Trnshlvtc 02

# 2 2011 Jan. – Feb.

Transhelvetica Schweizer Magazin für Reisekultur Miniatur End der Welt Sivesterkläuse Spurensuche Kleine Teuflechen 1:87

r este Silv zial e Sp

ANK D g Sä ets u g ä OND us! ne– 64 –

sFr. 10.–

Ich verkaufe meinen Kunden keine Produkte, von denen ich nicht wirklich überzeugt bin. Denn die Werte, die wir bei Vontobel pflegen, sind solide und nachhaltig ausgerichtet. Unsere Anlagestrategien sind sorgfältig aufgebaut und orientieren sich konsequent an individuellen Zielen. Damit fahren meine Kunden auch in schwierigen Zeiten gut – und verpassen längerfristig

nichts.

Regula Wasinger-Rüegg, Private Banking

Bank Vontobel AG Gotthardstrasse 43 8022 Zürich Telefon +41 (0)58 283 79 95 www.vontobel.com

10-12-16_Transhelvetica_210x297_Wasinger.indd 1

30.11.10 13:59

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser Präzisionsuhren, Modelleisenbahnanlagen, Mignon-

Geranien verzieren. Bewundernswert – aber auch

Schokolade, Swissminiatur: wer sich auf der Trans-

verwirrend: wo bleibt die grosse Geste, der Blick

helvetica umsieht wird rasch entdecken, dass die

über den Tellerrand?

«Schwiizerli» einen Hang zu kleinen, feinen Dingen

Nun, es gilt eben auch für den Teller, dass nicht allein

haben. Warum nur?

die Grösse, sondern ebenso die inneren Werte zäh-

Die Faszination für Miniaturen gilt zu einem grossen

len. Für ein kleines Land mit bescheidenen geogra-

Teil der Intensität und Liebe der Erschaffer für ihr

phischen Expansionsmöglichkeiten, ist dies ein ent-

aufwändiges Werk. Wer erst-

scheidender Faktor. Darum hat

mals im Landesmuseum die

sich hierzulande eine Detailliebe

Schlacht von Murten betrach-

entwickelt, welche weltweit be-

tet, in welcher 6 000 Zinnsol-

wundert wird und sowohl in der

daten in einer grossen Keilerei

Produktion, als auch im Dienst-

den Sieg der Eidgenossen ge-

leistungssektor zu Erfolgen ge-

gen Karl den Kühnen nachex-

führt hat. Wer auf der Trans-

erzieren, erliegt dabei nicht

helvetica

unbedingt der Ehrfurcht über

schlendert, der kann diese Hin-

den historischen Sieg gegen die

gabe zum Detail noch überall

vorherrschende Macht Euro-

entdecken – sei’s in kreativem

pas, aber mit Bestimmtheit der

Schaffen, in der sorgfältigen

Bewunderung für die Diorama-

Pflege des öffentlichen Raums

bauer mit ihrem Geschick für

oder in der nachhaltigen Per-

die Freiburger Hügellandschaft,

fektion im Berufsleben, die zum

ihrer Geduld mit den individuell

unglaublichen Erfolg des Labels

uniformierten Truppen und ih-

«Swiss Made» führte. Gerne

rer Freude an spitzbübischen

möchten wir Sie einladen, mit

Details im Menschengewirr. Ei-

uns ein paar leichte Schritte zu

die

Schweiz

nem Russen oder Amerikaner müssen die Schwei-

gehen und das Augenmerk auf die kleinen Details am

zer wie Dioramabauer vorkommen, die in mühsee-

am Wegesrand zu richten.

liger Arbeit den kleinen Raum, den sie der Natur abtrotzen können, absichern, unterhalten und mit

Bild: Alex Wydler

13:59

durch

Jon Bollmann

1

08 Urbanes Botox 90 Goetheanismus

34 1:87

29 Der geflügelte Lästling

08 Schauderhaft 76 Alpenresorts

42 Auf Spurensuche

INHALT

Einreise

07 Marco, Patrick, Andreas, Reto Der Traum vom Fondue in der

SCHWERPUNKT

HELVETARIEN

32 Miniatur

76 Alpenresorts

34

Verdichtetes Bauen

guten Stube

Fundstücke

08 Eisschmelze, Schauderhaft,

1:87

Die Schaltzentrale auf dem Kaeserberg

Brunchparadies, Urbanes Botox, Hohes Niveau, hinter dem Mond

Avantgarde

78 Tobias Weber

Bretter der Heimat

42

Auf Spurensuche

Entdeckungsreise zum

81 Bazillus Club Grotte der Visionen

Ursprung des Universums

Genesis

Muesumsreif

11 Wollnashorn und Mammut Die ersten Schweizer waren Afrikaner

82 Schafe und Maria

50 Swissminiatur

Lebkuchen in Einsiedeln

der Schweiz

Es war einmal

Die Dreidimensionale Postkarte 84 Die Mordnacht von Luzern

CULINARIA HELVETICA 12 Täglich grüsst das Murmeltier

Von der Jagd und der Zubereitung der Mus Montis

TRADITIONELL

58

Silvesterkläuse

Schöni und Schö-Wüeschti mit

HERKUNFT 86 Oper in Grün

Miniaturen auf der Huube GedankengANG

KUNSTSTÜCKE

20 Ofenloch

GEMEINDEPORTRAIT

90 Wintersaison, Goetheanismus,

Mit Franz Hohler ins

66 Wo die Geister und

Sumpfkühe, Xala, Monströs,

hintere Neckertal

Teufelchen wohnen

Einstellungssache

Kunstreise

Ausreise

22 End der Welt

93 Hochmann und Meinholz

In Flip Flops durch die

Schweizer Strassen sind voller

Apokalypse

Soldaten

Einwanderer

94 Leserbriefe

29 Der geflügelte Lästling Vom Vormarsch der asiatischen

95 Schweden / Impressum

Marienkäfer

HANDWERK Post it

96 Napolitaines

30 Kaufrausch

Kleine Geschenke erhalten die

Magnolien, Knielinge und Sterne

Freundschaft

07

12

08

20

08

30

11

29

32

22

34

50

42

64

58

66

78

DANK s g ä S guet ä D ON us! ne 81

82

84

76

90

93

Transhelvetica / Miniatur / Inhalt 4

Landkarte: Komun.ch

11 Wollnashorn und Mammut

90 Sumpfk체he 58 Silvesterkl채use

81 Grotte der Visionen

20 Ofenloch

82 Lebkuchen, Schafe und Maria 84 Mordnacht in Luzern

08 Hohes Niveau 08 Hinter dem Mond

22 End der Welt

12 T채glich gr체sst das Murmeltier 08 Eisschmelze

50 Swissminiatur

Daniel Gygax Trägt ein Classic Hoodie in Celestial Blau und Raw Selvage Jeans von UC.

Upper Class Flagship Store Spitalgasse 5 (beim Hirschenplatz) - 8001 Zürich

www.upperclass.ch

einreise

«Wir träumen vom Fondue in der guten Stube.»

Freunde Marco, 26, Patrick, 25, Reto, 27 und Andreas, 25

Die Berner Freunde Marco, Patrick, Reto und Andreas

Welcher ist Euer Lieblingsplatz in der Schweiz?

gönnten sich zehn Tage Winterbreak in Florida, wo sie

Der Flughafen Zürich als Tor zur Welt, sowie das

von Miami aus mit dem Mietauto verschiedene Aus-

Berner Seeland und die Aare als Orte, an denen man

flüge zu Sehenswürdigkeiten und zum Strand unter-

wunderbar Wassersport treiben kann.

nommen haben. Sie gehen einmal jährlich auf einen

Von welchem Schweizer Restaurant träumt Ihr auf

Ausflug in die Welt hinaus.

der Insel?

Wir träumen vom Fondue in der guten Stube! Für den

Was habt Ihr auf Eurer Reise vermisst?

besonderen Fonduegenuss gönnen wir uns die Hausmi-

Gute Milchprodukte und besondere Milchgetränke wie

schung von «La cure gourmande» in Muri bei Bern.

Trinkjoghurt oder Heissi Schoggi. Und Red Bull.

Welches war Euer waghalsigstes Schweizer

Was werdet Ihr an Florida vermissen?

Abenteuer?

Im Januar ist es in Miami 24ºC warm. Daran werden

Die grössten Abenteuer erleben wir nicht unbedingt in

wir uns zurückerinnern, wenn wir uns am Morgen in

der Schweiz. Aber die Passfahrt mit dem Velo über

acht Kleiderschichten hineinpacken.

den verschneiten Susten ist als spektakulärer Nerven-

Was würdet Ihr als Bundesrat von den USA

kitzel in Erinnerung geblieben.

übernehmen?

Welches ist Euer liebstes Hotel in der Schweiz?

Die Priorisierung des Individualverkehrs und der ent-

Der Zeltplatz des Gurtenfestivals.

sprechend autofreundliche Tiefbau mit breiten

Wo genehmigt Ihr Euch Kultur?

Strassen und vielen Drive-ins!

Am Gurtenfestival auf dem Hausberg von Bern und am

Was könnte die USA von der Schweiz

Open Air Gampel im Wallis.

übernehmen?

Was unterscheidet die Schweiz von Schweden?

Die gesunde Einstellung gegenüber dem Essen. In

Die Schweiz hat eine höhere Bevölkerungsdichte,

Amerika kommt sehr viel Essen auf den Tisch, das

Schweden längere Ladenöffnungszeiten und ruhigere

aus unzimperligem Gentech entstanden ist, vor der

Leute – solange sie in Schweden sind.

Ankunft auf dem Teller eine Menge Unerfreuliches erlebt hat und vor Chemie trieft. Oft hat man keinen Schimmer, was man gerade isst.

Was ärgert Euch in der Schweiz?

Die Engräumigkeit, die sich sowohl in der hohen Bevölkerungsdichte als auch im beschränkten Gedankenhorizont zeigt. Da erscheint die Schweiz zuweilen alt und staubig.

Interview: Jon Bollmann, Bild: Alex Wydler

lacuregourmande.ch, gurtenfestival.ch, openairgampel.ch

FUNDSTÜCKE

Eisschmelze

Schauderhaft

Brunchparadies

Wo Seele und Gaumen jubilieren

Eistauchen auf 1 850 m.ü.M.

Gargantueske Grandezza

Das Hotel Fex wurde 1850 erbaut – in

Klare Bergseen gehören zu den schön-

Hier kommt man her wegen der prächti-

St. Moritz Bad. Als es dem schönen Ju-

sten Tauchgebieten, da das Wasser kaum

gen Kronleuchter, der unübertrefflichen

gendstilhaus dort später zu lärmig wurde,

Schwebeteilchen enthält und fast un-

Aussicht und des ganzen Trallalas der

transportierte man es auf Pferdefuhr-

sichtbar wirkt.

Belle Epoque, der schon Schauplatz war

werken dahin, wo es bis heute wieder

Besonders schön ist das im Winter, wenn

für Filme mit Sophia Loren, Peter Usti-

frische Luft atmen, die Ruhe geniessen

eine dicke Eisschicht den Bergsee bedeckt

nov oder Charles Aznavour.

und Fuchs und Hase gute Nacht wün-

und Luftblasen unten am Eis zusammen-

Doch wir haben ein anderes Ziel: das

schen kann: zuhinterst ins Fextal.

fliessen wie das Lava in den Lampen der

gargantueske Brunchbuffet im Montreux

Seit dem Herbst 2010 offeriert das Haus

90er Jahre Hippie-Lounges. Zusammen

Palace (Le Montreux Palace). Nur mit

den mit grossen Sonnenbrillen herbei-

mit dem Spiel der Sonne und dem müden

einem Teller bewaffnet, taucht man in

trabenden Tagesausflüglern im stilvol-

Rudern der letzten verbliebenen Fische er-

die ausladenden Weiten des Brot- und

len Teesalon oder auf der Terrasse zum

gibt sich daraus das Le Grand Bleu Glücks-

Croissantlandes ein, manövriert vorbei

Gletscher hin die ganzen Köstlichkeiten

gefühl für Taucher in der Schweiz. Wenn

an Käsehügeln, Eierebenen und dem Ar-

der Engadiner Küche, Tee im schönen

auch Sie im Winter etwas Abkühlung su-

chipel von Trockenfleisch, Pasteten und

Krug sowie hausgemachten Kuchen, der

chen, dann können Sie diese im prächtig

Terrinen in den Ozean der Austern, Mu-

das Eis zum Schmelzen bringt.

gelegenen Lac Lioson finden, der von

scheln und Meeresfrüchte, hinter dem

Doch das Beste kommt, wenn zur blau-

Les Mosses aus mit den Schneeschu-

die Salat­inseln sich auftürmen. So wan-

en Stunde die letzte Pferdekutsche das

hen erreichbar ist. Drei durch die Sai-

dert man durch ein gastronomisches Pa-

Tal verlassen hat. Dann haben das Hotel

son hindurch gepflegte Löcher im Eis

radies, in welchem wohlbekannte Düfte

und seine Gäste das Tal für sich, und

vereinfachen den Einstieg ins Berg-

und solche mit Einflüssen aus den ehe-

man geniesst gemeinsam einen Apéro,

bad und ziehen Abenteurer an, die bei

maligen französischen Kolonien die Aus-

bevor das mehrgängige Abendessen

schönem Wetter die im Eis spiegelnden

sicht auf Evian würzen.

den Gaumen verwöhnt. So steigt der

Berge (hinter den Fischen) bestaunen

Mit einer Auswahl von Köstlichkeiten in

Gast schliesslich zufrieden in sein Bett,

möchten. Tauchclubs organisieren regel-

der Hand setzt man sich dann auf der

in dem er tiefen Schlaf findet – denn

mässig Tauchgänge am Ariadnefaden,

Veranda ans Fenster, bestellt ein Ge-

sobald das Bächlein zugeschneit ist,

für die Sie nur Ihr Brevet brauchen. An-

tränk und lässt die Augen in die blauen

herrscht im hintersten Haus im Fextal

züge und Flaschen werden Ihnen zur

Tiefen des Léman eintauchen.

absolute Ruhe.

Verfügung gestellt.

Hotel Fex, Sils Fex, T. 081 832 60 00, hotelfex.ch

Eintauchen im Lac Lioson bei Les Mosses, lesmosses.ch; auftauen im Restaurant Lac Lioson, lioson.ch

Le Montreux Palace, 100, Grand-Rue, Montreux, Sonntagsbrunch für sFr. 90.- von 11 –15h, fairmont.com/montreux Transhelvetica / Miniatur / Fundstücke

8

Bild: Maurice K. Grünig, pd, Yuka Davatz

Urbanes Botox

Hohes Niveau

Hinter dem Mond

Heilung eines Industriegebiets

Wo die Sonne scheint

Ausspannen beim Höhlenbären

Mitte der 90er Jahre fusionierten Sandoz

Haben Sie auch genug davon, dass Ihnen

In der Sulzfluh befindet sich ein Höhlen-

und Ciba-Geigy zu Novartis. Für die Über-

sonnenverwöhnte Pistenhasen von strah-

system, in welchem Knochen und Zähne

bauung des Firmenareals beauftragte

lenden Plakatwänden entgegengrinsen,

des Höhlenbären entdeckt wurden. Offen-

Daniel Vasella, ein Freund grosszügiger

während Sie unter der Nebeldecke durch

bar konnte er sich in dieser abgelegenen

Zahlen und Gedanken, den Architekten

Pflotsch und Matsch stampfen? Darum:

Gegend hinter dem Mond, links – so der

und ETH-Professor Vittorio Lampugnani

rasch in die Höhe, beispielsweise ins

offizielle Slogan der Gemeinde – gut ver-

mit der Ausarbeitung eines Masterplans

direkt beim Bahnhof Unterterzen begin-

kriechen und ausruhen.

für das Industriegelände.

nende Skigebiet Flumserberge.

Dies ist auch heute noch möglich, doch

Der 2001 vorgelegte Plan gab vor, dass

Dessen Geschichte beginnt 1945/46 mit

wir empfehlen Ihnen wärmstens, anstatt

die zentrale Strasse erhalten bleibe und

der Eröffnung des ersten Skiliftes, der

der eher feuchten Höhle ein Zimmer im

beidseits davon Baufelder geschaffen

bei den aus der Nachkriegsdepression

kleinen Berghotel Wanna zu buchen.

würden, in denen herausragende Archi-

erwachten Ostschweizern auf grosses In-

2008 haben die grossartigen Gastgeber

tekten in einem engen baulichen Korsett

teresse stiess. Entsprechend wurde rasch

Carolyn und Baptist Sieber-Irwin das

Gebäude für Forschung und Entwicklung

weiterinvestiert und schon 1952 konnten

300-jährige Bauernhaus zu einem klei-

errichten können.

die Bergbahnen ihren Gästen stolze 5 km

nen Bijoux mit sechs Zimmern umgebaut,

Die Umsetzung erfolgte durch Grös-

Pisten sowie das neue Restaurant Masch-

in denen sich hervorragend ausspannen

sen wie Marco Serra, Roger Diener,

genkamm bieten. Bis heute offeriert das

lässt. Die Herzstücke des Hauses sind

Sanaa, Raffael Moneo, Tadao Ando, Da-

Bergrestaurant Kulinarisches auf hohem

die grosse Cheminée-Lounge sowie die

vid Chipperfield und Frank O. Gehry, de-

Niveau – was sich klar auf die 2020 Hö-

Sauna mit Aussicht in die Bergwelt.

ren Namensnennung gestandene Archi-

henmeter bezieht. Doch wer mag me-

Hier fühlt man sich sofort bärenwohl

tekten zum Weinen bringt.

ckern, wenn Bratwurst mit Zwiebelsauce

und denkt kaum mehr an die eigene

Um den Architekturliebhabern aus aller

und traumhafte Aussicht auf dem Menu

Höhle. Zudem ist das Wanna auf sym-

Welt einen Blick auf die bisher unzu-

stehen? Wir nicht. Und wenn über Zürich

pathische Art kein Familienhotel: die

gänglichen Gebäude zu erlauben, öffnet

die Sonne im Nebelmeer versinkt und wir

wohlumsorgten

Novartis an ausgewählten Samstagen

noch einen Café Geissenpeter bestellen,

beispielsweise keinen Zutritt zur Sau-

die Tore zum Campus, auf dem die mög-

dann wissen wir, dass sich die Fahrt im

na – was wir als medizinisch korrekt

liche Leichtigkeit funktionaler, industri-

vollen Zug gelohnt hat.

und auch als Wohltat für alle anderen

eller Architektur bestaunt werden kann.

Anmeldung für Führungen durch den Novartis Campus unter basel.com

Restaurant Maschgenkamm, Skigebiet Flumserberg, maschgenkamm.ch, flumserberg.ch

Wirbelwinde

haben

Hotelgäste empfinden.

Berghotel Wanna, St. Antönien, T. 081 330 51 10 oder 079 848 35 10, wanna.ch

Transhelvetica / Miniatur / Fundstücke Bild: Andreina Schöberlein, Jon Bollmann, Daniel Hager

9

10

Genesis

Wollnashorn und Mammut Text: Jon Bollmann

Es war kalt, in der letzten Eiszeit, vor 115 000 - 10 000

weise Luzern noch unter einer 300 m mächtigen

Jahren. Durchschnittlich etwa 12º C kühler als heu-

Schicht aus Eis begraben lag.

te. Die Schweiz lag, mit Ausnahme des Emmentals,

Offenbar war die Reise aber kein Erfolg, denn die

des Juras und einiger weniger weiteren Erhebun-

nächsten Funde sind bereits ein paar tausend Jah-

gen, unter einer dicken Schicht aus Eis. Die Dino-

re weniger alt und stammen aus der ausklingen-

saurier, welche vor 235 - 65 Millionen Jahren gelebt

den Eiszeit, als Jägergruppen aus dem Norden in

hatten, waren längst ausgestorben und die Men-

den

schenartigen, deren Entwicklung vor etwa 20 Millio-

sich einige dieser modernen Menschen während den

nen Jahren begonnen hatte, waren noch weitgehend

Sommermonaten in einer Höhle, in der sie nach ih-

in Afrika. Mit einer Ausnahme: dem Homo errectus,

rem Abzug mehrere tausend Gesteins-, Geweih- und

welcher sich durch die Nutzung primitier Werkzeu-

Knochenartefakte zurückliessen, sowie Werkzeuge

ge erkennbar gemacht hatte, und als erster «Homo»

aus lokalem Stein, Nadeln, Harpunen und die un-

nach Europa und Asien aufgebrochen war. Der Ne-

vermeidlichen Speerspitzen. Daneben vergassen sie

andertaler, wie er heute genannt wird, war jedoch

aber auch Schmuck, sowie steinzeitliche Kleinkunst,

kaum in der Schweiz anzutreffen.

welche teilweise zu den Spitzenstücken der dama-

Parallel und unabhängig von diesen ersten europäi-

ligen Zeit gehörten. Weltberühmt ist etwa die ge-

schen Hominiden emanzipierte sich derweilen in Af-

ritzte Darstellung eines weidenden Rentiers, welche

rika der moderne Mensch, der Homo sapiens, vom

zusammen mit geschnitzten Stücken – wie etwa ei-

Affen und begann um 65 000 v. Chr. seinen Siegeszug

nem hübschen Wildpferdkopf auf einer Speerschleu-

um die Welt. Nach einigen Jahren der Koexistenz

der – aufzeigt, dass die motorischen Fähigkeiten des

mit den europäischen Urmenschen war der Homo

Homo sapiens bereits deutlich weiter gingen als das

sapiens der letzte Überlebende der Menschenarti-

Schwingen der Keule. Die Entwicklung der Schweizer

gen, der in der weiten Tundra Mitteleuropas jagte,

hatte begonnen.

was Fleisch und Fell hergab. Nach dem warmen Essen oder über Nacht lagerten die Jäger auf Mäntel und Fellen aus Mammut, Wildpferd, Wollnashorn und Riesenhirsch. Vor 24 000 Jahren erstmals auch am Rande der Gletscher in der Schweiz, nämlich auf der Kas-

Voralpenraum drängten. 12 000 v. Chr. trafen

Homo sapiens in Schaffhausen: Die Kesslerhöhle in Thayingen liegt am Fusse eines Hügels und ist jederzeit frei zugänglich. Die Fundstücke sind zum grössten Teil im Museum Allerheiligen in Schaffhausen ausgestellt, wegen Umbauarbeiten allerdings erst wieder ab Herbst 2011 zu sehen. Das weidende Rentier ist im Rosgartenmuseum in Konstanz im Exil. allerheiligen.ch

telhöhe im Kaltbrunnental SO – während beispielsTranshelvetica / Miniatur / Genesis Bild: Jon Bollmann

11

Täglich grüsst das Murmeltier Aber nur im Film. Im wahren Leben wird es auch gejagt, gekocht und gegessen. Wir waren dabei: von A wie Anschleichen mit Engadiner Jägern bis Z wie Zubereitung des Murmeltier-Ragoûts beim Gault Millau-Koch.

Text: Iris Guery, Bild: Daniel Martinek

Es ist noch dunkel, als ich mich mit einem jungen Enga-

prüfung absolviert hat und seither jeden Herbst das

diner Jäger-Ehepaar zur Murmeltierjagd treffe. Nach ei-

Jagdpatent löst. «Selbsterlegtes Wild war häufig das ein-

nem herzlichen «Bun di!» schreiten wir zügig los Richtung

zige Fleisch, das auf den Teller kam», so der 40-jährige.

Alp Laret, oberhalb von St. Moritz. Während sie ihre Ge-

Der Grossvater wusste die Tiere gut zu verwerten: das

wehre laden und schultern, zücke ich das Notizbuch: es

Fett verkaufte er an Salbenhersteller, das Fleisch wurde

ist Hochjagd in Graubünden. Über 5 400 Bündner Jäger

in Einmachgläsern im kühlen Keller gelagert. «Es ist nicht

sind diesen September unterwegs auf der 21-tägigen

viel dran an den Murmeltieren», erklärt die Jägersfrau.

chatscha. Während dieser Zeit dürfen neben Hirschen,

Auch sie ist eine erfahrene Jägerin, und legte vor

Rehen und Gemsen auch Murmeltiere gejagt werden.

vier Jahren die Jagdprüfung ab. Wie ihr Mann ist sie

An die 6 000 wurden letztes Jahr erlegt, erlaubt wären

mit der Jagd gross geworden und begleitete den Vater

viel mehr: acht Tiere pro Jäger ist das Kontingent,

schon als kleines Mädchen auf die Jagd. «Die Jagdprü-

doch die Strecke – Jägerjargon für Abschusszahl – liegt

fung war ganz schön anspruchsvoll», meint die 30-jäh-

deutlich tiefer.

rige, «vom Gewehrrückstoss war meine Schulter jeweils

«Bereits mein Grossvater hat Murmeltiere gejagt»,

richtig blau.» Ich frage sie, ob sie ihre Erfahrungen mit

erzählt mir der Jäger, der vor 20 Jahren seine Jagd-

anderen Jägerinnen teilen konnte, doch sie winkt ab.

Transhelvetica / Miniatur / Culinaria Helvetica

12

Culinaria Helvetica

«Es gibt nicht viele Jägerinnen in der Schweiz, etwa

aus dem Bau zu kommen», erklärt seine Frau, die neben

250 in Graubünden.» Dies scheint auch eine Kraftfrage

mir kauert. «Katzen» wie sie die Jungen auch nennen,

zu sein: nur wenige Jägerinnen hieven das selbsterleg-

dürfen geschossen werden, aber für die beiden sind sie

te Wild auf die Schultern und tragen es ins Tal runter.

tabu: «Die sollen noch etwas vom Leben haben».

Aus dem Nichts taucht ein Sperber auf und kreist über

Trittst im Morgenrot daher

uns. Auf einmal herrscht Aufregung und die schrillen,

Mittlerweile geht am Horizont die Morgensonne auf und

unverkennbaren Murmeltierpfiffe hallen durchs Tal.

lässt Muottas Muragl in kitschigem Rosa erstrahlen.

Sind die Warnrufe langgezogen und einmalig, verhei-

Bereits zwei Stunden sind wir unterwegs, jedoch kei-

ssen sie Gefahr aus der Luft; erfolgen sie mehrmals und

ne «Mus Montis», Lateinisch für «Bergmaus», weit und

kurz, naht Gefahr am Boden. In Sekundenschnelle ver-

breit. «Die schlafen alle noch», so der versierte Jäger,

schwinden die Murmeltiere; «bis die wieder aus dem

«aber wir wollen bereit sein, wenn sie aus ihrem Bau

Bau kommen, dauert es zwei Stunden», so der Weid-

gekrochen kommen». Relativ nahe müssen wir an sie

mann. Wir ziehen also weiter.

rankommen, denn die Jagdregel besagt, dass Murmeltiere nur aus maximal 50 m Distanz geschossen werden

Keine Intelligenzbestien

dürfen. Diese Regel geht auf frühere Zeiten zurück, in

Nun geht es Knall auf Fall, bereits bei der nächsten

denen keine Präzisionszielfernrohre auf den Gewehren

Krete sichtet das Jägerpaar die nächsten «Bergmäu-

montiert waren. Heute könnte theoretisch aus der dop-

se». Wir knien uns in den Hang, während wiederum

pelten Distanz zielgenau geschossen werden. Das hilft

der Jägersmann sich anschleicht und in Schusspositi-

aber alles nichts, wenn wir im Wind stehen. Dann rie-

on bringt. Wir machen uns auf eine erneute Wartezeit

chen sie uns lange, bevor sie uns sehen und zeigen sich

gefasst, doch schon hören wir einen dumpfen Knall,

erst gar nicht.

der im Berg widerhallt. Überrascht recken wir die Hälse und sehen nur, dass er ruhig nachlädt; kurz darauf

Pfeifen im Morse-Code

ein zweiter Knall. Erst als er sich mit einem «diä sind

Weitere zwei Stunden der Wanderschaft und Beob-

guat» umdreht, wissen wir, dass er zwei Murmeltiere

achtung später, sind die beiden Jäger fündig gewor-

erlegt hat. Ich wundere mich, dass nach dem ersten

den. Der Jägersmann nähert sich alleine den von wei-

Schuss nicht alle Murmeltiere in ihren Bau verschwun-

tem gesichteten, sonnenbadenden Nagern. Durch die

den sind. «Als ich den Ersten schoss, kam der Zweite

weidmännisch-grüne Kleidung ist er gut getarnt und

hervorgekrochen, um zu sehen, was los ist», so der

bewegt sich auf dem Bauch liegend langsam vorwärts.

Jäger. Wie das sein könne, wo sie doch bei jeder klei-

Mit stockendem Atem schaue

neren Gefahr ausdau-

ich gespannt den Berg hin-

ernd pfeifen, wundere

auf; ein gutes Stück unterhalb der Spitzen des Trais Fluors sollen sie sitzen. Bei

Einmal Lang: Gefahr aus der Luft mehrmals kurz: Gefahr am Boden

ich mich. Die Murmeltiere seien nicht gerade bekannt für ihre Intelligenz. Wir laufen

all dem Respekt gegenüber

zu den erlegten Tieren.

Tieren und der Freude an der Naturbeobachtung, die ich von Seiten des Jägerpaars

Dank präzisen Kopfschüssen ist kaum Blut zu sehen.

verspüre, habe ich fast vergessen, wozu wir heute so

Die Tiere werden sofort ausgenommen, die Eingeweide

früh aufgebrochen sind! Nur mithilfe des Feldstechers

für Füchse und andere Tiere dagelassen. In einen Sack

sehe ich die Murmeltiere gebieterisch auf ihren felsigen

verpackt verstauen wir die Murmeltiere im Rucksack.

Aussichtspunkten thronen. Immer wieder verschwin-

Gut sechs Stunden waren wir unterwegs: «jetzt gibt es

den sie in ihren Bau, als würden sie ein Spiel mit uns

marenda. Znüni».

spielen. Geduld ist angebracht, eine Tugend von der ein Weidmann nicht genug besitzen kann. Der Jäger liegt

Auf die Hüfte geklatscht

in Schussposition. Die Murmeltiere tänzeln beinahe vor

Zurück in St. Moritz liefere ich die Murmeltiere beim

ihrem Bau herum, und wir verstehen nicht, warum er

Metzger ab. Munggen seien mühsam zu metzgen, werde

nicht feuert. Nach einer guten halben Stunde dreht er

ich aufgeklärt. Das viele Fett und die Drüsen müssen sorg-

sich zu uns und macht ein Handzeichen. «Sie sind zu

fältig vom Fleisch getrennt werden, sonst werde es unge-

jung», verstehe ich. «Und die Alten sind zu clever, um

niessbar. «Sie geben nicht viel her, am Schluss bleiben pro

Transhelvetica / Miniatur / Culinaria Helvetica 15

Murmeltier ein bis zwei Kilo Fleisch übrig». Ich staune

Wild auf Wild?

nicht schlecht, wie viel Fett so ein kleiner Nager hat.

Gute vier Stunden später sitze ich am elegant gedeck-

Vor dem Winterschlaf fressen sich die Tiere bei einem

ten Tisch des Hotelrestaurants Chesa Salis. Mir ist et-

Körpergewicht von etwa fünf Kilo um die 1 200 Gramm

was flau im Magen bei der Vorstellung, Murmeltier zu

Körperfett an. Dieses ist nicht nur ein willkommener

essen. Während Ueli Marty anrichtet, nehme ich ei-

Energiespender im Murmeltierwinter, sondern auch für medizinische Zwecke geeignet. So zum

das Murmeltier pfeifft

Beispiel für die Murmelfitsalbe: direkt von Engadiner Jägern bezieht Drogist Marco Schläpfer das an der Sonne zu Öl geschmolzene Murmeltierfett. Mit Ziegenbutter als Basis stellt er eine

Im Val Languard oberhalb von Pontresina können Murmel-

Salbe mit 10 % Murmeltieröl sowie ätherischen

tiere aus nächster Nähe bestaunt werden, da hier Jagdsperr-

Ölen her. «Als unser österreichischer Lieferant

gebiet ist und die Tiere friedlich vor dem Bau an der Sonne

vor zwei Jahren einen Lieferengpass hatte, ka-

liegen. Das Val Languard ist für die ganze Familie einfach mit

men wir auf die Idee, die Salbe selber zu pro-

dem Sessellift zu erreichen und befindet sich inmitten einer

duzieren», so Schläpfer, «die Initiative hat sich

wunderschönen Bergkulisse mit Sicht auf die Berninakette.

bewährt, die Nachfrage ist gross.» Was macht

Eine schöne Wanderung kann von der Alp Languard in die

das Murmeltierfett so aussergewöhnlich? «Das

Paradisohütte und zurück unternommen werden, Dauer

Bauchhöhlenfett der Murmeltiere enthält Kor-

etwa zwei Stunden. Von der Alp Languard kann man nach

tison-verwandte Wirkstoffe, deswegen wirkt

Pontresina runterlaufen, Dauer etwa eine Stunde.

die Salbe entzündungshemmend», sagt Marco Schläpfer. «Nicht nur ältere Personen wenden die Salbe an; auch jüngere Menschen leiden unter Ge-

nen beherzten Schluck Basilisco, der mir zu Murmel-

lenk- oder chronischen Rückenschmerzen.» So gibt es

tier empfohlen wurde. Es wird serviert. «Audeo ergo

mittlerweile Murmeltier-Badeöl, aber auch Murmeltier-

sum – ich wage, also bin ich», murmle ich leise vor mich

Sportcrème, für die Schläpfer kürzlich eine grössere

hin und lange zu: das Fleisch ist – lecker! Mager, zart

Bestellung des lokalen Volleyballvereins erhielt.

und ohne komischen Eigengeschmack, vor dem ich gewarnt wurde. Die hausgemachten Spätzli und das süss-

Das 13-Punkte-Ragoût

liche Rotkraut passen hervorragend dazu und runden

In Bever wartet Chesa Salis' Küchenchef Ueli Marty be-

den wilden Tag perfekt ab. Eine zweite Portion lehne ich

reits, um aus dem Murmeltierfleisch ein leckeres Ra-

dennoch dankend ab, aus Angst vor «Ranzenpfeifen»,

goût zu kochen. Der Metzger habe gute Arbeit geleistet,

egal ob einmalig lang oder mehrmals kurz.

so Marty, es habe kaum mehr Fett an den Fleischstücken. Der Starkoch muss es wissen: soeben wurde er

chesa-salis.ch, danimatterweine.ch, naturheilmittel-shop.ch

mit 13 Gault Millau Punkten ausgezeichnet. Die Zutaten stehen alle bereit, das Gemüse ist Matignon geschnitten, er legt los. Mit geübten Handgriffen bratet er das dunkelrote Murmeltierfleisch in der Pfanne an. «Nicht zu lang, nicht zu kurz, das wenige verbleibende Fett wird durch die Hitze flüssig und abgeleert», erklärt er so schnell und sicher, wie er kocht.

Kaum ist das Fleisch aus der Pfanne, röstet schon das Gemüse darin. «Der Lauch darf erst etwas später zugefügt werden, sonst wird er bitter», so Marty. Und «das Tomatenpüree geben wir bei, weil es den Geschmack verstärkt und schönen Glanz gibt». Der Wein wird mit dem Gemüse eingekocht, das Fleisch wieder hinzugefügt und in den vorgeheizten Ofen gestellt. «Drei bis vier Stunden muss das nun schmoren», sagt Ueli Marty, «jetzt müssen wir Geduld haben – wie auf der Jagd», lacht er.

Transhelvetica / Miniatur / Culinaria Helvetica 17

H el ve ti ca ri a ul in a

Murmeltier-Ragoût

C

Mit Rotkraut und Wildbeilagen Ueli Marty, Chesa Salis, Bever

r pt fü Reze en n o s r 4 Pe

1 kg Murmeltierragoût mit Bein gründlich vom Fett befreit

salzen und heiss anbraten, aus der Pfanne nehmen

1 Karotte ¼ Sellerie 1 kleine Zwiebel

und Matignon (in Würfel) schneiden und kurz anrösten

¼ Stange Lauch 2 EL Tomatenpüree

in Scheiben schneiden, zusammen mit hinzufügen und mitrösten

1 Thymianzweig 1

Majoranzweig

1 Rosmarinzweig 1 Büschel Petersilie ½ TL Korianderpulver 1 Nelke 1 3dl

Lorbeerblatt

1 Wacholderbeere

hinzufügen und mit

kräftigem Rotwein

ablöschen, einkochen, sowie noch einmal

Pfeffern 3dl

kräftigen Rotwein

hinzufügen und leicht einkochen, Fleisch zugeben. Alles zusammen in eine ofenfeste Form geben und bei 160ºC 3 - 4 Stunden weichschmoren mit

Salz und Pfeffer

abschmecken

*Servieren

mit Spätzli und Rotkraut, sowie einem kräftigen Rotwein, beispielsweise einem

Basilisco der Azienda Agricola Basilisco von Dani Matter.

Transhelvetica / Miniaturen / Culinaria Helvetica 18

winterhilfe.ch

Création : Shirin Dabirsadeh, Zurich University of the Arts

PC 80-8955-1

Gedankengang

Ofenloch Text und Bild: Franz Hohler

Einer von den drei Männern kennt den Weg. Er hat die

Ausrutschern ins knöcheltiefe Wasser, auch den Baum-

beiden andern eingeladen, einen Ort zu besuchen, der

stämmen, die als Brückenangebote bereit liegen, ist

weit vom Alltag abgelegen ist, hat sie mit dem Auto durch

nicht zu trauen.

immer hügeligere Gegenden gefahren, auf immer enge-

Ein Seil hängt über einen Absatz herunter, es ist so nass,

ren und kurvenreicheren Strassen, an Häusern vorbei,

dass die Hände daran abgleiten, die Füsse schlipfen auf

die immer mehr denjenigen auf naiven Appenzeller Ma-

dem verschneiten Boden, jeder der drei Männer braucht

lereien glichen, um zuletzt auf einem verschneiten Wald-

sehr viel Kraft, um sich hochzuziehen, und nun stehen

weg anzuhalten, und da stehen sie nun auf einer kleinen

sie vor einer Stelle, wo alle Steine, die als Steg dienen

Brücke, die zwei schauen ins Tal hinein, aus dem der

könnten, vom Wasser überflutet sind, sie vergleichen die

Fluss sprudelt, schauen dann den Dritten an, der nickt

Höhe ihrer Wanderschuhe mit der Tiefe des Wassers und

und sagt, gehen wir.

waten schliesslich so schnell es geht hinüber, das Wort

Weg ist keiner zu erkennen, auch keine Fussspuren im

«isländisch» fällt, im Halbscherz noch, doch erste Blicke

überraschend früh gefallenen Schnee, aber wenn da-

leisen Vorwurfs treffen den, der den Weg kennt und be-

hinten im Tal eine Höhle ist, welche der dritte Mann als

hauptet, ihn mit seiner neunjährigen Tochter problemlos

Ziel nannte, gibt es nur eine Richtung, und so dringen sie

gegangen zu sein, und schon zeigt ein neues Seil eine

nun dem Flussufer entlang Schritt für Schritt in dieses

neue Gefahr an, ein enges Felsband über einer tosenden

Tal ein und lassen Schritt für Schritt die Zeit zurück, aus

Wasserwalze, sie schwindeln sich alle drei hinüber, aber

der sie aufbrachen. Manchmal sind grosse Schritte von-

als die nächste Durchquerung des Baches ansteht, aus

nöten, um über einen oder zwei Steine eine Schotterinsel

dem nur zwei häle Steine um ein weniges herausglän-

zu erreichen und weiter oben wieder zu verlassen, oder

zen und sie drüben das nächste Seil erwartet, gibt der

um überhaupt von einem Ufer zum andern zu wechseln,

eine der drei bekannt, er bleibe nun hier, da er sich nicht

wenn ein Vorsprung den Weiterweg verunmöglicht. Die

erkälten wolle, der Zweite fragt den Dritten, wie weit es

Ruhe des Flusses am Talausgang erweist sich nun als

denn noch sei, hundert Meter, antwortet dieser, gut, sagt

scheinheilig, oder war er einfach schon etwas erwachse-

der Zweite, dann gehe er allein, und der Dritte wartet

ner, und hier treffen wir ihn nun in seiner Jugend an, als

derweil beim Ersten.

Bergbach, ungebärdig, rebellisch gegen die Blöcke und

Und als sich der Zweite mit grösster Vorsicht in den hin-

steinernen Riegel, die ihm den Durchgang zu seiner Be-

tersten Teil des verschlungenen Tales vorwagt, sieht er

stimmung versperren wollen und zwischen denen er sich

auf einmal über sich eine gewaltige urzeitliche Höhle,

schimpfend und schäumend durchzwängt. Die Nagel-

die sich wie die Vulva der Mutter Erde öffnet, und da-

fluhwände werden höher und abweisender, einmal ge-

hinter schliesst sich das Tal mit einer hohen Wand, über

hen die drei an einem offenen Felsmaul vorbei, das bereit

die sich in kindlicher Anmut ein Wasserfall ergiesst, die

scheint, zuzuschnappen, dann wölbt sich ein Überhang

unaufhörliche Geburt des Flusses. Kein Signal aus der

wie eine Drohgebärde über sie, hoch oben recken sich

besiedelten Gegenwart, kein Zeichen des 21. Jahrhun-

Baumwipfel in den eisblauen Himmel, der keinen Son-

derts, kein Haus, keine Strasse, keine Leitung, kein Mo-

nenstrahl ins Tal entsendet.

tor – die Unwirklichkeit dieses Ortes durchdringt den

Die Schritte der drei Männer werden vorsichtiger, denn

Mann mit einer Wirklichkeit, die ihn erzittern lässt.

unter dem Schnee liegt durchnässtes Laub, und unter dem Laub der Mergel; glitschig ist es, der eine lernt von den andern zwei dafür das Wort «häl». Es kommt

Franz Hohler ist Schriftsteller, Kabarett- und Liedermacher. Zuletzt erschienen von Franz Hohler: «Das Kurze. Das Einfache. Das Kindliche.»

(Ein Gedankenbuch), Luchterhand Literaturverlag 2001, franzhohler.ch

beim wiederholten Überqueren des Bachbettes zu ersten Transhelvetica / Miniatur / Gedankengang 21

End der Welt Text und Bild: Anja Borup

Zum Ende der Welt zu reisen ist ein alter, ehrwürdiger Menschheitstraum. Doch anstatt in einem unbekannten Land auf Ungetüme ungeahnten Ausmasses zu treffen, kann man auch ganz entspannt in die Enge des Glarnerlandes reisen und sich dort das Ende in schönen Worten erklären lassen.

Transhelvetica / Miniatur / Kunstreise

Kunstreise

Kunstreise: man nimmt als Ausgangspunkt ein Bild, je nach Tageskondition mit einem wohlklingenden Titel oder einem frohlockenden Motiv, und sucht den Entstehungsort auf, reist also an die Stelle, wo der Künstler von der Muse geküsst wurde. Eine solche Kunstreise bietet eine abenteuerliche Alternative zu musealen Einrichtungen und ist spannender als die Hinterköpfe japanischer Touristen, die einem den Blick auf und die Freude an Vallottons Sonnenuntergang trüben – so wie es mir vor kurzem im Kunsthaus wiederfahren ist.

Wie gerne wäre ich da am Ufer des Genfersees gesessen.

Von einigen Erlebnissen, die mit solch einer Tour einhergehen, wenn man auch gerne mal neben dem Weg läuft und nur Flip Flops trägt, soll dieser Bericht handeln.

Als Orientierungspunkt für meine Reise diente mir eine schwarz-weiss Fotografie des Glarner Künstlers Fridolin Walcher mit dem vielversprechenden Titel «End der Welt», welche ich in der handlichen Form einer Postkarte besitze. Zum Ende der Welt zu reisen ist ein alter Menschheitstraum, dessen Realisation mir noch nie so einfach schien, wie mit diesem Bild in der Tasche. Die Suche nach dem Ort erweist sich als nicht allzu schwierig, da auf der Rückseite alle Schlüsseldaten angegeben sind: Glarus 1991/End der Welt/Tierfehd. Umgangssprachlich wird das Ende der Welt gerne mit besonders entlegenen Orten in Verbindung gebracht, wie z.B. dort, wo der Pfeffer wächst, und ich

«End der Welt» Fridolin Walcher, Künstler

war gespannt darauf, wohin die Reise mich führen sollte,

ganzer Grösse zu bewundern – im Auto fehlen den steil

und vor allen Dingen: was mich dort erwarten würde.

aufschiessenden Felswänden die Gipfel.

Die schroffen Bergflanken, welche den Zigerschlitz cha-

Das Ende ist um die Ecke

rakterisieren, sind überwältigend und die Ehrfurcht

Das Auto ist schnell gepackt, denn ich brauche nicht viel:

scheint mir ins Gesicht geschrieben, denn prompt werde

Badehose, zwei Fotokameras (falls eine bei der brütenden

ich von einer Frau, die neben mir ihr Auto pflegt, als Tou-

Hitze schmelzen sollte), einen Apfel als Proviant, der aber

rist entlarvt. Sie erzählt mir von einem gelegentlich statt-

schon an der ersten roten Ampel verzehrt wird, einen

findenden Phänomen in Form einer Staubwolke, auch

Schreibblock mit einem Panini Bild von Timo Hildebrand

Hintersand genannt, die das Tal bis zur Kirche hin über-

(deutscher Nationalspieler der WM 2006) und eine leere

rollt, und deren Ausmass man sich anhand der frisch ge-

Wasserflasche. Die Anfahrt durch das Zürcher Oberland

pflanzten Bäumchen verdeutlichen kann. Zu Schaden sei

ist beschaulich und reich an Ablenkungen die einem

allerdings noch nie jemand gekommen, sagt sie und zeigt

vor allzu düsteren Gedankengängen über das End der

mir, welche Stellung man einnehmen soll, falls es soweit

Welt bewahren: Würstli-Bar, Dinosaurier Museum und

wäre. Diese Position verinnerlicht, verabschiede ich mich

Schoggifabrik. Nach einer kurzen Weile erreicht man das

und fahre geradeaus in Richtung Glarus, Linthal.

Glarnerland mit der gleichnamigen Tankstelle, an der ich

Auf dem Weg zwischen Betschwanden und Diesbach be-

halte, um stolzer Besitzer einer offiziellen Strassenkarte

findet sich eine alte Mühle an einem Wasserfall die zur

zu werden. Diese brauche ich, weil ich ehrlich gesagt von

Besichtigung geradezu einlädt. Ich parkiere und pirsche

da an nicht mehr weiter weiss – und da Tierfehd kein

mich heran. Daneben ragt ein grüner Hügel aus dem

Ort ist, sondern ein Tal, weiss es das GPS auch nicht.

Talboden, und obwohl das Schild mit dem Symbol eines

Als ich beim Bezahlen nach Tierfehd frage und mich vor-

Wanderers deutlich nach rechts zeigt, verführt mich eine

sichtig nach dem End der Welt erkundige, folgt die Ant-

geheimnisvolle Stimme in meinem Kopf links auf den Hü-

wort hinter vorgehaltener Hand: «Zum A**** der Welt?

gel, weil man dort oben genau in der Gischt des tosen-

Immer gerade aus!» Ich befinde mich demnach auf dem

den Wasserfalls sitzen könne. Ich erklimme den Hügel

richtigen Weg. Gutgelaunt mache ich noch einen Abste-

in einem Tempo, das selbst mich erstaunt, und stel-

cher hinter die Tankstelle, um endlich das Bergmassiv in

le dann fest, dass ich unmöglich auf demselben Weg Transhelvetica / Miniatur / Kunstreise

24

Bild: Fridolin Walcher/Anja Borup

wieder heruntersteigen kann, weil dieser von meiner neuen Perspektive aus gesehen zu steil erscheint. Nach Ausmalen diverser Schreckszenarien, welche wilde Tiere, einsame Nächte oder rasenden Durst involvieren und alle nicht in Frage kommen, fasse ich mir ein Herz und versuche konzentriert und mich an seltenen Bergblumen festklammernd das Unmögliche: den Abstieg, was mir auf wundersame Weise tatsächlich gelingt. Froh, wieder unten zu sein, und keine Augenzeugen dieses jähen Versagens zu haben, folge ich nun einsichtig dem Wegweiser. Dennoch schaffe ich es nicht bis ganz nach oben, da eine kleine Abzweigung zum Flussbett führt und ich mittlerweile gelernt habe, dass ein Wasserfall von unten betrachtet auch seine Reize hat und das Baden zudem nach dem Fall sicherer erscheint.

Frisch geduscht und erholt ist Tierfehd schnell erreicht.

Ich hatte noch an der Tankstelle das nutzlose GPS mit der Postkarte ausgetauscht und erkenne schon von Weitem das End der Welt. Ohne eine andere Wahl zu haben, führt die Strasse direkt dorthin und endet abrupt zu Füssen des Berges Selbstsanft, der dasteht wie ein Beschützer, so dass man selbst dann nicht hinunterstürzen könnte, wenn die Erde eine Scheibe wäre.

Das Ende der Welt ist eine Baustelle – Betreten verboten!

«End der Welt» Anja Borup

Das End der Welt bezeichnet in der Vorstellung verschie-

Zurück im Tierfehd will ich spontanerweise die Seilbahn

dener Kulturen einen geographischen Punkt, an dem die

nehmen, um zu sehen, was hinter dem Ende wartet. Der

Welt mehr oder weniger unverhofft endet. In Tierfehd

Seilbahnführer schaut mich jedoch zweifelnd an, denn

führt eine veritable Strasse ganz flach durchs Tal bis zur

ich trage zugegebenermassen genau das Gegenteil eines

Felswand, wo sie einfach fertig ist.

Wanderstiefels. Er bietet mir an, mich für ein Foto nach

Und vor dem Ende befindet sich eine Grossbaustelle. Hier

oben und gleich wieder zurück zu bringen, was mir je-

entsteht bis 2015 das grösste Pumpspeicherkraftwerk

doch nicht sehr abenteuerlich erscheint. So beschliesse

der Schweiz, was auf anschaulich bebilderten Tafeln aus-

ich, den Klöntalersee aufzusuchen. Ich nehme die Ein-

führlich erläutert wird. Die Gondelbahn für Nutzlasten

bahnstrasse zurück und in Glarus eine schmale Serpen-

von bis zu 5 t befördert auch Passagiere aufs Kalktrittli

tine nach oben, entlang eines tosenden Bachs. Ich habe

(1 860 m). Ihre Schwester nebenan ist für grössere Güter

das Glück, hinter einem Bus zu fahren, der vor jeder Kur-

zuständig und trägt bis zu 40 t auf die Baustelle Muttsee

ve ein warnendes Signal von sich gibt, so dass der Ge-

(2 446 m), was spektakulär anzuschauen ist. Lastwagen,

genverkehr an der Seite halten muss und wir passieren

Bagger, Hubschrauber und orange Bauarbeiter, die sich

können. Der Klöntalersee wird als der schönste Fjord der

deutlich von dem grauen Bergmassiv abheben, produzie-

Welt bezeichnet und das Wasser ist so klar, dass man die

ren Lärm und Geschäftigkeit am End der Welt – doch es

Kaulquappen auf den Steinen sehen kann. Als ich eine

stört nicht: Menschen haben schon immer Landschaften

erwische, ziehen schwarze Wolken auf, das Licht erlischt

gestaltet – Landschaft ist auch Menschenwerk.

und schwere Tropfen fallen in den See. Ich finde Unter-

Mitten in der Baustelle befindet sich das Hotel Tödi. Auf

schlupf im Hotel Rhodannenberg, das direkt über dem

der Buuarbeitercharta finden sich währschafte Ziger-

See liegt. Kaum ist die Tür hinter mir zu, da hagelt es

hörnli und zum Dessert informiert eine Ausstellung in

auch schon, und ich gehöre zu den zwei Letzten in der

der Lobby ausführlich über das Bauvorhaben. Prall voll

Gaststube, die es nicht mehr geschafft haben, vor dem

Wissen schlendere ich am Ausgleichsbecken vorbei in

Unwetter zu fliehen. Wie vom Blitz getroffen, entscheide

die Linthschlucht, zum Felsendom, und staune, wie sich

ich mich, Fridolin Walcher anzurufen. Vielleicht hat er ja

die Linth im Laufe der Zeit geduldig ihren Weg durch den

Zeit für ein Gespräch über das Ende der Welt – das Wet-

engen Fels gefressen hat.

ter könnte nicht besser sein.

25

Es regnet jetzt sintflutartig – ja, apokalyptisch, es fehlen nur noch Trompeter, die vom Himmel steigen. Die Wirtin rät wegen der Gefahr von Gerölllawinen davon ab, die Serpentine zu nehmen. Die Strassen sind überflutet, und da sich auch kein Bus mehr die steile Strecke ins Tal hinunter wagt, möchte ein norwegischer Gast nach Glarus mitgenommen werden. Auf dem kurzen Weg zum Auto werden wir bis auf die Knochen nass. So fahren wir, zwei begossenen Pudeln gleich, im Schneckentempo zu Tale. Sehen kann ich eigentlich nichts. Und das ist gut so, denn links des Weges erstrecken sich höllische Abgründe, von denen mich das Wetter und ein Norweger ablenken. Da wir eine Abzweigung verpasst haben, landen wir prompt auf einer Kuhweide und müssen ein Stück zurück, erreichen dann aber Glarus noch bevor uns die apokalyptischen Reiter einholen.

Das Ende ist der Anfang Im Glarnerhof wartet Fridolin Walcher. Er hatte zugesagt, obwohl er gerade von einem 12-stündigen Fototermin zurückgekehrt war. Er ist einer, der mit den Bergen per Du ist und sie als gleichwertige Gegenüber, als Teil seiner selbst auffasst. Das spiegelt sich eindrücklich in seinen Bergfotografien, die einen wichtigen Aspekt seiner künstlerischen Arbeit ausmachen. Ich möchte gerne wissen, was sein End der Welt für ihn bedeutet. «Überleg dir einmal, weshalb du gerade dieses Bild ausgewählt hast, was dich daran berührt hat» sagt Fridolin. «Wir wissen, dass es kein Ende gibt – wir können ja rings um die Welt herum wandern, bis wir alles gesehen und das Ende widerlegt haben. Oder wir können unsere Sichtweise ändern und sagen: Hier ist der Anfang der Welt! Setzen wir uns mit dem Ende auseinander oder flüchten wir uns in die Umkehr, zum Anfang, den wir besser aushalten?»

Der Titel und das Bild bieten auf den ersten Blick eine einfache Lösung für eine komplexe Frage – doch wer sich durch den eingänglichen Wortlaut anlocken lässt, der wird vom Bild eingefangen und muss für sich einen Umgang mit dem Ende finden, bevor er wieder losgelassen wird.

Von Fridolin Walcher zuletzt erschienen: «Vertikale Ebenen, Felslandschaften in den Glarner Alpen», Helden Verlag, fridolinwalcher.ch

Transhelvetica / Miniatur / XXX 26

Bild: Peter Muster

28

Einwanderer

Der geflügelte Lästling Text: Nicole Egger

Flüssigkeit ab. Diese «Hämolymphe» bereiten den Winzern zunehmend Sorgen. Denn gerade während der Weinlese verbringen die Asiatischen Marienkäfer ihre Nächte in den Weintrauben. Reben bieten den Käfern Nahrung und Schutz vor Witterungseinflüssen. Gelangen Marienkäfer im Zuge der Weinlese in die Verarbeitung, so geht ihre Hämolymphe mit in die Maische über. Die ersten Erfahrungen mit den unwillkommenen Beigaben machten amerikanische Önologen. Sie stellten im Käfer durchsetzten Most und Wein ungewöhnliche grasige, unreife und krautartige Geschmacksnoten fest. Der Marienkäfer-Fehlton – «ladybug taint» in der Fachsprache – verschwand weder durch Lagerung noch durch Weinbehandlungsmethoden. Oder Der invasive Gast dieser Ausgabe neigt zu Kannibalis-

ganz einfach: Wenn Sie das nächste Mal in einem Wein

mus, bereitet Winzern Kopfzerbrechen und hat Mara-

eine Geschmacksnote Spargel, Paprika, Erdnuss oder

thon-Liebesakte, die bis zu achtzehn Stunden dauern: Es

Gras feststellen, könnte es sich ganz einfach um einen

handelt sich um den Asiatischen Marienkäfer, einem na-

«Chäferli-Wii» handeln.

hen Verwandten unseres einheimischen Himmugüägelis.

Der Asiatische Marienkäfer lebt erst seit ein paar Jahren in der Schweiz. Dennoch hat er es bereits geschafft, sich deutlich bemerkbar zu machen. Der Asiatische Marienkäfer gilt hierzulande als bedrohlicher Neozoon, der sich fest etabliert hat. Für den Laien ist der ursprünglich aus China und Japan stammende Marienkäfer kaum von seinen aus Europa stammenden Artgenossen unterscheidbar. Wie auch die einheimischen Marienkäfer erreicht er eine Körperlänge von sechs bis acht Millimetern und hat eine variable Färbung. Die meisten Käfer haben neunzehn schwarze Punkte, die stark ausgeprägt sind. Das auffälligste Merkmal des asiatischen Einwanderers ist das gelbweisse Halsschild, welches durch eine schwarze

Verbreitung

W-förmige Zeichnung oder durch eine Katzenpfote charakterisiert wird.

Auf den Spuren des Asiatischen Marienkäfers

Wie kam der ungebetene Gast nach Mitteleuropa?

Eine wunderschöne Gegend, um den Asiatischen Marien-

«Asiatische-Marienkäfer verfügen über einen sehr gesun-

käfer aufzuspüren ist das Weinbaugebiet Lavaux, eine der

den Appetit. Pro Tag essen sie gerne 200 Blattläuse, was

zehn UNESCO-Welterbe-Stätten der Schweiz. Es lohnt sich

sie zu perfekten Schädlingsbekämpfern macht. Als solche

auch, einen kleinen Umweg zum Musée d'Histoire Natu-

wurden sie auch in den 80er Jahren des letzten Jahrhun-

relle de Neuchâtel zu machen, das bis zum 9. Januar 2011

derts in verschiedenen zentraleuropäischen Ländern in

Werke von François Riou zeigt, der Insekten aus Abfaller-

Gewächshäusern eingesetzt. Von dort aus fanden die Käfer

zeugnissen unserer Konsumgesellschaft herstellt. Im Rah-

rund zwanzig Jahre später ihren Weg in die Freiheit.

men der Ausstellung wird auch der Zusammenhang zwi-

2004 das erste Mal in Basel entdeckt, hat sich der Käfer

schen täglichen klassischen Konsumgütern wie Coca Cola

in der Schweiz stark ausgebreitet. Natürliche Feinde hat

und Handys und den weniger klassischen Zivilisationser-

der Asiatische Marienkäfer wenige. Wie die meisten Ma-

zeugnissen wie dem Asiatischen Marienkäfer aufgezeigt.

rienkäferarten sondert er bei Gefahr oder Stress durch Reflexbluten eine gelbe, bitter schmeckende und giftige

museum-neuchatel.ch, lavaux.ch

Transhelvetica / Das Kreuz / Einwanderer Bild: zvg

29

POst It

! u e N

02

03 04

01 01 Gitterstäbe

02 Powerplay

03 Magnolien

04 Goldmember

Wenn Sie in zwanzig Jahren

Es ist als ob Simon Ammann

Was die können, kann ich

Warum billigen chinesischen

Ihre Strafe, die Ihnen wegen un-

und Benjamin Raich gemein-

schon lange! sagte sich die Mö-

Ramsch in eine nette Schwei-

redlichen Spekulationen währ-

sam eine Skibindung designen

belschreinerin Laura Ducret

zer Tüte packen und sich da-

end der Bankenkrise auferlegt

müssten: seltsam. Doch bei

angesichts der Zeichnungen,

mit selber hinters Licht führen,

wurde,

anstatt einheimische Produkte

haben,

Burton und Adidas hat es ge-

welche Holzwürmer in alten

sollten Sie sich dieses Porte-

abgesessen

klappt: die gemeinsame Linie

Brettern hinterlassen haben – in ein im Aargau gefertigtes

monnaie zutun, das Sie im-

vereint die Stärken der beiden

und revitalisiert seither einen

Unikat aus kunstvoller chine-

mer an den rechten Weg ge-

Player auf harmonische Art

Teil Ihrer Möbel mit Blumen-

sischer Seide stecken? Eben!

mahnen wird.

und Weise.

mustern und Ornamenten.

Portemonnaie «Bar Code» von Primecut, sFr. 58.– bei primecut.ch

«Casual 3in1 Jacket» von Burton und Adidas ab ca. sFr. 500.– bei adidas.com

«Magnolientisch» und andere Einzelstücke sind erhältlich bei lorbeer.ch

Einkaufstasche «Shopper» von Umriss, sFr. 60.– bei umriss.ch

Transhelvetica / Miniatur / Post it 30

05

07 08 06

05 Sterne

06 Knieling

07 Eichhörnchen

08 Bewegung

Tun Sie etwas gegen Lilifee, In-

Niemand weiss, woher sie ge-

Der krönende Abschluss für

Seit 10 Jahren kommt aus dem

victa und Einhornmotive. Ge-

kommen sind. Doch nun sind

einen durchtrainierten Körper:

Lavaux neben beschwingend-

ben Sie dem Kindergärtner Ihr-

sie da, knien zufrieden in öf-

dieses Jahr können Sie sich die

em Wein auch ein schwung-

er Wahl eine in Zürich hand-

fentlichen Räumen und schau-

Eichhörnchen auf den warmen

voller Ski, der mit zum Besten

gefertigte Tasche von Medusa

en dem Treiben der Menschen

Ohren

lassen.

gehört, was es im Bereich Fre-

mit auf den Weg, damit dieser

zu. Nehmen Sie einen dieser

Und wenn die Ohrenklappe

eride und Tourenski gibt. Tes-

sich an seiner Hochzeit nicht

kleinen Wichte mit auf die

unten ist, werden Sie auch in

ten Sie ihn nach einem ballon

für die eigenen Kindergarten-

Reise und zeigen Sie ihm die

der Stadt die Stille des Winter-

d'Epesses in einem frisch ver-

bilder schämen muss.

Transhelvetica.

waldes geniessen können.

schneiten Pulverhang.

Tasche «Star» von medusa-design, sFr. 139.– bei medusa-design.ch

Actionfigur «stifle» von büro destruct, sFr. 12.– bei stifles.org

Beanie «Gstaad» von Alprausch, sFr. 59.– bei alprausch.com

Ski von Movement ab ca. sFr. 700.– bei movementskis.com/contact-shops.html

herumtanzen

31

Schwerpunkt

Miniatur Die Schweiz zeichnet sich aus durch ihre Kleinräumigkeit, die zu grösserer Übersicht führt. Es ist ein Privileg, ein ganzes Land mit ein paar wenigen Schritten durchqueren zu können und dabei auf Landschaften und Kulturen zu treffen, die kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Ein paar Details daraus haben wir genauer unter die Lupe genommen.

32

Bild: Arthur Mebius

1:87 Text: Madeleine Weiss, Bild: Marius Morger

In Granges-Paccot, einem Vorort von Fribourg, steht die grösste Modelleisenbahnanlage der Schweiz. Die «Chemins de fer du Kaeserberg» rattern auf schmalen Geleisen durch ein frei erfundenes Stück Schweizer Landschaft: vorbei an felsigen Bergen, glitzernden Seen, lieblichen Dörfern und einem Unglück draussen vor der Bäckerei.

Transhelvetica / Miniatur / 1:87 34

Rubrikentitel

AlteisenbergXXXX in Kreuzlingen

Auf den Geleisen der Modelleisenbahn Kaeserberg XXXXverkehren 300 verschiedene Mini-Lokomotiven

Die Szene der Modelleisenbahnfans in der Schweiz

Kaeserberg sind etwa achtmal grösser grösser als

ist gross. Grösser als in irgendeinem unserer Nach-

die Modelleisenbahnanlage im Verkehrshaus Luzern,

barländer. Nur spielt sie sich im Verborgenen ab:

welche mir mit ihren 6 m mal 13 m früher immer rie-

In privaten Kellern oder Dachstöcken, zu denen

sengross vorgekommen ist. Trotz dieser Grösse wur-

nur Eingeweihte Zutritt haben. Doch keine Bange:

de die Anlage Kaeserberg bis ins kleinste Detail mit

Transhelvetica hat den richtigen Vierkantschlüssel

geduldigem Geschick und viel Liebe gestaltet, sodass

für Sie. Bitte einsteigen!

es dem Betrachter vorkommt, als stehe er vor einer

Es gibt in der Schweiz rund 120 Modelleisenbahn-

geschrumpften Wirklichkeit: ein idyllisches Stück

vereine; deren Mitgliedschaft setzt sich vorwiegend

Schweizer Ideal-Landschaft mit grünen Hügeln, Wäld-

aus pensionierten Herren zusammen, welche einst

ern, Seen und schmucken Häusern – einfach in Mini-

Lokführer waren oder gerne Lokführer gewesen wä-

ature. Und wenn man den Kopf ganz nahe an die

ren und nun ihre Eisenbahn-Leidenschaft an Mini-

Modelle hält, dann scheint die Anlage «wirklich» täu-

atur-Zügen ausleben. Meist trifft man sich in einem

schend echt: die Oberfläche des Sees glitzert dank

solchen Verein zwei bis drei Abende die Woche, um

einer speziellen Folie wie in der gleissenden Nach-

an einer gemeinsamen Modelleisenbahnanlage zu

mittagssonne, die Felsen und Berge, durch welche

arbeiten. Stundenlang tüftelt man dann, von der Au-

zahlreiche Basistunnels gebohrt wurden, sehen aus

ssenwelt abgeschnitten, an optimalen Lösungen für

wie echter Stein und in den Strassen und Häusern der

Weichenstellsysteme, Lichtsignalanlagen, Bahnüber-

Städte gehen streichholzgrosse Menschen in stets bes-

gänge, Höchstgeschwindigkeiten und Kurvenneigun-

ter Laune ihren täglichen Verrichtungen nach.

gen rum. Oder man sucht nach neuen Ideen, wie aus Papiermaché, Moos und grün eingefärbtem Sä-

Umfall vor der Bäckerei

gemehl eine möglichst echt wirkende, überwucherte

Fleissige

Felslandschaft gezaubert werden kann.

während der 17 Jahre dauernden Bauarbeiten um

Es entspringt der Tradition des Schweizer Vereins-

all diese kleinen Details gekümmert und auch dafür

wesens, dass die Modelleisenbahnvereine einmal im

gesorgt, dass die Bewohner der Anlage nicht nur auf

Jahr einen Tag der offenen Türe veranstalten. Ohne

den Strassen und in den Häusern anzutreffen sind,

das wöchentliche Studium der Anschlagtafeln in den

sondern auch in Zügen und anderen Fahrzeugen.

Volg-Filialen sämtlicher Schweizer Gemeinden ist es

Denn was wäre ein Zug ohne Lokführer, Kondukteur

jedoch nicht ganz einfach, davon zu erfahren. Weil

und Passagiere?

das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag in diesem Fall

Alle Züge mit Menschen zu besetzen, war jedoch ein

aber nicht optimal ist, bleibt diese kleine Welt für neu-

aufwändiges Unterfangen, denn die Modelle werden

gierige Geister, welche einer spontan aufkeimenden

ohne passende Belegschaft ausgeliefert. So mussten

Leidenschaft für Modelleisenbahnen nachgehen wol-

sämtliche Züge einzeln aufgeschraubt, mit Leuten aller

len, oft verschlossen.

Art bestückt und anschliessend vorsichtig wieder zu-

Modelleisenbahn-Liebhaber

haben

sich

sammengefügt werden. Eine Heiden-Büez! Doch den Die grösste Modelleisenbahnanlage der Schweiz

Erschaffern der Modelleisenbahnanlage Kaeserberg,

Dass dies nun ändert, ist Marc Antiglio, einem er-

allen voran dem Gründer Marc Antiglio, war für ihr

folgreichen Schweizer Bauunternehmer und leiden-

Schmuckstück kein Aufwand zu gross, weshalb sie der

schaftlichen Modelleisenbähnler, zu verdanken. Die-

lebensechten Miniaturlandschaft neben den Passagie-

ser entschied zu Beginn der 90er Jahre, dass Leute

ren weiteres Leben eingehaucht und auf der gesamten

ohne soliden Bähnlerhintergrund nicht länger vom

Anlage Alltagsszenen nachgestellt haben. Diese erzäh-

Modelleisenbähnlen ausgesperrt werden sollten. Da-

len rund um die Geleise zahlreiche Geschichten, die

für erbaute er in Granges-Paccot ein Gebäude, wel-

das Leben schreibt: auf einem Kiesweg trifft man bei-

ches genug Platz bot, um darin die grösste Modellei-

spielsweise auf eine Gruppe Wanderer, die mit Nordic-

senbahnanlage der Schweiz unterzubringen.

Walking-Stöcken durch die Anlage eilt. Weiter oben

Die Anlage erstreckt sich über drei Ebenen und eine

am Hügel kommen gerade die geschmückten Kühe

2

Fläche von mehr als 610 m . Auf diese Fläche kommen

von der Alp ins Dorf hinunter, vor dem Bauernhaus

im nahen Fribourg etwa 6 bis 8 Studenten WG's – al-

hält die junge Bäuerin einen angeregten Schwatz mit

lerdings ohne Modellanlagen. Die Chemins de fer du

dem Pöstler und im Garten jätet die Schwiegermutter

Transhelvetica / Miniatur / 1:87 36

Neben Bergen, Seen, Wäldern und Kirchen darf auch der Zirkus Knie nicht fehlen

Hier stehen die Schienen unter Strom

37

mit gekrümmtem Rücken Unkraut. Weiter unten, auf

Auf der Übersicht leuchten verschiedene Lichtlein in

der Hauptstrasse, hebt ein frecher Hund das Bein und

rot und grün, daneben stehen je zwei Kontroll-Bild-

pinkelt vor allen Zuschauern seelenruhig an einen Hy-

schirme, welche Bilder von heiklen Bahnübergängen,

dranten und auf dem Platz vor dem grossen Bahnhof

gefährlichen Tunneleinfahrten und prekären Weichen-

steht das unverkennbare Zelt des Zirkus Knie mit al-

situationen zeigen. Der Bahnhofsvorstand überwacht

lem, was dazu gehört: exotische Tiere, extrovertierte

das Geschehen auf der Anlage, entscheidet, wann wel-

Artisten, die typisch bemalten Wohnwagen, aufgereg-

cher Zug durch den Tunnel fährt und schreitet im Not-

te Besucher und die Holzabschrankungen, bei deren

fall ein. Beispielsweise dann, wenn eine Lokomotive

Anblick man den Geruch von Elefanten, Sägemehl und

den Geist aufgibt oder es zu einer Kollision kommt –

Popcorn erahnt.

was in den vergangenen zwei Jahren aber erst einmal

Eine unglaublich schöne und heile Welt. Entzückend

vorgekommen ist. Um Unglücke zu verhindern, lassen

und ob der ruhigen, geranienverhangenen Atmosphäre

die Bahnhofsvorsteher alle zwei Monate einen speziel-

auch ein wenig beengend. Ist das Leben auf dem Kaeser-

len Staubsauger-Zug über die Anlage gleiten, welcher

berg stets rosa? Läuft hier nie etwas schief? Doch! Auf

die Geleise von Staub und Sand befreit – denn Staub

dem Trottoir vor der Bäckerei liegt ein Figürchen mit

ist der Modelleisenbahnlokomotive ärgster Feind.

dem Gesicht nach unten, daneben ein Blech mit frisch

Und sollte es trotz des gewissenhaften Staubsaugens

gebackenen Weggli, welches ihm soeben aus den Hän-

einmal eine Panne geben, so hilft die hauseigene

den gerutscht und auf den Boden gefallen ist. Weitere

Werkstatt weiter. Dort werden sämtliche Ersatzteile

Fehltritte können wir aber nicht erkennen, denn dank

gelagert und für jede der 300 Loks eine Ersatz-Lok

den schützenden Händen von Marc Antiglio und sei-

aufbewahrt. Für den Fall der Fälle.

nen Helfern läuft in der Welt des Kaeserbergs alles in

Nach drei Stunden in der Miniaturwelt vom Kaeser-

geregelten Bahne – im wahrsten Sinne des Wortes.

berg werden wir leider vom Bahnhofsvorsteher darauf

Insgesamt kann man auf der Anlage «Kaeserberg»

hingewiesen, dass der Bahnhof schliesst. So verlassen

6 500 Figuren beobachten, wovon rund die Hälfte mit

wir diese faszinierende Schrumpf-Welt und erschre-

dem Zug unterwegs sind, während die anderen die

cken auf dem Nachhauseweg ein paar mal ganz arg,

mit über 200 Häusern und 5 400 Bäumen ausstaffierte

weil sich die Menschen am Strassenrand plötzlich be-

Landschaft bevölkern. Wegen der Bequemlichkeit sind

wegen oder sogar mit uns sprechen wollen.

neben dem öffentlichen Verkehr auch Autos unterwegs, deren Strassen mit Lampen beleuchtet und mit Parkplätzen gesäumt sind, für welche die Gebühren

«Les Chemins de fer du Kaeserberg» fahren durch Granges-Paccot FR, Eintritt: sFr.18.–, kaeserberg.ch. Mehr zu Figuren und Modellbahnen: figuren.de, noch.de, woodlandscenics.com

an entsprechenden Parkuhren bezahlt werden müssen. Doch letztlich ist dies alles Staffage für das Herzstück der Anlage: 2 045 m Schienen, was ausserhalb der Anlage einem Streckennetz von 177 km an selbstverlegten Geleisen entsprechen würde.

Wie echt – einfach viel, viel kleiner Doch auch wenn alles unglaublich echt aussieht, einen grossen Unterschied zur Realität gibt es: Alles steht still. Oder zumindest fast alles. Die Züge sind das Einzige, was sich durch die bilderbuchähnliche Landschaft bewegt. Und damit keine grösseren Katastrophen geschehen, sorgen sogenannte Bahnhofsvorsteher (Massstab 1:1) für das richtige Timing von Abfahrt und Ankunft der zahlreichen Zugkompositionen. Die Vorsteher, angefressene Modelleisenbähnler verschiedenen Alters, arbeiten freiwillig in der Bahnzentrale auf dem Kaeserberg, wo sie sich aus Liebe, Leidenschaft und Faszination für die Miniaturzüge schichtweise an den drei Schaltpulten ablösen: Transhelvetica / Miniatur / 1:87 40

Es vergeht keine Minute, in der die Schaltzentrale nicht von einem ehrenamtlichen Bahnhofsvorsteher Ăźberwacht wird

41

Auf Spurensuche Entdeckungsreise zum Ursprung des Universums Text: Giovanna Davatz, Bild: Cern

Bei unserer letzten Wanderung ergab sich endlich wieder mal die Gelegenheit, den Sternenhimmel von Nahem zu betrachten. Ausgestreckt in bequemen Sesseln und in Wolldecken gewickelt, warteten wir darauf, bis sich das GefĂźhl der Winzigkeit einstellte angesichts dieses riesigen Raumes, in dem selbst die Sterne etwas verloren wirken.

Transhelvetica / Miniatur / Auf Spurensuche 42

Digital ist die Zukunft: Manuelle Analyse von Blasenkammerbildern, 1957

Während wir uns als Kinder gefragt haben, ob wir wohl

getisch Dichtes vorhanden, das unendlich klein war. Kleiner

schon lange aus unseren Kleidern herausgewachsen

als alles, was wir uns vorstellen können.

sein werden, bis sich einer der Sterne auch nur ein biss-

Mit solchen Gedankenexperimenten beschäftigt man sich

chen bewegt, haben Forscher herausgefunden, dass das

schon seit sehr langer Zeit, aber erst in den letzten 100 Jah-

Universum die ganze Zeit in Bewegung ist, und sich im-

ren ist die Technologie so weit fortgeschritten, dass man sol-

mer weiter ausdehnt. Dies allein kann man sich noch

che Fragen auch experimentell beantworten kann. Ein paar

einfach vorstellen. Denkt man etwas länger darüber

der spannendsten Experimente dazu wurden am CERN

nach, kommt einem plötzlich ein spannender Gedanke:

durchgeführt.

Wenn sich das Weltall immer weiter ausdehnt, bedeu-

Um zu verstehen, wie das Universum ursprünglich aussah,

tet dies wohl auch, dass es einmal winzig klein gewesen

muss man mehr über die Elementarteilchen herausfinden,

sein muss.

welche die eigentlichen Bausteine unseres Universums sind.

Leider sind diese Elementarteilchen so klein, dass sie von

Protonen oder Neutronen zum Mittagessen

blossem Auge nicht sichtbar sind. Um Moleküle und Atome

Glücklicherweise liegt einer der Orte, an denen weltweit

zu untersuchen, benutzt man Mikroskope; um die noch klei-

am meisten Wissen über den Ursprung des Universums

neren Elementarteilchen kennenzulernen, reicht dies nicht

und seine damalige Zusammensetzung vorhanden ist, in

mehr aus. Dafür muss man ziemlich tief in die Trickkiste

der Schweiz. Zu diesem Ort machen wir uns nun auf den Weg. Von der Deutschschweiz kommend führt die Fahrt am Jura Südfuss entlang durch die Dreiseen-

Der Kalender des Universums

landschaft Richtung Frankreich. Kurz vor der Grenze und da, wo sich Alpen und Jura auf Schweizer Boden am nächsten kommen, erkennen wir ein altbekanntes Gebäude: Der frühere Palais d'Equilibre der Expo 02 markiert auf imposante Art den Eingang zu einem der weltweit grössten Forschungszentren, dem CERN.

Das Alter des Universums wird auf 13,7 Milliarden Jahre ge-

Das europäische Zentrum für Kernforschung wurde

schätzt. Die Geschichte des Weltalls kann man anschaulich

1954 erbaut mit dem Ziel, friedliche Kernforschung

auf ein Kalenderjahr übertragen: Wenn wir annehmen, dass

zu betreiben, die vom Krieg zerrütteten Nationen wie-

am 1. Januar um 00.00 Uhr der Urknall stattfand, vergingen

der näher zusammenzubringen und brilliante Wissen-

über 9 Monate, bis sich am 9. September unsere Sonne und

schaftler von der Abwanderung nach Amerika abzu-

die Erde bildeten. Die ersten Vorfahren des Menschen er-

halten. Seither jagt ein Rekord den andern. Wenn man

blickten am 31. Dezember abends um 20.00 Uhr das Licht

die Eintrittsschranken hinter sich gelassen hat – das

der Welt, und die Schweiz wurde 1,5 Sekunden vor Mitter-

Sicherheitspersonal macht ID-Kontrollen – kommt

nacht auf dem Rütli geboren.

man direkt zur Cafeteria. Restaurant eins, genauer gesagt, denn es gibt insgesamt drei; bei zweien bezahlt man in Schweizer Franken, bei Restaurant drei in Euro.

greifen. Im CERN stehen eine ganze Reihe von ausgeklügel-

Und nur im Resto eins gibt’s das Menu Proton (mit Fleisch)

ten Geräten, mit denen man die Teilchen indirekt, also über

und das Menu Neutron (vegetarisch).

die Analyse der von ihnen hinterlassenen Spuren, besser zu verstehen lernt. Beispielsweise indem man sie auf unvor-

Am Nullpunkt des Universums: alles auf kleinem Raum

stellbar hohe Geschwindigkeiten beschleunigt, kollidieren

Inspiriert dadurch, dass sich hier wohl die höchste Dich-

lässt und die Spuren und Eigenschaften der dadurch ent-

te an Nobelpreisträgern befindet, wird unsere Phantasie

stehenden Teilchen in Detektoren genau untersucht. Teil-

angeregt. Falls das Universum am Anfang unendlich klein

chenzusammenstösse am CERN sind Vorstösse ins Innere

gewesen ist, dann muss ja trotzdem alles, was jetzt im Uni-

der Materie, Reisen zurück zum Urknall und zum Anfang

versum vorhanden ist, irgendwie darin Platz gehabt haben.

der Zeit.

Das heisst dann wohl aber, dass die Dichte damals unendlich hoch war. Wenn die Dichte so hoch war, dann waren

Süppchen in der Gargamelle

die Dinge, die wir jetzt um uns herum sehen, wahrschein-

Gegenüber dem CERN Resto eins befindet sich das Besucher-

lich nicht in dieser Form vorhanden, sondern nur in ihren

zentrum, in dessen Garten viele Objekte ausgestellt sind, die

Bestandteilen, den Elementarteilchen. Und noch weiter zu-

in den letzten 50 Jahren dazu dienten, diese kleinsten aller

rück gegen den Nullpunkt war selbst für diese kein Platz

Strukturen aufzulösen. Man wähnt sich am Set von Star Trek.

mehr da, und es war wahrscheinlich nur etwas hochener-

Das erste Objekt, welches uns ins Auge sticht, hat die Form Transhelvetica / Miniatur / Auf Spurensuche

44

Ăœberwachung der Teilchenstrahlung, 1970

45 Apollo war gestern: im Innern von Gargamelle, 1970

eines riesigen Blechzylinders, der mit verschiedenen Öffnun-

des Universums zurückblicken, sondern bekommt auch In-

gen versehen ist, uns sonst aber an einen Miniatur-Zeppelin

formationen darüber, wieso sich das Universum so entwi-

erinnert. Es ist Gargamelle, einer der ersten Teilchendetek-

ckelt hat, wie wir es heute erleben. Der neu erbaute Large

toren überhaupt. Gargamelle ist eine Druckkammer, die mit

Hadron Collider am CERN kann in diesem Sinne so tief in

einer schweren Flüssigkeit knapp unter dem Siedepunkt ge-

die Vergangenheit zurückblicken, wie noch kein Beschleu-

füllt war. Sobald ein Teilchen durch die Kammer hindurch-

niger vor ihm: bis zum Zeitpunkt eine Billionstel Sekunde

flitzt, wird die Flüssigkeit angeregt, und kleine Dampfblasen

nach dem Urknall.

bilden sich entlang der Spur des eintretenden Teilchens. Anhand der Krümmung der Bahnen kann man Rückschlüsse

Blick zurück

auf die Ladung und den Impuls des Teilchens machen, was

Auch ein Blick in den Sternenhimmel ist in kleinem Rah-

wiederum hilft, es zu identifizieren. Gargamelle wurde in

men ein Blick in die Vergangenheit. So sehen wir die Pla-

den 80er Jahren eingesetzt um mehr über eine gewisse Art

neten unseres Sonnensystems nicht in dem Zustand, in

von Elementarteilchen zu erfahren, die von fast nichts auf-

dem sie gerade sind, sondern in dem Zustand, in dem

gehalten werden können: die Neutrinos.

sie vor ein paar Minuten waren: der Zeit, die das Licht braucht, um von den Planeten zu uns zu kommen. Weiter

Konkurrenz zur NEAT:

entfernte Sterne sehen wir so, wie sie vor Jahrtausenden

in 3 Millisekunden von Genf nach Rom

aussahen, je nachdem wie weit sie von der Erde entfernt

Die Eigenschaft, dass gewisse Teilchen wie Neutrinos fast

sind. So kommt es zu der skurrilen Situation, dass wir

nicht mit unserer Materie wechselwirken, kann Vor- und

auch Sterne sehen können, die es mittlerweile gar nicht

Nachteil sein. Einerseits muss man sich einiges einfallen

mehr gibt. Mit Weltraumteleskopen wie Hubble ist es auf

lassen, um sie zu finden, anderseits kann man sich diese Eigenschaft auch zu Nutze machen, um sie zu untersuchen. So gibt es zum Beispiel einen Neutrinostrahl, der vom CERN unterirdisch 730 km südlich in die Nähe von Rom führt. Was nach Konkurrenz zur NEAT klingt, war aber einiges einfacher zu realisieren: Da Neutrinos ohne irgendeine Ablenkung

Kosmische Hintergrundstrahlung

einfach durch die Erde hindurchgehen, musste nicht einmal ein Tunnel für sie gebaut werden. Es ge-

Kurz nach dem Urknall war das Universum extrem dicht

nügte, den Neutrinostrahl am Ursprungsort in Genf

und extrem heiss. Die hohe Temperatur hatte zur Folge, dass

Richtung Rom auszurichten, und quer unter den

sich ständig verschiedene Elementarteilchen in Strahlung

Alpen durch zu bollern. In der Nähe von Rom wie-

umwandelten. Erst nach ein paar hunderttausend Jahren

derum werden sie von grossen Detektoren in einem

war das Universum mit 3000 Grad so weit abgekühlt, dass

unterirdischen Labor zur weiteren Untersuchung

sich Kerne und Elektronen zu neutralen Atomen vereinigen

empfangen. Mit solchen und ähnlichen Experimen-

konnten. Ab diesem Zeitpunkt konnte sich die Strahlung

ten wurde nach und nach ein immer grösseres Ver-

praktisch ungehindert ausbreiten, beeinflusst einzig durch

ständnis der Zusammensetzung unserer Welt auf-

die Expansion des Universums. Diese sogenannte kosmische

gebaut und gleichzeitig auch wertvolle Information

Hintergrundstrahlung wurde im 20. Jahrhundert nachgewie-

zum Ursprung des Universums gesammelt. Mit den

sen und verhalf dem Urknallmodell zum Durchbruch.

heutigen Teilchenbeschleunigern kann man für eine kurze Zeit Bedingungen erzeugen, wie sie Sekunden nach dem Urknall vorherrschten, als die Elementarteilchen

ähnliche Art gelungen, Milliarden Jahre in die Vergangen-

noch frei waren und sich nicht zu Atomen und Molekülen

heit zurückzublicken.

verbunden hatten.

Es ist schon spät geworden. Wir verlassen das Gelände – das

Die Teilchen werden dabei auf beinahe Lichtgeschwin-

Sicherheitspersonal hält uns an und will in den Kofferraum

digkeit beschleunigt. Treffen zwei Teilchen zusammen,

schauen, um sicher zu gehen, dass wir den Beschleuniger

werden unglaublich hohe Temperaturen auf sehr kleinem

nicht geklaut haben – und fahren heimwärts, antizyklisch

Raum erzeugt. Dies ist vergleichbar mit dem Zustand, der

gegen den Strom heimkehrender Frontaliers. Auch wir füh-

kurz nach dem Urknall herrschte… Die Teilchen und Pro-

len uns nach diesem Tag als Grenzgänger, obwohl wir die

zesse können dann anhand der Spuren, die sie oder ihre

Schweiz zumindest physisch gar nicht verlassen haben.

Sekundärteilchen in den Detektoren hinterlassen, untersucht werden. Dadurch kann man nicht nur an den Anfang

public.web.cern.ch/public Transhelvetica / Miniatur / Auf Spurensuche

48

49 Die Teilchen werden auf ihre Bahn gebracht, PS Beschleuniger, 1959

50

Swissminiatur Die dreidimensionale Postkarte der Schweiz Text: Omar Gisler, Bild: RĂŠmy Steinegger

51

Die Schweiz in Privatbesitz? Unvor-

verkaufte daher sein Geschäft in Gri-

Franken. Da reichte es allemal noch für

stellbar! In Melide am Luganersee

misuat und ein paar Grundstücke, die

einen Spaziergang durchs Swissminia-

ist dieses Szenario jedoch Realität.

der Familie gehörten, und zog mit Kind

tur, zumal es dort einen Kiosk gab, der

Die Familie Vuigner zeigt in ihrem

und Kegel nach Melide. Dort machte er

alles feilbot, was das Herz der Italiener

Themenpark

in-

sich mit einigen Partnern an die Arbeit.

begehrte. «An einem Sonntag verkauf-

und ausländischen Besuchern seit

Bald einmal waren die ersten Modelle

ten wir einmal 21 000 Tafeln Schokola-

über einem halben Jahrhundert die

von helvetischen Sehenswürdigkeiten

de», erinnert sich Dominique Vuigner

schönsten Seiten der Schweiz. Wir

bereit. Ebenso der kleine Zug, der die

an die goldenen Zeiten. Zwischen 1968

schreiben das Jahr 1958. Pierre Vuig-

Besucher durch den Park transportie-

und 1974 machten an den Wochenen-

ner war damals 32 Jahre alt, Besitzer

ren würde. Doch Vuigners Ersparnis-

den im Schnitt hundert Busse mit itali-

eines Dorfladens und Sekretär in der

se schmolzen wie der Schnee in der

enischen Touristen in Melide Halt. Im

Walliser Gemeinde Grimisuat – und er

Frühlingssonne.

Swissminiatur klingelten die Kassen.

Swissminiatur

Die Familie Vuigner investierte einen

hatte eine Erinnerung, die ihm keine Ruhe mehr liess. Auf einer Holland-

Serotonin für die Besucher

Grossteil der Einnahmen in den Ausbau

Reise hatte er den Miniaturpark Madu-

Die Bauarbeiten waren noch im Gange,

des Parks und ins Marketing. Stars und

rodam in Den Haag besucht. Treibende

als der erste Themenpark der Schweiz

Sternchen wie Caterina Valente, Lys As-

Kraft hinter dem Freilicht-Museum, in

am 6. Juni 1959 seine Pforten öffnete.

sia, Vico Torriani, Peter Kraus, Nicola

dem die wichtigsten Bauwerke der Nie-

Rund ein Dutzend Modelle gab es da-

di Bari, Anita Traversi, Febo Conti oder

derlande im Miniaturformat nachgebil-

mals zu bestaunen. Es schien, als hätte

Hermann Geiger rührten für die Mini-

det sind, waren die Eheleute Maduro,

die Welt nur auf das Swissminiatur ge-

Schweiz die Werbetrommel.

die auf diese Weise das Andenken an

wartet. Vier Monate nach der Eröffnung

ihren Sohn hochhalten wollten, der

hatte Pierre Vuigner 868 000 Fran-

Nach dem Italiener kommt der Inder

1945 im Konzentrationslager Dachau

ken eingenommen. Das reichte jedoch

Doch auch sie konnten den Besucher-

ums Leben gekommen war.

nicht, um alle offenen Rechnungen zu

rückgang in den 70er Jahren nicht ab-

Pierre Vuigner fasste den Entschluss,

begleichen. Der Anfangserfolg trug aber

wenden. Die Mini-Schweiz war dem

in der Schweiz eine ähnliche Attrakti-

immerhin zur Beruhigung der Gläubi-

Unbill der Zeit machtlos ausgeliefert.

on zu realisieren. Um seinen Traum zu

ger bei. Am 31. Dezember 1960 hatte

Die Lira fiel ins Bodenlose. 1981 wa-

verwirklichen, benötigte er vorab ein

Pierre Vuigner sämtliche Schulden ab-

ren tausend Lire bloss noch 60 Rappen

geeignetes Gelände mit einer Fläche

bezahlt. The rest is history, wie die Bri-

wert. Für die Italiener wurden Ausflü-

von mindestens 10 000 Quadratme-

ten zu sagen pflegen.

ge in die Schweiz zum Luxus, den sich

tern. Er sah sich in der ganzen Schweiz

Eine wichtige Rolle in dieser Geschichte

viele nicht mehr leisten konnten. Die

danach um. Küsnacht am Rigi. Zürich.

spielten die Italiener, erzählt Dominique

580 000 Besucher (davon rund acht-

Pratteln. Thun. Lugano. Fündig wurde

Vuigner, der im Frühling 1986 zusam-

zig Prozent Italiener), die 1970 gezählt

er schliesslich in Melide am Luganer-

men mit seinem jüngeren Bruder Jean-

wurden, bilden einen Rekord in der

see, fünf Kilometer südlich von Luga-

Luc in die Fussstapfen seines Vaters

Geschichte des Swissminiatur, der nie

no, direkt an der Nord-Süd-Route.

trat. Die Nähe zu Italien war für den Er-

mehr auch nur annähernd erreicht

«Es war Liebe auf den ersten Blick»,

folg des Swissminiatur ausschlaggebend:

wurde. Wenn der bald 85-jährige Pi-

erinnert sich Pierre Vuigner später.

«Hätte mein Vater den Park ein paar Ki-

erre Vuigner von seinem Lebenswerk

Den Gemeindepräsidenten von Me-

lometer weiter nördlich errichtet, dann

erzählt, dann kommt er nicht um die

lide, Franco Gallino, konnte er rasch

wäre er wohl pleite gegangen.»

Feststellung umhin: «Mon dieu, j'ai eu

für seine Pläne begeistern. Es gab

Es waren die Jahre des grossen wirt-

plus de chance que d'intelligence.»

zwar im Dorf einige Leute, die auf

schaftlichen Aufschwungs dies- und

Sein Sohn bringt den Wandel der Zei-

dem Gelände zwischen der Kantons-

jenseits der Landesgrenze. Auf die Hun-

ten folgendermassen auf den Punkt:

strasse und dem Seeufer lieber einen

gerjahre folgte der Konsumrausch. An

«Früher

Campingplatz gesehen hätten. Doch

den Wochenenden strömten massen-

muss man sie holen.» Etwas mehr als

Gallino setzte sich durch. Innerhalb

weise Italiener ins Tessin, um sich mit

000 Besucher passierten dieses 200

dreier Wochen erledigte die Gemeinde

Produkten einzudecken, die hierzulande

Jahr das Drehkreuz der «als potem-

das bürokratische Prozedere.

günstiger waren: Schokolade, Zucker,

kinsches Chalet gestalteten Pforte von

Pierre Vuigner hatte nun eine Idee und

Kaffee, Zigaretten und Knorr-Würfel.

Swissminiatur» (NZZ). 160 000 Schwei-

ein Gelände, aber noch kein Kapital. Er

Für tausend Lire gab es damals sieben

zer und 45 000 Ausländer. Dominique

kamen

die

Leute.

Heute

Transhelvetica / Miniatur / Swissminiatur 52

53

Transhelvetica / Miniatur / Swissminiatur 54

55

Vuigner weiss dies deshalb so genau,

detailgetreu modelliert aus, was die

Komplett ist die dreidimensionale Post-

weil die Gäste an der Kasse nach

Schweiz touristisch ausmacht: Gebir-

karte der Schweiz damit noch lange

ihrer Herkunft befragt werden. Da-

ge, Seen, Flüsse und vor allem Ge-

nicht. Der Kanton St. Gallen sei bloss

durch kann die Wirkung der Marke-

bäude, mittlerweile über 120 an der

mit drei Objekten vertreten, bedauert

ting-Aktivitäten überprüft werden.

Zahl. Der Fächer an klassischen Se-

Dominique Vuigner. Glarus gar ledig-

In den letzten fünf Jahren hat Swiss-

henswürdigkeiten, der sich zwischen

lich mit einem, dem Freuler-Palast

miniatur über eine Million Franken in-

15 000 Blumen und 1 500 Bäumen

in Näfels. Das UNO-Gebäude in Genf

vestiert, um neue Kundensegmente

öffnet, ist gross. Vom Teich mit An-

hingegen sucht man im Swissminiatur

zu erschliessen.

klängen an die grösseren Schweizer

vergeblich. Auch das Kloster Einsiedeln

Das Hauptaugenmerk der PR-Aktivi-

Seen aus schweift der Blick über die

fehlt. Doch gerade letzteres würde den

täten gilt den Märkten in den Schwel-

Dachzinnen von Schlössern und die

Park vor Platzprobleme stellen. Da die

lenländern. Im arabischen Raum, in

Türme von Kirchen und Kathedra-

Modelle allesamt im Massstab 1:25 an-

Indien und China sowie in Osteuropa

len zu den auch bei dreissig Grad im

gefertigt werden, würde das Kloster die

ortet Vuigner ein «riesiges Potenti-

Schatten dezent gezuckerten Gipfeln

Dimensionen des Parks sprengen. Ganz

al». In Indien arbeitet Swissminiatur

von Eiger, Mönch und Jungfrau. Von

zu schweigen von den Kosten.

nun mit demselben Repräsentanten

links grüsst Chillon, in der Mitte steht

Ein Vergleich mit dem Dom von Mai-

zusammen wie die Titlis-Bahnen.

die Ile d'Ogoz aus dem Greyerzersee

land, dem einzigen ausländischen Ge-

Vuigner hofft, dadurch die Zahl der

und rechts schmiegen sich das Olympi-

bäude im Swissminiatur, mag dies ver-

indischen Gäste um dreissig Prozent

sche Museum in Lausanne und die Lo-

deutlichen: Das 7 Meter lange, 3,7 Meter

steigern zu können.

carneser Wallfahrtskirche Madonna del

breite und 2,4 Meter hohe Modell aus

Bereits jetzt ist die Präsenz von Indern

Sasso an eine Erhebung, die sich ganz

PVC Forex ist in über 2 200 Arbeitsstun-

unübersehbar. «Indische Gruppen lan-

oben als Abbild jenes Berges entpuppt,

den entstanden. Kostenpunkt: 180 000

den auf dem Mailänder Flughafen Mal-

dem die Ausstellung zu Füssen liegt:

Franken. Das Mailänder Wahrzeichen

pensa, besuchen Venedig und Florenz.

des San Salvatore.

wurde im Sommer 2003 anlässlich der

Danach führt die Reise in die Schweiz,

Hätten die statischen Bewohner des

200-Jahr-Feier des Kantons Tessin ins

wo in der Regel Luzern und Zürich so-

Zwergenlandes

Mobilitätsbedürfnisse,

Sortiment aufgenommen und soll an die

wie ein Ausflug auf den Titlis oder die

könnten sie diese problemlos befriedi-

engen Beziehungen der Schweiz zu den

Jungfrau auf dem Programm stehen»,

gen. Zur Verfügung stünde ihnen ein

italienischen Nachbarn erinnern.

erzählt Dominique Vuigner. Ein kur-

3 560 Meter langes Bahnnetz mit acht-

Mit der Lombardei verknüpft Domi-

zer Stopp im Swissminiatur, das mit

zehn

Zugkompositio-

nique Vuigner grosse Hoffnungen. Denn

dem Slogan «Switzerland in one hour!»

nen. Dazu kommen noch Zahnrad- und

im Jahr 2015 wird in Mailand die Expo

wirbt, passt perfekt in dieses Pro-

Drahtseilbahnen und sogar ein Auto-

stattfinden, zu der 17 bis 20 Millionen

gramm – nicht zuletzt deshalb, weil das

bahnabschnitt samt der zum Kultobjekt

Besucher erwartet werden. Im Swissmi-

Restaurant auf dem Parkgelände auch

gewordenen Raststätte Würenlos. Ef-

niatur schmiedet man bereits Pläne, um

indische Gerichte anbietet.

fektiv frequentiert, und zwar von Karp-

einen Teil dieses Besucherstroms nach

Auf diese Kundschaft verweist Vuigner,

fen, wird der Basler Rheinhafen – die

Melide zu leiten.

wenn ihm einheimische Feuilletonisten

Nummer 120 im Ausstellungskatalog

Das Zepter im Park mit seinen vierzig

vorhalten, er präsentiere eine kitschi-

(die Nummer 1 ist dem Tell-Denkmal in

Angestellten wird bis dahin Joel Vuig-

ge Folklore-Schweiz. «Im Ausland ist

Altdorf zugeordnet).

ner übernommen haben. Er soll dafür

die Schweiz wegen ihrer Schokolade,

Jahr für Jahr kommen neue Attraktionen

sorgen, dass die Idee der Mini-Schweiz,

den Uhren und den Banken bekannt.

hinzu. Da das Leitmotiv derzeit Ökologie

die sein Grossvater mit viel Fleiss und

Dazu kennt man noch Städte wie Zü-

und Nachhaltigkeit lautet, wurden heuer

Hartnäckigkeit Realität werden liess,

rich oder Genf und das Matterhorn. Im

die Käserei Oberalphütte in Unterschä-

auch in Zukunft Bestand hat. Die Vor-

Swissminiatur sehen die Leute, dass

chen im Kanton Uri, das virtuelle Famili-

zeichen

unser Land noch viel mehr Sehens-

enhaus von Homo civilis und das REKA-

trag für das Gelände in Melide dauert

würdigkeiten zu bieten hat.»

Feriendorf in Urnäsch eingeweiht. Für

bis 2042.

verschiedenen

2011 wiederum sind neue TransportmitVom Munot zum Mailänder Dom

tel vorgesehen: Der Glacier-Express, die

Auf 14 000 Quadratmetern breitet

Ritom-Bahn sowie das neue Schiff, das

das Swissminiatur im Massstab 1:25

auf dem Bielersee verkehren wird.

stehen

gut:

Der

Pachtver-

Omar Gisler ist Publizist und neugieriger Entdecker. Von ihm zuletzt erschienen: «Auf Entdeckungstouren im Tessin», Huber Verlag, 2009.

Transhelvetica / Miniatur / Swissminiatur 56

57

traditionell

Silvesterkläuse Schöni, Wüeschti ond Schö-Wüeschti Text: Jon Bollmann, Bild: René Niederer

58

1663 beschwerten sich die kirchlichen Behörden

liessen sie sich nicht davon beeindrucken, dass im

gegen das «in der Nacht herum lauffen mit Schel-

innerrhoder Mandatenbuch von 1776 – 1808 festge-

len und Polderen in Gestalt des Niclausens» im Ap-

halten ist, dass das Klausen bei einer Busse von fünf

penzellerland. Die Botschaft scheint jedoch nicht

Talern verboten sei. Vielmehr pflegten sie den Brauch

nachhaltig

eingeschlagen zu haben, denn

das Chlausen, welches dem aktuellen Stand der Forschung zufolge auf einen spätmittelalterlichen Brauch von Klosterschülern zum St. Niklaustag zurückgeht, blieb bestehen.

Immerhin verschob man das Chlausen, wel-

Frühklausen

ches die vorweihnachtliche Andacht störte

5 Uhr auf dem Dorfplatz Urnäsch. Danach Chlausen im

und mehr und mehr ins Fastnächtliche abzu-

Dorfbereich und in den umliegenden Weilern. Abends

gleiten drohte, zur Besänftigung der Kirche

auch in den Wirtshäusern der Gegend – Platzreservation

auf ein weniger heikles Datum: den Silvester.

für Mittag- und Abendessen ist wärmstens empfohlen, beispielsweise im Restaurant Kreuz. Für Individualreisen-

Doch auch hier gab es konfessionspolitisches

de empfiehlt sich der Besuch eines entlegenen Weilers, an

Konfliktpotential, denn das Datum für Silvester

dem verschiedene Schuppel vorbeikommen um Groscht

war keineswegs unumstritten. Vielmehr ver-

und Zäuerli vorzutragen. Je weiter hinaus im Hännegu-

weigerten die Appenzeller lange Zeit die Um-

gus, desto weniger Schaulustige – und aber auch weniger

setzung der Gregorianischen Kalenderreform

Schuppel. Mit einer guten Kanne Tee oder Glühwein ist

von 1582, mit welcher Papst Gregor XIII das

dies aber die klar authentischste und gemütlichste Art,

aus den Fugen geratene Jahr wieder ins Lot

diesen schönen Brauch zu erleben.

brachte und mit der korrekten Anwendung der

Restaurant Kreuz, T. +71 364 10 20

Schaltjahre für die nächsten Jahrtausende stabilisierte. Sie vertrauten schon damals lieber dem Althergebrachten, etwa dem bewährten Kalender

weiter und gingen, als einzige Konzession an die Vor-

von Julius Cäsar. Und gemäss diesem endet das Jahr

schriften, jährlich zweimal auf Chlauset, nämlich am

dann, wenn im überwiegenden Teil der zivilisierten

31. Dezember und am 13. Januar, an dem bis heute

Welt bereits das Kalenderblatt vom 13. Januar abge-

der «alte Silvester» begangen wird. Vermutlich denkt

rissen wird. 1798 wurde ein Gesetz erlassen, welches

noch heute der eine oder andere Ausserrhoder, dass

die Anwendung des damals seit immerhin 200 Jahren

es doch eigentlich seltsam sei, am 18. Dezember der

bewährten Gregorianischen Kalenders vorschrieb, doch

ausserrhoder Zeitrechnung, Rom und dem Frieden mit

die Urnäscher weigerten sich weiterhin standhaft und

den innerrhoder Katholiken zuliebe einen derartigen

auch länger als ihre ausserrhoder Nachbargemeinden

Aufstand zu veranstalten. Mitten in der ausserrhoder

(die papsttreuen Innerrhoder, von denen man sich 1597

Vorweihnachtszeit!

Gott sei Dank losgelöst hatte, waren dem päpstlichen

Dank dieser Starrköpfigkeit konnte in Urnäsch und

Edikt natürlich längst gefolgt wie die Schafe dem Metz-

weiteren Gemeinden im ausserrhoder Hinterland

ger), die Neuerungen überstürzt anzunehmen. Auch

– Herisau, Hundwil, Stein, Waldstatt, Schwellbrunn

Transhelvetica / Miniatur / Silvesterkläuse 59

und Schönengrund – ein eindrücklicher Winterbr­­­auch

prächtige «Huube» auf dem Kopf. Dazu tragen sie

erhalten werden, dessen Sinn sich vielleicht nicht sofort

ein Rollenträger genanntes Wams, an dem etliche

erschliesst, der aber für Teilnehmende und Zuschauer

runde Glocken befestigt sind, welche einen ziegen-

gleichermassen von grosser, andächtiger Schönheit ist.

glockenartigen Klang erzeugen. Die anderen Mitglie-

Seit er in jüngeren Jahren auch touristisch stärker aus-

der der Schuppel sind meist «Schelli», welche je eine

geschlachtet wird, gibt es sogar Anzeichen dafür, dass

oder zwei grosse Kuhglocken umgehängt haben.

der alte Brauch im ausserrhoder Mittelland, insbeson-

Diese Schellen wiegen bis zu 40 kg und können die

dere in Teufen, ehemals verlorenen Boden wieder zu-

frühmorgendliche Wanderschaft durch den frischen

rückgewinnen könnte.

Schnee wesentlich erschweren.

Am Silvestertag trifft sich die Schuppel in den ersten

Vom Chlausen

Morgenstunden zum Frühklausen bei einem Freund

Wer selber Chlausen möchte, der hat allerdings ei-

oder einem Mitglied, wo man ohne die umständli-

nige Vorarbeiten zu erledigen, bevor er sich an den

chen Masken und Hauben sachte mit dem Chlausen

Silvestern profilieren kann. So gilt es erstmal, eine

und «Zäuerlen» beginnt. Mit Einbruch der Däm-

Truppe zusammenzustellen, die in der Regel aus

merung geht es dann los: die Schuppel ziehen von

sechs Männern besteht. Diese müssen sich dann

Haus zu Haus. Voran der «Vorrolli», als Schlusslicht

auf eine Rollenteilung einigen, bevor sie damit be-

der «Noerolli» und dazwischen, im Gänsemarsch,

ginnen können, sich ihre Masken zu basteln und die

die Schelli mit ihrem schweren Gepäck. Vor einem

Kostüme zu schneidern. Pro «Schuppel» braucht es

Haus stellen sie sich im Kreis auf, schellen und rol-

üblicherweise zwei «Rollewiiber», welche eindeu-

len, dass es eine Art hat, beruhigen sich dann wie-

tig weibliche Kleidung tragen, nämlich einen lan-

der und stimmen ein «Zäuerli» an, einen wortlosen

gen Rock mit Schürze, eine Spitzenbluse und eine

Jodler, bei dem die Chläuse, die Besuchten, das Vieh

Transhelvetica / Miniatur / Silvesterkläuse 60

61

62

HUUBE

Säg K N A D

Was dem Pfau sein Rad ist der Chlaus seine Huube, auf der er miniaturisierte Appenzeller Alltagsszenen austrägt.

Für die Herstellung der jährlich neu erschaffenen Kopfbedeckungen werden hunderte Arbeitsstunden investiert, in denen auch einmal eine ganze Modelleisenbahnanlage auf die Huube gebaut wird.

und die Zuschauer die ruhigen Klänge der Silvester-

Naturmaterialien werden in mühseeliger Handarbeit

chläuse geniessen. Diese Abfolge von schellen und

an die Mäntel genäht, die unter dem ganzen Wald

zäuerlen wird drei mal wiederholt. Dann erhalten

kaum mehr zu erkennen sind. Immerhin trifft sich die

die Chläuse vom Hausherrn eine flüssige Stärkung

Schuppel für diese Arbeiten im Vorfeld der Chlauset

(wegen der Masken per Strohhalm), wünschen

regelmässig in einer Werkstatt oder einem Atelier, wo

diesem und seiner Familie im Gegenzug ein gutes

man gemütlich zusammen arbeiten kann.

neues Jahr – «Säg Dank ond e guets Neus» – und

Als Zwischenlösung schliesslich sind noch die Schö-

verschwinden, nachdem sie noch ein Geldgeschenk

Wüeschte zu erwähnen, deren Groscht ebenfalls den

erhalten haben, in Formation zum nächsten Haus

Eindruck erweckt, als wäre ein Igel durch einen klei-

oder Weiler.

nen Tannenwald gerollt. Dazu tragen sie aber Hauben

Ein «Strech», also die an einem Tag zwischen Häu-

wie die Schönen und führen darauf und in einzelnen

sern und Weilern zurückgelegte Strecke, kann gut

Nischen der kunstvoll dekorierten Mäntel liebevolle

und gerne 20 Kilometer lange sein. Daher machen

Details spazieren, welche viel Arbeit geben und zu-

die Silvesterchläuse mit ihren schweren Trachten

weilen auf witzige Art und Weise moderne Themen in

zwischendurch auch hie und da Pause, damit sie

die traditionellen Groschten hineinportieren.

sich am Abend bei der Schlusschlauset im Wirts-

Die Masken der Wüeschte und Schö-Wüeschte sind

haus noch auf den Beinen halten können – oft bis

aus Papiermaché, Schweine- und Rinderzähnen, Kno-

in die Morgenstunden des Neujahrstages hinein. Um

chen, etc. angefertigt und würden auch dem in derar-

die Länge des Tages nicht ausufern zu lassen, ver-

tigen Angelegenheiten recht abgebrühten H.R. Giger

zichten etliche Chlausschuppel am alten Silvester

einen gehörigen Schrecken einjagen, wenn er in einer

auf die Frühchlauset, ziehen dafür am Abend von

dunklen Seitengasse von Chur oder Gruyère einem

einer Wirtschaft zur anderen und zeigen sich und

Schuppel begegnen würde.

ihre kunstvolle «Groscht» den vielen Besuchern von nah und fern.

Von der Groscht Ursprünglich waren alle Silvesterchläuse «schöni», mit selbst gemachter, kunstvoller «Groscht», die bei den Rolliwiiber eine Art Frauentracht darstellt, während diejenige der Schelli eher an die klassischen Sennenkleider erinnert. Mitte der 60er Jahre traten dann erste «wüeschti» Schuppeln auf, die ihre Mäntel und Hüte mit viel Sinn für Aesthetik mit Naturmaterialien schmückten. Diese haben sich mittlerweile einen festen Platz bei den Schuppeln erarbeitet, doch geben die Vorbereitungsarbeiten bei den Wüsten ebenfalls viel zu tun. Stroh, Tannenreisig, Stechlaub und weitere Transhelvetica / Miniatur / Silvesterkläuse 63

A D g ä S ä D N O e n

K N A D s t e u g ä ! s u e n

Gemeindeportrait 62 km2, 1128 – 3251 m.ü.M., 1 449 Einwohner, 475 Kühe, 17 Hotels, 1 Museum, Tourismus, erste dauerhafte Besiedlung im 7. Jh

Transhelvetica / Miniaturen / XXX Fotografie: Peter Muster

67

Les Diablerets Wo Geister und Teufelchen wohnen Text: Jon Bollmann, Bild: Nico Schärer

Transhelvetica / Miniatur / Gemeindeportrait 68

69

Wenn der Sommer zur Neige geht, dann ziehen sich

im Hotel du Pillon, dem charmantesten Hotel von Les

die Waadtländer Feen in ihre vertrauten Grotten

Diablerets, welches sich unter dem Weiler Lavanchy

oder in verwitterte Chalets hoch oben in den Bergen

in Les Bovets befindet, ist es angenehm unaufgeregt,

zurück, um den Winter in der gleissenden Winter-

so dass man die Abende in familiärer Atmosphäre

wunderwelt der Waadtländer Alpen zu geniessen.

ungestört geniessen kann. Vielleicht sind die kleinen

Doch manchmal, wenn ihnen danach ist, verklei-

Monster mittlerweile ins Dorf hinuntergezogen, wo

den sie sich als Bäuerinnen oder Senninnen und

in den letzten Jahren im grossen Stil gebaut wurde

steigen ins Tal hinunter. Dort helfen sie den alten

und aus der ganzen Welt neue Opfer zugezogen sind?

Leuten und mischen sich abends beim Volksfest un-

Jedenfalls sind die Immobilienpreise bereits diabo-

ter die Bevölkerung, wo sie, wenn sie einen anständi-

lisch hoch. Dank Bauvorschriften, welche den Him-

gen und ausdauernden Tänzer finden, bis zum Mor-

melssturm vertikal einschränken und einen Abschluss

gengrauen durchschwofen. Einst verliebte sich die

mit Giebeldach vorsehen, erscheint Les Diablerets

Schönste unter ihnen in einen jungen Hirten und hei-

aber trotz rascher Expansion und einer Unmenge an

ratete ihn heimlich, wodurch sie ihre Feentitel verlor

kalten Betten relativ intakt, so dass sich ein kurzer

und zum normalen, glücklichen Hirtenmädchen wur-

Ausflug für den Einkauf in der lokalen Käserei oder

de. Doch als sie vom Hirten schwanger wurde, gebar

in Verbindung mit einem Besuch des beachtenswerten

sie ihm anstatt der erwarteten Kinder drei gehörnte

Bergfilmfestivals (August) durchaus lohnt.

kleine Teufelchen. Eines von ihnen war schwarz wie Ebenholz und spielte bald auf einer Flöte, deren Klän-

Der König der Teufelchen

ge man in der Talschaft noch heute hören kann.

Als Nächstes suchen wir in der Umgebung der Creux

Wir haben uns aufgemacht, diese Teufelchen zu finden

de Champs, die man über den Vitaparcour oder mit

und sie soweit zu zähmen, dass wir Ihnen Les Diab-

den Langlaufskiern bestens erreicht. Hier soll die Hei-

lerets danach bedenkenlos als Ausflugsziel empfehlen

mat der kleinen Teufelchen sein, die in Vollmondnäch-

können. Es war aber klar, dass es nicht einfach sein

ten auf dem Plateau von Pierredar zum berauschen-

würde, die kleinen Rabauken zu finden, denn sie ha-

den Klang von über zwei Dutzend Wasserfällen dem

ben, obwohl sie in der Regel bestechlich sind und

Abgrund entlang tanzen. Und hier hinten wohnt auch

für eine Holzkelle voll Doppelrahm für verschiedene

der König der Teufelchen, der im ganzen Tal Verste-

Dienste gewonnen werden können, ihren eigenen Kopf

cke angelegt hat, in denen er sein Gold verbirgt. Blöd

und nicht immer Lust, sich zu zeigen. Da sie schwarz

nur, dass seine Untertänchen alle Verstecke kennen

sind wie die Nacht und sich tagsüber kaum sehen las-

und ihm ständig Goldkiesel und Rubine stibitzen, mit

sen, muss man schon einige List anwenden, um sie aus

denen sie zu ihren Freunden, den Gemskitzen und

der Reserve zu locken.

Murmeltieren, gehen, um gemeinsam Himmel und Hölle zu spielen. Leider finden wir auch hier keine

Nachtruhe in Lavanchy

Teufelchen, auch keine spielenden Tierchen (vielleicht

Ein Bauer im Weiler Lavanchy, der ein zu arg vielen

wussten sie nicht, dass die Geschichte vom Murmel-

Scherzchen aufgelegtes Teufelchen in seiner Gegend

tierragoût von jemand anderem und auch an anderer

erdauern musste, legte sich einst in der Nacht in den

Stätte recherchiert werden würde) und nicht einmal

Heuboden, um dem Kleinen aufzulauern. Er schlief je-

den einen oder anderen Goldkiesel, die man dann und

doch ein und erwachte erst um Mitternacht, als ihn ein

wann in der Grande Eau funkeln sehen kann.

grollendes Geräusch aus dem Schlaf riss. Wie er aber die Augen öffnete und im Mondlicht in die Scheune

Das Gold der Alp Prapioz

blickte, sah er eine grausliche Gestalt mit übler Fratze

Der nächste Ort auf unserer Liste ist das Ufer des

und gebückter Statur in der Scheune herumtoben. Da

Bedeyre, an dem sich früher regelmässig Feen, Kobol-

floh der Bauer, sobald er konnte, aus dem Tal – und

de und Teufelchen der Talschaft versammelten, um das

der Kobold, der sich nur verkleidet und ob dem Schre-

Gold von der Alp Prapioz in einem riesigen Feuer zu

cken seines Opfers bestens amüsiert hatte, spukt noch

schmelzen. Während das Gold im Feuer erhitzt wurde,

heute in den alten Schuppen.

spiesen die ungleichen Gesellen zusammen am Feuer,

Diese malerischen Holzställe von Lavanchy haben wir

tanzten und warteten, bis das Gold bereit war zur Vertei-

denn auch ohne Weiteres gefunden, doch zu unserer

lung – was selten ohne grössere Streitereien ablief. Spä-

grossen Enttäuschung war es darin still und ruhig. Auch

ter wurde da, wo früher der Scheiterhaufen gezündet Transhelvetica / Miniatur / Gemeindeportrait

70

71

worden war, ein (heidnisches) Hotel errichtet, dessen

einfährt. Diese ist einem teuflischen Dreizack nachge-

Grundrisse man heute nur noch erahnen kann. Was

bildet, wie ihn die allgegenwärtigen Teufelchen, wel-

man noch sieht, das sind die Fundamente einer klei-

che in der Talschaft an unzähligen Gebäuden prangen,

nen Kapelle, die später an diesem abgelegenen, aber

mit sich tragen. Leider hat dieser Dreizack aber nur

offenbar sehr beliebten Standort errichtet wurde und

zwei Zacken, womit er eher einer Stimmgabel ähnelt.

die zu einer kleinen Pilgerstätte für die Leute aus der

Wir würden es begrüssen, wenn hier Ron Arad seinen

Region wurde. Interessanterweise wurden hier römi-

futuristischen architektonischen Wurf umsetzen dürf-

sche Gold- und Silbermünzen gefunden – vielleicht von

te, in dem man über Bottas Klotz hinwegsehen könn-

Teufelchens Hand geschmiedet? Wir können es leider

te – denn die Aussicht vom Gipfel ist atemberaubend.

nicht verifizieren, denn die Münzen sind längst im

Wenn Botta, dessen Lebenswerk wir im übrigen nur

Museum und die Schmiede stehen für unsere Fragen

zur Hälfte verteufeln und dafür zur Hälfte heiss lie-

nicht zur Verfügung.

ben, im Blickfeld des Gipfelrestaurants keine weiteren Verbrechen mehr begeht, können wir einen Snack mit

Teuflisches Kegeln und Reiten

Aussicht durchaus empfehlen. Doch der Ausflug auf

So entscheiden wir uns, aufs Ganze zu gehen und den

den einzigen waadtländer Gletscher, den Glacier 3 000,

Gletscher und das Skigebiet Les Diablerets genauer

lohnt sich auf jeden Fall. Denn wie der Name diskret

unter die Lupe zu nehmen. Dort ist allerdings nicht

andeutet, befindet sich ein beachtlicher Teil des Glet-

mit kleinen Teufelchen zu rechnen, sondern mit aus-

scherskigebietes weit über dem Meeresspiegel, so dass

gewachsenen Teufeln, die vor nichts Halt machen.

immer genügend Schnee vorhanden ist, um zwischen

Seit irgendein hartherziger Hirte einer armen Seele

der Stimmgabel, dem Kegel des Teufels und dem Ol-

seine Hilfe verweigert hatte, wächst auf den Berggip-

denhorn elegant über die Pisten zu gleiten. Alterna-

feln des Les Diablerets-Massivs kein Gräslein mehr,

tiv können sich Gäste, die dem alpinen Wintersport

und aus der Blümlisalp wurde eine unwirtliche Eis-

gegenüber zurückhaltend sind, auf der höchstgele-

wüste, auf der sich böse Geister, Dämonen und Teu-

genen Achterbahn der Welt vergnügen (Sommer), im

fel regelmässig zum Stelldichein treffen. Gelegentlich

Schneebus über den Gletscher karren und auf Lang-

spielen sie dabei mit ihren unzähmbaren Kräften

laufskiern – mit oder ohne Schlittenhunde – über den

und amüsieren sich gemeinsam beim Kegelspiel. Da-

Gletscher flitzen. Solange niemand flucht oder sonst-

bei fallen oft Felsbrocken und Steine nach Anzeindaz

wie die Dämonen herausfordert, sind dem Spass in

oder Derborance hinunter, was die dortigen Hirten je-

der Höhe kaum Grenzen gesetzt.

weils ordentlich aufschreckt und in die Kirchen strömen lässt, wo sie um Schutz für ihre Herden beten.

Vermutlich ist das eine gute Reaktion, denn der Berg ist tatsächlich eine massive Bedrohung: die 1 000 Meter hohe Felswand, welche vom Diableret-Massiv gegen Derborance abfällt, ist das Produkt eines einzi-

Les Diablerets, diablerets.ch; der Klotz von Botta sowie die Vision von Arad, ronarad.co.uk/les-diablerets; Hotel du Pillon, hoteldupillon.ch; Bergfilmfestival, fifad.ch; Schönes Museum, museeormonts.ch. Weitergehende Literatur zu den Bergstürzen: Charles Ferdinand Ramuz «Derborence» und zu den vielen Teufeln der Umgebung: Tony Brown «The Return of the Devil»

gen Bergsturzes, der 1749 weitherum für grosse Zerstörung und Leid gesorgt hat. Doch nicht alle bösen Geister sind gute Kegler und so steht die «Quille du Diable» weiterhin knapp über der Felskante am Rande des Spielfeldes und gemahnt uns daran, dass wir uns anständig verhalten sollen, um nicht selber zur Zielscheibe der Dämonen zu werden.

Wer noch einen Beweis dafür braucht, dass die Teufel auch heute noch zuschlagen können, der muss nur einen Blick auf die Bergstation der Bergbahn werfen. Sie wurde von Mario Botta gestaltet, der von einem recht üblen Gesellen geritten worden sein muss, als er sich ans Zeichenbrett setzte.

Der Clou am Klotz auf dem Gipfel ist die Fasade auf der Nordseite, wo die Seilbahn für 125 Personen Transhelvetica / Miniatur / Gemeindeportrait 74

75

Helvetarien

Die zwei Gesichter der Alpenresorts Text: Philipp do Canto

Seit Samih Sawiris in Andermatt ein

Vom Resortkomplex à l’ Andermatt

Ein Berg für die Niederlande

Mammutprojekt realisiert, weht ein

über Hotelresorts für Wellness und

Es wäre indes verfehlt, die Entwick-

Zauberwort durch die Alpentäler:

Kongresse reicht die Spanne bis zu

lung pauschal zu verurteilen. Die

Ferienresorts müssen her. Der Trend

Feriendörfern und reinen Zweit-

Raumplaner raten vielmehr, die Vor-

nährt Hoffnungen und löst gleichzeitig

wohnungsresorts.

und Nachteile der Projekte einzeln zu

Ängste aus. Als Bestandteil des alpi-

bewerten. Wie viel Fläche wird bean-

nen Wohnungsbaus sind die Resorts

Erschwerte Identifikation

sprucht? Entstehen warme oder kal-

indes nicht mehr wegzudenken. Wo

Bei Bergfreunden, die sich unter Al-

te Betten? Wer bringt Geld und wer

einst Kasernen standen, baut Samih

penglühen

profitiert alles davon?

Sawiris Orascom heute den Frei-

Leuchtgirlanden bei der Hotelvorfahrt,

Resorts eröffnen auch neue Perspek-

zeitkomplex Andermatt Swiss Alps.

löst der Trend gemischte Gefühle aus.

tiven auf bekannte Plätze, so etwa

Das neue Andermatt mit Luxusho-

Sie sehen Resorts in erster Linie als

das Resort Walensee in Unterterzen.

tels, Villen und Golfparadies ist nur

Tarnung für neue Immobilienspeku-

Das frühere Werksgelände zwischen

das Flaggschiff einer ganzen Arma-

lation. Andererseits werden sie als

Seeufer und den Transitsachsen von

da von Projekten. Derzeit werden in

Mittel zur Belebung des Tourismusge-

Bahn und A3 galt für Schweizer nicht

den Schweizer Alpen bis zu fünfzig

schäfts gepriesen.

als Ort der Erholung. Anders für die

Resorts entwickelt. Das Schicksal der

Gemeinsam ist den Resorts jedoch,

grossteils aus den Niederlanden stam-

Projekte ist jeweils offen wie der Him-

dass sie eine «heimatliche» Identifi-

menden Käufer der Eigenheime. Sie

mel über dem Gemsstock. Muss bei

kation erschweren. Das Angebot rich-

sind dem majestätischen Anblick der

einigen

anderes

vorstellen

als

zunächst

tet sich an eine weltweite Kundschaft,

steil aus dem See ragenden Bergflan-

die Finanzierung in Stein gemeisselt

deren Alpenbild mit jenem der Lokal-

ke der Churfirsten erlegen. So kann

werden, wurden hochfliegende Plä-

bevölkerung nur wenig zu tun hat.

es durchaus kommen, dass in Resorts

ne im Engadin bereits wieder mit

Daher greift auch die Bauweise der

wie jenem zwischen Terzen, Quarten

Referenden zum Absturz gebracht.

meisten Projekte auf Zitate zurück.

und Quinten die Musik des alpinen

Neben dem durchzogenen Erfolg ist

Für den Gast aus Übersee genügt der

Tourismus spielt.

auch die Ausrichtung der Ferienre-

«Chaletstil». Bei Städtern, deren alpi-

sorts verschieden. Das Bundesamt für

ne Sehnsucht dagegen vom eigenen

Raumentwicklung ARE teilt das neue

Rustico gestillt wird, führt die Resorti-

Phänomen in vier Kategorien ein.

fizierung der Alpen zur Entfremdung.

Prestigevorhaben

Philipp do Canto ist Publizist und Anwalt in Zürich, cantolegal.ch

Transhelvetica / Miniatur / Genesis 76

Bild: Mirax

Atelier KE

Zeitlos, frei, schwebend.

Grosse Grosse Visionen Visionenwie wiedie, die,ein einneues neuesTourismusmagazin Tourismusmagazinzu zulancieren, lancieren,entstehen entsteheniningrossen grossenMomenten Momenten wie wie dem, dem, den den Sie Sie inin dieser dieser Werbung Werbung sehen. sehen.

Haslital viel Erfolg!

Haslital Tourismus Tourismus wünscht wünscht dem dem Team Team von von «Transhelvetica» «Helvetia» viel Erfolg!

www.haslital.ch

AVANTGARDE

Tobias Weber

ardeg t an as Die Av aben Tobi h g enten Gestaltun r e Ins i der e b r reie Hand f Webe n e g nzei en der A gelass

Miniatur

Tobias Weber (1974) ist ausgebildeter Architekt ETH und

Wochenende im Atelier. Doch nach sechs Jahren nahm er

wohnt in Luzern. Nach intensiver Beschäftigung mit dem

ein Sabbatical, arbeitete intensiv an seiner Kunst und such-

Bauen erschien ihm Ende der 90er Jahre die Architektur

te nach Galerien, die ihn unterstützen würden. Schliess-

mehr und mehr als zu konkret und es wuchs die Frustra-

lich wurde er bei Alex Schlesinger in Zürich fündig, der

tion darüber, dass die schönsten Entwürfe meistens durch

ihn sorgfältig aufbaute. Dadurch konnte er seine Brotarbeit

gesetzliche Bestimmungen zerstört wurden. Da er der

kontinuierlich zurückschrauben und sich auf seine Kunst

Überzeugung ist, dass jedermann seinen Talenten und Fä-

konzentrieren.

higkeiten folgen sollte, entledigte er sich den Zwängen der

Heute ist Tobias Weber wahnsinnig stolz und glücklich,

Architektur und begann, seine Ideen frei von Vorschriften

wenn er Kunstliebhaber mit Holz, Leinwand, Farbe und

auf weisse Leinwand zu bauen. Zu Beginn dieser zweiten

seinem Pinselstrich inspirieren und begeistern kann.

Karriere arbeitete er unter der Woche als Architekt und am

tobiasweber.ch, galas.ch

Transhelvetica: Wo feiern Sie Ihre Erfolge?

dem Geschichtsbuch, oder im Sushiplanet Kaiten (ich bin

Tobias Weber: Im Garten oder im Atelier. Dazu lade ich

bekennender Sushi-Fanatiker).

Kollegen aus dem Quartier ein und wir frönen bis in die

Wohin gehen Sie, um den Kopf zu lüften?

frühen Morgenstunden Schall und Rauch und Portwein.

Auf den See. Ich geniesse es, wenn ich abends Wind,

Wo finden Sie Ihre Inspiration?

Wellen und Krängung (Schieflage eines Segelbootes) nicht

Ich bin immer bereit für eine Inspiration: auf dem Fisch-

mehr aus meinem Körper herausbekomme.

markt, im Blumengarten oder beim Fernsehen. Wenn ich

Was Sind Ihre Zukunftspläne?

zusammen mit meinen Töchtern SpongeBob ansehe

Ich will abstrakter und radikaler werden, dem Betrachter

und an ganz anderen, teilweise sehr subtilen Stellen

mehr Anstrengung zumuten und ihm dafür auf mehreren

Freude habe als sie, dann kommen mir manchmal sehr

Ebenen, tiefgründiger begegnen. Wie SpongeBob. Und ich

frische, neue Gedanken.

will wieder schwarz/weiss malen.

Wo stärken Sie sich für eine Nachtschicht?

Im Restaurant Helvetia, einer traditionellen Beiz wie aus

helvetialuzern.ch, kaiten.ch Transhelvetica / Miniatur / Avantgarde

78

Bild: Alex Wydler, Sammelanzeige: Tobias Weber

Atelier

Guide de montagne

DR. WYSS

GERMI STEINER

Wunderwelt der Musikautomatenproduktion

Anmeldung im Musée des Arts et des Sciences oder unter +41 79 713 86 20

T. +41 79 435 24 19, germi.ch

Physiotherapie

MAUR

ÜR HEIN F GUTSC CHEN L SÄTZ I U Z N E AC H EIN KICK N E I G R E EN ERAPIE DER TH

Restaurant

JDABURG

Gertrudstr. 44, Zürich, T. +41 44 451 18 42, jdaburg.ch

TIGER FINKEN Das Original seit 1938

Das Original seit 1938

T. +41 44 577 14 24, physiotherapie-maur.ch

ÜR HEIN F GUTSC ET MIT RT E N S E I N KA T E N VO N R P O ST KA WEBER A I TOB S

Galerie

Tigerswiss.ch und tigershop.ch

ALEX SCHLESINGER galas.ch

Bed and Breakfast

VILLA MON ABRI

HEIN: GUTSC REM D ZU IH PASSEN ÄHLE ICH KT W O RT P RO J E BLINGS E I L N EINE E SIE TFÜHR UND EN HIN. D O RT

Architektin

goergen.ch Rigistr. 10, CH – 6410 Goldau SZ, T. +41 41 855 59 09

JULIA VOORMANN juliavoormann.ch

T ID. Shop online at Diesel.com

TRUST STUPID. JOB #

536 Broadway, NYC

Production

XXXXXXXXXXXXXXXX

FILE

DIESEL_BE_STUPID_2010_SP_TrustStupidLaundry.indd

SIZE

SP Single Page

SCALE

1:1

Project Manager

Amy Kirby 05-26-2010

Designer

Creative Director

BE STUPID Client Leader

Bretter der Heimat

Grotte der Visionen

Text: Bálint Dobozi

Wenn man in eine Grotte hinabsteigt, stösst man oft

ihn «die Grotte», und tief hinab führt in der Tat die Trep-

auf

Erscheinungen

pe unter der Leuchtreklame mit dem Comic-Käfer an der

der Jungfrau Maria und weitere Wunder. In der Grot-

Ausstellungsstrasse. Vor über vierzig Jahren hat Beat

te, von der hier die Rede ist, geschieht das auch immer

Kennel den Grundstein für das Bazillus gelegt. Als Kon-

wieder. Nach oft waghalsigen rhythmischen, harmoni-

zert- und Workshop-Organisator hat er nicht nur die

schen und melodiösen Umwegen gelangen Musiker an ei-

bedeutendsten Jazzmusiker- und bands an die Limmat

nen Punkt in ihrem Zusammenspiel, an dem das Baby-

geholt, sondern vor allem der lokalen Jazz-, Funk- und

lonische kollektiver Improvisation in den Hintergrund

World-Szene eine Heimat gegeben, in welcher dank ste-

rückt, der Horizont sich weitet und den Anwesenden eine

tiger Arbeit aus Experimenten Konzepte und aus Kon-

neue, visionäre Klanglandschaft eröffnet. So ein Moment,

zepten Erfolge werden konnten. Der Pianist Nik Bärtsch

in dem alle dieselbe Sprache sprechen, ist wie ein auf-

und seine Band Ronin etwa haben jahrelang jede Woche

kommender guter Wind. Schnell die richtigen Segel ge-

im Bazillus an ihrem Konzept des Zen-Funk gefeilt. In-

hisst! Die Gelegenheit könnte bald wieder vorbei sein!

zwischen feiern sie zu Recht internationale Erfolge. Sie

Echtes Interplay birgt immer das Risiko der plötzlichen

stehen nur stellvertretend für eine ganze Garde Zürcher

Flaute, vor allem für die Ad-hoc-Ensembles, die in der

Musiker, die hier Raum und Zeit bekommen, auf neuen

Grotte spielen und deren Mitglieder sich nicht immer

Pfaden Lichtungen berückender Schönheit zu betreten.

kennen. Und doch gilt es, den Moment zu suchen und

Hier unten im Bazillus Club geht es um musikalische Er-

lieber in Schönheit zu sterben, als sich auf den flachsten

scheinungen, um Entwicklung und um den Moment. Ganz

Gemeinplätzen zu treffen und sich selbst und das Publi-

nebenbei aber ist auch die Bar hervorragend bestückt,

kum zu langweilen, wie es tagtäglich in unzähligen Jam-

und die Leute, die man hier trifft, sind nicht selten genau-

Sessions rund um den Globus geschieht. No risk, no fun.

so offen und spannend, wie die Musik, die sie hören.

prähistorische

Kultgegenstände,

Die Grotte ist der Bazillus Club im Zürcher Kreis 5. Als «Ad-hoc-Live-Club» ist die Suche nach dem ausserordentlichen musikalischen Moment in immer neuen Zu-

BE STU

Bazillus Club, Ausstellungsstr. 21, 8005 Zürich, bazillusclub.ch, montags und donnerstags ab 21 h. Bálint Dobozi ist Montags-Resident im Bazillus Club, Musiker und Produzent, tira.ch

sammensetzungen sein Programm und der immer wieder erbrachte Beweis, dass es diesen Moment gibt, seine Berechtigung. Liebevoll nennen wir, die Bazillus-Musiker, Transhelvetica / Miniatur / Bretter der Heimat Bild: Bálint Dobozi

81

Lebkuchen, Schafe und Maria Text: Gina Bucher

Nicht erst die geschmückte Tanne ist ein untrügliches

kam dem Proviant dabei zugute, schliesslich brauchten

Zeichen für die Adventszeit. Schon lange davor, zuwei-

die Pilger eine besonders lang haltbare Wegzehrung

len bereits im Oktober, verströmt so manche Bäckerei

für ihre Reisen. Ab dem 11. Jahrhundert mischten die

den samtigen Duft von Sternanis, Zimt, Nelken und

zahlungskräftigen Klöster ihren traditionellen Honig-

Ingwer. Die Zusammensetzung der Lebkuchengewürze

gebäcken teure exotische Gewürze bei. Mit dem auf-

variiert zwar von Backstube zu Backstube, doch fasst

kommenden Gewürzhandel entstand so das Gewerbe

diese Kombination fremder Gewürze unsere Vorstel-

der Lebküchler, die zuerst ohne eigene Zunft unter der

lung weihnachtlicher Stimmung seit Jahrhunderten

Gilde der Bäcker die süssen Kuchen buken. Einzig in

bestens zusammen. Würde man zur Adventszeit der

Basel gehörten sie zur «Herrenzunft zum Safran», der

Nase nach durch die Schweiz reisen, so würde man bei

Zunft der Gewürzhändler.

ähnlichem Duft auf unterschiedlichstes Gebäck tref-

Exemplarisch zu kosten ist die Geschichte der Leb-

fen – und in einigen Orten ist die Lebkuchenspeziali-

kuchen in Einsiedeln: Hier buken die Frauen den

tät gar so bekannt, dass sie nicht nur ausschliesslich

Wallfahrern zuerst Schafböcke, tirggelähnliche, un-

zur Weihnachtszeit verkauft wird. Der Lebkuchenteig

gefüllte Honiggebäcke mit der Prägung eines Scha-

brachte seit dem Mittelalter schweizweit vielerlei lo-

fes. Später entstanden aus demselben Teig mit der

kale Spezialitäten hervor: Die Luzerner etwa entwi-

Zugabe der Lebkuchengewürze die gefüllten Chräpfli

ckelten daraus mit Birnen- statt Bienenhonig ihren

und «Läbchuoschybe», braune und weisse Lebku-

dunkelbraunen «Lozärner Lebkuchen», die Schwy-

chen. Die Bäckerei Goldapfel backt die Einsiedler

zer ihre braunen und – mit Eiern angerührten – wei-

Spezialitäten bis heute und stellt im angegliederten

ssen «Läbchuoschybe» und die Romands ihre «pains

Lebkuchenmuseum ihre Geschichte anhand diver-

d'épices», während die Appenzeller ihre Version zu

ser Holzmodels der letzten sieben Generationen

einem «Biber» formen und diesen mit Mandelmasse

aus. Zwar werden die Holzmodels aus hygienischen

füllen. Gemein ist ihnen allen ein Teig, der ohne Hefe

Gründen nicht mehr verwendet, doch druckt die Bä-

auskommt und mit allerlei exotischem Gewürz und

ckerei noch immer die alten Motive; jahrein, jahr-

Honig angerührt wird.

aus das Schaf und die Klosterfassade, für das Weih-

Erklärungen, woher der Name des süssen Gebäcks

nachtsgeschäft zusätzlich die alten Formen mit Chlaus

stammt, gibt es mehr als eine. Entweder beschreibt

und Eseli, Engeln und dem Weihnachtshäuschen mit

«Laib» die Form, erzählt «Libum» vom klösterlichen

Maria und Josef.

Opferkuchen oder verweist der «Leb-Kuchen» auf die lebenserhaltende und heilende Wirkung der Honiggebäcke. Denn ihren Ursprung haben die Lebkuchen

Lebkuchenmuseum und Nostalgieladen «Goldapfel» in Einsiedeln, goldapfel.ch

in den mittelalterlichen Klöstern: bei der Herstellung enormer Mengen von Bienenwachskerzen blieb ihnen viel Honig übrig, mit dem die Klöster Wallfahrtsgebäcke buken. Die konservierende Eigenschaft des Honigs Transhelvetica / Miniatur / Museumsreif 82

Bild: Pressedienst

Museumsreif

Transhelvetica / Miniaturen / XXX Fotografie: Peter Muster

83

Die Mordnacht von Luzern Im Schutz der Dunkelheit verharrte er mucksmäuschenstill und lauschte, was die bis zu den Zähnen bewaffneten Männer planten. Was er vernahm, verhiess nichts Gutes: In jener Nacht sollte das Schicksal Luzerns unwiderruflich besiegelt werden.

Text: Nicole Hess Mit der Eröffnung des Gotthardpas-

eilen wollte. Als dieser sich heimlich

tenden Einfall. Er betrat die Gaststube

ses hatte sich Luzern vom Fischer-

davon schlich, wurde er gepackt und

und drängte sich an den Tischen vor-

dörflein zum wichtigen Warenum-

zur Rede gestellt, worauf er in Todes-

bei, an denen sich Zunftleute bei Speis

schlagplatz entwickeln können, was

angst gestand, die verschwörerischen

und Trank unterhielten. Vor dem Ka-

zu erstem Reichtum und Wohlstand

Beratungen mitgehört zu haben. Weil

chelofe begann er voller Verzweif-

geführt hatte. Um diesen frei genies-

er aber noch sehr jung war, wurde

lung zu klagen: «Ofen, o Ofen, wenn

sen zu können, hatte Luzern 1332

ihm das Leben geschenkt – wenn er

ich nur reden dürfte! Ofen, o Ofen,

ein Bündnis mit Uri, Schwyz und Un-

bei Gott und allen Heiligen schwören

dir muss ich es sagen!» Verwundert

terwalden geschlossen, mit dem es sich

würde, keiner Menschenseele auch

wandten sich die Gäste zum Knaben

vom österreichischen Joch be-

um und wollten wissen, ob

freite. Doch mit dem Bund wa-

ihm etwas fehle. Der Knabe

LUZERN ENTDECKEN

aber redete weiter auf den

zugunsten der alten Herrschaft

Wieso nicht selber auf den Spuren des Helden

rung mitbekommen hatte.

planten. Im Juli 1343 war es

der Luzerner Mordnacht wandeln? Luzern

Nun wussten die Metzger

soweit: die Verschwörer ver-

bietet durchs ganze Jahr attraktive Stadt-

Bescheid.

sammelten sich um Mitternacht

besichtigungen mit klingenden Namen wie:

konnten,

unter den Schwibbogen des

«Wenn dich die Nachtgespenster packen».

Hause, griffen zu den Waf-

Zunfthauses zu Schneidern. Sie

Für Buchungen und weitere Informationen

fen und alarmierten die Eid-

hatten sich mit roten Ärmeln

luzern.ch

genossen, die gerade noch

ren nicht alle Luzerner einverstanden: es gab viele Anhänger Österreichs, die einen Umsturz

Ofen ein und erzählte alles, was er von der Verschwö-

So

schnell

eilten

sie

sie nach

rechtzeitig kamen, um die

gekennzeichnet und waren mit Harnisch und Waffen ausgerüstet.

nur ein Sterbenswörtchen über ihr

Verschwörer gefangen zu nehmen.

Ihr Plan war es, überraschend in die

Vorhaben zu erzählen. Er legte den

Dank ihrem Kennzeichen, dem roten

Häuser der eidgenössisch Gesinnten

Eid ab, wurde freigelassen und lief

Ärmel, waren sie leicht auszuma-

einzudringen, um diesen den Garaus

sofort zum Weinmarkt, wo zur spä-

chen. Zwar wurde ihnen das Leben

zu machen. Doch während sie den

ten Stunde noch Betrieb im Zunfthaus

geschenkt, so wie sie es dem Knaben

Plan berieten, wurden sie von einem

zu Metzgern war. Wie aber sollte er

gelassen hatten. Doch die Anführer

Knaben belauscht, der zuvor beim

Luzern vor dem geplanten Umsturz

der Österreichfreunde wurden aus

Fischen eingeschlafen war und unter

bewahren, wenn er zu niemandem

der Stadt verbannt und ihre Güter

den Arkaden hindurch nach Hause

sprechen durfte? Da hatte er einen ret-

beschlagnahmt.

Transhelvetica / Miniatur / Es war einmal

84

Bild: Alex Wydler, Illustration: David Boller

es war einmal

Herkunft

OPER IN GRÜN Text und Bild: Meret Boxler

Kommt Ihnen dieses Gesicht bekannt vor? Aber eben doch nur «irgendwie»?

Das ist in drei Fällen gut möglich: Vielleicht kaufen Sie auf dem Markt ein.

Vielleicht zieht es Sie an klassische Konzerte. Oder Sie lieben Opern.

«Wie? Die singt?» denkt eine voreilige, clichéanfälli-

nen Fingernägeln. «Gesang, die Bühne, das ist meine

ge Hirnzelle. Diese Frau singt saugut und füllt mit dem

Leidenschaft. Aber diese Welt braucht Kraft. Und die

Klang ihrer Stimme europaweit Ohren und Seelen.

tanke ich draussen, im Wald, im Dreck, im Gras. In der

Jeannine Hirzel, 36, klassisch ausgebildete Sängerin.

Natur, halt.» Und in der Tat, genau so meint sie das.

Wir haben uns eine Opernsängerin möglicherweise etwas anders vorgestellt. Eine eher ältere, puderige

Zu den Wurzeln, aber richtig

Grande Dame, umweht von einem Hauch High Socie-

Natur findet Jeannine Hirzel natürlich fast überall,

ty? Mit umständlich zurechtgeschminktem Gesicht und

aber am liebsten ist sie im Grün von Russikon ZH, ih-

imposantem Busen, der sich einem – züchtig in schwe-

rer Heimat. Da oben, auf dem Balkon des Pfäffikersees

re, samtene Gewänder gezurrt – bei jedem Atemzug

steht eine Scheune, die nur Freunden und Familie zu-

entgegen hebt?

gänglich ist. Da sitzt sie dann, inmitten von Rebbergen, auf der Wiese, guckt den Kühen beim Grasen zu,

Work-Life-Balance in der unerwarteten Variante

feuert mit Holz und hilft im Herbst bei der Trauben-

Aus einem unverlegen ungeschminkten Gesicht blin-

ernte mit. Oder geht runter zum See, und badet «wild»

zeln mir freche, blaue Funkelaugen entgegen. Jeannine

statt in der Badi. «Wer einmal bei Sonnenuntergang in

Hirzel. Wenn sie eine ihrer graubraunen Strähnen aus

den Pfäffikersee g’juckt ist», sagt Jeannine, «der muss

der Stirn streicht, fallen ihre Hände auf: Büezerhän-

es einfach immer wieder tun.» Und da ist es wieder,

de, da und dort ein Dreckrändli unter kurz gehalte-

dieses verschmitzte Grinsen!

Transhelvetica / Miniatur / Herkunft 87

Was ein Ferkel mit Ehe zu tun haben kann

men vorenthalten. Von Berufes wegen steht Jeannine

Viele unvergessliche Festnächte wurden hier, im Grün

Hirzel auf Bühnen in ganz Europa, und reist die weiten

der ländlichen Wiesen, durchzecht. «Sogar das Hoch-

Strecken – nach Hamburg, Berlin, Odessa oder Ant-

zeitsfest haben wir hier oben gefeiert! Mit einem Span-

werpen – ausnahmslos mit der Bahn. «Ich sitze häufig

ferkel vom befreundeten Biobauern. Wenn Fleisch, dann bitte mit gutem Gewissen, und bei ihm wissen wir, welches Tier wir essen und wie es aufgewachsen ist.» Das Spanferkel

Rundum Frisch

war also zu Lebzeiten ein zufriedenes Säu-

Wem sein Ferkel nicht wurst ist kauft sein Fleisch bei

li, und nun wurde selbiges in neunstündiger

Hans und Wurst. Alles von der Schwarzwurzel bis zum

Geduldsarbeit über der Glut gekurbelt: im

Buurezopf, mit rührender Liebe zum Detail aufbereitet im

natürlichen Niedergar-Prinzip, quasi. Muskel-

Hofladen des Hof Wagenburg in Seegräben. Grüne Ader

kater und gelangweilte Kuhblicke inbegriffen.

entdeckt? Wer sich in Gemüse-Selbstversorgung probie-

Trotz – oder vielleicht gerade wegen – ihres ur-

ren will, lese sich schlau auf der Webseite von Orto Loco.

banen Lebensstils lebt Jeannine Hirzel die Ver-

Erfrischung im Pfäffikersee: Reinspringen, wo man will!

bindung zur Natur konsequent. Konsequent?

Wem «wildes» Baden nicht geheuer ist, empfiehlt Jeannine

«Klar, mein Mann und ich pflanzen unser eige-

Hirzel das Seebad in Seegräben. Gratis.

nes Gemüse an.» Jeannine erklärt: «Wir sind

hansundwurst.ch, hof-wagenburg.ch, ortoloco.ch

Genossenschafter bei einer Gartenkooperative. Zusammen mit 180 anderen bewirtschaften wir die Fläche eines Fussballfeldes, pflanzen, zie-

bis zu acht Stunden im Zug. So kann ich eher hinter

hen und ernten in gemeinsamer Arbeit unser eigenes

der Reiserei stehen und habe alle Freiheiten: Ich kann

Gemüse.» Aha, daher die Fingernägel. Die sehen bei

lesen, mich bewegen, essen, schlafen und arbeiten;

ihren Auftritten selbstverständlich tadellos aus. «Ich

kein Warten an Flughäfen, keine mühseligen Sicher-

nehme meine Rollen auf der Bühne sehr ernst, und

heitskontrollen. Und abgesehen davon,» sagt sie und

solange ich weiss, dass ich immer wieder zurück und

grinst, «gehört mein Sackmesser in meine Handtasche.

einfach mich selber sein kann, bin ich sehr glücklich

Ich will unterwegs picknicken können.»

mit meinem Beruf.» Ein beachtlicher Spagat. Die Frage drängt, was diese Frau wohl dazu bewegt hat, ausge-

Zu den besonderen Merkmalen

rechnet Opernsängerin zu werden. «Als Kind stand ich

Sollte sich die elegant gewandete Dame neben Ihnen

mit meiner Liebe für klassische Musik recht schräg in

im Eurocity mit einem «Hegel» an einem Sternenber-

der Landschaft. Und da ich auch nie Stewardess oder

ger-Mutschli zu schaffen machen, stehen die Chancen

Lehrerin werden wollte, entwickelte sich mein eigener

für zwei Dinge sehr gut: a) handelt es sich hier um

Traum: Eines Tages wollte ich auf der Bühne stehen,

Jeannine Hirzel – auf dem Weg zum nächsten Auf-

singen und dem Publikum eine Geschichte erzählen.»

tritt – und b) der Käse ist vom «Määrt».

Auf dem Boden geblieben, in der Tat Jeannine Hierzels Weg auf die Opernbühnen war lang und beschwerlich, ist es mitunter immer noch. «Singen ist wie Hochleistungssport.» Denn das Geschäft ist hart umkämpft. Sich da einen Namen zu machen, braucht Hartnäckigkeit, stählernen Willen und unablässiges Üben. Das grosse Geld bleibt wenigen bekannten Na-

Transhelvetica / Miniatur / Herkunft 89

KUNSTSTüCKE

Wintersaison

Goetheanismus

Sumpfkühe

Wer hat’s erfunden?

Schönheit ist ein willkommener Gast

Endemit im Tierspital

Warum ist von den zahlreichen Kuror-

Rudolf Steiner, Sohn eines österreichi-

Vor unserem Stadtspaziergang in Zürich

ten gerade St. Moritz zum «Place to be»

schen Bahnbeamten, Esoteriker und Phi-

hatten wir gedacht, dass exotische Tiere

geworden? Warum nicht Pontresina,

losoph, hat in seinem Leben einiges auf

vorwiegend im Zoo und einigen exzentri-

Meran oder Saanen? Vielleicht wegen

den Kopf und vieles auf die Beine gestellt.

schen Wohnungen am Züriberg anzutref-

Johannes Badrutt: denn dieser dachte,

Als Begründer der Anthroposophie be-

fen wären – doch zu unserem Erstaunen

während er den Gästen beim Kuren zu-

einflusste Steiner, der im Zeitalter des

war da in der Sumpflandschaft beim Tier-

sah, auch an die weiteren Aspekte des

Materialismus den Zusammenhang von

spital eine kleine Gruppe der doch sehr

Wohlbefindens. Darum übernahm er

Mensch und Kosmos wieder in den Mit-

raren Sumpfkühe.

im sonnigen St. Moritz Dorf, weit ent-

telpunkt des Bewusstseins rücken woll-

Wie sich herausstellte, war das Bos palu-

fernt von den Bädern, den Kurhäusern

te, verschiedene Bereiche unseres alltäg-

ster von Mickry 3 ausgesetzt worden, wel-

und dem Schatten des Piz Julia, eine

lichen Lebens, insbesondere Pädagogik,

che seit über 10 Jahren seltene Arten und

kleine Pension, wohin ihm schon bald

Kunst, Medizin und Landwirtschaft.

rare Produkte in Umlauf bringen. Die drei

die Gäste folgten.

In jungen Jahren entwickelte Steiner ein

Künstlerinnen, welche bei Ihren Schöpfun-

Aber die Touristen kamen nur im Som-

grosses Interesse an Goethe, dessen na-

gen nicht nur Rippen und Lehm, sondern

mer. Darum schloss Badrutt im Septem-

turwissenschaftliches Werk er als einer

unzählige verschiedene Materialien von

ber 1864 mit vier englischen Gästen eine

der ersten bekannt machte. 1920 ent-

Holz bis Fiberglas, ungestümen Humor

Wette ab, mit der er diese vom Engadiner

stand in Dornach unter seiner Leitung

und kräftige Farben verarbeiten, haben

Winter überzeugen wollte: sie sollten im

das Zentrum der Anthroposophischen

sich vor Jahren an der Kunstschule ken-

Dezember ins verschneite Engadin zu-

Gesellschaft, welches 1923 einem Brand-

nengelernt und sind seither zu einem un-

rückkehren. Falls es ihnen nicht gefalle,

stifter zum Opfer fiel. Der eindrückliche

zertrennlichen Kollektiv herangewachsen,

zahle er ihre Reisekosten ab London und

Nachfolgebau von 1928 ist demgegen-

in dem Jede einen Anteil an jedem einzel-

zurück. Falls es ihnen im Winter aber zu-

über aus brandsicherem Stahlbeton ge-

nen Stück aus dem gemeinsamen Labor-

sage, so lade er sie als seine Gäste ein – so

fertigt und beherbergt mehrere Bühnen

Atelier hat. Daraus ergibt sich die faszinie-

lange, wie sie wollten. Die Engländer hat-

und Veranstaltungsräume, die täglich

rende Mischung aus dreifacher Kreativität

ten wenig zu verlieren. Sie nahmen die

mit anregenden Aufführungen und Dis-

und ebensolcher Kontinuität, welche sich

Wette an, kamen an Weihnachten – und

kussionen bespielt werden.

durch das Werk von Mickry 3 zieht.

Goetheanum, Dornach SO, goetheanum.org; 2011 wäre Rudolf Steiner 150 Jahre alt geworden

Die «Sumpfkühe» weiden vor dem grossen Vortragssaal im Tierspital Zürich, Winterthurerstrasse 260, Zürich; Voe Kurzem erschienen: «Mickry 3», Edition Clandestin, mickry3.net

blieben bis Ostern. Es war die erste Wintersaison des Schweizer Tourismus.

Susanna Ruf, «Fünf Generationen Badrutt: Hotelpioniere und Begründer der Wintersaison»

Transhelvetica / Miniatur / Kunststücke 90

Bild: pd, Wladyslaw Sojka, Gion Pfander

Xala

Monströs

Einstellungssache

Tanz auf dem Xylophon

Zwischen Skylla und Charybdis

Wie man besser arbeitet

Hamper von Niederhäusern, ein hand-

Erinnern Sie sich an die beiden? Skyl-

Auf einer Reise durch Thailand haben

werklicher Tausendsassa, träumte schon

la, die in der Strasse von Messina lebte,

Fischli/Weiss in einer Keramikfabrik

lange davon, ein eigenes Instrument zu

hatte den Oberkörper einer jungen Frau

eine Tafel entdeckt, die sie an eine Haus-

bauen. Nach ersten Gehversuchen mit

und einen Unterleib aus sechs Hunden.

fassade in Zürich Oerlikon kopiert ha-

Xylophonen in den 80er Jahren ent-

Einst war sie ein hübsches Mädchen,

ben, an welcher täglich tausende Zug-

wickelte er eine Faszination für Klang-

doch sie wurde wegen einer Liebschaft

passagiere in Richtung Flughafen vor-

körper, die zu einem herausfordernden

bestraft, woraufhin sie sich aufführte

beifahren. Für Langsamleser haben

Projekt führte: er wollte Klangstäbe bau-

wie ein wildes Tier.

wir die Sätze hier in einer übersetzten

en, die das Gewicht eines menschlichen

Charybdis war demgegenüber ein ge-

Version festgehalten.

Körpers tragen können, ohne in ihrer

staltloses Meeresungeheuer, das drei-

1.Mach eine Sache aufs Mal

Schwingung gänzlich von diesem Körper

mal täglich das Meerwasser einsog und

2.Erkenne das Problem

gebremst zu werden.

brüllend wieder ausspuckte. Schiffe, die

3.Lerne zuzuhören

Mit der Fertigstellung der Xala hat er

in den Sog gerieten, waren verloren uns

4.Lerne nachzufragen

den gegen ihn arbeitenden Gesetzen

wer Charybdis auswich, lief Gefahr, dass

5.Unterscheide Sinn von Unsinn

der Physik getrotzt und ein Instrument

sich Skylla mit langen Fangarmen ein-

6.Nimm Veränderungen als natürlich hin

erschaffen, welches ganz neue Töne

zelne Seefahrer von Bord pflückte und

7.Gestehe Fehler zu und ein

von sich gibt.

frass. Auch Odysseus verlor bei seiner

8.Drück Dich klar aus

Sehr faszinierend sind die Aufführungen

Durchfahrt sechs Gefährten an sie.

9.Bleib ruhig und gelassen

von Ania Losinger und Mats Eser, die

Die Markus Zohner Theater Compagnie

10.Lächle

zwischen Performance und Klanginstal-

hat sich ebenfalls Halsbrecherisches vor-

Die Gebote, welche klar von einem asia-

lation anzusiedeln sind. Die Rhythmike-

genommen: die Aufführung der Odyssee

tischen Arbeitsethos ausgehen, könnten

rin und Flamencotänzerin Ania Losinger

zu zweit und ohne Requisiten – dafür mit

auch in unserem Kulturkreis zu einer

entlockt dabei dem über 4 m grossen

vollem Einsatz von Stimme und Mimik,

Verbesserung des Wohlbefindens im Ar-

Xala mit Flamencoschuhen und zwei

woraus ein sehr sehenswertes, atembe-

beitsumfeld beitragen, obschon/weil sie

mannshohen Holzstäben hypnotische

raubendes Schauspiel wurde, das seit elf

sich nicht auf die Arbeit, sondern auf die

Klänge und Rhythmen, mit denen sie

Jahren international Erfolge feiert.

Person beziehen.

Die Markus Zohner Theater Compagnie zohnertheater.ch

«How to work better» sieht man aus dem Zug zwischen Zürich Oerlikon und Flughafen; Weitere Denkanstösse bei «Findet mich das Glück?» von Fischli/Weiss, Walther König, 2003

2

ihre Zuhörer in ihren Bann schlägt.

Hamper von Niederhäusern, vonie.ch; Ania Losinger und Mats Eser, xala.ch

Transhelvetica / Miniatur / Kunststücke Bild: Martin Möll, Markus Zohner, Karl Grauhans

91

Wir zeigen Ihnen den Weg ins Paradies.

Ferien.

FESPO.

Basler Ferienmesse.

13. – 16. Januar 2011

27. – 30. Januar 2011

4. – 6. Februar 2011

BEA bern expo Do/Fr 13 – 20 Uhr, Sa/So 10 – 18 Uhr www.ferienmesse.ch

Messe Zürich Do/Fr 13 – 20 Uhr, Sa/So 10 – 18 Uhr www.fespo.ch

Messe Basel Fr/Sa/So 10 – 18 Uhr

Gastland:

Gastregion:

Gastregion:

Die Messe für Ferien und Reisen Bern, 13.–16. Januar 2011

Die grösste Messe für Ferien und Reisen Zürich, 27. – 30. Januar 2011

Die grosse Messe für Ferien und Reisen Basel, 4. – 6. Februar 2011

www.baslerferienmesse.ch

92

09_1061_Transhelvetica_BE_ZH_BA_210x297.indd 1

16.11.10 16:54

Ausreise

«Die Schweizer Strassen sind voller Soldaten.»

Larry Hochmann und seine Lebensgefährtin Rosie Meinholz

Larry Hochmann und seine Lebensgefährtin Rosie

Was ist Ihr Lieblingsort in der Schweiz?

Meinholz wohnen in Madison, Wisconsin USA, und

Wir waren bei Nebelmeer auf dem Pilatus und haben

waren für zehn Tage in der Schweiz, um Freunde zu

zur Rigi hinübergesehen – ein magischer Moment.

besuchen und Ski zu fahren. Während ihrer Reise

Für welches Restaurant würden Sie zurückkehren?

waren sie in Kandersteg, Solothurn, Genf, Zürich

Wir haben sehr lecker indisch gegessen im Comino an

und Basel.

der Freienstrasse 35 in Basel.

Für welches Hotel würden Sie zurückkehren?

Was macht die Schweiz für Sie speziell?

Uns haben das Chalethotel Alfa Soleil in Kandersteg

Natürlich faszinieren uns die schöne Landschaft und

sowie das Cityhotel Rochat an zentraler Lage in

Eure kulinarischen Spezialitäten.

Basel gut gefallen. Gute Mittelklassehotels mit

Was haben Sie auf Ihrer Reise vermisst?

vertretbaren Preisen.

Süssgetränke, von denen uns eine kleine Auswahl

Was war ihr waghalsigstes Abenteuer in der Schweiz?

genügt hätte, sowie Diet Root-Beer, in Nordamerika ein

Wir waren wandern auf dem Gemmipass und haben

Renner, in Europa kaum bekannt. Ein bisschen wie

dabei eine gute Ladung Wind und Minustemperaturen

Baseball. Doch man erhält es auch in der Schweiz,

abbekommen. Pfui.

beispielsweise über den Webshop von Country Season.

Ihr Kulturtipp für die Schweiz?

Was werden Sie zu Hause von der Schweiz vermissen?

Das Musikmuseum in Basel hat uns trotz bescheide-

Die tolle Auswahl an leckerem Käse, die Berge und das

nem Umfang positiv überrascht.

knusprige Brot.

Bonusfrage: Was unterscheidet die Schweiz von

Was würden Sie als Präsident der USA von der Schweiz

Schweden?

übernehmen?

In erster Linie die Anzahl Buchstaben, oder? Darüber

Das gut funktionierende Transportsystem mit seinen

hinaus sind die Schweden formeller als die Schweizer.

feinen Verästelungen.

Was müsste die Schweiz von den USA übernehmen?

comino-basel.ch, alfasoleil.ch, hotelrochat.ch, countryseasons.ch

Nicht viel. Wir sind ein Land von Barbaren.

Was ärgert Sie an der Schweiz?

Die Preise sind prohibitiv hoch für uns, und es ist ein Jammer, dass Angebote wie die Bernkarte (für ÖV und Museen) abgeschafft worden sind.

Worüber haben Sie in der Schweiz gestaunt? Über die grosse Zahl von Soldaten, die alleine oder in Gruppen herumgereist sind.

Interview: Jon Bollmann, Bild: Alex Wydler

16:54

93

Leserbriefe #01

Transhelvetica ist im Bistro des

erste Reise in die USA. Der Flug

mir gut. So mach ich's mir recht bequem

Kunstmuseums Basel aufgelegen und

dauerte über 10 Stunden und ich war

in halbliegender Stellung und möchte

hat uns sofort angesprochen. Beruhi-

gespannt, wer mich auf Platz 042L

nun lesen – doch spätestens ab Seite

gendes Layout und sehr ansprechende

während dieser Zeit begleiten würde.

24/25 kann ich nicht bequem weiterle-

Themen. Nur bei den Froschschenkeln

Eine charmante, liebenswürdige und

sen, weil das Magazin leserunfreundlich

musste ich beide Augen zudrücken.

interessante Frau, die ich nicht einmal

gebunden ist.

T.W., Cham -------------

nach ihrem Namen gefragt habe. Wir konnten uns gut unterhalten und ich

W.H., St. Gallen -------------

Eigentliche lese ich nicht mehr Zeit-

genoss die lange Flugreise. Weshalb

Ich möchte die Zeitschrift per sofort

ungen, Zeitschriften, schaue nicht

erzähle ich Ihnen das? Meine Sitz-

abonnieren.

mehr fern und höre kein Radio. Den

nachbarin schwärmte von einer neuen

L.M., Solothurn

Kulturtipp, den habe ich neuerdings

Zeitschrift, die ich unbedingt kaufen

-------------

wieder abonniert und seit gestern eure

und lesen müsse. Sie zeigte mir die

Eben haben wir Eure erste Ausga-

Zeitschrift. War eine Freude darin

Erstausgabe von Transhelvetica und

be erhalten. Einfach Super!! Wir

zu stöbern, zu lesen oder einfach

ich konnte darin schmöckern.

möchten ganz herzlichst zu diesem

schauen. Gerade vor kurzem habe

Ich gratuliere Ihnen und Ihrem Team

publizistischen Unternehmen gratu-

ich Michael von Graffenried an einer

zu dieser Zeitschrift. Sie gefällt mir

lieren und wünschen viel Erfolg für

Vorlesung gehört. Er hat Renée Gardi

sehr gut. Die Texte sind interessant,

die Zukunft.

zitiert, der meinte: Wer vor seinem

ausgewogen, spannend, die Bilder von

Da wir in Ecuador etwas vom

Haus nichts erlebe, der erlebe auch

künstlerischer Qualität und gut ausge-

Schweizer Tagesgeschehen abge-

nichts in der weiten Welt.

wählt, die Inserate im Rahmen und das

hängt sind und anstatt Froschschen-

P.C., Zürich -------------

Papier ist angenehm anzufassen. Ich

keln eher knusprige Meerschwein-

freue mich auf die nächste Ausgabe.

chen vorfin den, freut es uns sehr,

Vos magazines sont bien en évidence

Auf dem Flug in die USA habe ich unse-

die besonderen Örtchen der Schweiz

dans notre presse corner et nos vi-

re Heimat besser kennen gelernt.

durch Euer Magazin kennenlernen

siteurs ont beaucoup de plaisir à les découvrir. Plusieurs personnes m’ont

H.B., Kilchberg -------------

d’ailleurs parlé de la qualité de votre

Ich hab gestern Abend noch Euer

A. & F.W., Quito -------------

revue.

Magazin gelesen und war hell begeis-

Über den Artikel «Glatte Sachen» bin

C. G., Bulle -------------

tert – hab fast meine Station verpasst.

ich sehr enttäuscht. Vor 10 Jahren sind wir an den Oerliker-Park

Die journalistische Absicht von Jon

A.G., Zumikon -------------

Bollmann finde ich super. In seinem

Liebe auf den ersten Blick

fast 1 000 farbenfrohe Bäume! Wo

Editorial spricht er mich persönlich an.

findet man das noch in einer Stadt?

Insbesondere als Rentner kann ich seine

M.S., Zürich -------------

Aussagen bzw. seine Feststellungen

Mir gefällt das Heft. Aber glänzend

Neu Örlikon als Quartier beschrieben

absolut unterstützen.

hätte ich lieber. Habe schon einige Arti-

wird, welches keine Lebensfreude

A.G., Wollerau -------------

kel gelesen. Der Schreibstil gefällt mir!

ausstrahlt. Uns würde es keine Mi-

M.S., Küsnacht -------------

nute in den Sinn kommen, im «Trend-

wieder und mit grosser Freude in Ih-

Nach dem Artikel über die Nationale

P.S: Ihr Heft gefällt uns sonst ganz gut!

rer neuen Zeitschrift Transhelvetica:

Verkehrsmanagementzentrale hab ich

wirklich ein Vergnügen und eine

so richtig Lust mich mal wieder zu

J.R., Zürich -------------

erfreuliche Neuerscheinung in der

stauen.

Schweizer Presse.

S., Cyberspace -------------

Schreiben sie uns an:

Seit ein paar Tagen lese ich immer

U.F., Scuol -------------

zu können.

gezogen: brandneu, geometrisch und

Es erstaunt uns immer wieder, dass

quartier» Zürich West zu wohnen.

Transhelvetica, Abteilung für Leser-

Spontan habe ich Transhelvetica abo-

briefe, Wasserwerkstrasse 93, 8037

Am 10. Oktober reiste ich mit einem

niert, weil mich die Themenauswahl

Zürich oder an post@transhelvetica.ch

Alukoffer voller Erwartungen in die

angesprochen hat. Habe schon ge-

Wir behalten uns vor, Zuschriften ver-

neue Welt nach San Franscisco, meine

schnuppert und muss sagen, das gefällt

kürzt zu veröffentlichen.

Transhelvetica / Miniatur / Leserbriefe

Schweden

Gute Nacht

hweiz, D i e S c c h e , B e e re n El nd der n? Ts ts ts. a L s a d e ondine u n d B l e r f a h re n S i n , r e de Hi Schwe , r e b ü mehr nd der Kühe ! s das La e und Heidi d la Schoko

Zzzzzzz zz

zz

Der Winter beginnt in Schweden früh:

mer bringt (60WBirne = 720Lux). Wer

Ende September verlieren die Bäu-

nun aber glaubt, dass der Schwede

me ihr Laub, es wird kälter und die

unterbelichtet ist, der täuscht sich

Tage werden kürzer. In der Mitte des

– denn es gleicht sich aus, dass die

Winters wird es in Südschweden nur

Sonne im schwedischen Sommer

kurz, zwischen 9:30 und 14:30 Uhr,

nicht untergeht, und dafür im Win-

hell – wobei schon bei leichter Bewöl-

ter eine Pause macht.

kung nicht mehr ernsthaft von Tages-

Weil die Sonne im Norden niedri-

licht gesprochen werden kann.

ger steht, verlieren die Lichtstrah-

Die lange Dunkelheit verführt zu alko-

len nach dem langen Weg durch

holischen und/oder somnischen Exzes-

die Atmosphäre an Intensität und

sen und kann sich auf die Psyche nie-

Wärme. Dafür dauert die Dämme-

derschlagen: Winterdepressionen sind

rung im Norden wesentlich län-

häufig und Antidepressiva die meist ver-

ger als im Süden Europas, so dass

schriebenen Medikamente in Schweden.

Nordschweden

Vorbeugen kann man dem mit der Ta-

pro Tag (!) eine ganze Stunde (!)

geslicht-Lampe, welche mit 10 000 Lux

mehr Helligkeit hat als beispiels-

den Tag in schwedisch Winterwohnzim-

weise Lugano.

im

Jahresmittel

Impressum Herausgeber: Passaport AG, Alter Bahnhof Letten, Wasserwerkstrasse 93, 8037 Zürich, passaport.ch, T. +41 44 241 29 29 Geschäftsführung: Jon Bollmann, jon.bollmann@passaport.ch Redaktionsanschrift: post@transhelvetica.ch

Transhelvetica, das Schweizer Magazin für Reisekultur, Alter Bahnhof Letten, Wasserwerkstrasse 93, 8037 Zürich, transhelvetica.ch, T. +41 44 241 29 29,

Redaktion: Jon Bollmann, Sandra Leite, Alex Wydler, Pia Marti E-mail:

vorname.nachname@transhelvetica.ch

Art Direction:

Komun GmbH, Tomas Brader,

Daniel Hertli, www.komun.ch, grafik@komun.ch

Layout:

nicoschaerer.com; Alex Wydler, alexwydler.com

Text: Franz Hohler, Omar Gisler, Nicole Hess, Nicole Egger, Anja Borup, Philipp do Canto, Bálint Dobozi, Giovanna Davatz, Madeleine Weiss, Iris Guery,

Gina Bucher

Bild:

Tomas Brader, Daniel Hertli, Silvia Ramsay

Mediadaten: finden Sie unter transhelvetica.ch Fotografie: Nico Schärer,

Alex Wydler, Nico Schärer, Franz Hohler, Anja Borup, Rémy Steinegger, Marius Morger, Daniel Martinek, René Niederer

Anne Bergfeld, Andreas Grob

Druck:

Ziegler Druck- und Verlags-AG, Winterthur

Ausland: sFr. 75.- Vertrieb: Valora AG, valora.com

Abonnement:

Lektorat:

Online: Allerhand, allerhand.ch Heftpreise:

Claudia Walder

Promotion:

Einzelheft: sFr. 10.-, 6 Ausgaben: sFr. 45.-,

Transhelvetica, Schweizer Magazin für Reisekultur, Abonnemente, Alter Bahnhof Letten, Wasserwerkstrasse 93,

8037 Zürich; transhelvetica.ch/abonnement; abonnement@transhelvetica.ch

Abonnement Überraschende Reisetipps für Ihren Ausflug auf der Transhelvetica Abonnieren Sie 6 Ausgaben / 600 Seiten liebevoll recherchierte und hübsch aufbereitete Hintergrundinformationen aus der Redaktionsstube von Transhelvetica für nur sFr. 45.– Abonnieren Sie per Post oder online unter: transhelvetica.ch

Herr / Frau

Vorname

Name

Firma

Strasse und Nummer PLZ, Ort

Land

E-Mail

Ausschneiden und einsenden an: Transhelvetica, c/o Passaport AG, Alter Bahnhof Letten, Wasserwerkstrasse 93, 8037 Zürich

Transhelvetica / Miniatur / Schweden, Impressum, Abonnement

gengeschenk. Da sie nicht in der Nähe wohnte, musste sie improvisieren und gab uns einen wunderschönen Kamm, sowie eine traditionelle Lackbrosche. Vermutlich die einzigen verschenkbaren Gegenstände, die sie in Ihrem Handtäschlein hatte finden können. Um die Spirale von Geschenk und Gegengeschenk zu stoppen bevor das Spiel ruinöse Züge annahm, setzten wir den Affektionswert unserer Miniaturschokoladen retrospektive so hoch an, dass die Reziprozität gewahrt war.

Dank dieser Episode haben wir gelernt, dass Napolitains nicht einfach nur Beigemüse für Kaffee darstellen, sondern als valables Tauschmittel genutzt werden können. Bei Auslandreisen haben wir seither immer einen Sack kleiner Schöggeli dabei, die wir im Notfall aggressiv verschenken.

Versuchen Sie es selber!: als Probelauf können Sie das nebenstehende Napolitaine zusammensetzen und in Interlaken oder neben der Kapellbrücke einem Japaner schenken. Sie werden staunen.

sich, dass man Gastgeschenke macht. Und wenn man

beschenkt wird, dann hat man dies umgehend mit ei-

nem ebenbürtigen oder wertvolleren Geschenk zu kon-

tern – andernfalls ist das Gesicht rasch verloren.

Eines Abends gönnten wir uns, in einem traditionellen

Ryokan, japanische Spezialitäten, welche uns mit so

viel Grazie, Gastfreundschaft und Eleganz aufgetragen

wurden, dass jeder Schweizer Tourismusdirektor vor

Scham im Boden versinken müsste. Als Zeichen des

Dankes schien uns ein Trinkgeld zu profan, weshalb wir

unseren Reiseproviant/Heimwehtäfelchen hervorkram-

ten, ein hübsches Tuch darum wickelten und es der

Gastgeberin überreichten. Anstatt sich über unsere klei-

ne Aufmerksamkeit zu freuen oder uns zu danken, ver-

schwand die Beschenkte wortlos und liess uns alleine im

Speiseräumlein zurück. War sie die Schokolade naschen

gegangen? Hatten wir Sie beleidigt? Musste Sie das Ge-

schenk einem Vorgesetzten abliefern? Ratlos sassen wir

da und sannen bei warmem Sake über die Wahrschein-

lichen Reaktionen darauf. Da öffnete sich der Vorhang

lichkeiten verschiedener Szenarien – und unsere mög-

wieder, und unsere Gastgeberin kam zurück – mit Ge-

Neulich waren wir in Japan in den Ferien. Da gehört es

Notgroschen aus Schokolade

Handwerk

Die Natur weiss, was gut ist.

Deshalb produziert sie f체r uns t채glich frische Produkte wie Bio-B체ndnerfleisch. Dies ist nur eines von 체ber 1000 Migros Bio-Produkten. Infos auf www.migros.ch/bio

126620_210x297_d_K_BFL_TH 1

08.10.10 17:54