turi2 edition #14 Social Media

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Ich kann nur aus einer privilegierten Gastperspektive sprechen: Nigeria ist politisch in schlechten Händen, die Infrastruktur heruntergekommen. Das Potenzial und der kreative Output sind trotzdem riesengroß. Die Lagos Kunstbiennale hat 2020 digital stattgefunden. Das Programm war viel internationaler als bei manchen Biennalen in Europa. Soziale Medien haben in Westafrika, wie überall, für eine Demokratisierung gesorgt. Dadurch ist alles näher zusammengerückt. Ich habe Leute kennengelernt, die drei oder vier Jobs gleichzeitig haben, alle wollen sich connecten oder ein Business starten. Social Media hat dazu beigetragen, dass die Menschen dort – und BPOC (Black and People of Color) generell – ihre eigenen Netzwerke bilden

und weltweit sichtbarer geworden sind. Warum sind wir in den klassischen Medien noch lange nicht soweit? Vielleicht ist es ein Generationen-Ding, das besser wird, wenn einige der Entscheidungsträgerinnen in Rente gehen. Ich habe zum Beispiel keinen Fernseher, weil ich mich im deutschen TV nicht abgeholt fühle, und ich weiß, dass es vielen meiner Freundinnen genauso geht. Ich habe das Gefühl, dass das Programm in den 90ern stehen geblieben ist. Eine Sache, die ich nicht verstehe, ist, warum Thomas Gottschalk nach seinen rassistischen Äußerungen in der „Letzten Instanz“ beim WDR noch eine eigene Sendung bekommt. Enissa Amani hat mit einer tollen Show auf diese Katastrophe

»Ich werde nicht mitgedacht und man macht sich über Leute wie mich lustig. Das ärgert mich im TV am meisten«

reagiert. Warum hat sie keine Sendung bekommen in einem Programm, für das ich Gebühren zahle? Am meisten ärgert mich, dass ich nicht nur nicht mitgedacht werde, sondern dass man sich über Leute wie mich lustig machen kann und dafür auch noch belohnt wird. Siehst du Vorbilder von dir, wenn du durch Insta oder Twitter scrollst? Ich liebe Michelle Obama. Diese Frau, die zwei Ivy-

League-Abschlüsse hat, die Barack Obamas Vorgesetzte war, die immer so über den Dingen steht und sie so elegant handhabt, finde ich einfach großartig. Eine andere tolle Person, der ich folge, ist Munroe Bergdorf. Sie war das erste Trans-Model bei L’Oréal und ist dort heute LGBTQ-Botschafterin. Wovon träumst du? Ich träume davon, dass die Zukunft gleichberechtigt ist für alle. Dass wir eine inklusive Gesellschaft werden, in der niemand denkt, sich verbiegen zu müssen, um akzeptiert zu werden. In der es kein Hindernis ist, nicht aus einer wohlhabenden Familie zu kommen und in der alle dasselbe erreichen können. Ich träume davon, dass alles ein bisschen fairer und gerechter zugeht. Das wäre schön.

Kemi in Kreuzberg: Gegenüber liegt ihr jamaikanisches Lieblingsrestaurant RosaCaleta, in dem die Fotos entstanden sind

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