Interview 01 peter w schaefer

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ÂťDas Besondere an einer Oper ist, dass die Partitur die Vorgabe macht, man ist nur eine Marionette vom Diktat der Musik.ÂŤ

Interview mit Peter W. Schaefer



Interview mit Peter W. Schaefer

Peter W. Schaefer Professor für Malerei an der HfK; ehemaliger Dekan FB Kunst und Design Künstlerische Leitung der Ausstattung bei »Das Medium«, »Die Heirat«, »Die Welt auf dem Mond«, »Die Fledermaus«, »Eine kleine Zauberflöte«



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Wie ist das Opernprojekt entstanden? Die Gesangsausbildung im Fachbereich Musik setzt voraus, dass die Studierenden Bühnenerfahrungen sammeln und schauspielerische Qualitäten entwickeln. Um diese Entwicklung zu fördern, gab es einen Lehrauftrag, der 2001 an Renato Grünig erteilt wurde. Er sollte Bühnenerfahrung vermitteln, nicht nur, wie vorher, szenisches Singen irgendwelcher Arien aus dieser oder jener Oper. Er wollte eine komplette Oper inszenieren. So fing es an. Ich hab’ mich dazu breitschlagen lassen, mir Gedanken zu machen, wie man das gemeinsam organisieren kann. Einerseits war ich der Verantwortliche für die ganze administrative Seite, dass alles ordentlich abläuft und finanziell richtig betreut wird, und auf der anderen Seite war ich der Vertreter für die gestalterische Ebene. Es war jedoch von Anfang an klar, dass ich keine große Bühnenerfahrung hatte, sodass noch zusätzliches Personal dazukommen musste. Da Renato damals noch Mitglied der Shakespeare Company war, konnten wir die Company mit ihren ganzen Möglichkeiten mitbenutzen. Also die Bühne, das Personal, die Beleuchtung und so weiter. Dadurch kamen wir auch zu Heike Neugebauer, da sie dort für Bühnenbild und Kostüm zuständig war. Auch Katja Jürgens brachte sich ein, die


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damals als freie Bühnenbildnerin für das Bremer Theater gearbeitet hat. Diese beiden waren damit die zentralen Figuren, die uns im Gestaltungsbereich an die Hand genommen haben und auch mich in das gesamte Bühnenproduktionsgeschehen einführten. Renato Grünig hat die ersten sechs Jahre die Regie geführt, was war das Besondere an der Zusammenarbeit? Also, als Person kannte ich Renato, ich wusste in etwa wie er arbeitet und wie er als Schauspieler arbeitet sowieso, da habe ich ihn ja öfter beobachtet und gezeichnet. Als Regisseur war ziemlich schnell klar, dass er sehr intensiv arbeitet, dass er den Leuten viel abverlangt. Haben in den ersten Projekten hauptsächlich Studierende aus der Freien Kunst mitgewirkt? Nein, das ist eher ein Sonderfall. Eigentlich waren in allen Projekten die Studenten aus dem Integrierten Design die verlässlichsten. Das Problem ist, inwieweit es überhaupt ein Bewusstsein für das Opernprojekt im Haus gibt. Es war immer eine freiwillige Teilnahme. Später wurde arrangiert, dass es Scheine gibt, aber man musste immer ein bisschen bitten, betteln und rumlaufen, um zu erreichen, dass jemand mitmacht. Bei den


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Designern war das schneller gegeben, weil besonders jüngere Studierende aus dem Modebereich sich dafür interessierten und die Möglichkeit sahen, »sich mal auszutoben«. In der Freien Kunst war das ziemlich schwierig. Aber es ist möglicherweise bis heute nicht einfach, eine Crew aufzubauen. Eine, die wirklich mitmacht und das möglicherweise im nächsten Jahr noch einmal, weil die Vorerfahrung erst im Jahr darauf richtig Früchte trägt. Da die meisten aber wegfallen, fängt man immer wieder von vorne an. Das ist ein großes Problem beim Opernprojekt. Man fängt immer wieder bei Null an. Zum Beispiel im ersten Stück, »Das Medium«, da waren es, glaube ich, nur zwei Studentinnen aus dem Design, welche die Ideen entwickelt haben. Es war überhaupt niemand aus der Freien Kunst dabei. Da war es nur eine ganz kleine Crew. Unsereins war auch noch wichtiger, ich war der Tischler, weil niemand anderes an die Maschinen durfte, damals noch am Wandrahm. Als eine Treppe gebaut werden musste, hab’ ich eben eine Treppe gebaut. Die sogenannten Betreuer waren dann die Mädchen für alles. Wir haben uns ab November wöchentlich getroffen, bis in die vorlesungsfreie Zeit im Februar und dann wurde es ernst, Modelle mussten her und es musste geklärt werden, wie das mit den Kostümen wird.


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Wie hat die Zusammenarbeit mit den Musikern geklappt? Ich glaube, dass die Zusammenarbeit in unseren Opernprojekten eigentlich kaum anders sein kann als in anderen Theaterproduktionen auch. Ich denke, die Musiker erwarten, dass man ihnen die Kostüme liefert. Nachdem von jedem Maß genommen worden war, also Länge, Größe, Oberweite und so, wurde erst einmal mit Probekostümen gearbeitet und da konnte man feststellen, dass sie schon irgendwie erwarteten, bedient zu werden. Die Musiker sind oft Leute, die sich hinstellen und sagen: »So, jetzt zieh mich an, hier bin ich, hier ist meine Stimme, meine Kehle und ich spiel’ euch was vor.« Aber sie hatten kein Interesse oder haben keine Notwendigkeit gesehen, sich irgendwie mit einzubringen. Zusammengearbeitet haben wir erst in dem Moment, wo es ernst wurde, wo die Bühne eine Rolle spielte und die Musiker auch bereit waren, mal einen Handgriff mitzumachen, zu helfen, eine Kulisse umzudrehen, weil sie so schwer war und es die drei Leute aus der Gestaltung nicht alleine konnten. Am schlimmsten war es nach dem Ende des Stücks, da waren die Musiker nicht mehr dabei beim Aufräumen und Wegpacken. Da haben wir wirklich unangenehme Situationen erlebt.


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»...dass man etwas macht, was über die eigene alleinige Leistung hinausgeht.« Also hätte man sich schon eine intensivere Zusammenarbeit gewünscht? Ja! Die Musiker und Sänger haben mit uns keinen sonderlich persönlichen Kontakt aufgenommen, das war einfach eine abgeschlossene Gruppierung, die auf ihre Weise miteinander arbeitet, probt und auch schon lange vorher in irgendwelchen Kämmerchen ihre Rollen eingeübt hat. Bis die so weit waren, dass sie merkten, da kommen noch andere dazu, die den visuellen Bereich gestalten, hat das gedauert. Meine Erfahrung war, dass der eine oder andere mal neugierig war und man auch hin und wieder ganz nette Gespräche geführt hat, aber eigentlich lief es nebeneinander her.


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»Es musste eine Treppe gebaut werden, da hab’ ich eben eine Treppe gebaut. Die sogenannten Betreuer waren dann die Mädchen für alles. Es wäre sonst nicht möglich gewesen.«


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Wie sähe für Sie die ideale Konstellation von so einem Team aus? Ideal, also weiß ich nicht. Es war jedes Mal irgendwas problematisch und es war immer irgendwas toll. Man muss seh’n, dass man auch mit den Marotten von den Studierenden klarkommt, die natürlich ihren eigenen Kopf haben. Man muss versuchen, sie so einzubinden, dass das Ding am Schluss funktioniert. Für mich ist es die gemeinsame Arbeit, dass man etwas macht, was über die eigene, alleinige Leistung hinausgeht und Teamwork ist. Ist die Kunst die Dienstleisterin der Musik? Ich glaube, sie ist nicht Dienstleisterin in dem Sinne, dass die anderen uns sagen, was wir machen sollen. Renato Grünig hat nie gesagt, es muss so und so werden, er hat gesagt, ich brauche eine Treppe, ich brauche einen Tisch und einen Stuhl. In einem Libretto ist ja auch festgeschrieben, was an Handlungsgegenständen da sein muss, damit gewisse Dinge vermittelt werden. Wie das dann ausschaut, ob es golden ist, alles in Weiß oder Holz pur, das haben sie uns immer entscheiden lassen. Insofern waren wir nicht Dienstleister, sondern hatten die Möglichkeit, unsere eigenen Ideen zu entwickeln. Das war zwar eine Dienstleistung,


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aber die haben wir verstanden als von uns an sie gegeben, und nicht von ihnen abgefordert. Das ist der entscheidende Punkt. Wurde versucht, in den Inszenierungen einen Gegenwartsbezug herzustellen? Ich finde, es wurde sehr viel ausprobiert. In meiner Zeit waren wir immer in der Shakespeare Company. Dort gibt es natürlich auch einen Sachzwang, das heißt, es gibt eine Bühne, die hat eine bestimmte Dimension, eine bestimmte Höhe, eine bestimmte Breite. Wir haben dort wirklich viele verschiedene Inszenierungsmöglichkeiten versucht. Doch die interessanteren räumlichen Inszenierungen gab es danach. Zum Beispiel bei »La Betulia Liberata« im Dom, da war ich nur Zuschauer. Diese Inszenierung war eine großartige Möglichkeit, einen Raum neu wahrzunehmen und zu bespielen, das war super! Mit dieser Inszenierung konnten wir uns mit unserem Stadttheater messen, ganz locker, weil die so etwas noch nicht gemacht haben, oder wenn, dann nur ganz vorsichtig. Dann die Aufführungen im BLG-Forum. »L’Orfeo«, die war ganz wunderbar, ganz toll! Man kann sagen, es wurde wirklich extrem viel experimentiert.


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Wie ist es für Sie, jetzt Zuschauer zu sein? Ich bin eigentlich froh, dass ich es nicht mehr am Hals habe. Ich hab’ das ja abgegeben. Aber natürlich gucke ich mir an, was jetzt so geboten wird und das mit großem Vergnügen. Sowohl bei »L’Orfeo« wie auch bei »Betulia« hab’ ich wie ein Wilder gezeichnet und gemalt, die haben mich richtig inspiriert und angeregt etwas zu tun. Welche war Ihre Lieblingsoper? Das kann ich nicht sagen. Es gab bei allen Opern, an denen ich mitgewirkt habe, irgendwie interessante Stellen, die in sich rund und schlüssig waren. Es gab auch langweilige Stellen oder Probleme.





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