Sie werden Zitrusjugend genannt, die jungen Grünen, deren Farbe an die Limette erinnern soll, die Jungen bei der FDP sind zitronengelb. Sie sitzen frisch im Bundestag. Auch bei den Erstwählerinnen und -wählern ging es bei der Bundestagswahl 2021 sauer zu. Sauer auf die Große Koalition, hoffnungsvoll FDP und Grüne wählend. Die junge Generation ist politisiert wie lange nicht und sie will informiert werden. Wir als gutes altes Fernsehen, ich als gute alte Nachrichtenfrau im Linearen wollen auch sie ansprechen, mit Infos und Fakten versorgen. Wir wollen diesen Job nicht ausschließlich dem
9|
Pinar Atalay moderiert seit 2021 die RTL-Nachrichten
Netz oder Social Media überlassen. Das gelingt uns bei RTL auch immer wieder. Gerade beim Wahl-Triell, das ich mit Peter Kloeppel moderiert habe, haben viele Jüngere zugeschaut. Bei „RTL Aktuell“ und „RTL Direkt“ liegen wir in der
Zielgruppe 14 bis 49 immer wieder vorne. Es ist ein täglicher Kampf um die Aufmerksamkeit, vor allem gegenüber Social Media. Der Markt ist fragmentierter, Nachrichten müssen so erzählt werden, dass sie im BewegtbildÜberfluss wahrgenommen werden. Da hilft uns Journalistinnen und Journalisten unser Handwerk. Immer wieder zu zeigen, dass wir gelernte, verlässliche Strukturen haben, dass wir recherchieren, dass wir die Politik hinterfragen und Menschen eine Stimme geben, auch der Jugend. Auch sie müssen in Interviews präsent sein, ihre Themen müssen Beachtung finden, aus ihrer
Perspektive. Klimakrise und Zukunftsangst. Corona-Krise, die den jungen Leuten viel abverlangt. Aber auch Innovation, Digitalisierung – Themen, die uns alle und besonders die Jüngeren bewegen. Es geht um Relevanz und um die richtige Ansprechhaltung. Als Anchorwoman ringe ich jeden Tag um die richtigen und verständlichen Worte in meinen Moderationen, will so viele Menschen wie möglich erreichen. Das Informationsbedürfnis steigt – und so hoffe ich, dass uns auch die jungen Leute weiter vertrauen und wahrnehmen. Wir haben sie in jedem Fall im Blick.
Schließen Fashion und Öko einander aus, Marcus Luft?
Kratzige Stoffe, sandige Farben, sackige Silhouetten – bis vor wenigen Saisons hatte Öko-Mode die Anmutung einer nach Demeter-Vorgaben angebauten Karotte. Anspruch: top. Aussehen: gewöhnungsbedürftig. Genau wie beim Essen muss in der Mode auch das Auge genießen können. Welchen Erfolg soll ein Öko-Siegel haben, wenn die Kunden nachhaltige Mode nicht kaufen, da sie ihnen nicht gefällt? In der Modebranche hat sich deshalb zuletzt sehr viel getan. Keine Marke, ob Massenmarkt, Discounter oder Luxuslabel, kann es sich noch leisten, auf Nachhaltigkeit oder
Öko-Mode keine Rücksicht zu nehmen. Kunden erwarten Antworten und Lösungen. Pelze sind weitgehend aus den Kollektionen verbannt. Prada bietet sein berühmtes Nylonmaterial recycelt an und LVMH, größter Luxuskonzern der Welt, veröffentlicht erstmals einen Social and Environmental Report. Anlässlich der Berliner Modewoche im September 2021 verlieh der Senat der Hauptstadt einen Nachwuchs-Designer-Preis, in dessen Jury ich saß. Die meisten Bewerber fanden Wege, Nachhaltigkeit mit Design zu verbinden. Besonders gefiel mir die Idee, aus ungenutzten
Stoffen der Luxus-Marken neue Kollektionen zu produzieren. Eine perfekte Symbiose! Die Stoffe wurden nicht vernichtet und die Jungdesigner kamen an Materialien, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Wie aber gehen Marken damit um, die ihren Umsatz mit Mode für eine große Masse generieren? Hier hilft nur Kontrolle, etwa durch das staatliche Siegel „Der Grüne Knopf“. Insgesamt 46 Richtlinien, darunter das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit oder Grenzwerte für Abwässer, müssen Anbieter für das Siegel einhalten. 78 Unternehmen, etwa Tchibo, Aldi und Esprit,
54 · turi2 edition #16 · Agenda 2022
Marcus Luft ist Modechef und Vize der „Gala“
nehmen an diesem Programm teil. Die Hamburger Modemarke Closed hat einen Denim-Stretch entwickelt, der komplett kompostierbar ist. Jeans säen und Karotten ernten – der Öko-Kreislauf scheint eine Zukunft zu haben.
Fotos: RTL / Jörg Carstensen, privat, Holger Talinski
8|
Womit zieht eine alte Nachrichtensendung junge Leute vor den Bildschirm, Pinar Atalay?