2015-02: TOP Magazin Dortmund | SOMMER

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GENUSS

Letzte Senfmühle Westfalens KÖSTLICHE SENF-SPEZIALITÄTEN AUS SCHWERTE Bei einer Sorte kann es schon mal leichte Geschmacksveränderungen geben – ansonsten ist da, wo Schwerter Senf draufsteht, auch immer Schwerter Senf drin. Frank Peisert, Inhaber der letzten Senfmühle Westfalens, garantiert dafür. Schließlich hat er das über hundertjährige Adriansche geheime Familienrezept im Kopf und alle Herstellungsschritte in der Hand: „Nur beim Honig-Dill-Senf nicht. Da helfen mir ein paar Bienenvölker…“ Text und Fotos: Martin Krehl

EIN SCHWERTER SENFPARADIES Unscheinbar und nicht so leicht zu finden ist die kleine Eingangstür zum Schwerter Senfparadies, neben der bekannten Event-Location Rohrmeisterei an der Ruhrstraße um das graue Künstlerhaus herum. Plötzlich steht man davor. Aber nur an Markttagen öffnet die Senfmühle auch sozusagen den Manufaktur-Verkauf – samstags vormittags und mittwochs ab 10 Uhr. Bereits 1845 ist diese Senfmühle gegründet worden, zunächst in Hohenlimburg, später zog die Kaufmannsfamilie Hegelich nach Schwerte. Benjamin Hegelich gab die Geschäfte und die Rezeptur 1902 an seinen Stiefsohn Wilhelm Adrian I. ab. 1925 hatte der schon fünf Angestellte und stellte täglich eimerweise bis zu 600 Kilo Senfpaste her. 1935 wurden die beiden Mahlgänge angeschafft, die Frank Peisert heute noch benutzt. 1939 übernahm Wilhelm Adrian II. und 1960 Wilhelm Adrian III.

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„MACH‘ IHN DIR SELBST“ Der wollte die Manufaktur angesichts der preiswerter produzierenden Industriekonkurrenz 1999 aufgeben. Im Advent desselben Jahres fehlte bei Frank und Svea Peisert Senf im Haus. „Wenn du Senf haben willst, mach‘ ihn dir selbst“, der damals 69-jährige Wilhelm Adrian hat sicher nicht gewusst, dass er mit dieser gar nicht ernstgemeinten Aufforderung an seinen letzten Kunden den Grundstein für die Zukunft der historischen Schwerter Senfmühle gelegt hat. Zu Silvester gab’s schon den Kaufvertrag, die geheime Rezeptur gab’s nur mündlich. Ostern 2002 zogen Frank und Svea Peisert mit ihrer Manufaktur ins Künstlerhaus der Rohrmeisterei. Der ganze Betrieb mit kleinem Verkaufsladen, kleinem Lager und den beiden Mahlgängen sowie der Versandabteilung passt in ein mittelgroßes Wohnzimmer. So ungefähr. „Wenn ich noch Miete zahlen müsste für einen Laden, dann lohnt sich das nicht,“ auch so muss Senfmüller Peisert gut rechnen. Und sein Sortiment dem Geschmack der Kundschaft anpassen. HOCHWERTIGE ZUTATEN Peisert bezieht seine Rohstoffe aus vertrauenswürdigen Quellen und möglichst kontrolliertem Anbau. Aus Respekt vor der Lebensleistung seines Vorgängers und der über 100-jährigen Tradition nennt Peisert den mittelscharfen Senf heute noch „Adrian“, ansonsten gibt es fast ein Dutzend wohlschmeckende Spezialsorten. Es gibt Senf mit Estragon oder Preiselbeere, Biersenf, mit Chili oder Rüben. Vom Rotweinsenf über Riesling-, Honig-Dill- bis Kräuter- oder Curry-Senf sind so viele

Geschmacksnuancen vertreten, dass die heimische Gastronomie gar nicht anders kann, als um den Senf herum köstliche Gerichte zu erfinden. Nebenan in der Rohrmeisterei, aber zum Beispiel auch im Syburger Spielbank-Casino. Mit den Rezepten seiner Kunden hat Peisert schon ein eigenes Kochbuch herausgegeben. NUR REINE SENFSAAT Niemals kommt Peisert Zucker in seine ursprünglich gelbe Paste – außer den, den besagte Bienen für die Honig-Dill-Sorte beisteuern. Keine Verdickungs- oder Konservierungsmittel: „Senf kann nicht verderben, nur an Schärfe verlieren“. Einmal in der Woche werden die Mahlgänge in Betrieb genommen, die Luft in der Manufaktur ist dann zum Weinen mit ätherischem Öl aus der Senfsaat getränkt. Wer dabei sein möchte, muss sich anmelden. Auch der Besuch im Laden lohnt – Senf gibt es auch als Geschenk oder Mitbringsel verpackt, dazu viele leckere Spezialitäten aus der Region: www.schwerter-senfmuehle.de


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