turi2 edition #10, Agenda 2020: Was wirklich wichtig wird.

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ALLIANZEN

In Zeiten des Wandels sind immer mehr Medienunternehmen bereit, gemeinsame Sache zu machen – sogar mit der Konkurrenz

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anchmal kann eine SMS das Zeichen eines Kulturwandels sein. Tanit Koch, Chefredakteurin des zentralen RTL Newsrooms in Köln, ruft den Kollegen beim „stern“ in Hamburg schon mal per Kurznachricht etwas zu, wenn es schnell gehen muss, Recherchen abzustimmen sind oder es um gegenseitige Unterstützung geht. Wie es aussieht, wenn die Grenzen zwischen Mediengattungen verschwimmen, lässt sich am deutlichsten am Bertelsmann-Konzern ablesen – auf allen Ebenen, nicht nur bei den Journalisten. Content Alliance, Ad Alliance und Audio Alliance heißen die Schlagworte, unter denen die Konzerntöchter gemeinsam Inhalte entwickeln, sich vermarkten oder Podcasts produzieren, wo früher alle ihr eigenes Süppchen gekocht haben. „Die Struktur der deutschen Medien ist eher kleinteilig und mittelständisch geprägt“, analysiert Klaus Böhm, Medien-Experte beim Beratungsunternehmen Deloitte. Kooperationen wie die unter dem Dach von Bertelsmann hält er für „überlebenswichtig“. Wenn die Mediennutzung immer weiter zerfasert, ist es sinnvoll, starke Marken über Gattungsgrenzen hinweg aufzubauen. Das gilt auch für die Vermarktung von Werbezeiten und Anzeigenfläche. Inzwischen sei das bei den Marktteilnehmern auch angekommen. Selbst über Konzerngrenzen hinweg, etwa bei Media Impact, dem Vermarkter von Springer und Funke, funktioniert das erstaunlich reibungslos. Klar ist aber auch: Hinter einem Joint Venture steht immer ein fein austariertes Machtgefüge. „Bevor eine Kooperation funktioniert, müssen alte Feindbilder abgebaut werden“, erklärt Böhm. Selbst eine Allianz von ProSiebenSat.1 und RTL hält der Deloitte-Experte nicht für ausgeschlossen. Für Außenstehende kaum vorstellbar, angesichts der von den Privatsenderketten offen zur Schau gestellten Abneigung. „Ich bin überzeugt, dass unsere Bewegtbildwelt in zehn Jahren eine ganz andere sein wird“, glaubt Böhm, der selbst lange als Fernseh-Manager gearbeitet hat. Er rechnet mit Markteintritten, die heute noch gar nicht absehbar sind und warnt: „Ein Marktgleichgewicht ist nicht in Sicht.“ M arkus Tranto w

2 ABO

OHNE FALLE

Netflix und Amazon machen es vor: Das Abo ohne Falle funktioniert – die Verlage ziehen nach und melden Erfolge

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er Karton ist ein wenig sperrig, dafür muss der DHL-Bote nicht wirklich schwer daran tragen. Was der Lieferant nicht weiß: Im Inneren befinden sich 48 Rollen Klopapier, bestellt im Spar-Abo bei Amazon. In zwei Monaten klingelt der Paketbote wieder, so lange reicht das Papier in einem Zwei-PersonenHaushalt statistisch: Etwas mehr als elf Rollen pro Kopf und Monat gehen in Deutschland den Abfluss runter. Rasierklingen, Dosentomaten oder eben Klopapier – es gibt fast keinen Artikel des täglichen Bedarfs, der sich nicht auch abonnieren lässt. Aber das ist ein vergleichsweise neues Phänomen. Abonnements gibt es schon seit dem 18. Jahrhundert. Heute hat jeder von uns gleich mehrere: Handy-Verträge, StreamingFlatrates – und auch das Zeitungs- und Zeitschriften-Abo ist längst nicht weg. Für Verlage war eine hohe Abo-Quote in analoger Zeit ein Ruhekissen: „Wer einmal Abonnent wurde, blieb meist mehrere Jahre dabei“, sagt Nils von der Kall, Verlagsleiter Marketing und Vertrieb bei der „Zeit“. Auch, weil ein Abo bis zu zwei Jahre

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