»Wir müssen unsere Hände ausstrecken« Felicia Reinstädt hat mit Bremen Next das Jugendradio neu erfunden. Nun macht sie die dienstälteste Pop-Welle der ARD zukunftsfit
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Blick fürs Neue Felicia Reinstädt lernt an der DJS, geht zum BR – und landet schließlich als Chefin in Bremen
as nächste Projekt von Felicia Reinstädt ist ein privates und ihr bisher wahrscheinlich größtes: Die Programmchefin von Bremen Vier und Bremen Next erwartet ihr erstes Kind. Das Gespräch führt sie aus dem Mutterschutz. Seit sechs Jahren ist die 39-Jährige die Frau für neue, ungewöhnliche Aufgaben bei der kleinsten ARD-Anstalt im Land: Sie kommt 2015 an die Weser, um das crossmediale Jugendangebot Bremen Next aufzubauen. Viel Zeit hat sie dafür nicht – nur anderthalb Jahre bleiben bis zum Sendestart am 17. August 2016. Reinstädt macht vieles anders als es im öffentlichrechtlichen Kosmos üblich ist: Sie mietet ein Ex-Nagelstudio in der Bremer Innenstadt für Sendestudio und Redaktion. Am Mikrofon grüßen keine erfahrenen Moderatorinnen, sondern Quereinsteigerinnen, die sie unter jungen Bremer Kulturschaffenden findet. Als Felicia Reinstädt 2005 ihre ersten Schritte im Bayerischen Rundfunk macht, mag Radiomoderatorin für viele ein Traumjob sein. Heute haben junge Kreative andere Möglichkeiten, sich auszudrücken – etwa als Influencerinnen. „Wir können nicht mehr warten, bis die Leute zu uns kommen, wir müssen unsere Hände ausstrecken“, sagt Reinstädt. Für die unerfahrenen Bremen-NextModeratorinnen bedeutet das: training on the job. Und für die Chefin: Geduld, wenn nicht alles auf Anhieb klappt. So ein Ansatz polarisiert – nicht nur nach außen: „Die
83 · turi2 edition #15 · Bewegung
Geschäftsleitung ist bereit, ein Programm zu machen, dass auch mal weh tun kann“, sagt Reinstädt. Auch deswegen hat sie diesen Job angenommen. Im Radio hören zwar durchschnittlich 27.000 Bremerinnen pro Stunde zu. Weil es aber viele junge Leute gibt, die kaum oder gar nicht mehr einschalten, muss Bremen Next auch auf Social Media stark sein: Bei Instagram folgen dem Sender 40.000, bei TikTok 53.000 Menschen. Die Facebook-Präsenz schlummert dagegen vor sich hin, weil viele der 15- bis 25-Jährigen, die das Programm erreichen will, nicht mehr dort sind. Der Programmchefin ist es wichtig, junge Menschen abzuholen. Wenn nicht gerade Corona ist, auch bei Clubnächten, die der Sender veranstaltet. Seit Anfang 2021 leitet Reinstädt zusätzlich die dienstälteste Popwelle der ARD, Baujahr 1986: Bremen Vier. Von der Zielgruppe der 25- bis 49-Jährigen schalten in Bremen 76.000 pro Stunde ein. Dass sie den Sender mit jungen, wilden Konzepten umkrempelt, ist nicht zu erwarten. Bremen Vier soll eine starke Radio-Marke bleiben, aber auch darüber hinauswachsen. Reinstädt freut sich etwa über ein breites Interesse an Online-Seminaren in ihrem Team. Es ist ihr wichtig, dass Mitarbeiterinnen die Sinnhaftigkeit von Veränderungen verstehen. Dabei geht sie mit gutem Beispiel voran: „Ich habe im Laufe meines Berufslebens immer wieder neue Antworten auf die gleichen Fragen gefunden, weil die Medienwelt sich verändert hat.“ Markus Trantow