turi2 edition #16, Agenda 2022/Nachhaltigkeit

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Ökologische Wende „Öko-Test“ besetzt früh eine grüne Nische im Zeitschriftenregal. Heute ist umweltfreundliches Leben TrendThema. Das Magazin überdenkt sein Geschäftsmodell

D Kuppeln fürs Klima Bei Youtopia waschen Pub­ likum, Influencer und Firmen ihr Umwelt-Gewissen rein

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acob Beautemps steht in Jackett mit Einstecktuch vor einem Tagebau und entschuldigt sich. Dafür, dass die Menschen zu wenig tun und zu viel streiten. Er, der YouTuber Jahrgang 1993, will etwas fürs Klima tun, sagt er in dem Video – und sperrt im September 2021 Influencer fünf Tage unter eine gläserne Kuppel. Youtopia soll zum zweiten Mal per Dauer-Livestream auf die Klimakrise aufmerksam machen. Big Brother für den Planeten. Mit Günther Jauch zocken sie um die Klima-Million, sprechen mit Cem Özdemir über Atommüll, verkleiden sich als Drag Queens. 2020 spendet das Publikum, um Bäume zu pflanzen, 2021, um Plastik aus dem Meer zu fischen. Unter den Sponsoren sind ausgerechnet Toyota und Bayer. „Wir sind keine perfekten Ökos“, sagt Beautemps. Er selbst fahre Auto, fliege, shoppe online. Das Format adressiere keine Fridays-Ultras, sondern Normalos auf YouTube und Twitch. Während Greta und Co nervös auf die Uhr gucken, stupst Beautemps lieber sanft zum „ersten Schritt“ an. Motto: Dann wird alles wird gut. Laut Produktionsfirma i&u TV haben 2021 zwei Millionen Menschen eingeschaltet. 2022 soll Youtopia in die dritte Runde gehen. Die Franzosen haben das Format schon kopiert. Elisabeth Neuhaus

as Ziel des „Öko-Test Magazins“ beschreiben seine Gründer so: „Wir wollen die Leser über die Möglichkeiten einer gesünderen Lebensweise und eines verantwortungsvollen Verhaltens informieren.“ Der Satz stammt aus dem Jahr 1985. Und er passt noch heute zu der Zeitschrift. Wer sie liest, soll durch Produkttests gestützt erfahren, was „Richtig gut leben“ heißt – so der Claim. Fühlte sich in den 80ern, wie es Kerstin Scheidecker formuliert, „ein Häuflein langhaariger Ökos“ angesprochen, bedient das heute die Sehnsucht „einer ziemlich breiten Masse“. Für die Vize-Chefredakteurin, selbst seit 20 Jahren dabei, ist es ein gutes Gefühl, „dass wir mit unseren Themen die Mitte der Gesellschaft erreicht haben“. Und sie verspricht, worauf sich ihre Leser auch weiterhin verlassen können: „Wir legen den Finger in die Wunde.“ Dabei gehe es nicht nur darum, ob Produkte schadstofffrei sind, sondern auch, ob sie umweltverträglich, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen entstanden sind.

Weinlese: 1985 checken die ÖkoTester Rebensaft und Apfelwäsche

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Eigentümerin des Magazins ist die Öko-Test AG, die zu zwei Dritteln der GLG Green Lifestyle gehört, Tochter der SPD-Holding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft. Das restliche Drittel verteilt sich auf knapp 800 Aktionärinnen. Das hat historischen Bezug: Zur Gründung von „Öko-Test“ hatten 620 Menschen durch Einlagen von 500 bis 20.000 Mark ein Startkapital von 818.200 Mark gesammelt. In mehr als 36 Jahren ließ „Öko-Test“ nach eigenen Angaben rund 100.000 Produkte und Dienstleistungen untersuchen. „Die Tests sind und bleiben unsere Kernkompetenz“, sagt Scheidecker. In einer Ausgabe stehen heute im Schnitt 170 Tests, die externe Labore durchführen. Dass das Bewusstsein für gesundes, umweltfreundliches Leben gestiegen ist, lässt sich an der Auflagenkurve nicht ablesen. In Abo und Einzelhandel wurden 2021 70.000 Exemplare pro Ausgabe verkauft. Vor 15 Jahren waren es noch doppelt so viele. „Öko-Test“ kann sich vom rückläufigen Trend im Printmarkt nicht abkoppeln. Richtig schlimm ist die Lage 2018/19, jedoch aus anderem Grund: Die Öko-Test AG gerät nach krachend gescheiterter China-Expansion in „ökonomische Schieflage“. Jürgen Stellpflug, Mitarbeiter der ersten Stunde, muss gehen; seine Position als Vorstand und Chefredakteur übernimmt Verlagsmanager Hans Oppermann. Die Sanierungsarbeiten erklärte er vor zwei Jahren für gemeistert, seither läuft der „größte strategische Umbau in der Geschichte des Öko-Test-Verlags“. Nach einem Relaunch entwickelt sich das Print-Magazin stabiler. Jetzt wird an der digitalen Neuaufstellung gearbeitet, um durch Paid Content das Feld für frisches Wachstum zu bestellen. Roland Karle


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