Klares Ja. Ich selbst habe das während meiner Krebserkrankung vor vier Jahren erlebt. Während der Therapie hatte ich eine schlimme Krise. Ich fühlte mich total zerschossen, hatte keine Kraft mehr, weiterzumachen. Lieber noch die fünf einigermaßen guten Monate, die mir prognostiziert waren, mit dem Krebs verbringen und dann sterben, als mich weiter behandeln zu lassen. Es waren meine Familie und Freunde, die mich dazu brachten, nicht aufzugeben. Sie sagten: „Wir schaffen das.“ Nicht „Du schaffst das“ oder „Es wird schon wieder“, sondern „Wir schaffen das.“ Dieses „Wir“ hat mir den Mut gegeben, weiterzumachen. Über die sozialen Medien war dieses „Wir“ ständig präsent und spürbar. Ich war nicht allein in einer Situation, in der man notgedrungen sehr auf sich selbst zurückgeworfen wird. Ich bin sicher, das Wissen um das „Wir“ hat mein Leben gerettet. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich 2018 mit Freunden und Betroffenen yeswecan!cer gegründet. Ein Netzwerk von Krebskranken und Angehörigen, die in der größten Krise ihres Lebens Kraft aus der Gemeinschaft schöpfen können. Noch viel zu häufig führt Krebs in die soziale Isolation. Es ist eine Tabu-Krankheit. Das ist auch deshalb schlimm, weil wir aus vielen Studien wissen, dass Kommunikation die Hei-
Fotos: Peter Müller, HR Katrin Denkewitz
20 Kann Social Media Leben retten, Jörg A. Hoppe?
TV-Produzent und Aktivist Jörg A. Hoppe mit MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig
lung fördert. Unser Claim bringt auf den Punkt, was wir erreichen wollen: „Du bist nicht allein.“ Offenbar geht es vielen Menschen so wie mir damals, denn das Angebot wird angenommen: Heute, Anfang 2021, sind 12.000 Krebs-Betroffene in der Yes!App registriert. Bei der Yes!Con, der ersten digitalen Krebs-Convention im Herbst 2020, schauten über 40.000 Menschen zu. Und ja, viele Menschen schreiben uns, dass sie erst im Austausch mit anderen Betroffenen die
Kraft gewonnen haben, den Kampf gegen den Krebs aufzunehmen. Mehr noch: Durch unsere digitalen Formate treffen viele Yes!AppUserinnen auf medizinische Spezialistinnen, von denen sie bis dahin nichts wussten und die ihnen weiterhelfen können. Gerade erst haben wir eine Nachricht von einem metastasierten Krebskranken bekommen. Über ein Leserforum, das wir mit der „Braunschweiger Zeitung“ veranstaltet haben, ist er auf die Yes!App und
176 · turi2 edition #14 · Social Media
einen Arzt gestoßen, der ihn lebensrettend operiert hat. Schon für diesen einen Menschen war es wert, yeswecan!cer ins Leben zu rufen. Klar ist: Digitale Tools in der Medizin sind nie ein Selbstzweck, sie dienen immer dem Austausch zwischen Menschen, zwischen lebendigen Menschen. Dann können sie Leben retten.