turi2 edition #14 Social Media

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Doro Bär, was war das erste Social Network, in dem Sie aktiv waren? ICQ. Ich habe studiert, es war Anfang 2000, mein zwei Jahre jüngerer Bruder hat es mir gezeigt. Auf dem Bildschirm ploppten kleine Text-Botschaften auf, die man im Chat oder auch zeitversetzt beantworten konnte. Wir haben untereinander spannende Nachrichten ausgetauscht. Oder sagen wir: das, was wir für spannend hielten. Was ist heute Ihr liebstes Network? Am wohlsten fühle ich mich auf Instagram: Die Community ist nett zueinander und pflegt einen sanften Umgangston. Für politische Themen nehme ich Twitter. Das ist das deutlich anstrengendere Medium, denn dort herrscht meist ein rauer Ton. Insgesamt hat jeder Social-Media-Kanal seine eigene Dynamik. Welche? Ich kann eigentlich schon im Vorfeld sagen, wie die Reaktionen auf jedes einzelne Posting in den Kanälen ausfallen werden. Poste ich ein Foto auf Instagram, bekomme ich tausend Herzchen und Kommentare wie „großartig“. Auf Facebook reicht die Kommentierung von „ganz toll“ bis „furchtbar“. Auf Twitter wird man in aller Regel komplett verrissen. Und auf Linked-in erklären mir gern Männer die Welt. Sie bespielen Instagram, Twitter, Facebook und Linked-in – wie viele Helferinnen haben Sie dafür eigentlich? Ich bespiele alle meine Accounts im Wesentlichen selbst. Gelernt habe ich es auch ohne Helfer, einfach

by doing. Bei TikTok bin ich noch am Lernen. Wer macht all die schicken Fotos, die Sie im Wald joggend oder bei der Blutspende zeigen? Zuhause sind es meine Kinder, die sind da sehr geschickt. Zusätzlich zur Familie eigentlich jeder, der in der Nähe ist: Im Wald beim Joggen ist das meine Freundin, in Berlin sind es meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich ja bei meiner täglichen Arbeit ohnehin begleiten. Und dann frage ich auch mal Touristen – wer mit einer Kamera umherläuft, der kann meistens auch fotografieren. Keine Angst, dass sich jemand mit dem Smartphone der Staatsministerin auf und davon macht? Bei freundlich dreinschauenden Menschen habe ich da keine Befürchtung. Meine Eltern hatten mir als Kind eine Spiegelreflex-Kamera geschenkt. Ich fand es damals schade, wenn die Bebilderung des Urlaubs ohne mich auf dem Foto stattfand – so als sei ich gar nicht dabei gewesen. Deswegen habe ich damals schon die Kamera freimütig aus der Hand gegeben, damit ich auch auf den Bildern drauf sein kann. Ich habe einfach ein Grundvertrauen in die Menschheit. Wie finden Sie das richtige Maß an Selbstdarstellung? Ich habe anfangs gezögert, mich selbst im Bild zu zeigen. Denn es ist ja nicht so, dass ich jeden Tag aufstehe und denke, es gibt nichts Besseres oder Interessanteres als ein Bild von mir selbst. Hinter jedem

»Social Media ist wie ein Messer: Ich kann mit ein und demselben Messer ein Nutella-Brot schmieren oder jemanden erstechen«

Post steht ja vielmehr eine Botschaft, die mir wichtig ist. Ich habe aber schnell gelernt, dass Fotos ohne mich nicht funktionieren. Schließlich bin ich keine Food- oder EinrichtungsBloggerin und auch kein Natur-Fotograf. Ich bin Politikerin – und die Leute wollen etwas von mir sehen. Seitdem ich mich zeige, erreiche ich die Menschen viel besser. Droht das ewige Posieren nicht als Egozentrik rüberzukommen – und den Blick auf die Sachfragen zu verstellen? Das ist natürlich eine Frage der Balance. Gleichzeitig muss man verstehen und akzeptieren, wie Kommunikation auf sozialen Medien funktioniert und wie sich Inhalte transportieren. Meine Erfahrung ist: Menschen interessieren sich für Menschen. Also gebe ich den Menschen einen Einblick in einen wesentlichen Teil meines Lebens. Gleichzeitig versuche ich zu zeigen, dass oft eine gehörige Portion Selbstironie dabei ist und ich mich nicht zu ernst nehme. Als Sie 2019 den Deutschen Computerspielpreis in einem Korsagen-Kleid mit rotem Leder-Bustier überreicht

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haben, war das Echo lebhaft. Selbst die seriöse DPA sprach von einem „gewagten Outfit“. War das zu viel Inszenierung? Was heißt hier Inszenierung? Ich war dem Anlass entsprechend gekleidet. Ich habe den Deutschen Computerspielpreis mitgegründet und kenne mich ja aus, wie ausgefallen die Outfits bei den Preisverleihungen sind. Die Coder und Besucher laufen alle verkleidet oder maskiert herum. Ich war eigentlich eher der Annahme, dass ich da gar nicht so auffallen würde. Sie haben drei Kinder in schulpflichtigem Alter. Bekommen Sie schon mal zu hören: Mama, dein Post ist voll peinlich? Na klar, wie alle Eltern bin ich meinen Kindern manchmal peinlich. Das wird wohl immer so sein und gehört dazu, wenn Kinder erwachsen werden. Apropos Kinder: Wer übernimmt bei Ihnen zu Hause das Home-Schooling? Die Älteste braucht und will auch keine Hilfe. Sie kommt allein zurecht und möchte zeigen, wie selbstständig sie schon ist. Aber die beiden Jüngeren brauchen Unterstützung. Wir leben zum Glück in einer Großfamilie. Eines ist klar: Home-Schooling und Home-Office führen zu Zielkonflikten. Corona hat gezeigt, dass wir große Digitalisierungs-Lücken haben, siehe die Gesundheitsämter, siehe digitaler Unterricht. Ziehen Sie sich diesen Schuh an? Ich finde, wir sollten


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