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DER RETTUNGSDIENST FÜR DIE SEELE
from Trauerbegleiter
Krisenintervention ist psychische „Erste Hilfe“ in einer akuten Notsituation.
Bei einem Unfall werden unterschiedliche Einsatzkräfte angefordert: der Notarzt, die Rettungskräfte, die Polizei, die Bestatter und auch die Helfer des Kriseninterventionsteams kurz KIT genannt. Alle leisten Hilfe am Unfall- oder Katastrophenort und verlassen ihn wieder, wenn sie ihre Aufgaben erledigt haben. Sylvia Loucks bleibt jedoch. Seit rund 19 Jahren hilft sie Menschen während außergewöhnlichen Krisensituationen und lässt sie nicht alleine. Ihr längster Einsatz an einem Unfallort dauerte neun Stunden.
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Ein traumatisches Erlebnis ist ein tiefer Einschnitt im Leben eines Menschen, dabei wird die Psyche der Betroffenen verletzt. Es kann überlebende Opfer, Angehörige oder auch Zeugen treffen. Sylvia Loucks hat ihren Piepser immer dabei. Wenn die Leitstelle anfragt, rückt sie aus. „In der Regel sind wir zu zweit“, erzählt sie. Selten allein und manchmal sogar zu dritt. Je nach Situation. „Wir sind von der Krisenintervention, ich bin die Sylvia und wir sind jetzt für Sie da.“ Diesen Satz hören die Betroffenen dann als erstes von der Seelsorgerin. Dann gilt es erst einmal in die Situation hineinzufühlen. Es sei wichtig zu hinterfragen, was die Person im Augenblick am dringendsten braucht. Und das sei immer ganz verschieden. Dabei reagieren die Menschen ganz unterschiedlich, manch einer mache ganz zu, ein anderer wiederum öffne sich gleich und fängt an zu reden, während viele auch einfach nur wütend sind. Wenn zu Hause jemand verstorben ist, hilft die Beraterin bei organisatorischen Aufgaben und ruft auch schon mal den Bestatter an. Oft seien es auch ganz banale Dinge, wie das Reichen eines Taschentuches oder einer Flasche Wasser. Die Aufgabe der Seelsorgerin ist es, die Bewältigungsmöglichkeiten der Personen zu aktivieren. Sie geht erst, wenn alle nächsten Schritte geklärt sind und das Auffangnetz – Freunde und Verwandte werden benachrichtigt – sichergestellt ist.
Eigentlich wollte Sylvia Loucks Krankenschwester werden, hat sich dann aber für die Altenpflege entschieden. Zur Krisenintervention sei sie über eine Zeitungsannonce gekommen. Und bis heute geblieben. Zusätzlich absolvierte sie noch eine Ausbildung an der IGNIS Akademie in Kitzingen, ein christlicher Träger. Sie wollte Menschen in einer seelischen Not oder persönlichen Krise begleiten und helfen und brauchte dafür das richtige „Handwerkzeug“. Trauerbegleitung mache sie auch ehrenamtlich, wenn jemand signalisiert, dass er Hilfe benötigt. Sie habe sich schon immer angesprochen gefühlt, wenn sich andere in Notsituationen befinden. Der Grund dafür liege ihn ihrer Kindheit. Damals habe sie sich gewünscht, dass jemand da ist, der sie ret-
tet. So fasste sie schon früh den Entschluss, sie wolle da sein, wenn jemand sie braucht. Heute weiß die 61-Jährige: „Die Krisenintervention ist meine Berufung.“ Ihre Familie unterstützte das sehr.
Leider musste sie im Laufe der Jahre immer wieder erleben, dass Menschen in ihrer Trauer stecken bleiben. Das habe verheerende Folgen auf das Hier und Jetzt. Nach dem Tod, seien Scheidungen der größte Stressfaktor. Wer stecken bleibt, habe wieder Probleme in der neuen Beziehung. Hier hier sei es notwendig, die Trauer auszuleben. Viele merken nicht, dass sie in einer Depression stecken und dann werde auch der Körper krank, „weil wir Geist, Seele und Körper sind und alle drei arbeiten zusammen.“ Trauerarbeit sei mit Schmerzen verbunden, aber es führe kein Weg daran vorbei.
Sylvia Loucks hat viel erlebt, auch Positives. Da gab es diese eine Frau, die wie man ihr sagte, nicht mehr arbeiten könne. Gemeinsam hätten sie dann zurückgeblickt. Den Selbstmord ihres Bruders habe die Betroffene nie verkraftet, erzählt Loucks. Sie sei in der Trauer stecken geblieben. So scheiterte ihre Ehe und sie verlor ihren Job. Das Schlimmste sei für die Trauernde gewesen, dass sie keinen Abschied nehmen konnte und dabei hätte sie ihm noch so viel sagen wollen, dem Bruder. Sich auch bei ihm entschuldigen. Also verfassten beide gemeinsam einen Brief an den verstorbenen Bruder. Diese Handlung habe bei der Klientin einen Knoten gelöst und ihr die Freiheit geschenkt. Endlich habe die Frau es auch geschafft, den Ort zu besuchen, an dem sich der Bruder das Leben nahm. Ihr gelang es mit der Hilfe von Sylivia Loucks diesen Teil ihres Lebens abzuschließen und zurück ins Leben zu finden. Einige Monate später erfuhr die Trauerbegleiterin, dass die Betroffene sich mit ihrem Ehemann ausgesöhnt und vertragen und auch wieder eine Arbeit gefunden hat.
Sylvia Louks kennt auch Menschen, die die Schockphase nie überwunden und seit dem nie wieder geweint haben. Andere hatten keine Emotionen mehr, sie waren wie tot. Oft sei das ein Anzeichen dafür, dass man im Trauerprozess nicht voran gekommen sei. Selbst erkenne man das leider ganz selten, es sei notwendig, jemanden von außen in sein Innerstes zu lassen. Denn einen Neuanfang könne es erst geben, wenn man die Krise abgeschlossen hat. sus
Sylvia Loucks – Trauerbegleitung, Krisenintervention