turi2 edition #14 Social Media

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3 Ersetzt der Facebook Messenger die Kunden-Hotline, Eva Balashazy? Ein klares Nein. Es ist mittlerweile sehr gut möglich, wichtige und dringliche Themen via Social Media zu lösen. Wer aber ein kompliziertes, erklärungsbedürftiges Anliegen hat, wird weiterhin zum Hörer greifen: Bei Fragen oder Problemen suchen wir nach dem kürzesten, direktesten Kontaktpunkt, um die Lösung zu finden. Für viele ist das immer noch die Hotline oder der nächste Shop. Zum Teil auch, weil man gerne jemanden persönlich sprechen möchte. Ich sehe allerdings auch, dass Social Media in den letzten fast 15 Jahren eine nahezu unersetzbare,

wertvolle Ergänzung für den Kundenkontakt und damit auch für den Kundenservice geworden ist. Die Netzwerke gehören zum Gesamtpaket einer guten Customer Experience. Es gibt klare Entwicklungen dahingehend, dass Facebook, Instagram und YouTube trotz ihrer (Teil-)Öffentlichkeit für viele von uns mittlerweile den bequemsten Kontaktweg darstellen. Wir nutzen täglich diese Plattformen, der Umgang mit ihnen ist uns vertraut. Durch die vermeintliche Anonymität sinkt die Hemmschwelle. Ärgere ich mich über eine Marke, die mir gerade ein Video

Eva Balashazy ist Marketing-Expertin bei Telefónica

zu einem neuen Produkt in die Timeline spült, ist ein Kommentar dazu schnell geschrieben. Dies kann der Startpunkt eines Dialogs als direkteste Verbindung zwischen Marke

und Konsument sein. Eine Marketing-Kampagne auf Social Media zieht daher immer auch einen Mehr an Feedback, Fragen und Service-Anliegen von ­Nutzerinnen nach sich. Das ist Chance und Verpflichtung zugleich. Müsste ich einen Tipp für die Zukunft abgeben, würde ich übrigens stark auf Voice setzen. Ich muss mir dazu nur ansehen, wie künftige Generationen, etwa auch meine beiden Jungs, damit umgehen. Sie wachsen jetzt mit sprachgesteuerten Assistenten und Chatbots auf. Sie werden ihre Anliegen wahrscheinlich später mal per Voice Command lösen.

4 Wie prägt Social Media die nächste Generation, Maya Götz? Mobile Natives wachsen mit der Kommunikation und Selbstdarstellung in Social Media auf. Sie haben sich mehr als jede andere Generation vor ihnen selbst fotografiert und die Bilder dank Filter dem inneren Idealbild angepasst. Unbearbeitete Bilder empfinden sie mittlerweile als „nicht schön“ und „nicht natürlich“. Dadurch spitzt sich der Druck, das perfekte Bild, das perfekte Gesicht, den perfekten Körper zu haben, immer mehr zu. Zudem sind diese „perfekten Bilder“ diejenigen, für die es die

meisten Likes und positiven Kommentare gibt. Es kommt zu einer Verengung des Schönheitsideals, was zu einem Begleiter in eine Essstörung und Depression werden kann. Jede Bewegung provoziert aber auch Gegenbewegungen. Als hilfreich und entlastend gewinnen Bilder aus dem BodyPositivity-Umfeld oder die Entlarvung von Bildern, die mit Filtern gefakt wurden, zunehmend an Bedeutung. Der ironische Zugang dazu wie bei Memes auf Reddit oder Bildern der australischen

Komikerin Celeste Barber zu den immer gleichen Posen von Models finden zunehmend Anklang. Große Teile der Generation Z und deren Nachfolgegeneration Alpha sind selbstbewusst und so konsumerfahren, dass sie sich gegen den unendlichen Perfektionsdruck zur Wehr setzen. Sie fordern zu Recht Freiräume, in denen sie Identitätsarbeit leisten können, ohne ständig auf vermeintliche Defizite hingewiesen zu werden. Entsprechend sensibel reagieren sie bei genderunsensibler Spra-

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Maya Götz ist Medienwissenschaftlerin beim BR

che und einer Abwertung von LGBTIQ. Sie suchen Freundeskreise und Vorbilder, die für sie für ein nachhaltiges, prosoziales Leben stehen.


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