turi2 edition #14 Social Media

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Sorgsam verwittert:

Kai Diekmann pflegt auf seinem Zweitwohnsitz in Heringsdorf auf Usedom einen betont analogen, erdig-nostalgischen Wohnstil. Den Stil gibt Ehefrau Katja Kessler vor (Instagram: ­ @katjakesslerkreation), er nennt sich Vinterior – gammlig meets teuer. Eine Treppe von der Villa Meeresstern zum Strand ist in Bau. Nächste Seite: Die Wendeltreppe einer alten Kirchenkanzel schmückt das Gästehaus. Es kann tageweise gemietet werden, genau wie der Hausherr

Kai Diekmann, ist Social Media der neue Boulevard? Ist Selbstentblößung die neue ­Homestory? Wer schlau ist, hat sich schon früher mit einer Homestory nicht entblößt. Sondern nur gezeigt, was die Menschen sehen und annehmen sollen. Und Social Media ist das Tool, diesen Ansatz noch zu professionalisieren: Ich bin der Herr meines Narrativs, ich kann selber entscheiden, was ich zeige und was ich nicht zeige. Ich liefere mich nicht aus, sondern dosiere den Einblick in mein Leben ganz präzise. Am Ende gelten für den Erfolg auf Social Media die gleichen Regeln wie im Journalismus: Eine Geschichte muss unterhaltend, spannend,

relevant sein – ganz egal, ob sie von einem Firmenchef gepostet wird, einem Influencer oder von einem Journalisten. Sind Facebook, Twitter und YouTube die Fortsetzung der Straßenverkaufszeitung mit neuen Mitteln? Natürlich funktionieren die digitalen Medien ebenso über Emotionen und Bilder wie Boulevardmedien. Auch sie stellen immer den Menschen in den Mittelpunkt. Das ist eine anthropologische Konstante: Nichts interessiert Menschen mehr als andere Menschen. Zeitungen wie die “FAZ” gehen davon aus, dass der Mensch logisch und rational entscheidet – wir bei „Bild“ sind immer vom

Gegenteil ausgegangen: die Emotion, das Bauchgefühl entscheidet. Nach 16 Jahren als Chefredakteur der „Bild“ steckten Sie in einer Sackgasse und mussten sich neu erfinden. Aber warum gerade als Experte für Social Media? Ich steckte nirgendwo, im Gegenteil hatte ich das Gefühl, bei „Bild“ ständig auf dem Highway zu sein. Aber wenn Sie die Route 66 ein paarmal rauf und runter gefahren sind, dann schauen Sie eben, ob es anderswo spannende Abfahrten gibt. Als Chefredakteur der „Bild“ war ich der Gatekeeper, der Agenda-Setter, der entschieden hat, wer mit welcher Botschaft Zugang zu einem Massenpubli-

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kum erhält. Doch jetzt ist der Redakteur einer Zeitung, beim Fernsehen oder beim Radio entmachtet. In Teilen entmachtet. Auch Kai Diekmann gibt sich ja einige Mühe, hier in diesem altmodischen Printmedium gut rüberzukommen. Einverstanden: Der Journalist ist in Teilen entmachtet. Und weil in Deutschland Print immer noch relevant stark ist, haben wir ja auch Storymachine Classic gegründet. Aber: Social Media liefert die Tools, mit denen jeder direkt sein Publikum erreichen kann. Dieser Gedanke hat mich umgetrieben. So bin ich auf den Gedanken „Storymachine“ gekommen.


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