In Aufbruchstimmung Steckt der Tourismus in der Krise, müssen Fachverlage wie FVW Medien Auswege suchen
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Die MDR Media will Werbeplätze im Mitteldeutschen Rundfunk neu vermarkten. Und setzt dabei auf Regionalstolz statt Trabi-Nostalgie
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er Norden im NDR, im WDR der Westen, für den Südwesten der SWR: Im öffentlich-rechtlichen Portfolio taucht jede Himmelsrichtung auf – bis auf den Osten. Thüringen, Sachsen und SachsenAnhalt erscheinen sperrig-neutral als „Mitteldeutschland“ im MDR auf der Senderliste. „Niemand spricht im Alltag von Mitteldeutschland“, sagt Nicole Tuchard, Kommunikationschefin der MDR Media. Zielgruppe der MDR-Vermarktungstochter sind Werbetreibende aus ganz Deutschland. Ihre aktuelle Kampagne trägt den selbstbewussten Titel „Die Kraft des Ostens“. „Wir wollen zeigen: Der Osten ist eine tolle Region mit interessanten Menschen“, sagt Tuchard, „Leipzig, Erfurt, die Altmark sind genauso attraktiv wie Düsseldorf oder der Bayerische Wald“. Die buchenden Unternehmen vor Ort wissen das. Nun sollen das auch die großen Mediaagenturen im Rest der Republik verstehen. Die lange vorherrschende Sorge, dass das Wort Osten grau und verstaubt klingt, hält Tuchard für überholt. „Für die Generation der Mediaplaner, die im Schnitt zwischen 25 und 40 sind, ist das kein Thema mehr. Wir blicken mit unserer Kampagne nach vorne, nicht zurück. Die Anzeigen in Fachmagazinen setzen reale Menschen aus der Region in Szene.“ Ein junger Mann mit Bart und Basecap schwenkt da zum Beispiel mit tätowiertem Arm einen Ghettoblaster. Ein Slogan der Kampagne: „Wer ganz Deutschland erreichen will, kommt um den Osten nicht herum.“ Auch der MDR selbst nimmt immer mehr Bezug auf die Region und arbeitet mit Formaten wie „Sport im Osten“ und dem „schnellsten Verkehrsservice des Ostens“, statt komplizierte Wortkonstruktionen fürs Sendegebiet zu verwenden. Da passen Werbespots ins Programm, die die Menschen der Region authentisch ansprechen. „Die Leute hier wollen ernstgenommen werden“, rät Nicole Tuchard Werbenden ohne Ortskenntnis. Ein überzogener Sachsen-Dialekt beispielsweise käme gar nicht gut an. Anne-Nikolin Hagemann
15 | 2021 23. JULI 2021 55. Jahrgang C 5071
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82 · turi2 edition #15 · Bewegung
Aus zwei mach eins
Die Fachmagazine „fvw“ und „Travel Talk“ leben als „BusinessPlattform der Reisebranche“ weiter
Fotos: xxx
Im Osten was Neues
ls im Frühjahr 2020 Begriffe wie Reisewarnung, Urlaubsstornierung, Staatshilfe Karriere machen, vollzieht die Tourismuswirtschaft eine Vollbremsung. Davon betroffen ist auch die Fachpresse, allen voran die 1967 als „Fremdenverkehrswirtschaft“ gegründete „fvw“ und ihre gut 30 Jahre jüngere Schwester „Travel Talk“. Die beiden Fachmagazine der Hamburger FVW Medien, seit 2013 Teil der dfv Mediengruppe, spüren schmerzhaft, dass ihre Kundschaft gerade andere Sorgen hat, als Geld für Anzeigen, Abos und Kongresse auszugeben. Weil das Printgeschäft schon vor Corona keine pure Freude mehr gewesen ist, steht für FVW-MedienGeschäftsführer Peter Esser schnell fest: „Wir müssen unsere Strukturen dem veränderten Marktumfeld anpassen.“ Die wichtigste Konsequenz: Die beiden Fachtitel, inklusive Redaktionen, werden zu einem verschmolzen: „fvw|TravelTalk“. Trotz erheblicher Einbußen gehört das Magazin, gemessen am Werbeumsatz, zu den 25 größten deutschen Fachmedien im vergangenen Jahr. Fast immer heißt „Strukturen anpassen“ auch Personal reduzieren, in diesem Fall um ein Drittel auf aktuell 46 Mitarbeiterinnen. Esser betont aber, dass „ein ganz neues Magazin konzipiert und digitale Formate vorangetrieben wurden“. Motto: Die Krise bekämpfen statt aussitzen. Dabei hilft der Medienmarke ihr Renommee in der Reisebranche, was sich allein daran zeigt, dass die Zugriffe auf die Website fvw.de im ersten Corona-Jahr um 170 Prozent gestiegen sind. Gute Voraussetzungen also, „um digitale Veranstaltungen als neues, hochrentables Geschäftsfeld zu erschließen“, sagt Esser. Am ersten virtuell ausgerichteten fvw-Kongress im September 2020 nehmen mehr als 2.200 Personen teil. Auch die „Counter Days“, eine Art virtuelle Urlaubsmesse für die Branche, wird mit 170 Ausstellern und 2.900 Besuchern ein Erfolg. Die Pandemie hat tiefe Spuren in der Touristik hinterlassen, sagt Esser. „Aber wir haben es geschafft, Aufbruchstimmung zu erzeugen.“ Roland Karle