turi2 edition #16, Agenda 2022/Nachhaltigkeit

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»Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte« Die „Wirtschaftswoche“ ist 95 Jahre alt, ihr deutsch-schweizer Chefredakteur Beat Balzli 55. Gemeinsam haben die beiden noch einiges vor Was steht bei der „Wirtschaftswoche“ ganz oben auf der Agenda 2022? Wir wollen die digitale Transformation der Redaktion weitertreiben. Subscription First ist die erklärte Strategie im Hause. Dafür ist es notwendig, dass sich die Redaktion weiterentwickelt, dass wir noch genauer gucken, wie wir das Engagement der Leser erhöhen können. Das geht nur, indem wir konsequent digital denken. Als Chefredakteur musst du immer fragen, was der ultimative USP deines Produkts ist. Und was ist das Alleinstellungsmerkmal der „Wiwo“? Wir Journalisten haben fast alle ein ähnliches Verständnis davon, was guten Journalismus ausmacht. Wir wollen gut geschriebene und exklusive Geschichten haben, den heißesten Scoop. Und wir wollen dem Leser die Welt der Wirtschaft noch besser erklären. Das ist alles richtig – aber es reicht nicht. Die Konkurrenz im Digitalen ist heute um ein Vielfaches größer als vor 20 Jahren am Kiosk. Deshalb ist auch für mich die Frage aller Fragen: Was kannst du tun, um die Loyalität deiner Leser zu steigern? Denn die Zeiten sind vorbei, in denen Menschen ein Print-Abo abgeschlossen haben und 50 Jahre dabeigeblieben sind.

Was tut Ihr also? Wir wollen neben exzellentem Wirtschaftsjournalismus noch mehr Nutzwert bieten, noch individueller auf die Situation der Leser eingehen. Dazu haben wir den „Wiwo-Coach“ gegründet und bauen das deutlich aus. Wir verbinden die Leser breit und fundiert zu passenden Themen mit verschiedenen Kreisen von je 15 bis 20 Experten. Die beantworten dann individuell und unabhängig die konkreten Fragen der Leser zu Steuern, Altersvorsorge, Immobilien Coaching im Job und so weiter. Was wurde eigentlich aus dem „WiWo-Club“ – ist der Corona zum ­Opfer gefallen? Der Club ist weiter sehr lebendig. Aber wir haben das ein bisschen anders ausgerichtet, orientieren uns am Nutzwert, den die Redaktion geben kann. Es hat sich erwiesen, dass der „Wiwo-Club“ immer von denselben Leuten genutzt wird. Du überzeugst also immer nur die Überzeugten. Es bringt kaum neue Leser, wenn der konkrete Mehrwert nicht ersichtlich ist. Im Sommer 2021 wurde die „Wirtschaftswoche“ 95 Jahre alt. Wie lange wird es sie noch gedruckt geben? Noch sehr lange. Immerhin die Hälfte der rund

80.000 Abonnenten lesen die „Wiwo“ auf Papier. Aber der langfristige Trend geht natürlich zum Digital-Abo. Schaut Ihr auch jeden Tag online, welcher Artikel wie viele Abos verkauft und optimiert danach Eure Themen? Klar, das ist tägliche Routine. Die ersten 15 Minuten jeder Redaktionssitzung schauen wir uns das Dashboard an und fragen: Was hat wie viele Digital-Pässe verkauft, welche Themen hatten hohe Reichweiten? Was ist auf Social Media gelaufen? Wir schauen aber auch: Welche Artikel haben die Abonnenten gelesen und wie hoch war die Lesedauer? Das sind entscheidende Faktoren für die Leserbindung und am Ende für die Haltbarkeit der Abos. Was klickt, was konvertiert? Alles ändert sich, aber eine Grundregel bleibt gültig: Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte – und die Leser erkennen Qualität. Eine exklusive, profunde, überraschende Story mit neuen Ansätzen und Fakten verkauft am besten. Daneben treibt die Deutschen ihr Eigenheim um. Seit Jahren sind alle Geschichten rund um Immobilien bei uns Bestseller. Die „Wiwo“-Leser interessieren sich aber auch für Klimaschutz, die Energiewende, das E-Auto,

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Wasserstoff. Sehr gut gehen auch GenerationenGeschichten, wenn zum Beispiel Herr Grupp von Trigema mit dem StartupInvestor Frank Thelen diskutiert. Da konnten die Leute zwei verschiedene Weltbilder miteinander abgleichen, das hat sehr viele Abos generiert. Mach uns doch mal den „Wiwo-Coach“ – auf was müssen wir uns 2022 in der Wirtschaft einstellen? Die große Frage ist natürlich: Wie kriegt die Welt Corona in den Griff und damit das LieferkettenChaos? Meine Prognose: Es wird vor allem bei den Chips länger dauern als wir jetzt denken. Das Sys-


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