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Nachhaltig bauen: So geht’s!
from MINT 01/2021
by TristanMPM
Plattmachen, in winzige Teile zerlegen, wieder zusammensetzen, fertig. Könnte man wie im Kinderzimmer vorgehen, und die Stadt aus Lego einfach in eine andere ummodeln, wäre die Welt einfach. Im Leben von erwachsenen Abbruchunternehmern, Planern, Bauherren und Architekten läuft es nicht ganz so simpel ab. Hier muss sehr genau geplant und vorgegangen werden. Und zwar von der ersten Minute an. Sehr populär ist es auch noch nicht, aus vorhandenen Gebäuden, Straßen und Grünflächen neue Siedlungen zu bauen. Das ist äußerst schade, denn mit der magischen Formel „Aus alt mach neu“ würde die Bauwirtschaft erheblich nachhaltiger werden. Um einen Schritt nach vorne zu machen, wurde jetzt ein Verein gegründet. Der Rohstofflager Stadt e. V. soll Anlaufstelle und Ansprechpartner für alle sein, die eine funktionierende Kreislaufwirtschaft im Bausektor vorantreiben wollen. Zehn Mitglieder haben sich dabei zusammengeschlossen. Und alle sind Experten ihres Fachs und bringen Erfahrungen aus Forschung, Entwicklung und bereits realisierten oder laufenden Projekten mit.

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Entstanden ist die Idee im Laufe des aktuellen Großprojekts im Münchner Norden. Seit Monaten werden auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne alte Wohn- und Bürogebäude sowie Straßen zermalmt, Gesteinsbrocken zerkleinert, gesiebt und neu gemixt, Substrate erzeugt und Pflanzungen getestet. Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen sind hier im Einsatz - von Bauingenieurinnen über Wissenschaftlerinnen bis hin zu Geologinnen und Landschaftsgestalterinnen. Das meiste läuft gut oder sehr gut. Wenn doch mal etwas Unvorhergesehenes passiert, wird es professionell gelöst. Es ist ein Modellprojekt für viele weitere. Was man hier lernt, erprobt und durchführt, soll in die Fläche getragen werden, andere inspirieren und informieren. Denn so können künftig Tausende Tonnen an CO2 gespart, Tausende von Kilometern vermieden und der weltweite Raubbau an Sand für Beton eingedämmt werden. Jedenfalls, wenn man es von Anfang an richtig macht. So wie im Münchner Norden, wo es derzeit sogar ein bisschen wie im Kinderzimmer aussieht, denn auf der ganzen Baustelle liegen Legosteine herum. Überdimensional große allerdings und tonnenschwere. Sie sind aus Beton und wurden vor Ort neu gegossen. Genial.
Sebastian Knoll
Ingenieurökologe
Bodeninstitut Prügl
Als Ingenieurökologe macht es mir Spaß, mit intelligenten technischen Lösungen einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit im Landschaftsbau und zu einem gesunden Stadtgrün zu leisten. Die Aufbereitung von Bodenaushub zu landschaftsgärtnerischen Böden und Substraten schont natürliche Ressourcen, spart CO2, lässt sich leicht kosteneffizient gestalten und schafft kreislaufgerechtere, urbane Pflanzräume.
Michael Weiss
GF Recycling und Verwertung
Johann Ettengruber GmbH
Nachhaltiges Bauen beginnt bereits beim Rückbau. Rohstoffe, die zur Errichtung neuer Gebäude notwendig sind, sind bereits in den „abzureißenden“ Bestandsgebäuden enthalten. Diese Bestandsgebäude müssen selektiv rückgebaut werden, um die Einzelfraktionen wie Beton, Ziegel, Holz und Metall möglichst sortenrein zur Verfügung zu haben und für einen erneuten Einsatz auf der Baustelle verwenden zu können. Dadurch werden natürliche Ressourcen geschont, Fahrverkehr von und zur Baustelle reduziert und die wertvollen Rohstoffe im Kreislauf gehalten. So profitieren alle Beteiligten.
Sandra Karl
Technische Projektleitung
K A R L – Gruppe
Eine hochwertige Verwertung von mineralischem Bauschutt trägt in erheblichem Umfang zur Einsparung von Primärressourcen und schließlich zum Klimaschutz bei. Im Rahmen von eignen Projektentwicklungen und auch öffentlichen oder privaten Bauaufträgen legen wir größten Wert darauf, mineralische Baustoffe, meist in Verbindung mit einem intelligenten Bodenmanagement, wiederzuverwerten. Wir verfügen zudem über eigene Recyclinganlagen zur Aufbereitung von mineralischen Baustoffen, in denen unter Einhaltung von bau- und umwelttechnischen Anforderungen RC-Baustoffe wieder in den Wirtschaftskreislauf gebracht werden. Geprüfte, gütegesicherte und zertifizierte RC-Baustoffe sind bau- und umwelttechnisch ein aktiver Beitrag zum Umweltund Klimaschutz.
Andrea Kustermann
Prof. Bauingenieurwesen
Hochschule München
Das Projekt bietet die Möglichkeit, Recyclingbeton mit bis zu 100% rezyklierter Körnung einzusetzen. Das wäre die Möglichkeit, Bedenken gegen diesen Baustoff abzubauen und Positivbeispiele im Pilotprojekt zu präsentieren. Ein Beitrag für eine Steigerung der Akzeptanz für Recyclingprodukte insbesondere im Bereich Beton.
Verena Stadler
Leitung Projekt Bayernkaserne
DMU Consult Ingenieursgesellschaft mbH
Nachhaltiges Bauen ist die Prävention der Probleme von morgen. Bereits in der Planungsphase eines Neubaus muss der spätere Rückbau, der zwangsläufig irgendwann folgen wird, betrachtet werden. Insbesondere bei der Materialauswahl gilt es, auf der Hut zu sein. Baustoffe sollten bspw. wieder leicht trennbar sein. Je sortenreiner die Trennung erfolgen kann, desto eher können die Materialien im Stoffkreislauf bleiben und wieder eingesetzt werden.