24 Was läuft anders beim Community-Building für die Generation 50+, Bastienne Früh? Das Bedürfnis nach Qualität und vertrauenswürdigen Inhalten, nach sozialen Kontakten und Vernetzung ist in der Krise enorm gewachsen. Vor allem in der Generation 50+: Die Kinder sind aus dem Haus, das Einkommen steht wieder für die eigenen Träume zur Verfügung. Aber wohin, wenn Treffen mit der Reisegruppe oder der Theater-Clique unmöglich sind? Digitale Alternativen und Communities sind gefragter denn je und werden auch nach der Krise weiter wachsen. In der Zielgruppe 50+ liegt
Früh ist Verlagsleiterin Women bei Bauer Media
für uns Publisher genauso wie für Instagram oder Spotify das am stärksten wachsende, digitale Nutzerinnen-Potenzial. Community Building
in der Zielgruppe 50+ ist jedoch deutlich herausfordernder, denn diese Zielgruppe fordert Qualität in den sozialen Medien. Sie sind kritischer und bei Weitem nicht so leicht zu begeistern wie die Digital Natives der Generation Z oder der Millennials. Dabei wird die Generation 50+ zur Risiko-Zielgruppe, wenn wir sie digital nicht ernst nehmen. Sie erwarten von digitalen Angeboten einen echten Mehrwert, hohe Relevanz, exzellenten journalistischen Content. Sie haben einen starken Authentizitäts-Anspruch.
Sie wissen, was sie wollen und sind neugierig, gönnen sich gerne etwas, probieren aus, geben ehrliches Feedback und wollen aktiv mitgestalten – eine perfekte Mischung für eine aktive, nachhaltig erfolgreiche Community. Wir haben in der Interaktion mit den Leserinnen unseres „Meins“-Magazins und im Kontakt mit den Frauen auf unseren bundesweiten Events eine starke Gemeinschaft geschaffen und erlebt. Corona hat den Ausbau hin zu einer digitalen Community in den sozialen Medien für uns beschleunigt.
25 Wie sieht das perfekte soziale Netzwerk aus, Julia Probst? Gibt es das überhaupt? Die Menschen sind ja doch sehr verschieden in ihrem Konsum. Aber man kann perfekte Bedingungen schaffen: Wie wäre es mit einem individuellen Baukastensystem, bei dem jeder einstellen kann, was er oder sie braucht? Als Gehörlose würde ich mir dieses Grundgerüst wünschen: Jemand postet ein Bild oder Video, es erscheint die Aufforderung, eine Bildbeschreibung für Blinde verpflichtend dazu zu packen oder Untertitel zum Video hinzuzufügen, sonst ist das Posten gar nicht möglich. Würde dieser Zwang gut tun? Ich weiß es nicht, andererseits
mache ich die Erfahrung, dass Freiwilligkeit bei der Umsetzung der Barrierefreiheit nicht hilft, denn alle notwendigen Infos über die Herstellung der Barrierefreiheit erreichen längst nicht alle Menschen. Bei einem Zwang würden sich vielleicht mehr Menschen Gedanken darüber machen und es würde mehr sozialer Austausch entstehen. Mir ist völlig klar, dass das derzeit ein Mehraufwand ist, aber vielleicht hilft die KI demnächst dabei, dass Gehörlose und Blinde nicht mehr auf Barrieren stoßen. Dann wären wir schon etwas näher dran am perfekten sozialen Netzwerk.
Ein bisschen Zukunftsmusik durfte ich neulich jedenfalls schon schnuppern: Google Chrome hat beim Abspielen von Video- und Audio-Inhalten die automatische Untertitelfunktion eingeführt. Das funktioniert sogar, wenn der Rechner offline ist. Ein Manko: Sie funktioniert nur bei englischsprachigen Inhalten. Aber immerhin. Irgendwann in Zukunft, wenn Avatare so weit ausgereift sind, dass sie auch Gebärdensprache beherrschen, könnte ich mir vorstellen, dass man sich online einen Avatar dazu klickt, der einem einfache Texte und Videos in Gebärdensprache übersetzt.
180 · turi2 edition #14 · Social Media
Julia Probst ist Bloggerin, Politikerin und Lippenleserin
Ihr Einsatz wäre begrenzt, Avatare können und sollen die echte Gebärdensprach-Dolmetscherin nicht ersetzen. Aber für den Einsatz in einem perfekten sozialen Netzwerk – warum nicht?