26 Unterschätzt die Werbebranche Snapchat, Liane Siebenhaar?
Fotos: BauerMedia, Carolin Auer, PR
Liane Siebenhaar ist Geschäftsführerin der Agentur Kolle Rebbe, vorher war sie drei Jahre Kreativ-Chefin bei der Snapchat-Mutter Snap im deutschsprachigen Raum
Als ehemalige Mitarbeiterin von Snapchat kenne ich die Vorteile der Plattform in- und auswendig. Durch die Arbeit und die eigene Nutzung. Ich habe ein Bitmoji, das so aussieht wie ich, Streaks und so ziemlich jede Kategorie von AR-Lenses auf dem Gesicht gehabt, die es gibt. Snapchat macht Spaß und ist eine der kreativsten Plattformen – und meines Erachtens immer noch unterschätzt. Aber warum gibt es eigentlich nicht noch mehr spannende Kampagnen, die auf Snapchat gespielt werden? Warum werden die Potenziale nicht ausgeschöpft? Ein Grund ist die subjektive Relevanzeinschätzung: Bei MarketingEntscheiderinnen und Werbeschaffenden findet teils ganz unbewusst eine „kognitive Verzerrung“
statt. Fakt ist: Snapchat wird in Deutschland vor allem von der Generation Z, also von Menschen zwischen 13 und 24, verwendet. Die meisten in der Branche sind jedoch ein wenig älter und glauben, was sie sehen. Und das sind auf ihrem oder dem Handy ihrer Freunde vor allem andere Plattformen. Was dabei unterschätzt wird, ist, dass Snapchat einer der relevantesten Kanäle in der Generation Z ist: Bei ihr liegt Snap in Deutschland sogar vor YouTube, Instagram, Facebook, Twitter und Pinterest. Die täglich aktiven Nutzerinnen sind im Durchschnitt pro Tag mehr als 30 Minuten auf der Plattform, checken 30 Mal ein und nutzen Augmented Reality drei Minuten lang. Das ist
echte Relevanz und echtes Engagement-Potenzial. Ein weiterer häufiger Grund, Snap nicht einzusetzen, ist, dass andere Kanäle bereits etabliert sind und es dann zu kompliziert wird, noch weitere neue Kanäle zu nutzen. Die Social-MediaLandschaft wird mit all ihren Möglichkeiten und Hypes immer komplexer. Und Komplexität will gemanagt werden. Was dabei unterschätzt wird, ist jedoch, dass Snapchat über eine Technologie verfügt, die keine andere Plattform in der Form bisher replizieren konnte: Augmented Reality ist auf Snapchat skalierbar, denn sie ist Teil der natürlichen Nutzung. Nach dem Hype ist vor dem Hype: Snapchat ist rasant gewachsen. 2015 habe ich mich registriert,
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2017 wurde die erste Kampagne in Deutschland umgesetzt. Doch die Umsetzung war nicht ganz einfach, denn der Hype war da, bevor Snap mit einem Team in Deutschland unterstützen konnte. Dadurch haben sich Vorurteile verankert, wie etwa: Augmented-Reality-Lenses bräuchten zwölf Wochen in der Produktion. Einige haben dies noch im Kopf, während andere auf den nächsten Hype aufgesprungen sind und gar nicht mehr wissen, was der aktuelle Stand bei Snapchat ist. Dabei ist die SnapchatMutter eines der innovativsten Unternehmen der Welt. Die App entwickelt sich rasant weiter. Wer sie im letzten Jahr nicht geöffnet hat, sollte ihr unbedingt eine neue Chance geben.