turi2 edition #14 Social Media

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So hilfreich das Home-Office gerade ist: Aus Zoom wird nie ein Lagerfeuer. Ein Winken am Bildschirm kann keine Umarmung ersetzen. Der soziale Kontakt fehlt vielen Menschen in Deutschland. Sie klagen über Angst, Stress, Einsamkeit und Depressionen. Das Hohelied aufs Home-Office kennt auch Moll-Töne. Wer die als Unternehmerin überhört oder aus Gewinnsucht vom dauerhaften HomeOffice für alle träumt, der

verkehrt Digitalisierung ins Unmenschliche. So viele Freiheiten und Möglichkeiten uns die sozialen Medien auch bieten: Zuviel des Guten ist der Freund des Schlechten. Wir merken gerade, wie übermäßiger Konsum unsere Kinder in der Pandemie von der Wirklichkeit entkoppelt. Wie Parallelwelten entstehen, die in Sucht, Apathie und Depressionen führen. Wie echte Freundschaften durch Lockdowns verfallen – und falsche auf

TikTok und Co entstehen. Bei denen die Sucht nach jedem Like nur ein digitaler Schrei nach Liebe ist. Soziale Medien sind auch ein Treiber dafür, dass sich Teile der Gesellschaft immer weiter abspalten. Sie befeuern Wut und Angst. Sie geben Menschen einfache Antworten – nur kommen die leider meist von den Falschen. Brauchen wir wegen all dem weniger Digitalisierung? Ganz und gar nicht. Aber eine mit Verantwortung. Die

kommt über wache Augen in Kinderzimmern daher. Über Führungskräfte, die statt Zahlen vor allem Menschen sehen. Genau wie über Medien, die ihre Kernkompetenz tagtäglich leben. Und sich das Heft des Handelns nicht von digitalen Verschwörungstheoretikerinnen aus der Hand nehmen lassen.

Fotos: Vodafone, Privat

15 Hätte Jesus heute einen Instagram-Account, Josephine Teske? Immer wieder kamen Menschen zu Jesus und baten ihn: Erzähle uns von Gott! Dann erzählte er ihnen von Gott und seiner Liebe zu uns allen. Er lehrte sie beten. Viele hörten ihm zu. Er ging zu den Menschen. Dahin, wo er gerufen und gebraucht wurde. Wäre er zu Instagram gegangen? Schwer zu sagen. Nicht einmal ein spontanes Bauchgefühl habe ich dazu. Ich glaube, Jesus war am Puls der Zeit. Dort, wo die Menschen waren. Heute wären das die sozialen Medien, keine Frage. Unsicher bin ich, ob Jesus sich in den Mittelpunkt gestellt hätte. Selbstdarstellung war ihm fremd. Und sind wir mal ehrlich, Instagram ist genau dafür da. Jesus ging es nicht um sich selbst, Jesus ging es immer um die anderen. Ob er Instagram dafür gebraucht hätte? Wer ihn hören wollte, kam. Jesus

wollte den Menschen nahe sein. Sie ansehen und erkennen, was in ihnen steckt. Das wahre Wesen eines Menschen konnte er erkennen. Nicht weil er magische Kräfte besaß, sondern weil er zuhörte und hinsah. Hinter die Fassade blickte. Instagram kann das nicht bieten. Instagram ist Output und Konsum. Als @seligkeitsdinge_ kann ich die Botschaft Jesu jeden Tag in die Welt rufen. Ich kann den Menschen heute das sagen, was Jesus gelehrt hat. Und ich spüre jeden Tag, wie wichtig das für die Menschen ist, die mir folgen. Die Botschaft Jesu hat bis heute nicht an Relevanz verloren. Die Antworten auf die Fragen des Lebens werden mehr denn je als Anker gebraucht. Aber ich bin nicht Jesus. Und Instagram ist oft nur einseitig. Ich gebe meine Gedanken, meine

Josephine Teske ist Pastorin und Bloggerin

Gefühle und Erfahrungen. Jesus hätte das nicht gereicht. Jesus hätte den Menschen, der ihm schreibt, kennenlernen wollen. Beim Namen rufen – nicht beim Profilnamen. Und mehr sehen wollen als ein kleines rundes Bild. Jesus wäre mit einem Instagram-Account unglücklich geworden. Er hätte viele Followerinnen gehabt. Aber der Algorithmus hätte ihn

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schnell bestraft und seine Reichweite eingeschränkt. Jesus hätte zu wenig Zeit in Instagram gesteckt, weil ihn das von der analogen Begegnung abgehalten hätte. Wahrscheinlich hätte er auch wenig Content gehabt. Weil er keine Lust gehabt hätte, sich Gedanken darüber zu machen, ob es ein Foto wert ist, dass er gerade 5.000 Menschen mit drei Broten versorgt. Oder ob er ein Reel davon drehen sollte, wie er aus Wasser Wein macht. Ja, beides wäre durch die Decke gegangen. Aber es war nicht das, was er wollte. Nein, Jesus hätte keinen Instagram-Account. Aber seine Jüngerinnen. Ich bin eine Jüngerin Jesu. Meine Aufgabe ist es, von ihm und seiner Botschaft zu erzählen, Nächstenliebe zu predigen und zu leben. Das tue ich dort, wo die Menschen sind. Auf Instagram.


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