoll- oder Leinenstoff gestempelt. Allein die Schwierigkeit eines lückenlosen Druckes, bei dem passgenau ein Stempel neben den anderen gesetzt werden muss, erfordert ein hohes Maß an Kunstfertig-