»Hinterm Deich grasen einige, die das Potential zum Einhorn haben« Bernd Buchholz, Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, über Journalismus, Mobilität und frische Startup-Luft
Herr Minister, beim Thema Mobilität in der Medienbranche fällt mir sofort ein Spruch ein, mit dem Sie 2008 Ihr Personal bei Gruner + Jahr verschreckt haben: Die „Leute auf dem Sonnendeck“ sollten „ihre Liegestühle und Drinks beiseite stellen“. Haben Sie diese Ansage je bereut? Zwischendrin schon. Aber am Ende war sie ja nicht so falsch, wenn man den ungeheuren Umbruch sieht, den die Medien seit 2008 durchlaufen haben. Werden Sie – außer in diesem Interview – noch darauf angesprochen? Nein, außerhalb der Medienbranche ist das kein Thema mehr. Sie selbst haben erstaunliche Mobilität bewiesen: Sie sind von der Politik in die Medienwirtschaft gewechselt und mit Erfolg zurück in die Politik. Welcher Wechsel war schwieriger? Der Wechsel zurück in die Politik war wesentlich
schwieriger. Als ich zu G+J kam, habe ich mich vom Trainee hochgearbeitet. Aber als ich als Vorstandsvorsitzender ausgeschieden war und in die Politik zurückgegangen bin, da haben viele gefragt: Was will der denn hier? Was nervte Sie in den Medien am meisten? Das unglaubliche Beharrungsvermögen vieler Journalisten und die strikte Weigerung, den strukturellen Wandel der Medienlandschaft anzuerkennen. Viele haben zu lange negiert, dass sich das Medienkonsumverhalten von Menschen grundlegend geändert hat durch die Digitalisierung. Was nervt in der Politik? In der Politik nervt mich am meisten die Einstellung: „Wenn es nicht von uns kommt, muss es vom Teufel sein.“ Das sollten wir überwinden. Ich scheue mich nicht, im Landtag von SchleswigHolstein zu sagen, dass die Vorgängerregierung sehr gute Entscheidungen
in bestimmten Bereichen getroffen hat. Wie hell ist die Zukunft für den QualitätsJournalismus? Qualitativ hochwertiger Journalismus hat eine große Zukunft, denn er wird gerade in der digitalen Welt gebraucht. Ich bin optimistisch, dass Qualitätsmedien weiter eine erhebliche Rolle spielen werden – wenn auch nicht mehr in der Größenordnung wie früher. Sehen Sie schon das Geschäftsmodell der Zukunft? Es wird immer Menschen geben, die bereit sind, für wertvolle Inhalte Geld auszugeben. Aber vielleicht entstehen gerade irgendwo Geschäftsmodelle, die wir noch gar nicht sehen. Wie viele Medienunternehmen haben Sie schon nach SchleswigHolstein gelockt? Das war nie mein Ziel. In Schleswig-Holstein setzen wir auf Gesundheitswirt-
Bernd Buchholz wird 1961 in Berlin geboren, promoviert 1990 zum Dr. jur. und wird Landesvorsitzender der Jungen Liberalen in Kiel. 1996 startet er als Trainee bei Gruner + Jahr. 2004 wird er dort Zeitschriftenvorstand, 2009 CEO. 2012 folgt die Trennung. Seit 2017 ist Buchholz FDP-Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein
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