Schwerte
Die berühmt-berüchtigte Holzener Silvesternacht von 2008 auf 2009, als mehrere Dutzend betrunkene Jugendliche im Schwerter Ortsteil Holzen randalierten und Streetworker Peter Blaschke die Horde zur Räson brachte, „die gab bei mir und meiner Frau den Ausschlag, unser Geld sinnvoll auszugeben“. Egon Schrezenmaier wohnt in Holzen und erfuhr, dass Blaschke Einzelkämpfer in der Ruhrstadt ist. „Da bin ich zum Bürgermeister und habe gefragt, was ich tun kann. Wir haben wirklich Geld über, ich muss es nicht in die Firma investieren und nicht in die Schweiz schicken.“ Genc-back Schwertes Stadtoberhaupt Heinrich Böckelühr begriff die einmalige Chance sofort und nahm den heimischen Unternehmer in die Pflicht. Peter Blazsovszky heißt seit 2010 der zweite Streetworker in Schwerte. Egon Schrezenmaier finanziert den jungen Mann, der sich schwerpunktmäßig um Jugendliche mit Migrationshintergrund kümmern soll und im Jugendjargon „genc-back“ heißt. „Genc“ ist das türkische Wort für Jugend. Und weil sein Kollege Peter Blaschke für seine Quartier-Sozialarbeit draußen in Anlehnung an den Football „Quarterback“ genannt wird, ist Blazsovszky eben der „genc-back“. Geld und ein Fahrzeug braucht der „gencback“, beides bekommt Blazsovszkys Arbeitgeber, der Verein für Integrative Sozialarbeit unter dem Dach des Diakonischen Werkes, von Egon Schrezenmaier. Wenn die beiden Sozialarbeiter außer der Reihe eine Idee haben, aber keine Mittel, springt Schrezenmaier wieder ein – sei es für eine Sprayerwand, auf der sich talentierte Jugendliche verewigen dürfen, sei es für den Anhänger des Jugendamt-Spielmobils. Sponsoring sucht Nachahmer Schrezenmaiers privatpersönlich-motivierte Form des Sponsorings ist ein Alleinstellungsmerkmal: „Ich kenne im Bekanntenkreis niemanden, der so etwas tut“, räumt Unternehmer Schrezenmaier ein, der etwa bei den Versammlungen seiner Innung schon mal als Sonderling angesehen wird. „Das stört mich nicht, ich finde es schade, noch keine Nachahmer gefunden zu haben.“
Der heute so erfolgreiche Unternehmer Egon Schrezenmaier hatte nicht immer „Geld über“. Der gelernte Elektroinstallateur, der heute noch jederzeit in seiner Produktion mitanfassen könnte, stammt aus dem winzigen schwäbischen Dorf Haggenmoos in der Nähe von Ravensburg. Irgendwann verschlug es ihn nach Dortmund, wo er Niederlassungsleiter einer Firma wurde, die sich auf Kühlregale und -truhen für den Einzelhandel spezialisiert hatte. Ein Konzern schluckte die
seine Leute aber nicht auf heimische Berufsschulen – nein, die jungen Leute bekommen flott lackierte „Dienstwagen“ und besuchen eine Fachberufsschule in der Nähe von Frankfurt. Eigener Berufsschullehrer Für die fortlaufende Vertiefung des Unterrichts dann wieder zuhause in der Firma hat Schrezenmaier eigens einen pensionierten Berufsschullehrer eingestellt. Wenn es eben geht, will Egon
Peter Blazsovszky ist der „genc-back“ in Schwerte. Er kümmert sich als Streetworker vorwiegend um Jugendliche mit Migrationshintergrund. Seine Arbei wird vollständig von Egon Schrezenmaier bezahlt. Foto: Manuela Schwerte.
Firma, Schrezenmaiers Niederlassung warf zu wenig ab und sollte geschlossen werden. Da kaufte der Schwabe seinen Chefs den Unternehmensbereich kurzerhand ab. „Damals hatte ich auf einen Schlag 24 Mitarbeiter und war Chef!“
Schrezenmaier alle neun Azubis später übernehmen. Die jungen Leute haben ihre eigene Homepage im Internet und posieren jedes Jahr für den Kalender, den die Firma Schrezenmaier an die Kundschaft verschickt.
Schrezenmaier agierte auf dem Kühl möbel-Markt so erfolgreich, dass er heute im grünsten Schwerter Industriegebiet, am Nattland, einen Betrieb mit 53 Beschäftigten führt. Immer noch sind Supermarkt-Ketten seine Kunden, hier sorgt die Firma Schrezenmaier für Kühlung, Klima und Beleuchtung. Eine Tochterfirma, die FSZ Nattland mit weiteren neun MitarbeiterInnen, ist sehr erfolgreich damit, Kühl-, Klima- und Beleuchtungsanlagen für Großkunden sozusagen ferngesteuert zu betreiben.
Die Eheleute Schrezenmaier, deren Söhne längst in der Firma mitarbeiten, halten es für wichtig Verantwortung zu übernehmen auch für die Belange der Jugendlichen in ihrer neuen Heimatstadt Schwerte. „Mein letztes Hemd wird keine Taschen haben“, bemüht Schrezenmaier eine alte Weisheit: „Meine Kinder sind versorgt, die Firma läuft, meine Frau und ich haben, was wir brauchen. Wir haben viel gearbeitet, aber wir haben auch viel Glück gehabt. Vielleicht mehr als andere. Wir geben also gerne für das Streetworker-Projekt, weil es das sonst nicht geben würde“.
Schrezenmaier bildet auch aus: „Natürlich, wir brauchen noch weitere Fachkräfte“, sagt er. So einer wie er schickt
Text: Martin Krehl
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