turi2 edition #16, Agenda 2022/Nachhaltigkeit

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Verheizen Agenturen junge Talente mit l­angen ­Arbeitszeiten und miesem ­Gehalt, Phillip Böndel?

Qualifizierte Mitarbeiter*innen sind nicht nur ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Unternehmen, sie werden mit Blick auf die Demografie auch zur Existenzfrage. Dies gilt auch und insbesondere für Agenturen, die nicht bei allen jungen Talenten auf dem Radar sind. Der Fachkräftemangel war 2020 eines der größten Wachstumshemmnisse für die Branche und verstärkt sich nun mit der anziehenden Auftragslage weiter. Das zeigt auch ein Blick in die Zahlen: Der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft weist 2021 ein Plus von 57 Prozent offener Stellen im

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Vergleich zum Vorjahreszeitraum aus. Allein beim Blick auf diese Ausgangslage wird deutlich, dass Agenturen es sich überhaupt nicht leisten können, Mitarbeiter*innen zu „verheizen“. Mit den Millennials sind zudem anspruchsvolle und selbstbewusste Menschen auf dem Arbeitsmarkt, für die Sinnhaftigkeit und Selbsterfüllung eine wichtige Rolle spielen. Um sie zu begeistern und zu halten, reichen Obstkorb und Kickertisch nicht. Agenturen sind als verantwortungsbewusste Arbeitgeber gefragt, können aber auch mit Vorteilen punkten: In kaum

einer anderen Branche machen Mitarbeiter*innen bei verschiedensten Projekten so schnell so vielfältige Erfahrungen. Kaum irgendwo sonst können sie so schnell Verantwortung übernehmen. Was zählt, sind persönliche Talente und Lebenserfahrung. Und weniger Zeugnisse, Formalien oder Hierarchien. In Sachen Arbeitsumfeld hat sich in Agenturen zuletzt einiges getan. Corona war der Booster für New Work und flexible Arbeitsmodelle. Daneben arbeiten Branche und GWA intensiv an Diversity und Gleichstellung. Dabei geht es nicht nur um Geschlechtergerechtigkeit,

Phillip Böndel leitet die Agentur Butter und ist Nachwuchs-Vorstand im Branchenverband GWA

sondern beispielsweise auch um Altersdiversität sowie die Vereinbarkeit des Berufs mit Familie oder Privatleben. Bei allen Veränderungen lohnt es sich also, genauer hinzusehen und alte Klischees zu hinterfragen.

Wann verschwindet der Fernseher endgültig aus den Wohnzimmern, Michael Schuld?

Fernsehen im klassischen Sinne bedeutet, dass Menschen an einem Ort zusammenkommen und Programme konsumieren – eine Quelle, viele Empfänger. Gerade wandeln sich TV und Entertainment grundlegend. In den letzten Jahren hat sich On-Demand als Alternative zu den Programmzeiten etabliert. Der Wandel vollzieht sich in weiteren Dimensionen: Die Unterhaltung der Zukunft ist räumlich unabhängig und mobil. Wir konsumieren alleine oder in Gesellschaft, je nach Situation auf unterschiedlichen Geräten und Medien, es gibt neue Möglichkeiten der Interaktion.

Michael Schuld ist TV- und Entertainment-Chef der Deutschen Telekom

Früher richtete sich der Konsum nach der örtlichen Dimension. TV-Geräte standen fix in bestimmten Räumen. Heute zielen wir auf eine viel persönlichere, personalisierte Erfahrung ab. Kunden können unabhängig von Ort und Zeit genau die

Inhalte sehen, die für sie relevant sind. Es geht nicht darum, dass der Big Screen aus den Wohnzimmern verschwindet. Sondern darum, dass er künftig nur noch in bestimmten Fällen genutzt wird. Etwa von der Familie, die gemeinsam eine Abend-Show im Wohnzimmer sehen möchte. Zusätzlich dazu könnten künftig Freunde, obwohl sie räumlich getrennt sind, per „Co-Experiencing“ mittels VRBrillen einem Live-Event virtuell beiwohnen. Und sich fühlen, als säßen sie gemeinsam im Stadion oder in der Konzerthalle. Das eindimensionale Fernsehprogramm ent-

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wickelt sich zum multidimensionalen Unterhaltungsangebot, in dem Inhalte in den Dimensionen Zeit, Ort, Personen, Medien, Endgerät und Interaktion variieren können. Das klassische TV bleibt eine von vielen möglichen Kombinationen – ist jedoch nicht mehr die vorherrschende. In dem Konzept eines „Entertainment Hubs“, also einer vernetzten, individuellen Angebotsauswahl, sehen wir den Schlüssel zum Erfolg. Wir nehmen den Nutzer virtuell an die Hand, begleiten ihn zu spannenden Unterhaltungserlebnissen. Und verhindern, dass ihn die Vielfalt überfordert.


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