turi2 edition #16, Agenda 2022/Nachhaltigkeit

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Zwei Herren mit Anzug

Reimers (links) über Esser (rechts): „Ach, wenn ich doch nur ein kleines bisschen seiner Bühnenpräsenz hätte.“ Esser über Reimers: „Er ist den meisten einen Schritt voraus. Und manchmal einfach nur ein Kindskopf“

»Mensch, der ist ja ganz anders als ich« Mit Peter Esser und Sönke Reimers haben sich zwei Offensivspieler gefunden. Für den altehrwürdigen Deutschen Fachverlag wollen sie im Team gewinnen

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hre erste Begegnung? Hochsommer in Frankfurt, „wir saßen draußen beim Italiener, und die norddeutsche Brise, die von ihm ausging, war durchaus erfrischend. Sprachlich von Anfang an sehr ausbalanciert und pointiert. Ich dachte: ,Mensch, der ist ja ganz anders als ich‘“, sagt Peter Esser, über Sönke Reimers. Der sagt, es sei „zu Anfang etwas steif gewesen. Aber ich erinnere mich an sein elegantes Einstecktuch und sein perfektes Peter-Esser-Lächeln. Diese sympathische, gewinnende Art – später habe ich dann festgestellt, der kann auch anders.“ Und meint damit, dass sich Esser „so wunderbar schön aufregen, ihn aber nichts erschrecken kann“. Esser und Reimers. Sie beherrschen das verbale Florett. Und packen es gerne aus. Wie zwei

Teamkollegen, die sich im Training herausfordern, keiner den anderen schonend, aber einig im Ziel: Sie wollen zusammen besser werden. Und das nächste Spiel gewinnen. So verstehen sie auch ihre Aufgabe in der dfv Mediengruppe, deren gleichberechtigte Sprecher der Geschäftsführung sie seit Januar 2020 sind. Den Verlag kennen sie schon lange. Esser kommt 2005 vom Medical Tribune Verlag. Reimers wechselt 2010 vom Verlag der „Frankfurter Rundschau“ in die dfvGeschäftsführung. Für die Doppelspitze gibt es keine Probezeit. Plötzlich ist Pandemie. Homeoffice, Anzeigenstorni, Eventabsagen, Kurzarbeit. Beide Chefs erkranken kurz hintereinander an Corona, vorübergehend schwer. Die Tandemlösung bewährt sich in der Krise. „Wir haben schnell gehandelt

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und klare Entscheidungen getroffen“, sagt Sönke Reimers. Das Unternehmen zählt heute rund 820 Beschäftigte, vor Corona waren es knapp 1.000. Aus der Defensive mit nötigem Personal- und Kostenabbau hat sich die dfv Mediengruppe befreit. „Wir widmen uns schon längst wieder den Zukunftsthemen“, so Reimers. Der 75 Jahre alte Fachverlag ist mit seinen mehr als 100 Medienmarken in rund einem Dutzend Wirtschaftszweigen präsent. „Wir können Nische“, sagt Reimers. Jetzt gilt es, mit dem Wandel Schritt zu halten. Die Doppelspitze ist ehrgeizig. Wachstum spielt „eine große Rolle“, ebenso ordentliche Renditen, „um das Unternehmen resilient zu machen“. Das Digitalgeschäft soll „bis 2025 etwa die Hälfte des Umsatzes ausmachen“. Die Chefs spielen gerne offensiv. Auswärts, wie die Übernahme des Theaterverlags und die Beteiligung an Ferret Go, Marktführer für automatisierte Community-Lösungen, zeigen. Und im eigenen Haus: Die zu Beginn der Pandemie entstandene „Task Force“ hat sich zu einem internen Netzwerk entwickelt. Bis zu 100 Leute treffen sich jeden Mittwoch um 8.30 Uhr zum digitalen „Townhall-Meeting“. „Dadurch hat sich ein stärkeres Wir-Gefühl eingestellt“, sagt Sönke Reimers. Das gilt auch für das Chef-Duo. Esser und Reimers sind beide Jahrgang 1963, führungserfahren, mit dem Medienbusiness vertraut. Für die Rolle als Kapitän wäre auch jeder allein qualifiziert. Doch zu zweit fühlen sie sich wohler. „Wir haben große Aufgaben vor uns“, sagt Reimers, „und zu neuer Stärke kommen wir nicht, wenn nur eine Person vorne steht“. Es wird für die Doppelspitze noch genug Gelegenheiten geben, sich als Spitzendoppel zu beweisen. Roland Karle


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