Totaloper vorwort

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Archiv / Bildteil

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Das Medium Gian Carlo Menotti

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Die Welt auf dem Mond Joseph Haydn

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Die Heirat Bohuslav Martinu

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Die Fledermaus Johann Strauss

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Eine kleine Zauberflöte Wolfgang Amadeus Mozart

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The Turn of the Screw Benjamin Britten

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Orpheus in der Unterwelt Jaques Offenbach

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Im weißen Rössl Ralph Benatzky

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La Betulia Liberata Wolfgang Amadeus Mozart

10 L’Orfeo Claudio Monteverdi

Editorial

Essays Annette Geiger Greta Haenen

Glossar Index

Bartleby & Co., Brüssel Hochschule für Künste Bremen

Interviews Thomas Albert Philip Bussmann Dr. Michael Glasmeier Michael Hinrichs Gregor Horres Jan Hübner Katharina Kühn Alexander Müller Heike Neugebauer Peter W. Schaefer Jennifer Thiel Annika Tritschler


Totaloper Eine Vielzahl an Disziplinen, Gewerken, Gestaltern, Künstlern, Musikern, Sängern, Bühnenarbeitern und Technikern tragen zum Gelingen einer Opernaufführung bei. Hinter (und vor) den Kulissen werden die Zwischentöne kunstvoller Inszenierung und schweißtreibenden Handwerks erzeugt. Als erhabenste aller künstlerischen Gattungen gepriesen, verschmelzen in der Oper Bild, Musik und Text zum Gesamtkunstwerk, der Opera Totale; mal emotional, kritisch, sachlich, mitunter kitschig inszeniert der Regisseur im künstlerischen Dialog mit den Kostüm- und Bühnenbildnern, dem Dramaturgen und den Musikern die überlieferten Opern um das Publikum immer wieder neu anzuregen, zu begeistern und zu verführen. 2001 wurde das Interdisziplinäre Opernprojekt als Kooperation zwischen den Fachbereichen Musik und Kunst & Design an der Hochschule für Künste Bremen gegründet. Die Sänger und Musiker sollten bereits im Studium praktische Erfahrungen unter professionellen Bedingungen sammeln. Gleichzeitig wurden auch die Kostüme und das Bühnenbild von Studierenden entworfen und realisiert um dadurch den Austausch und das Verständnis der Disziplinen untereinander zu fördern. 2005 habe ich die künstlerische Leitung der Ausstattung von Peter Schäfer übernommen. In vielen Workshops für Bühne, Kostüme, Masken, Requisiten oder Video wurden die Figuren und Szenenbilder gemeinsam entworfen und mit den Werkstätten realisiert. Im weiteren Prozess wurden die zu vermittelnden Rollen mit den Sängern in den Kostümanproben herausgearbeitet und das Bühnenbild in den Bauproben überprüft. Vor den Premieren reihten sich Kostümproben, Beleuchtungsproben, Hauptproben, Orchesterproben und Generalproben aneinander. Funktioniert das Zusammenspiel von Bühne


2001 - 2011 Zehn Jahre Opernprojekt der Hochschule für Künste in Bremen

und Kostüm? Was erzählen die Kostüme über die Figuren? Wie verändern Beleuchtung und Projektionen das Geschehen? Wie füllt die Musik den Raum? Kontinuierlich muss die Bühnenwirkung weiterentwickelt werden. Erst zur Premiere zeigt sich, ob die Zusammenarbeit der Disziplinen greift und ob die Inszenierung überzeugt. Die Arbeit an dieser Edition verlief nach einem ähnlichen Prozess. Das Engagement der Studierenden Julia Dambuk, Eike Harder, Eunjung Kwak, Nadine Rother, Tanja Theinert, Annika Tritschler und die Mitarbeit von Thorsten Baensch vom Künstlerbuch Verlag Bartleby & Co, Brüssel haben dieses schöne Ergebnis ermöglicht. Intensive Recherche und Sichtung des umfangreichen Dokumentations- und Bildmaterials standen am Anfang, später wurden frühere Zuschauer und Mitwirkende interviewt und dadurch versucht das Opernprojekt aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Das vorliegende Buch dokumentiert eindrucksvoll die verschiedenen Sichtweisen und Blickwinkel der damals Mitwirkenden. Hieraus ist etwas ganz Neues entstanden, ein außergewöhnliches Buch-Archiv das den Respekt vor der Intensität und der Leidenschaft bei der Zusammenarbeit der Künste feiert. Dieses Buch wurde größtenteils in Handarbeit hergestellt. Mein besonderer Dank gilt allen Mitwirkenden und Unterstützern dieser Publikation und natürlich auch den vielen Menschen, die an den 10 Opernprojekten mitgewirkt haben. Die Leser und Entdecker dieses Buches lade ich ein, sich auf Spurensuche zu begeben. Lassen sie sich von dieser Welt verführen oder sogar dazu animieren, die Inhalte selbst in Szene zu setzen. Kai Lehmann, Mai 2014


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Endstation »Sehsucht« –  Was Mode und Oper voneinander lernen können Wer heute in die Oper geht, scheint ein Faible für das Visuelle zu haben. Denn Gesang und Musik könnten wir auch mit geschlossenen Augen genießen; mancher bevorzugt sogar dieses puristische Hören. Doch die Sehnsucht nach einem audiovisuellen Gesamtkunstwerk, das Auge und Ohr gleichermaßen zu fesseln oder gar zu überwältigen versteht, ist bezeichnend für unsere Kultur. Die regelrechte Sucht des Sehenwollens wird der immer wieder totgesagten Oper wohl ewiges Leben bescheren. Schon das antike Theater war von einem Chor begleitet, der sich aus dem kultischrituellen Tanz entwickelt hatte. Die Verbindung von darstellendem Spiel, Musik und Gesang durchzieht seither die Populärkultur ebenso wie die hohe Kunst, vom Muscial über das Musikvideo bis zur Oper. Dass solche Inszenierungen auch von den Kostümen leben, wird wohl niemand bestreiten. Doch was soll das Bekleiden der Protagonisten eigentlich leisten? Üblicherweise schreibt man der Kostümbildnerei die Aufgabe zu, eine Figur schlüssig und glaubhaft zu erzählen. Die Charaktere sollen durch die Bekleidung herausgearbeitet und anschaulich dargestellt werden. Dass »Kleider Leute machen«, sagt der Volksmund auch von der Mode. Und doch denken Mode und Kostüm ganz anders über das Ausgestalten von Rollen nach. Die Unterschiede beider Disziplinen sind auf den ersten Blick so ausgeprägt, dass ein Vergleich kaum möglich scheint.

Und doch sind die Wechselbeziehungen von Mode und Kostüm ausgesprochen lebendig: Vor allem das Einladen renommierter Modemacher für die Kostümgestaltung von Operninszenierungen erfreut sich heute anhaltender Konjunktur. Der Trend begann bereits in den 1980er-Jahren, als z.B. Karl Lagerfeld »Hoffmanns Erzählungen« (1980) ausstattete sowie »La Traviata« (1984) und »Carmen« (1986). In den 1990ern gingen auch Versace mit »Capriccio« (1990) und Armani mit »Così Fan Tutte« (1995) an die Oper, Letzterer zog den Helden kurzerhand die Anzüge seiner damals aktuellen Männerkollektion an. Von Prada über Emanuel Ungaro bis Viktor & Rolf, Vivienne Westwood und Henrik Vibskov wären noch viele weitere zu nennen; es scheint für Modemacher ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad zum guten Ton zu gehören, ihre Entwurfskunst auch auf den internationalen


Essay von Annette Geiger

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Bühnen zu zeigen. Aber was sei eigentlich der tiefere Sinn dieser neuen Liaison von Mode und Oper? Aus Sicht des Kostümbildners macht der Modedesigner sicher einiges falsch: Er hat nie gelernt, sich einer Erzählung unterzuordnen, vielmehr neigt er dazu, die eigenen Trends über das Werk zu stellen. Aus Imagegründen überzieht er die gesamte Oper mit seinem bevorzugten Look, nicht die Charaktere werden ausgearbeitet, sondern der eigene Stil. Und am Ende beginnen sich gänzlich verschiedene Opern sogar zu ähneln, sie tragen das Etikett des Designers, und nicht die Prägung des Stücks. Die »dienende« Haltung der Kostümgestaltung wurde Willkür und Effekt geopfert – so zumindest die kritischen Stimmen. Doch gerade diese Verve der ästhetischen Freiheit scheint der Grund zu sein, warum die Modemacher so gern an die Opernhäuser geholt werden. Das Publikum möchte es einmal anders sehen als im ikonographischen Repertoire der Figuren üblich. Erst dann, so hofft man, werde das Totgesagte an der Oper verschwinden, da unsere tief verwurzelte »Sehsucht« nach immer neuen Reizen verlangt. Die Strategie erweist sich in mehrfacher Hinsicht als raffinierte Taktik: Nicht Dramaturgie und Regie müssen sich abmühen, wieder einmal alles provozierend neu und anders zu interpretieren, sondern ein eigentlich Unbeteiligter, der sich gar nicht erst vornimmt, mit seinen Entwürfen eine neue Deutung des Werks zu formulieren. Das Designerkostüm gilt per se als interessant anzusehen und entlastet somit von der zähen Sinnsuche nach der »richtigen« Auslegung der Charaktere. Dramaturgen und Regisseure pfeift das Publikum aus, wenn es eine Inszenierung wieder einmal zu »modern« findet. Einem Modedesigner hingegen verzeiht man diese Modernität von vornherein – allerdings zum Preis, ihn dramaturgisch auch gar nicht ernst zu nehmen. Seine Kostüme seien ja »nur« Mode. Man kann den heutigen Hang zur Designeroper letztlich auch als Beleidigung der Mode lesen, denn seine Inszenierung soll ja »schön« aussehen – und vor allem nicht wehtun. Sieht man aber einmal genauer hin, so ist fraglich, ob es überhaupt Mode ist, was wir in diesen Inszenierungen auf der Bühne sehen.

Betrachtet man z.B. die Arbeiten von Christian Lacroix, dem wohl bekanntesten Modemacher im internationalen Opernbetrieb, zeigt sich der Zwiespalt deutlich: Lacroix hatte sich zunächst in der Mode einen Namen gemacht und konnte in Paris von 1987 bis 2009 seine eigene Modemarke erfolgreich etablieren. Aber er profitierte damals von jener postmodernen Vorliebe für das Barocke und Kostümhafte, die seit der Jahrtausendwende deutlich nachließ. Lacroix zog sich aus dem Modemachen zurück und konzentriert sich seither auf seine eigentliche Leidenschaft – das Ausstatten und Kostümieren von Opern, Balletten u.a. Rückblickend scheint sein Stil immer schon der Bühne entsprungen, und nicht der Mode. Lacroix, der zunächst Kunstgeschichte studiert hatte und über Kostüme in Barockgemälden promovieren wollte, interessiert sich nicht für die Zeitlichkeit der Mode, ihr spezifisches Interesse an Aktualität und gesellschaftlicher Relevanz. Lacroix’ Bühnenkostüme sind stets musealer als in der Mode erlaubt. In seinen Phantasiewelten sehen wir ein ahistorisch gedachtes Ästhetikverständnis, und keine Bezüge zu vergänglichen


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Trends. So theatralischartifiziell und losgelöst von allem Gegenwärtigen darf sich die Mode gemeinhin nicht geben. Nur in der Hochphase der Postmoderne war auch dieses Prinzip des historisch fiktiven Stilzitats für einige Zeit aktuell: Es galt, das Barocke als Strategie des Bühnenhaften und Theatralischen wiederaufleben zu lassen, um dem biederen Geschmack des Klassischen mit seinen gesellschaftlich all zu »feinen Unterschieden« (P. Bourdieu) den Garaus zu machen. Nur in diesem Kontext versteht man auch, wie die eigentlich dem Punk verschriebene Modemacherin Vivienne Westwood so nahtlos in eine barocke Phase übergehen konnte – und mit dieser noch heute an der Oper erfolgreich ist. Die Mode hatte sich mit jenen Kostümierungen des Posthistoire die Freiheit erkämpft, nicht mehr die sozialen Ordnungen realistisch abbilden zu müssen.

Das zentrale Charakteristikum der Mode – das sie von Oper und Bühne auch stets unterscheiden wird – besteht im Bezug auf ein gesellschaftlich Reales. Mode spiegelt die Narrative und Diskurse einer Epoche, und nicht die Glaubwürdigkeit einer fiktiven Figur auf der Bühne. Das Kostüm muss innerhalb einer spezifischen Dramaturgie funktionieren, die Mode aber im tatsächlichen Leben. Doch sollten wir dabei nicht vergessen, dass auch das tägliche Leben immer erst kulturell erfunden bzw. interpretiert werden muss. Die Mode konstruierte die Rollen und Identitäten, die wir als unsere Realität wahrnehmen, nicht weniger als die Bühnengestaltung ihre Figuren. So ist es auch kein Zufall, dass beide Gattungen, Mode wie Oper, ihren Ursprung in der höfischen Kultur haben. Denn das Prinzip des Hofes kann als das bühnenhafte Realitätsprinzip schlechthin beschrieben werden: Die gesellschaftliche wie auch ästhetische Ordnung an den Königs- und Fürstenhäusern war durch das Zeremoniell geregelt. In formvollendet inszenierten Ritualen hatten Protokoll und Etikette performativen Charakter. Die morgendliche Toilette des Königs war nicht nur Symbol, sondern Herstellung und Vollzug seiner Herrschaft. Daher vereinigte z.B. das Anziehritual, das über die vielen Beteiligten beinahe öffentlichen Charakter hatte, alle Aspekte des Theatralen. Erst der Akt, auf der Bühne des Hofes in einer definierten Rolle aufzutreten, machen den Höfling zu dem, was er ist. Kleidung war damals kein zeichenhafter Verweis auf Status und Habitus, sondern eine unmittelbare Form, seine Position und Macht auszuüben.

Das Herstellen von Realität verbindet Mode und Kostüm seit jeher, aber ihre Wirkungsbereiche haben sich mit der Moderne ausdifferenziert in die fiktionale Bühneninszenierung einerseits und die gegenwartsbezogene Alltagsgestaltung andererseits. Mit der Ablösung der höfischen Gesellschaft durch die bürgerliche erhielten Mode wie Oper ihre wohl bis heute gültigen Funktionen: Die Oper wurde spätestens mit der Romantik eine durchgängig fiktionale, artifizielle und vom Leben strikt getrennte Kunstgattung. Ihre Inhalte speisten sich aus der Historie oder reinen Phantasiewelten, um ja nicht die Hässlichkeiten des nunmehr


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industriell geprägten Alltags widerspiegeln zu müssen. Und so ging der Bürger, der tagsüber der Waren- und Fabriklogik diente, abends ins Theater, um in den möglichst überhöhten Künsten alle Realitäten seiner fortschrittsversessenen Zeit zu vergessen. Das L’art pour l’art des 19. Jahrhunderts, das im sinnesbetörenden Gesamtkunstwerk der Wagneroper bekanntlich seinen Höhepunkt fand, kam dieser alltagsverdrängenden Kompensationsfunktion des bürgerlichen Kunstbegriffs aufs Trefflichste entgegen. Wagners Programm zielte auf die kultische Wiederverzauberung der entmystifizierten Gegenwart, je entrückter die Kunst, desto wirksamer der ästhetische Religionsersatz. Aber nicht nur der Bürger benötigte diese Ersatzbefriedigung durch die Kunst, sondern auch die einstigen Eliten, die mit dem Niedergang des Höfischen ihre sinnstiftende Ästhetik verloren hatten. Wagners Gönner König Ludwig I. konnte so viele märchenhafte Theater und Schlösser bauen wie er wollte, ihre inszenatorische Ausgestaltung bezeugt nur noch, dass die Bühne nicht mehr als Herrschaftsform diente, sondern als entrückte Phantasiewelt der Künste. Als Wagner 1874 in Bayreuth den »Ring des Nibelungen« vollendete, baute man dort das erste Festspielhaus, das den Orchestergraben mit seinen real existierenden Musikern für das Publikum gänzlich unsichtbar machte. Als »mystischer Abgrund« sollte er die Tonerzeugung zum Mysterium erheben, um jegliche Ablenkung zu vermeiden. Wie schon in Platos Höhle oder später im Kino, hatte damit die »Sehsucht« das Zepter übernommen – unter Ausschluss aller Bezüge zum Leben.

Interessanterweise vollzog sich zeitgleich eine ähnlich tiefgreifende Revolution in der Mode: Sie musste nun ebenfalls die Bühnen des Hofes verlassen, um sich dem Alltag aller zuzuwenden. Wagners britischer Zeitgenosse Frederick Worth, der in der Literatur gemeinhin als der erste moderne Modedesigner bezeichnet wird, hatte zunächst noch den internationalen Königshäusern gedient – allgemein bekannt dürfte das Kleid sein,das er Elisabeth »Sissi« von Österreich entwarf. Das Porträt Franz Xaver Winterhalters von 1865 wie auch die ewige Wiederkehr der immer gleichen Romy-Schneider-Filme machen es wohl unvergessen. Aber die von Worth initiierte Revolution der Mode vollzog sich im Rahmen einer neuen Öffentlichkeit, die erst mit den entstehenden Massenmedien zu sich fand. Während die Kundinnen zunächst noch die lange Reise nach Paris in Kauf nahmen, um Worth’ Schneiderkünste individualisiert in Anspruch zu nehmen, begann dieser, parallel auch eigene Kreationen anzufertigen und diese viermal im Jahr als Kollektionen auf Modenschauen und in den sich gründenden Modemagazinen vorzustellen. Um 1870 beschäftigte Worth ca. 1.200 Näherinnen, die, wenn man so will, die erste Konfektionsware herstellten, die nicht nur Kleidung, sondern tatsächlich Mode war. Denn die Kundin hatte nun die Wahl zwischen verschiedenen Modellen, die Worth als seine ästhetischen Trends vorgab. Und er gab sich alle Mühe, die weibliche Silhouette möglichst sichtbar zu verändern, z.B. indem er die Rocklänge einer kaiserlichen Robe um 25 cm kürzte. Sein Stil bzw. seine Handschrift als künstlerischer


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Gestalter unterstrich er umso mehr, als er jedem seiner Kleider das Etikett mit seinem Namen einnähen ließ. Die erste Modemarke war geboren, die sich dank steigender bürgerlicher Kaufkraft auf dem nunmehr anonymen Markt durchsetzen konnte. Nun gibt der Designer den Ton an, er entscheidet, was in einer Saison als modisch gelten soll – und nicht mehr die Launen des Hofes. Die Sprache der Mode musste den neuen Verhältnissen der Gesellschaft ein Gesicht geben, den Alltag ordnen und klassifizieren, in sozialen Geschlechter- und Rollenbildern, in Hierarchien und Klassen. Durch die neue massenhafte Präsenz von Mode waren ihr aber auch neue Spielräume eröffnet, die sie mit ästhetischen Freiheiten zu füllen wusste.

Die damit eingeleitete Ausdifferenzierung von Mode und Kostüm, von Alltag und Bühne wäre aber allzu starr – und damit für den Zuschauer ermüdend und fade –, wenn nicht neuer inszenatorischer Augenkitzel aus der Begegnung beider gewonnen werden könnte. Auch wenn sich die Oper der Aktualität von Mode und Alltag entziehen kann, vermag sie ohne Bezüge zu ihrer Zeit wohl nicht zu überleben. Gerade die heutige Operninszenierung sucht die Einbrüche des Realen mehr denn je, sie sucht nach neuen Themen oder will die Märchen und Sagen, die sie dem traditionellen Repertoire nach häufig zu erzählen hat, immer auch im Licht der Gegenwart darstellen. Und dies scheint gerade auch Aufgabe der Kostümbildner zu sein. Betrachtet man die Oper einmal aus der Sicht des Kostüms, so kann man dem alten Streit um Werktreue versus Regietheater kaum etwas abgewinnen. Denn wie sollte die tatsächlich werktreue Interpretation eines Wagner‘schen Siegfried eigentlich aussehen? Sollte man ihn halbnackt im fast schulterfreien Fellüberwurf zu muskulöser Brust und trainierter Beinstruktur in hochgebundener Römersandale zeigen – so wie es einst der deutsche Historien- und Genremaler Ferdinand Leeke auf Wunsch der Wagner-Familie verewigte? Die Gemälde, die Leeke 1889 als Auftragsarbeit zu zehn Wagneropern anfertigte, zeigen tatsächlich einen Kostümstil, der sich urbildhaft auf den Bühnen bewährte. Aber würde sich der heutige Zuschauer nicht eher an Asterix & Obelix oder an Mittelalter-Computerspiele erinnert fühlen, wenn man ihm einen derart »werktreu« ausgemalten Siegfried noch als ernst gemeinte Kostümierung vorführen wollte? Die Idee eines werktreuen Kostüms erweist sich letztlich als ebenso obsolet wie absurd. Denn Kleidung, die sich nicht aktualisiert, wird irgendwann zur Karikatur. Das Einladen von Modedesignern mag dabei als eine Strategie fungieren, das Kostüm mit Zeitgeist aufzuladen. Ihr inhaltliches Nichteingreifen mag man dabei gutheißen (als Erlösung vom überspannten Regietheater) oder auch als mutlos empfinden, da keine neuen Interpretationen gewagt werden.

Aus der Begegnung von Mode und Kostüm können sich auch vielschichtigere Formen des Zeitgemäßen ergeben. Um bei der Siegfried-Figur zu bleiben, sei kurz die Stuttgarter Inszenierung von Jossi Wieler aus dem Jahr 1999 erwähnt: Der


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allzu furchtlose Held mit seinen Welteroberungsgelüsten wurde hier als der unreife Charakter eines pubertierenden Jugendlichen aus dem Unterschichtenmilieu interpretiert. Der vor Energie nur so strotzende Adoleszente tritt dabei im StreetStyle des für die 1990er-Jahre typischen Grunge-Look auf (zu dt. »SchmuddelStil«). Wulstige Turnschuhe, ein überlanges T-Shirt mit der Aufschrift »Sieg Fried«, schulterlange, strähnige Haare zu einer Military-Hose mit großen Taschen, die sich für das berühmte Schwert natürlich kaum eignen. Der Sänger, Jon Frederic West, gibt mit seiner gedrungenen, fülligen Statur diesem Siegfried das Aussehen eines fehlernährten Riesenbabys. Tolpatschig trägt er die ödipalen Konf likte mit dem Ziehvater allem voran beim Essen aus. Bevor er singt, trinkt er noch rasch einen Schluck aus einer Milchtüte mit dem Ja!­– Schriftzug einer bekannten Billighandelsmarke. Das Publikum beklagte sich damals nicht, sondern begriff die Komik dieses verwahrlosten Hartz-IV-Männerhaushalts mit einem befreienden Schmunzeln. Auch jugendliche Opernbesucher hatten sicher ihre Freude, denn mit dem Aufstieg des international agierenden Gratisheftes »Vice Magazine« war die Ästhetik des White Trash schlichtweg »in«. Wagners Siegfried als einer von »ganz unten«, das war ästhetisch ebenso »cool« wie anschaulich erzählt. Es ist nicht einfach zu erklären, warum diese definitiv »werkferne« Inszenierung damals keinen Skandal auslöste und andere, oft harmlosere, einen solchen provozieren. Mir scheint, die Gestaltung muss schlichtweg überzeugend und in sich stimmig sein – ganz gleich, ob als Mode oder Kostüm. Diese Spielräume unserer visuellen »Sehsucht« auszuloten, wird Kunst und Design hoffentlich auch weiterhin zu guter Zusammenarbeit anregen.


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Die erste Oper

Monteverdis »L’Orfeo« ist das erste vollständig gesungene Theaterstück, das sich bis heute in dem normalen Opernbetrieb handhabt. Zwischen dem 1607 für eine noble Akademie geschriebenen Werk und den ersten, zunächst behutsamen Experimenten in dieser Gattung liegen kaum 15 Jahre. Entstanden sind diese »Opern« im norditalienischen höfischen Umfeld. Am 24. Februar 1607 wurde »L’Orfeo« im Palazzo Ducale in Mantua vor den Mitgliedern der Accademia degli Invaghiti uraufgeführt. Der Erfolg war so groß, dass beschlossen wurde, weitere Aufführungen zu veranstalten, diesmal für die »normale« höfische Gesellschaft, Frauen inklusive. Die Partitur erschien im Druck – ein Novum für ein Werk, das keine höfische kulturpolitische Funktion hatte und ein Glück für die Nachwelt, denn so blieb ein Stück erhalten, das nach wie vor das Publikum fasziniert. Zum einen gibt es den Orpheus-Mythos, derfür das Musiktheater geradezu prädestiniert ist, zum anderen gibt es die Musik Monteverdis, die diesen Mythos hinreißend in Musik übersetzt. Orpheus, der mythische Sänger, der mit seiner Musik die wilden Tiere zähmte und die Felsen zum Weinen brachte, ist der Protagonist mehrerer frühen favole in musica. Die Geschichte des halbgöttlichen Sängers ist wie geschaffen für die frühesten Versuche, ein ganzes Theaterstück in Musik auf die Bühne zu bringen. Diese favole waren höfische Stücke, die in der Regel für freudige dynastische Ereignisse gedacht waren, und so musste der Mythos gelegentlich etwas angepasst werden: Zu fürstlichen Hochzeiten passt naturgemäß nur ein Happy End. Diesen Zwang hatten Alessandro Striggio und Claudio Monteverdi in ihrem »Orfeo« nicht: Da das Werk für eine gelehrte Akademie gedacht war und nicht als höfisches Großereignis gefeiert werden sollte, behält das Libretto das ursprüngliche Ende mehr oder weniger bei, mitsamt Bacchantinnen; der Unterschied: Orpheus f lieht, bevor sie ihn töten können. Die Musik tut dies nicht oder vielleicht nur implizit: Denn statt eines Chores von Bacchantinnen steigt Orpheus’ göttlicher Vater Apoll – Gott der Sonne und der Musik! – aus dem Himmel herab und nimmt den Sohn mit in denselben. Ob das von Striggio geschriebene Ende je von Monteverdi gesetzt wurde, wissen wir nicht. Wie auch immer: Zum apollinischen Selbstverständnis der Akademiemitglieder passte das Ende, so wie Monteverdi es gesetzt hat, ohne Weiteres ebenfalls.


Essay von Greta Haenen

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Im Falle »L’Orfeo« könnte es aber durchaus noch einen weiteren Grund geben, genau diesen Stoff zu setzen: Wurde doch die erste neuzeitliche italienische Pastorale, »La Fabula di Orpheo«, in Mantua uraufgeführt. Dieses um 1475/80 geschriebene Werk von Angelo Poliziano (1454-1494) ist ein Klassiker der Gattung und war auch zur Zeit Monteverdis im kollektiven Bewusstsein der (gebildeten) Italiener. Die ersten Texte einschlägiger musikdramatischer Werke zum Thema Orpheus (»Euridice« von Ottavio Rinuccini und »L’Orfeo« von Alessandro Striggio) greifen auf das Werk Polizianos in Teilen zurück. Auch wenn Striggios Text deutlich von Polizianos Modell abweicht, so gibt es doch gelegentliche gewollte Anklänge, die natürlich von den Akademiemitgliedern auch als solche verstanden wurden. Dass man tat, als ob man mit den Experimenten, denen sich Monteverdis Stück anschließt, die antike Tragödie neu erfinden würde, ist allerdings eine Hypothese, die erst lange, nachdem sich die Gattung Oper entwickelt hatte, poniert wurde. Eine solche Unterstellung führt gleichsam zwangmäßig zur Idee, dass die Pastorale eine anachronistische, der Renaissance angehörende Gattung sei. Nichts ist davon allerdings weniger entfernt. Ohne den Manierismus, der gerade an den norditalienischen Höfen ab etwa 1530 eine hohe Blüte feierte, wäre die Oper nicht mal denkbar gewesen. Schließlich ging es den »Erfindern« der neuen Gattung überhaupt nicht darum, das antike Drama in historisch verantwortungsvoller Praxis zu rekreieren, sondern mit dem antiken Theater in Wettbewerb zu treten, ja, es zu übersteigen und daraus ein Spektakel zu entwickeln, das dem Zuschauer genauso wie die antiken Spektakel sofort zu fesseln vermochte. Nicht das antike Theater, nicht die antike Musik wollte man imitieren, sondern die Wirkung dieser Musik wiederherstellen und übertreffen. Diese Idee ist eine zutiefst manieristische.

Manierismus und Renaissance Was macht den Manierismus so neu und anders als die Renaissance? Was definiert ihn, wo findet man manieristische Kunst? Neu und wichtig sind: 1. Manierismus ist eine im Wesentlichen höfische und zuerst wesentlich weltliche Kunst, sie findet zunächst ihre Heimat an den blühenden norditalienischen Höfen, und zwar zwischen etwa 1530 und Anfang des 17. Jahrhunderts. Und auch hier ist Mantua ein wichtiger Vorreiter: Denn das erste große manieristische Gesamtkunstwerk, das Palazzo del Te, entstand. 1524 gab Federico II. Gonzaga den Bau in Auftrag; Giulio Romano (1499-1546) war der Architekt und entwarf auch größere Teile der Innendekoration. 2. Wesentliches Merkmal sind die Meraviglia, die staunende Be- und Verwunderung und der Paragone, der Vergleich und Wettbewerb zwischen den Künsten: Der Manierismus greift auf alle Künste zu und regelmäßig kommt es zu Wettbewerben zwischen den Künsten. Die Frage, welche Kunst die Vormachtstellung einnimmt, wird immer wieder intensiv diskutiert. 3. Diese führt zu einer Steigerung der Virtuosität (in dem Wort ist der Begriff Virtù, Tugend enthalten!); man will nicht mehr nur imitieren, sondern das Modell in der


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abb.1 BILDER PALAZZO DEL TE UND SALA DEI GIGANTI

Imitation virtuos übersteigen. Auch dies sieht man bereits deutlich in der Architektur und der Innendekoration des Palazzo del Te: Romano behält zwar die meisten Grundregeln der Renaissance-Architektur bei, aber eben nicht alle und gerade in der Innendekoration sind die Fresken von einer geradezu unklassischen Virtuosität (Abb.1). 4. Ein Nebeneffekt ist das Modische: Es gibt ständig neue und immer spektakulärere (das kann auch im Kleinen oder in der Neuigkeit selber liegen) stilistische Feinheiten und teils Spitzfindigkeiten. Die Kunst ist nicht mehr klassisch wie die der Renaissance, sondern sie ist in ständiger Bewegung. Zwar ist nach wie vor das Grundprinzip aller Künste die Imitatio, nur ist sie nicht mehr nur ein Abbild, sondern ein gesteigertes Abbild, eine Aufgabe zur Auseinandersetzung mit dem Modell und zum Übertreffen desselben. Dies führt zu Neuerungen in allen Künsten. Ausgehend von der »Beherrschung« des antiken Modells, deren bloße Kopie man nunmehr den Künstlern der vorigen Generation vorwirft, will man nun mit diesem Modell wetteifern und aus diesem Wettbewerb etwas Neues schaffen. In der Malerei liegt etwa der Unterschied zwischen Raffael und Bronzino, Parmigiano oder Pontormo auf der Hand. In der Architektur ist das erste große Gesamtkonzept der schon genannte Palazzo del Te in Mantua. Der Architekt Giulio Romano entwarf nicht nur das Bauwerk an sich, sondern auch die Innendekoration. Dass der Palazzo del Te tatsächlich als Gesamtkonzept entstanden ist, ist ebenfalls eine manieristische Vorstellung. Auf den ersten Blick präsentiert sich ein Renaissancepalazzo, bei näherem Ansehen geht es jedoch um einen überhöhten Palazzo. Einige Bilder des Palazzo Ducale und des Palazzo del Te, beide in Mantua, mögen dies verdeutlichen (Abb.2).

Parallel zu diesen Entwicklungen gibt es in der Literatur die neue Madrigalpoetik sowie die Weiterentwicklung einer neu erfundenen Theatergattung nach antikem Modell, der Pastorale. Musikalisch wird der Manierismus ebenfalls ab etwa 1530 zu ganz neuen italienischen Gattungen führen, deren zunächst wichtigste das Madrigal ist. Innerhalb des Madrigals werden sich die wichtigsten Neuerungen innerhalb der italienischen weltlichen Musik abspielen; das Madrigal wird zum Motor des modernen Stils, nicht nur in Italien übrigens, sondern in ganz Europa (wenn auch oft mit einer kleinen


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Verzögerung). Entwicklungen, die schlussendlich auch das Musiktheater mit einschließen werden. Denn ohne die unterschiedlichen Gestalten und Gestaltungen des Madrigals ist weder der Opernchor noch das Rezitativ überhaupt denkbar. Die manieristische Vorstellung von Virtuosität, die sowohl den Stilbegriff und die äußere Gestalt, die virtuose Form als auch die virtuose Ausdeutung des Inhalts einschließt, führte zu ständigen Abb.2 PALAZZO DUCALE ALS KONTRAST ZUM PALAZZO DEL TE Neuerungen und Aktualisierungen innerhalb der Gattung Madrigal. Schon wenige Jahre, nachdem sich diese neue Gattung in Italien etabliert hat, gibt es nahezu ständige Änderungen und Weiterentwicklungen. Ab etwa Mitte des 16. Jahrhunderts wird die Diskussion um den Sinn der Musik laut und wirft eine neue Komponistengeneration (oder mindestens Teile einer solchen) den Altvorderen vor, sich bei der (Madrigal-)Komposition nur um die Wortausdeutung zu kümmern und dadurch den Sinn, die Bedeutung des Textes zu vernachlässigen. Die Ausdeutung des Textes wird zum zentralen Thema der zweiten und dritten Generation in Italien tätiger manieristischer Komponisten. Man diskutiert also über die ethische Kraft der Musik an sich. Bald sucht man Modelle für übersteigende Textausdeutung und ihre Wirkung auf den Zuhörer. Und auch hier steht die Antike nach wie vor Modell und wird zum Ausgangspunkt von Neuentwicklungen, seien es die eigenwilligen Interpretationen der antiken Genera durch Niccolo Vicentino, seien es die Überlegungen von Musikern und Altertumsforschern zur Tessitur des antiken Sprechgesangs. Das Madrigal generiert selbst an sich neue musikalische Darstellungsformen und wird zum Träger von Neuentwicklungen auch innerhalb der darstellenden Musik: Die pompösen Intermedien, die vor allem den Reichtum der Medici in Florenz demonstrieren sollten, werden, musikalisch gesehen, vom Madrigal getragen. Außerdem generiert das Madrigal in seiner ständigen Entwicklung neue musikalische Ausführungsmodalitäten: Das führt zum Entstehen von instrumentaler und vokaler solistischer Virtuosität. Das Erweitern der Tessitur ist dabei wesentlich für das Entstehen einer solistischen Gesangsschule (ohne die eine Gattung wie die Oper ja völlig undenkbar wäre). Etüden und Übungen dazu findet man ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zuhauf; im Diminuieren bildet man sowohl Stil als Technik aus. Wichtig ist neben der Erweiterung der Tessitur vor allem die Darstellung von Emotionen; Virtuosität ist immer doppelt: im Ausdruck und in der Technik. Das Ferrareser Concerto delle Donne wird zum Modell des neuen Vokalstils, bei dem diese doppelte Virtuosität exemplarisch dargestellt wird. Das Einordnen dieses Ensembles in die musica reservata des Herrschers belebte einen ohnehin existierenden Konkurrenzdruck, dem wir eine rasche Entwicklung des bel canto verdanken.


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Theater und Bühne Seit Poliziano macht man wieder »antikes« Theater. Die Pastorale als »pseudoantikes« Theater ist eine Neuschöpfung der Renaissance; die Thematik wird in der Regel der antiken Mythologie entnommen: Sowohl die ersten Pastoralen »Orfeo«, »Cefalo« als auch die späteren favole in musica bedienen sich ausgiebig der Metamorphosen des römischen Dichters Ovid. Die klassischen Gattungen Tragödie und Komödie finden ebenfalls ihren Weg in die höfischen Theater. Im Zuge der Neuaufnahme der klassischen Tragödien gibt es sozusagen zum ersten Mal einen Anflug von »historisch informierter Praxis«: Man besinnt sich der Bauart des klassischen Theaters und man überlegt sich, Abb.3 TEATRO OLIMPICO welche Rolle die Musik im klassischen Drama gespielt haben mag. Das führt zu zwei größeren Neuerungen: Die erste ist das »stehende« Theater und die Verbindung bestimmter Bühnenbildvorstellungen mit bestimmten Gattungen, die zweite sind die passenden musikalischen Einlagen in den entsprechenden Stücken. Man geht so weit, den Chor der antiken Tragödie neu zu gestalten: Anders als der einstimmige griechische Gesang führt ein entsprechender Chor von 15 Personen Madrigale auf. Das Theatro Olimpico in Vincenza wurde 1585 mit einer Tragödie von Sophokles (Edipo tiranno), mit Madrigalen des venezianischen Komponisten Andrea Gabrieli, eröffnet. Die Theaterbühne ist deutlich als Aufführungsort für Tragödien zu verstehen. Bühnenbilder für Komödien stellten in der Regel eine moderne (italienische) Stadt dar; Pastoralen brauchten eine ländliche Umgebung: Hier stellte man eine idealisierte Natur dar. Die fixierten Bühnenbilder und die neue Theaterarchitektur stellten eine totale Abwendung vom mittelalterlichen Schauspiels dar (Abb.3).

Zur Komödie passen allerdings keine tragischen moralisierenden Chöre. Hier wurden die Akten durch Intermedien voneinander getrennt. Diese Intermedien konnten verschiedene Gestalten annehmen, von eher unbedeutend bis zur Übersteigerung. Letztere erlebte ihren Höhepunkt in Florenz. Die Intermedien waren so teuer und aufwendig, dass nicht einmal die Medici imstande waren, jedes dynastische Ereignis mit großen Intermedien zu versehen. Wie man merkt, wurden diese Intermedien schnell entschieden wichtiger als der Anlass, die Komödie. Die auch jetzt noch berühmten Intermedien anlässlich der Hochzeit von Ferdinando de’ Medici mit Christine von Lothringen 1589 sind ausführlich dokumentiert. Hier sieht man gleich auch die Entwicklung des Bühnenbilds und der Bühnenmaschinerie. Verantwortlich für die Durchführung der Intermedien 1586 und 1589 war Giovanni de’ Bardi, der sich auch akademisch mit den Diskussionen um das


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abb.4 Bilderstrecke Theater

Ethos der (antiken) Musik beschäftigte. Die Thematik der Intermedien 1589 war sinngemäß die Kraft und Wirkung der Musik, die in jedem Intermedium an einem antiken Beispiel ausführlich dargestellt wurde. Da die Musik (wenn auch einigermaßen abgewandelt) im Druck erschien, können wir uns ein Bild dieser Intermedien machen. Außerdem sind die Entwürfe für die Bühnenarchitektur von der Hand des Bernardo Buontalenti (1531-1608) erhalten. Die neue Musik, die in den Intermedien zu hören war – nicht alles wurde gedruckt –, kann man teilweise als »Orphische Musik« sehen; die monodischen Stücke, die von Jacopo Peri, Giulio Caccini und Vittoria Archilei gesungen wurden, reihen sich in diese Tradition ein (Abb.4).

Das Ethos der antiken Musik Diskussionen um das Ethos der antiken Musik finden im 16. Jahrhundert einen großen Anklang. Diese führen zunächst zu Experimenten innerhalb des Madrigals. Das Experiment, das uns hier interessiert und das die weitreichendsten Folgen hatte, war der Versuch, das Ethos und das Pathos der antiken Tragödie wiederzubeleben. Es geht also überhaupt nicht um die Rekonstruktion einer antiken Tragödie. Wie


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die griechische Musik beschaffen war, wusste man oder glaubte man zu wissen: Ende des 16. Jahrhunderts waren mehrere Fragmente griechischer Musik, darunter Teile von Chören aus Tragödien, bekannt. Man konnte die Notation lesen und die antike Musiktheorie war für den Altertumswissenschaftler des 16. Jahrhunderts kein Geheimnis. Man wollte diese Art der Musik nicht wiederbeleben, man wollte aber ihre Wirkung wiederbeleben, den Effekt, den sie auf den Zuhörer hatte und ebendiese Wirkung wollte man, dank der Fortschritte der zeitgenössischen Musik, noch erhöhen. Dass man keine antiken Tragödien bearbeitete, sondern eine neue Theatergattung nahm, die (entschieden unschuldigere) Pastorale (oder »Schäferspiel«), hat mehrere gute Gründe. Sie führten zu einer Gattung, in der die ganze Geschichte, die auf die Bühne gebracht wurde, von Anfang bis zum Ende gesungen wurde. Dass die Protagonisten der ersten Werke der Gattung – Orpheus, Apoll – alle irgendwie mit Musik in Verbindung gebracht werden, war wohl ein Modell, mit dem man die Logik des Experiments am besten verteidigen zu können meinte.

Experimente mit dem Forschen nach dem Grund der Wirkung der griechischen Musik auf ihre Zuhörer und mit recitar cantando – »singend sprechen« – fanden ausnahmslos in einem höfischgelehrten Umkreis statt. Gelehrte und Adelige diskutierten in den Akademien das Ethos der antiken Musik und beschäftigten sich mit der antiken Theaterliteratur und ihrer Wirkung auf den Menschen. Kreise wie die sogenannte Camerata unter dem Grafen Bardi und ihrem Nachfolgekreis um Jacopo Corsi, denen auch Musiker angehörten, denen der Zugang zu den Akademien von Adeligen und Gelehrten naturgemäß verwehrt wurde, setzten die Früchte solcher und ähnlicher Diskussionen in die Praxis um. Finanziert wurden diese Experimente tatsächlich von höfischen Kreisen. Das heißt aber auch, dass man sich höfischen Konventionen zu unterwerfen hatte, dass also von Tragödien nicht die Rede sein konnte: Das höfische Spektakel erforderte ein lieto fine (Happy End).

Ethische Ansprüche an die Pastorale Die Frage war also, ob eine neue Gattung wie die Pastorale – am Anfang steht, wie schon erwähnt, Angelo Polizianos »Fabula di Orpheo« aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert – überhaupt imstande sei, im Auditorium eine Katharsis, also eine (innere) Reinigung (»purgazione«) auszulösen, die der der antiken Tragödie gleichwertig sei. Dies wurde ebenso ernsthaft diskutiert wie die Frage, ob ein Stück mit einem lieto fine überhaupt moralisch vertretbar sei. Denn die reinigende Wirkung der antiken Tragödie beruht auch auf der Idee einer gerechten Strafe und diese kann nie zu einem lieto fine führen. Die reinigende Wirkung ist das ethische Existenzrecht der Gattung. Das lieto fine aber der vorhandenen Pastoralen ist eine Art von Zwang, die sich eine höfische Gattung, wenn sie für dynastische Zwecke – etwa Fürstenhochzeiten, Geburten oder Geburtstage – eingesetzt wird, auferlegen muss.


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Man diskutierte also, ob auch ohne Untergang der dramatis personae eine Reinigung stattfinden könnte. Die Rechtfertigung liefert Aristoteles. In seiner Politeia findet sich die Aussage, die Musik besitze die Kraft, eine Katharsis herbeizuführen. Die Interpretation dieser aristotelischen Katharsis passte in Kreisen von Gelehrten und Literaturstheoretikern in der zweiten Jahrhunderthälfte zum Interesse für Affekttheorien. Bei mehreren dieser Theorien geht man von Querverbindungen zwischen einer musikalischen und einer poetischen Katharsis aus. Unter den Vertretern dieser Theorie finden sich naturgemäß Musiker und Literaten, die sich mit der Wiederbelebung des antiken Theaters und seiner Musik beschäftigen –  darunter Piero Vettori, Girolamo Mei, Lorenzo Giacomini und Torquato Tasso. Tasso und Giacomini waren der Ansicht, auch andere Gattungen als die Tragödie könnten eine Kartharsis erzielen. So ebnete man einer Aufwertung der Pastorale den Weg. Giacomini widmete der Katharsis sogar eine eigene Schrift, Sopra la purgazione della tragedia. Naturgemäß wird hier über die Wirkung auf das Publikum geschrieben. Neben Giacomini gab es mehrere andere, die sich mit diesem Gegenstand beschäftigten; es gibt unterschiedliche Meinungen, sie führen aber alle zu diesem einen Wissen: Die Musik hat eine ethische Kraft. Diese Idee wurde auch schon in der Camerata, dem Musikerkreis um den Grafen Bardi, verteidigt. Dies führte zu Bemühungen um die Neuschaffung einer musikalischen Sprache, die zu dieser Wirkung imstande sei. Insofern ist auch diese gelehrte Diskussion um Giacomini und andere, oft Mitglieder der f lorentinischen Accademia degli Alterati, wichtig für die Entstehung der Oper; sie bereitet den Humus vor, auf dem sie überhaupt erst existieren kann und führt zur theoretischen Grundlage der barocken Musik.

Expressive Vorstellungen zum Begriff Katharsis Laut Giacomini gibt es eine »natürliche Sympathie« zwischen Dichter und Publikum, das in der Antike sogenannte Pathos. Dies war freilich vor allem wichtig für diejenigen, die sich mit Kraft und Wirkung der Musik beschäftigten. Hierzu passt z.B. Vincenzo Galileis Aussage, Ziel der antiken Musik sei es gewesen, in den anderen den gleichen Affekt, den man selbst empfindet, zu entfachen. Die Katharsis ist laut Giacomini nicht nur im Geiste, sondern auch im Körper zu spüren. Diese körperliche Komponente beschäftigte ihn ganz besonders. Für die Musik wird sie noch konkret wichtig werden: Es gibt im frühen 17. Jahrhundert zahlreiche Beschreibungen, wo ganz spezifisch auf sie Bezug genommen wird, um das Besondere von bestimmten musikalischen Aufführungen hervorzuheben, speziell in den frühen Pastoralen und Opern: »Alle im Publikum haben geweint«, ist eine hierfür typische Aussage. Die physische Katharsis war auch Aristoteles wichtig; Giacomini räumt folglich Aristoteles’ musikalischer Katharsistheorie einen wichtigen Platz ein. Aristoteles meint, dass die Katharsis starke Affekte reinigt und indem man von allzu starken Affekten gereinigt wird, erhält die Tragödie ihren Daseinsgrund. »Aristoteles rechtfertigt mit seiner Katharsistheorie die antike Theatermusik« – das ist der


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direkte Schluss, den man im späten 16. Jahrhundert zieht. Giacomini geht von dieser homöopathischen Katharsisidee aus, um ihren Nutzen zu beweisen: »Katharsis ist eine Sache des körperlichen Ausweitens von Emotionen«. Die Tragödie bringt Weinen hervor und dadurch Befreiung von den schlechten Säften (schwarzer Galle), die sich im Körper angehäuft haben. Man kommt wieder ins Gleichgewicht. Das heißt: Das Zuviel an unrichtigen Säften im Körper verlässt über den Weg der Tränen den Körper und wir sind gereinigt: Die Katharsis hat stattgefunden. Wenn wir wieder im Gleichgewicht sind, sind wir wiederum fähig zu einem tugendhaften Lebenswandel, von dem uns das moralische und körperliche Ungleichgewicht abhalten. Eine Dichtform, die solches hervorzubringen imstande ist, muss also eine eindeutige Daseinsberechtigung haben. Giacomini verbindet die Dichtung und die Musik, denn sie haben gemeinsame Funktionen und Ziele. Das heißt, dass auch die Musik imstande ist, die gleiche oder zumindest eine vergleichbare Katharsis herbeizuführen. Dass im Laufe des 16. Jahrhunderts die von Ficino verwendeten Quellen –  Aristoteles, Galen – allgemeiner zugänglich werden, führt zu mehreren verwandten Theorien. Girolamo Mei fügt diesen Ideen noch die aristotelischaugustinischen Theorien über das Hören und die Natur des Klangs hinzu. In Francesco Buonamicis »Discorsi poetici nella Accademia fiorentina« (1597) gibt es eine eklektische Katharsistheorie, bei der homöopathische und allopathische Elemente zusammenfließen. Auch in seiner Theorie taucht die »Sympathie« auf, in zwar leicht anderer Form als bei Giacomini, dafür aber auch für den Musiker höchst interessant. Bei ihm gibt es etwas wie eine »Psychologie der Bewegungen«: Der Sänger, der selbst bewegt ist, bewegt aufgrund des sympathetischen Respons des menschlichen Nervensystems zugleich den Zuhörer. Die sich daraus ergebende Mitbewegung des Zuhörers wird, wenn sie groß genug ist, ihn reinigen und von seinen natürlichen Attitüden befreien, die ihn in Richtung Schwäche und Überfluss bewegen würden. Wichtig ist, dass es eine breite Akzeptanz dafür gibt, dass alle Gattungen der dramatischen Poesie eine Katharsis hervorrufen können. Diese Voraussetzung ist wichtig für die frühen Opern: Schließlich sind die ersten Opern gar keine antiken Tragödien, sondern Pastoralen, Schäferspiele. Durch die Ausweitung der Voraussetzungen zur Katharsis gewinnen auch diese Poetikgattungen neues Prestige: Wenn auch in der Pastorale eine Katharsis möglich ist, so können dort ebenso die ethischen Möglichkeiten der Musik eingesetzt werden und wirken. Das heißt also, dass man nun auch das lieto fine verteidigen kann. Wie Giacomini selbst darlegt: Auch die Tragödien, die von der Traurigkeit weg in Richtung Freude gehen, können eine Katharsis bewirken. Denn die Unvermeidlichkeit des Bösen wird vom Gemüt eine Realität erfahren und erzeugt so Mitleid. Es gibt also Tränen (Reinigung auch des Körpers!) als Folge dessen, was vor dem lieto fine geschieht. Dieses jedoch führt den Zuschauer weg von seinen traurigen Affekten, die ihn sonst in Anspruch zu nehmen drohen, und auf diese Art wird eine Katharsis erzeugt. Wieder sind die Tränen das Mittel zur Reinigung.


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Die Wirkung der antiken Musik Da man davon überzeugt war, dass die antike Musik eine ethische Kraft war, wollte man sich diese Wirkung auch zunutze machen. Um ein solches Vorhaben zu realisieren, musste man allerdings wissen, wodurch die Musik imstande war, eine solche Wirkung auszuüben. Dass dies nicht mit der gängigen Musik ihrer Zeit geschehen konnte, stand für diejenigen, die sich mit diesem Problemkreis befassten, außer Zweifel. Zurück also zur antiken Musik, lautete zuerst einmal die Parole. Aber: Wie war sie eigentlich, diese hochgelobte antike Musik? Was wusste man über sie? Zu dieser Zeit kannte man nicht nur die wesentlichen antiken musiktheoretischen Schriften – die wichtigsten Protagonisten in dieser Diskussion lasen sie selbstverständlich im Original, auch im griechischen –, sondern auch einige wenige Musikstücke. Die reale altgriechische Musik war Gegenstand mehrerer einschlägiger Forschungen. Es ging den Vorkämpfern der Wiederbelebung dieser Musik allerdings nicht um eine buchstäbliche Übersetzung (es war klar, dass dies utopisch war), sondern um eine sinngemäße Neuschöpfung. Dabei war eben diese Wechselwirkung zwischen Textvorlage und Musik, die sich als eine direkte darstellte, das Wesentliche. Dass im Grunde die Poesie schon die Musik war, wollten sie mit ihren Forschungen zur Sprache darlegen. Daher auch Girolamo Meis Aussagen zum Sprachakzent, daher auch die Überzeugung, der Ambitus der Musik könne nur beschränkt gewesen sein, und daher auch die direkte Verknüpfung von Bedeutung und Inhalt mit musikalischer Darstellung, und zwar durch den Rhythmus, das Versmetrum und zugleich die Sprachmelodie. Daher aber auch die Unterschiede zwischen der antiken und der neuen antiken Musik, die von der Sprache bestimmt wurde. Toskanisch war die geschickteste Sprache wegen des ähnlichen Sprachakzents, mit dem die Inhalte am direktesten umgesetzt werden konnten. Das Umsetzen von Inhalten und vom Ethos war im Grunde das, was man wollte. Und die antike Musik war eben die einzige bekannte Musik, der ein Ethos zugemessen wurde. Was man in Florenz tat, war der Versuch, das Ethos aus der Musik herauszufiltern und an einigen vor allem äußeren Merkmalen der griechischen Musik dingfest zu machen, die dann wiederum auf »toskanisch« bzw. » ästhetisch « Ende des 16. Jahrhunderts transplantiert wurden. Hehre Ziele und Worte also, die schlußendlich aber nicht (oder nicht sofort) zu einem dramma in musica oder einer tragédie lyrique führten (dieses blieb Lully vorbehalten), sondern zu einer quasi unschuldigen fürstlichen Unterhaltung. ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­»­­­­­­­­­­Non è, non è consiglio. Di generoso petto. Servir al prorio affetto«

Monteverdis Orfeo, Mantua und die Accademia degli Invaghiti Die Uraufführung des »Orfeo« am 24. Februar 1607 steht nicht im Zusammenhang mit einem dynastischen Ereignis, wie die Uraufführungen der Pastoralen, die für


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abb.5 PALAZZO DUCALE

die favola in musica Pate gestanden haben mögen, Jacopo Peris und Giulio Caccinis »Euridice«. Die Vorstellung für einen gelehrtadeligen Kreis mag indes ebenfalls Modelle gehabt haben, denkt man an die allerersten musiktheatralischen Experimente. Diese allerdings fanden nicht in Mantua statt. In Mantua aber wurde die erste neuzeitliche Pastorale in pseudoantikem Gewand, Polizianos »Fabula di Orpheo« um 1480 uraufgeführt; Polizianos Stück ist ein wesentlicher Meilenstein in der italienischen Theatergeschichte und wurde immer wieder neuaufgelegt und neu aufgeführt. Jedem gebildeten Italiener der Monteverdi-Zeit – und auch danach – war das Stück ein Begriff. Polizianos Werk stand sicher Modell, nicht nur für Ottavio Rinuccinis »Euridice«, sondern auch für Alessandro Striggios »Orfeo«, der gleichzeitig auch das Modell von Rinuccini mitverarbeiten konnte und der mit seinem »Orfeo« ebenso auf die quasi mythische Aufführung der »Fabula di Orpheo«, sozusagen auf den gleichen Ort hinweisen konnte. Denn eine favola ist auch dieses Werk. Pate für alle genannten Werke stand Ovid, dessen Metamorphosen den Stoff für die meisten frühen Pastoralen und Opern lieferten. Wo die Uraufführung stattfand, ist nicht mehr mit Sicherheit zu eruieren, der Palazzo Ducale wurde später mehrfach und grundlegend umgebaut. Sicher wurde das Werk nicht in dem heutigen sogenannten Spiegelsaal dargeboten, sondern in einem viel kleineren Raum im alten Teil des Palazzo. Mittlerweile glaubt man, den Raum lokalisiert zu haben; es handelt sich wohl um den älteren Spiegelsaal, der regelmäßig für Konzerte benutzt wurde. Wenn Monteverdi also in seiner Vorrede schreibt, dass das Werk in einem kleinen und schmalen Raum gegeben wurde, so mag dies zutreffen. Der Palazzo Ducale in Mantua ist in unterschiedlichen Bauabschnitten errichtet und gleicht streckenweise einem Labyrinth – auch stilistisch. Die Uraufführung fand im Kreise einer Akademie statt, deren Vorsitzender Francesco Gonzaga war, der älteste Sohn des Herzogs. Das Publikum war handverlesen und fand in einem kleinen Saal Platz. Der regierende Fürst war also eher geladener Gast als Organisator (Abb.5).


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Die Accademia degli Invaghiti und L’Orfeo Die Accademia degli Invaghiti wurde 1562 von Giulio Cesare Gonzaga in Mantua gegründet; ihre Mitglieder gehörten nahezu ausnahmslos demAdel an. Das gelehrte adelige Publikum kannte den Mythos natürlich, und zwar in all seinen Varianten, auch die unterschiedlichen Schlüsse, somit auch das »apollinische« Ende, bei dem Orpheus’ Leier zum Sternbild erhoben wird. Insofern ist das vom Text abweichend komponierte Ende für die versammelten Akademiker, deren neoplatonistische Ausrichtung sogar eher zu diesem als zum Text Striggios passte, eine logische Folge, auf die die Komposition selbst auch hinarbeitet. Sogar wenn das Ende erst später komponiert sein sollte, so fallen doch immer wieder Hinweise auf die Sonne oder auch auf den Sonnengott auf. Schon im ersten Auftritt (Rosa del Ciel) besingt Orpheus die Sonne, somit auch den Sonnengott, seinen Vater Apoll (oder Phoebus, Febo), der auch am Anfang des 2. Aufzugs (»Mira che s’en alletta«) namentlich genannt wird. Bereits im Prolog fällt die neoplatonistische Tendenz auf (»Io la Musica son, ch’ai dolci accenti/Sò far tranquillo ogni turbato core... E in guisa à l’armonia sonora/De la lira del ciel più l’alme invoglio«) und zugleich auch das Programm, das sich durch alle frühen musikdramatischen Werke zieht: die Macht und Wirkung der Musik. Dieses Programm wird natürlich par excellence im Orpheusmythos ausgeleuchtet. Das Ende des gedruckten Textes unterscheidet sich grundlegend von dem des komponierten Textes. Der Text von Alessandro Striggio d.J. orientiert sich an der ursprünglichen Vorlage von Ovid, in dem Orpheus von aufgebrachten Bacchantinnen zerfleischt wird – in Striggios Fassung flieht Orpheus, ehe sie ihn erwischen können–, in der Partitur steigt Apoll vom Himmel hinab und nimmt Orpheus mit in denselben. Über diese zwei unterschiedlichen Schlüsse wurde in der Literatur zu »L’Orfeo« ausgiebig diskutiert. Eine Theorie besagt, dass das jetzt überlieferte Ende die Fassung ist, die extra für die zweite Aufführung komponiert wurde, da zu dieser nicht nur Mitglieder der Akademie geladen wurden, sondern auch Frauen anwesend waren. Ihnen sei der ursprüngliche Schluss nicht zuzumuten und daher hätte man ihn kurzfristig geändert. Da dies nun eine »normale« höfische Aufführung gewesen sei, wäre es diese, die in der Folge im Druck erschien. Man kann auch ganz anders argumentieren, und zwar mit dem neoplatonistischen Gedankengut der Accademia degli Invaghiti, wie deren daraus logisch folgendem Apoll- und Sonnenkult; auch hier ließe sich das uns musikalisch überlieferte Ende logisch argumentieren, logischer sogar als das von Striggio, der sich vielleicht aus Gründen der literarischen »Sauberkeit« an das Ovidsche Modell anlehnen musste und auch wollte. Unterschiede zwischen Libretto und Musik sind in dieser Zeit nicht ungewöhnlich. Der Text ist eine literarische Vorlage mit einem literarischen Anspruch und misst sich mit Ovid, Poliziano und Rinuccini. Die Partitur braucht dieses Wetteifern nicht oder nur bedingt (ein gewisser Anklang an Peris »Euridice« ist –  vor allem in der Gestaltung des Rezitativs – nicht zu leugnen). Außerdem geschieht die Einmischung Apolls in das Geschehen sicher in Übereinstimmung mit den


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Idealen der Invaghiti. Apolls Auftreten kann man sogar als von langer Hand vorbereitet sehen – Hinweise auf die Sonne und den Sonnenkult durchziehen den ganzen Text; von Anfang an wird der Bezug zur Sonne gelegt. Schon der erste Hirtenchor bezieht die Sonne ein (»quasi un sol nascente« - »wie eine aufgehende Sonne«), Orpheus’ erster Text (»Rosa del Ciel, vita del mondo«) besingt die Sonne, dann erst wendet er sich Euridice zu. Apoll (Febo) wird namentlich von den Hirten genannt, noch in der Hölle wird immer wieder der Bezug zur Sonne hergestellt. Somit ist der Auftritt des Sonnengottes Apoll nicht unerwartet und nicht nur ein Auftritt eines Deus ex machina (obwohl gerade er der Einzige ist, der Bühnenmaschinerie brauchen könnte). Hinzu kommt auch, dass eine Anspielung auf Bacchus im Kreise der neoplatonischen Geister, die das Publikum ausmachten, weniger passte als das apollinische Ende, das man zudem auch besser mit gegenreformatorischen Idealen in Verbindung bringen konnte als ein Ende mit Mord und Totschlag oder eines, bei dem Orpheus einfach trotz der nicht bestandenen Prüfung mit seiner Braut vereint wird. Text und Musik weichen übrigens an mehreren Stellen voneinander ab. In den meisten Fällen sind diese Abweichungen aber nicht gravierend. Dennoch braucht es manchmal auch den vollständigen Text – es gab ein gedrucktes Libretto, das wohl auch den Akademikern überreicht wurde – um die unterschiedlichen Bedeutungsschichten zu verstehen. Dass im Prolog die Musica gleich zu Anfang ihres Auftretens das Lob der Gonzagas singt, mag jeder registrieren und tut nur der Konvention Genüge. Andere Hinweise sind allerdings für das heutige Publikum nicht so selbstverständlich. Manches wird man wohl nicht mehr verstehen. Die generell moralisierenden Tendenzen kennt man, dennoch ist die Interpretation des Orpheusmythos von einer Vielschichtigkeit, die uns in Teilen verborgen bleibt. Ein einfacher Hinweis auf die jedem Humanisten geläufige Katabasis (Orpheus steigt ab in die Hölle) auch anderer antiker Heroen oder mythischer Figuren wird direkt angesprochen: Als die personifizierte Hoffnung (Speranza) mit Orpheus bis zum Eingang der Hölle kommt, zitiert sie aus Dantes »Divina Commedia« (Inferno): »Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate«; die Hoffnung muss Orpheus verlassen. Dante steigt mit Vergil in die Hölle ab, Orpheus’ Katabasis ist eine einsame. Die Allegorie legitimiert und verbindet die heidnische Antike mit dem Christentum (Orpheus selbst wird ab dem frühen Mittelalter gelegentlich als Vorabbildung von Christus gesehen). Und ist nicht der Text des Finalchors selbst eine Anspielung auf christliche Tugend: »E chi semina fra doglie, d’ogni gratia il frutto coglie« - »Und wer unter Schmerzen die Saat auswarf, Sammelt die Früchte jeder Gnade«?

Tragedia oder Favola? Die Struktur des »L’Orfeo« ist im Wesentlichen die einer antiken Tragödie, ohne dass es eine ist oder sein will. Dennoch gibt es einige formale Aspekte, die aus der Tragödie übernommen werden und die für die Akzeptanz der musikalischen Ausarbeitung nicht unwesentlich sind. Einer ist der Einsatz des Chores: Der


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Chor wird wie in einer antiken Tragödie (in der Regel) am Ende der Aufzüge als coro stabile eingesetzt; Beispiele sind  »Ecco Orfeo«, »Nulla impresa«, »È la virtute un raggio di celeste bellezza«, »Vanne Orfeo«. In der Pastorale gibt es aber auch einen coro mobile, z.B. die Balletti »Vieni Imeneo« und »Lasciate i monti«, die in die Aktion integriert sind und die keine kommentierende oder moralisierende Funktion haben, wie das bei den Erstgenannten der Fall ist. Dort sieht man u.a., wie auch Soli aus den Chören kommen (Ninfa, Pastore del coro). Striggio und Monteverdi gehen mit diesen Unterschieden teilweise etwas locker um: In der Unterwelt werden auch in den cori stabili gelegentlich Elemente des coro mobile eingebaut. Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Einige Abweichungen zwischen Text im Libretto und gedruckter Partitur betreffen strophische Strukturen. Dadurch, dass in einigen Fällen nur eine einzige aus mehreren Strophen komponiert und gedruckt ist, ist die Textdeutung gelegentlich unklar. Ein Fall ist der Chor »Nulla impresa« im 3. Aufzug, der die menschliche Kraft besingt: Im Textheft gibt es drei Strophen, die je auf einen antiken Mythos Bezug nehmen; nur die erste Strophe ist aber im Partiturdruck überliefert. Dadurch fehlt dem heutigen Publikum der Bezug – nicht Orpheus wird hier angesprochen, nicht die abstrakte Kraft, sondern Jason und das Goldene Vlies sind hier gemeint. Die anderen Strophen beziehen sich auf Daedalos (»Per l’aeree contrade a suo viaggio/L’ali lievi spiegò Dedalo industre...«) und Phaeton (»Altri dal carro ardente e de la face/ch’accende il giorno in terra al ciel salito,/furò fiamma vivace«), bevor Bezug auf Orpheus genommen wird – und somit nicht nur die Kraft des Menschen, sondern auch die der Musik extra hervorhebend und ihn über die anderen Heroen stellend. Nebenbei wird noch ein Hinweis auf die vier Elemente eingebaut, der in der gedruckten Partitur ebenfalls verloren geht: Wasser (  Jason und die Argonauten), Luft (Daedalus), Feuer (Phaeton), Erde (Orpheus in der Unterwelt). Interessant ist außerdem, dass die genannten Helden alle ein schlechtes Ende nehmen (und hiermit wird schon das Scheitern Orpheus’ vorweggenommen): Jasons Frau Creusa wird ermordet, Daedalus verliert seinen Sohn Ikarus, Phaeton stirbt. Wie in der Tragödie wird Hybris bestraft und diesem Schicksal wird auch Orpheus nicht entkommen – wie der coro stabile am Ende des vierten Aufzugs explizit singt: »Degno d’eterna gloria fia sol colui ch’avrà da se vittoria« - »Würdig des ewigen Ruhms ist nur der, der sich selbst besiegen kann« und eben das konnte Orpheus nicht. Dass er dennoch in den Himmel steigt, »dove ha virtù verace degno premio di se« »wo die wahre Tugend ihren würdigen Lohn hat«, von seinem (in dieser Fassung) Vater Apoll dorthin berufen, ist angesichts der Opernkonvention des lieto fine für den Menschen des 17. Jahrhunderts kein Widerspruch. Ottavio Rinuccini, der die Texte zu Peris »Dafne« und »Euridice« schrieb, merkt selbst in der Vorrede zu »Euridice« (1600) an, dass es anlässlich eines freudigen Ereignisses – hier die Hochzeit der Maria de’ Medici mit Henri IV. von Frankreich – erlaubt sei, das tragische Ende in ein freudiges umzuwandeln. Er sieht sich damit sogar in einer Tradition, in der auch Dante steht. Rinuccinis Einfluss auf die Operngeschichte ist enorm. Man sieht, dass auch Striggio sich dem nicht entziehen kann. Mit dem lieto fine tut er sich schwer, es kommt aber auch nicht zum tragischen Ende, denn Orpheus flieht vor den Bacchantinnen. Im Grunde verlässt also Orpheus sang- und klanglos die


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Bühne, um damit die im Prolog angedeutete Parabel über die Wirkung der Musik zu entkräften. Das Apoll-Finale stellt diese aber wieder in den Mittelpunkt und ist somit, zumindest von der musikalischen Seite her, das einzig Richtige. Und hatte nicht schon Orpheus in der Hölle seine Leier besungen, der ein Platz unter den Sternenbildern gezieme? Wie auch der Mythos besagt: Nach seiner Beerdigung tragen die Musen die goldene Leier des Orpheus in den Himmel, wo sie als Sternbild Lyra bis heute weiterlebt. Seit gut hundert Jahren ist »L’Orfeo« zurück auf der Opernbühne – am 2. Mai 1911 wurde er in einer Matinee unter Marcel Labey im Théâtre Réjane in Paris aufgeführt, mit Robert Le Lubez als Orpheus, und Claire Croiza als Messaggera. Ausgehend von der (gekürzten) Edition von Vincent d’Indy war dies die erste szenische Aufführung seit dem 17. Jahrhundert. Anfangs waren die entsprechenden Aufführungen nicht ohne Bearbeitungen im Instrumentarium denkbar; noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, die den Anfang der Rückkehr der Werke Monteverdis in das »normale« Opernrepertoire markierten, waren »Anpassungen« vonnöten, ja auch jetzt noch findet kaum eine Aufführung des »L’Orfeo« ohne Änderungen der Vorschläge Monteverdis statt. Teils geschieht dies, weil man in einem normalen Opernhaus nicht das richtige Instrumentarium hat, teils aber auch unter Einfluss von Moden innerhalb der Anhänger der historisch informierten Praxis, die ohne Nachdenken übernommen werden. Aus den Zeiten, da man das besonders farbige Continuo liebte, hat sich der Lirone in die Instrumentenliste geschlichen (mit dem Einsatz dieses Instruments spart man gerne drei Bassgamben), mal fügt man aus Gründen des Effekts Schlagzeug hinzu (was für eine Aufführung in einem gelehrten Kreis, für die das Werk bestimmt war, ja fast blasphemisch zu nennen ist). Dass dies alles möglich ist, hat aber auch damit zu tun, dass Monteverdi in den konkreten Zeilen der Partitur manchmal über die gewünschte Instrumentalbesetzung reichlich vage bleibt und also dem (heutigen) Ausführenden noch reichlich Interpretationsmöglichkeiten offenläßt. Einem Institut für Alte Musik, das seit 25 Jahren mit dem entsprechenden Instrumentarium hantiert, ist allerdings zuzumuten, sich an die Anweisungen Monteverdis zu halten und diese entsprechend umzusetzen. In diesem Sinne wird für diese Aufführungsserie radikal für eine saubere Umsetzung der Monteverdi‘schen Vorschläge optiert – ohne dass dies an die (heutige) künstlerische Substanz geht. Die Akademie für Alte Musik ist mittlerweile so weit ausgebaut, dass man eine so große Vielfalt an Instrumenten anbietet, dass man dieses Werk tatsächlich problemlos mit Studierenden besetzen kann, ob es um das normale heute bekannte Barockinstrumentarium geht – Blockflöten, Cembali, Gamben, Barockgeigen, Orgeln, Lauteninstrumente – oder um etwas weniger geläufige Instrumente wie Zinken, Posaunen, Naturtrompeten, Regal.


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Zur Aufführung Die Aufführung des »L’Orfeo« stellt jeden heutigen Dirigenten vor Fragen. Es gilt nicht so sehr, eine »Bearbeitung« zu machen – mittlerweile beherrscht man das historische Instrumentarium längst genug, um auch die exotischsten Farben für sich sprechen zu lassen –, es geht mehr darum, die Fragen, die in der Partitur auftauchen, einigermaßen adäquat zu lösen. Das geht nur, wenn man die »Sprache« dieses Werks versteht: Affektgehalt und Textausdeutung, aber auch die Bedeutung des Orpheusmythos für den (damaligen und jetzigen) Zuhörer; wenn man weiß, was recitar cantando wirklich heißt und wenn man die Schwelle zwischen theatralischem Rezitieren und Musik kennt und sich zwischen diesen beiden natürlich zu bewegen weiß.

Besetzung Zu »L’Orfeo« gibt es keine Vorrede wie in den gedruckten Partituren von Peri oder Cavalieri, dafür sind in der Partitur eben Besetzungshinweise eingefügt. Diese Angaben schwanken allerdings zwischen »hier und jetzt« und der Beschreibung, wie es in der Aufführung in Mantua gewesen ist, sodass man sich tatsächlich fragen kann, welchen Stand der Druck darstellt: Es fragt sich sicher, welche Mischung zwischen Gewesenem und Vorschlägen des Komponisten zu einer zukünftigen Realoder Idealvorstellung beabsichtigt sein könnte – da Monteverdi doch zumindest ahnen musste, dass eine solche nur in einem höfischen Umfeld stattfinden könne und die Partitur somit eigentlich nichts anderes als eine Dokumentation einer gewesenen Vorstellung und/oder Studienmaterial sein konnte. (Dass es eventuell zwischen 1614 und 1619 Aufführungen in Salzburg gegeben hat, die vom ersten Orfeo, Francesco Rasi, ausgingen, konnte er 1609 nicht vermuten. Ob die zweite Auflage des Werks, 1615, mit diesen Aufführungen in Verbindung stand, wage ich sehr zu bezweifeln).

Vokalbesetzung So viel man über die musikpraktische Seite des »L’Orfeo« weiß, so wenig weiß man jedoch ebenfalls. Zu jedem Besetzungsvorschlag Monteverdis gesellt sich eine Frage. Dazu kommen die Unterschiede zwischen Libretto und erhaltener Partitur – der größte ist das völlig umgestaltete Finale – sowie die Umstände der Erstaufführung. Gesungen wurde das Stück ausschließlich von Männern; die Frauenrollen wurden von Kastraten interpretiert; bei Zusammenkünften einer Akademie sind schließlich Frauen nicht erwünscht. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren außerdem die Chöre nicht mit Extrasängern besetzt, sondern wurden von den Solisten gesungen (wie es auch in der Bremer Aufführungsreihe der Fall war), sodass insgesamt nicht mehr als schätzungsweise 10 Sänger beteiligt waren: 3 Sopranisten


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(Kastraten), 1 Alt (Kastrat oder Falsettist), 3 Tenöre und 2 oder eventuell 3 Bässe. Von einigen Sängern kennt man den Namen; beteiligt waren u.a. der Tenor Francesco Rasi (wahrscheinlich in der Hauptrolle, die für einen Tenor mit baritonalen Tiefen komponiert ist), weiter die Kastraten Giovanni Gualberto Magli und Girolamo Bacchini. Wer die Bassrollen gesungen hat, ist nicht bekannt, und auch die Zuordnung der Rollen zu den beiden Kastraten ist nicht hundertprozentig gesichert. Die Reduzierung auf zehn Sänger ist nur dann möglich, wenn die in »Chiavette« notierten Unterweltchöre nach unten transponiert werden; tut man dies nicht, so braucht man mehr Sänger. Bei der Neuigkeit dieses Repertoires und für eine Privatvorstellung außerhalb eines dynastischen Rahmens war es sicher nicht einfach, genug kompetente Sänger zu engagieren – die erhaltene Korrespondenz zur Uraufführung deutet dies auf jeden Fall an. Bis auf Orpheus müsste jeder Sänger mehrere Rollen übernehmen. Das Werk ist aber so komponiert, dass dies tatsächlich auch möglich ist. Transponiert man die »Chiavette-Stücke« eine Quarte oder eine Quinte nach unten (Voraussetzung dafür ist ein hoher Stimmton, den man aber für Mantua voraussetzen darf), so ist dies auch im Bassbereich möglich; Caronte mutiert dann z.B. zum Unterweltgeist. Die Aktwechsel lassen auch zu, dass die Sänger sich nach dem vierten Akt neu gruppieren. Schon die Liste der Sänger, die der gedruckten Partitur vorangestellt ist, enthält allerdings Inkonsistenzen: Bei den Protagonisten ist die Messaggera vergessen, doch eine nicht unwichtige Rolle; auch die Instrumentalbesetzung stimmt nicht ganz mit den Angaben innerhalb der Partitur überein – es braucht mehr Posaunen und Trompeten sowie zwei Blockflöten statt einer, dafür aber eventuell nur einen Kontrabass.

Instrumentalbesetzung Aber auch im Instrumentalen gilt, was man für die Sänger unterstellen kann: Ein Spieler kann mehrere Instrumente beherrscht haben. Das heißt konkret: Die drei gedämpften Trompeten für das mittlere und untere Register können von drei Posaunisten gespielt sein (sie spielen nie zusammen); die Blockflötisten greifen in den Unterweltszenen zum Zink und ein Cembalist oder ein Organist spielt in den Unterweltszenen Regal. Dass manche Instrumente nie zusammen spielen, legt eben diese Vermutung nahe, dass sie von ein und derselben Person gespielt wurden. Das würde sinngemäß heißen, dass tutti gli strumenti immer nur die Oberweltinstrumente umfasst – dies ist auch dramaturgisch sinnvoll. Der einzige Instrumentalist, der nur in der Toccata auftritt, wäre dann der Clarinspieler und das ist sozialhistorisch verständlich.


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Continuo Trotz der vielen Angaben in der Partitur gibt es immer noch reichlich Fragen; zunächst betreffen die meisten die Besetzung der Continuo-Instrumente. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es ein paar klare Prinzipien gibt: Soli werden (wenn nichts Gegenseitiges gefordert wird) in der Regel begleitet von einem Cembalo und einem Chitarrone, bei traurigen Affekten von einer Orgel und einem Chitarrone; in der Unterwelt ist das »natürliche« Begleitinstrument das Regal, gelegentlich mit einer Orgel verdoppelt. Orpheus selbst bringt sozusagen seine eigenen Instrumente mit, die ansonsten nicht in der Unterwelt zu hören sind – in seiner großen Bittean Caronte (»Possente spirito«), dem zentralen Stück der Oper, hört man auch seine Leier, die die ganze Instrumentalmusik in sich vereint, vom Streichinstrument (Violinen) über die Bläser bis zu den gezupften und mehrstimmigen, somit vollkommenen Instrumenten, den arpa doppia (Harfen). Wenn Duette gesungen werden, verdoppelt sich die Besetzung der Chitarronen im Continuo; in größer besetzten Abschnitten werden entsprechend mehr Instrumente eingesetzt. Hier ist Monteverdi oft sehr präzise. Kombinationen, die nicht vorkommen, sind Regal mit Cembalo oder Regal mit Chitarronen; wenn das Regal gespielt wird, gibt es auch nur eine Orgel, sodass man geneigt ist zu vermuten, dass einer der Organisten auch Regal gespielt hat – so, wie es auch in Bremen der Fall gewesen ist. Im fünften Aufzug wechselt dann der Regalspieler wieder zu seiner Orgel.

Ornamentinstrumente Die Chöre werden unterschiedlich begleitet, auch hier weiß man nicht in jedem Fall, wie sie zu besetzen sind. Der Hinweis »Alle Instrumente« kann sich allerdings in den Oberweltszenen nicht auf die Unterweltinstrumente beziehen – es ist auch möglich, wie ich schon oben argumentiert habe, dass z.B. die zwei Blockflötisten der Oberwelt die gleichen sind wie die zwei Zinkenisten der Unterwelt. Denn in der Oberwelt haben die Zinken so wenig Platz wie die Blockflöten in der Unterwelt.

Das Gesamtspektrum der Instrumente Selbstverständlich haben wir dieses Werk mit dem geeigneten Instrumentarium aufgeführt, denn nur so kann man sich der Klangwelt, die sich Monteverdi vorgestellt hat, einigermaßen annähern. Und so auch hat »L’Orfeo« mittlerweile seinen Weg in das Opernhaus gefunden. Das bedeutet, dass auch Instrumente, die im heutigen Konzertleben nicht mehr geläufig sind, eingesetzt werden. Ein solches Instrument ist der Zink, den man noch bis nach 1960 durch andere Instrumente ersetzen musste. Mittlerweile beherrscht man Nachbau und Spieltechnik dieses Instruments, das im Italien der Monteverdizeit als das galt, was der menschlichen


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Stimme am nächsten kommt; das Zinkduett in »Possente spirto« gehört indes zum Standardrepertoire der neuzeitlichen Zinkenisten. Ein anderer ungewöhnlicher Klang ist der des Regals, das zur Begleitung der Götter und Geister der Unterwelt gebraucht wird. Das Regal kommt nur in den Unterweltszenen vor, also im 3. und im 4. Aufzug, und wird höchstens mit einer der beiden Orgeln (mit Holzpfeifen), nicht aber mit Zupfinstrumenten kombiniert, sodass man davon ausgehen kann, dass ein Organist sich an das Regal gesetzt hat, der andere sein Instrument weitergespielt hat. Zink und Regal mögen dem heutigen Publikum als die exotischsten der verwendeten Instrumente gelten – Cembali, Gamben, Blockf löten und Chitarronen gehören mittlerweile zum Standardinstrumentarium der Alten Musik. Doch auch die unseren Sehgewohnheiten entsprechenden Instrumente sind nicht mit denjenigen, die in einem heutigen Orchester Verwendung finden, identisch: Die Violinen sind barock und werden mit Darmsaiten bezogen, die Bögen sind anders als die heutigen. Und vor allem: Die Spieltechnik ist eine grundsätzlich andere als die eines modernen Instruments der Violinfamilie. Das Ergebnis ist ein völlig anderes Klangbild als das, was man im Repertoire des 18. und 19. Jahrhunderts hörte. Monteverdi ist in der Instrumentierung seines »L’Orfeo« ein Produkt des manieristischen Umgangs mit Instrumentalensembles. Bestimmte Klangkörper und -kombinationen werden bewusst eingesetzt. So wird ein Instrumentarium verwendet, das sofort eine Klangkulisse schafft, gewissermaßen ein klingendes Bühnenbild ist und das sich in den Szenen der Oberwelt (1., 2., 5. Aufzug) grundsätzlich unterscheidet von dem der Unterweltszenen (3., 4. Aufzug). Das Ritornello, das zwischen den Strophen der Musica klingt, wird von den gesamten Streichern der Violinfamilie (zehn Instrumente), einem Kontrabass, zwei Cembali, drei Chitarronen, zwei Orgeln und einer Harfe begleitet. Dieses Ritornello kommt in den genannten Aufzügen immer wieder und stellt die thrakische Oberwelt dar, in der sich das Werk eigentlich abspielt. Sobald man sich im 3. Aufzug der Unterwelt nähert, ändert sich die Klangkulisse vollständig: Die Cembali, Violinen und andere Oberweltinstrumente (Harfe, Orgeln, Chitarronen, Blockf löten) schweigen und an ihre Stelle treten Sinfonien und Ritornellen, die von Zinken und Posaunen gespielt werden; die Begleitung dieser Stücke wird vom Regal übernommen. Sofort wird hier die Klangkulisse der Unterwelt gesetzt. Orpheus, der nicht in die Unterwelt gehört, bringt sinngemäß aber sein eigenes Instrumentarium mit, und dazu gehört auf jeden Fall ein Chitarrone. Je nach Stimmungslage spielt er zusammen mit Orgel oder Cembalo. In »Possente Spirto« spielt er seine goldene Leier und diese wird durch mehrere Instrumente symbolisiert: Streicher (Violinen), Bläser (Zinken) und Harfe (vollkommene, d.h. mehrstimmig spielende Instrumente). Wenn nach dem 4. Aufzug Orpheus wieder an die Oberwelt gelangt, hört man sinngemäß wieder das Oberweltritornello, auch wenn die Stimmungslage eine ganz andere ist als am Anfang des Werks. Auch ohne Bühnenbild wüsste man sofort, dass Orpheus wieder in Thrakien ist.


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Dass dieses Werk in Bremen im originalen Instrumentarium erklang, ist auch die Folge einer länger anhaltenden Beschäftigung nicht nur mit den alten Instrumenten, sondern auch mit ihren alten Spieltechniken. Die kann man im Wesentlichen nur aus dem Umgang mit alten Quellen erlernen. Ihre Beherrschung oder vielmehr die Annäherung an sie muss ständig infrage gestellt werden, da es eine direkte Über-lieferung nicht gibt. Dozenten wie Studierende sind an dieser aufregenden Forschung gemeinsam beteiligt und schaffen immer wieder neue und somit hochmoderne Klangerlebnisse der besonderen Art. Über dieses forschende Spielen und Singen verstehen wir die Werke besser, die vor mehreren hundert Jahren komponiert wurden und deren Sinn sich uns erst allmählich und vielleicht nie ganz erschließt. Dies erlaubt uns hoffentlich, für das heutige Publikum die aufregende Modernität dieser Musik wiederzuerwecken und gleichzeitig das jetzige Auditorium genauso zu bewegen wie das damalige. Oder, wie es nach Aufführungen dieser Stücke in der damaligen Zeit so schön hieß: »Alle im Publikum haben geweint.« Ein letzter Hinweis zur Instrumentalbesetzung: Der Ausdruck viole da brazzo bezieht sich nicht nur auf die Oberstimmen der Violinfamilie, sondern bezeichnet zwei Violinconsorts, also Sopran 1, Sopran 2, Alt, Tenor, Bass; das untere Instrument ist eine Bassgeige, ein Instrument, das eine Spur größer ist als ein Cello und einen Ton tiefer gestimmt wird. Celli gab es zu Monteverdis Zeit noch gar nicht. Die Trompeten spielen ausschließlich die Toccata.

Aufführungsumstände Die Uraufführung von »L’Orfeo« fand, laut Monteverdis Widmung, in einem schmalen Raum statt, nicht also in einem höfischen Theater; dieser Raum befand sich in den Gemächern von Margherita Gonzaga d’Este, der verwitweten Schwester des Herzogs, die im Palazzo Ducale wohnte (»nella sala nel partimento che godeva Madama Serenissima di Ferrara«; so ein Brief von Carlo Magno am 23. Februar 1607). Die Vermutungen gehen dahin, dass es sich um die ursprüngliche Sala dello Specchio handelt. Die heutige Sala degli Specchi kommt aus mehreren Gründen nicht infrage; so, wie sie jetzt ist, stammt die Einrichtung aus dem 18. Jahrhundert. Außerdem entspricht sie nicht der Beschreibung Magnos, der eindeutig auf einen Raum hinweist, der entschieden kleiner sein muß. Auch Monteverdi tut dies. Bauliche Änderungen im Palazzo Ducale in Mantua haben allerdings die ursprüngliche Gestalt mehrerer Räume grundlegend geändert. Die alte Sala dello Specchio, in der zur Monteverdizeit regelmäßig musikalische Aufführungen stattfanden, befindet sich in der Tat in dem Teil des Palazzo, in dem sich die Gemächer von Margherita Gonzaga befunden haben mögen. Ein infrage kommender Raum wurde Ende der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts freigelegt. Er ist entschieden kleiner und in der Anlage trapezförmig, mit einem kleinen Vestibül am Eingang. Für die Uraufführung musste er zweifellos extra theatralisch eingerichtet werden; zudem kann man davon ausgehen, dass für den Auftritt Apolls im fünften Akt eine


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Theatermaschine vorgesehen war, wie klein auch immer – wenn wir davon ausgehen, dass das von Monteverdi überlieferte Finale das ursprüngliche ist. Das trompe l’oeil, das dank des Spiegels entsteht, könnte vielleicht ebenfalls für ein solches Finale verwendet werden und vielleicht gar eine Theatermaschinerie suggerieren, die wegen der Enge des Raums nicht wirklich einsetzbar gewesen ist. Diese ursprüngliche Sala dello Specchio wurde nach ihrer Wiederentdeckung bzw. Freilegung restauriert und wird heutzutage wieder für Konzerte genutzt.

Parleranno musicalmente: das Recitar Cantando »Hieri fu recitata la Comedia nel solito scenico Teatro con la consueta magnificenza et domani sera il Ser.mo S.r Principe ne fa recitare una, nella sala del partimento che godeva Mad.ma Ser.ma di Ferrara, che sarà singolare posciaché tutti gli interlocutori parleranno musicalmente dicendosi che riuscirà benissimo onde per curiosità dubio che mi vi lasciare’ ridurre, caso che l’angustia del luogo non mi escluda.« Carlo Magno Dieser Bericht zur Aufführung des »L’Orfeo« spricht nicht über virtuose Arien, sondern über Rezitieren ( parlare musicalmente) oder, wie Giulio Caccini, einer der frühen Protagonisten der neuen Musik, es in einer Vorrede 1602 nennt, favellare in harmonia - Sprechen in Musik. Die Idee einer Trennung zwischen Rezitativ und Arie existiert noch nicht, die Arie als Affektträger gibt es noch nicht. Diese Rolle liegt einzig und allein im recitar cantando, im singenden Rezitieren. Solistischer Gesang entsteht in Italien im Laufe des 16. Jahrhunderts. Eine wichtige Quelle dafür ist das Theater und die Theatermusik. Der Sologesang wird in der zweiten Jahrhunderthälfte immer mehr perfektioniert, es kommt zu einer Erweiterung der Tessitur mittels besonderer Übungen. Wesentliches Ziel ist in dieser Zeit ein so größtmöglicher Ambitus in den Männerstimmen. Ein gutes Beispiel bildet Francesco Rasi, der Tenor, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Partie des Orpheus gesungen hat: Er hat eine Tenorstimme mit deutlichen baritonalen Tiefen, dem Geschmack der Zeit nach Ausweitung des Stimmumfangs sowohl in die Höhe als in die Tiefe entsprechend. Zu den Übungen für die Geläufigkeit der Stimme und für die Atemkontrolle gehören sogenannte Diminutionssammlungen (bei denen ein gegebenes Modell diminuiert, d.h. verkleinert, also mit vielen kleinen Noten aufgeführt wird). Dabei wurde eine ganz besondere Klasse von virtuosen Sängern ausgebildet, für die technische Fertigkeiten und ästhetisches Empfinden Hand in Hand gingen. Dies zeigt das zentrale Stück der Oper, die Bitte »Possente spirto«, die Monteverdi in seiner Partitur in einer verzierten und einer »unverzierten« Fassung abdrucken lässt. In diesem Stück zeigt Orpheus alle Facetten seines Könnens als virtuoser Sänger, denn er ist als solcher der Inbegriff allen Singens. Dennoch ist das nur ein Teil der gesanglichen Möglichkeiten. Übermäßiges Diminuieren kam um 1600 allmählich aus der Mode zugunsten des ausdrucksvollen


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Gesangs, den man für die frühen Opern braucht. Ohne den Umgang mit den Techniken des Diminuierens hätte man aber nie die Stimmbeherrschung erreicht, die für die unterschiedlichen Anforderungen der frühen Oper vonnöten sind. In »Possente spirto« wird Virtuosität mit Ausdruck kombiniert; gegen Ende der Bitte wird der Gesang rezitierender, einfacher und bewegender. Das Rezitieren in Tönen (favellare in harmonia) braucht eine vollständige Beherrschung aller Register des Ausdrucks, weil es über die Verständlichkeit des Sprechens die volle Bedeutung des Textes und somit seinen Affektgehalt implantieren will. Wie der Schauspieler muss der Sänger alle erdenklichen Register seiner Stimme beherrschen. Das Sprechen in Musik soll den Zuhörer direkt ergreifen, das Wesentliche des Ausdrucks wird im Rezitieren erreicht.


Impressum Das Buch »Totaloper« ist das Ergebnis eines fachübergreifenden Projektes des Studiengangs »Integriertes Design« der Hochschule für Künste Bremen, das im Mai 2012 mit einem Workshop in Brüssel im Atelier von Thorsten Baensch (Bartleby & Co.) begann. Der Gestaltungs- und Ideenfindungsprozess wurde bei weiteren Treffen in Bremen und Hamburg fortgesetzt und fand im Laufe des Jahres 2014 mit dieser Veröffentlichung seinen Abschluss. Das Projekt wurde von Kai Lehmann initiiert und intensiv betreut. Ermöglicht wurde das Buchprojekt durch die großzügige finanzielle und materielle Unterstützung der Hochschule für Künste Bremen sowie durch das Erasmusprogramm Dozentenmobilität der Europäischen Kommission, Brüssel. Dieses Exemplar hat die Nummer: / 20 Herausgeber Kai Lehmann (Hochschule für Künste Bremen) Konzept, Gestaltung, Produktion und Redaktion Julia Dambuk, Eike Harder, Eunjung Kwak, Nadine Rother, Tanja Theinert, Annika Tritschler Essays Annette Geiger, Greta Haenen Fotografie Björn Behrens, Eike Harder, Tim Klausing, Shushi Li, Heike Neugebauer, Si-Chan Park, Susanne Petzold, Pia Pollmanns, Daniel Solar, Milena Tsochkova, Sam Tyson und andere Schrift DTL Fleischmann T Regular, Medium, Italic und Bold Neuzeit Gro T Black Papier Alster Werkdruck (80g, 1,3faches Volumen) Geese, Skizzenpapier (110g, grau) Marpajansen, Multifunktionspapier Rainbow (80 g, hellgelb) Papyrus Buchbinderei Buchbinderei Mergemeier, Düsseldorf ISBN: 2-930279-52-4 Bibliothèque royale de Belgique D/2013/8677/1 Bartleby & Co., Brüssel Hochschule für Künste Bremen Besonderer Dank Ralf Schneider und Gabriele Stöhr für Lektorat und Textredaktion sowie an Birgit Harte, Anna Lena von Helldorf, Marion Bösen und Karl Robert Strecker

Bremen und Brüssel, Mai 2014


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