Tonkünstler Saisonbroschüre 20-21

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«WENN ICH MEIN INSTRUMENT IN DER HAND HABE, MÖCHTE ICH IM DIALOG SEIN.» Emmanuel Tjeknavorian, Violinvirtuose und Dirigent, und Tonkünstler-Konzertmeister Kirill Maximov über die Kommunikation beim Musizieren, das Begleiten im Orchester, gute Dirigenten und eine Stradivari, die nur einen von beiden glücklich macht

Stellen wir uns folgende Situation vor: Gast­

 E M M A N U E L T J E K N A V O R I A N Als Künstler

solistin oder -solist, Dirigentin oder Dirigent

spürt man sofort, bei den ersten Tönen, ob sich

und das Orchester treffen sich zur ersten Probe,

Solist und Konzertmeister als Menschen be-

niemand kennt sich. Wann und woran merken

gegnen oder in erster Linie als Geiger. Und ob

Sie, dass die Zusammen­arbeit gut wird?

es wirklich darum geht, auf einer gemeinsamen

 E M M A N U E L T J E K N A V O R I A N In dieser Situa­

Wellenlänge Musik zu machen, sie zu leben und

tion geht es zuallererst um zwischenmenschliche

zu genießen.

Beziehungen – wie im täglichen Leben. Wenn man versucht, sie zu beschreiben, scheitert

Wie macht man es als Solist denn richtig?

man zwangsläufig, denn warum man jemanden

 E M M A N U E L T J E K N A V O R I A N Indem man von

sympathisch findet, lässt sich nicht gut in Worte

Anfang an signalisiert, dass es nicht um die

fassen. Mir reichen zwei Sekunden, um das

eigene Person geht. Jemand, der mit Allüren

herauszufinden: ein Händedruck, ein Blick in

kommt, sich prätentiös gibt und den Starvir­

die Augen. Der Rest ist Professionalität.

tuosen heraushängen lässt, wird es immer

 K I R I L L M A X I M O V Als Konzertmeister spüre

schwer haben. Wenn man dem Orchester aber

ich sofort, ob unsere Gastsolisten viel oder

vermittelt, dass man sich als Teil des Gesche-

wenig Erfahrung haben im Zusammenspiel mit

hens begreift und dass es um das Miteinander

dem Orchester. Besonders deutlich wird das bei

im Musizieren geht, kann eine wunderbare

den symphonisch angelegten Solokonzerten wie

Kommunikation entstehen.

jenen von Brahms oder Tschaikowski. Sind sie noch sehr jung oder zum ersten Mal in Wien,

Apropos Miteinander: Ist die Partnerschaft

kann es sein, dass sie am Anfang etwas nervös

zwischen dem Orchester und dem Solisten

sind. Dann braucht es etwas mehr Zeit als zwei

immer eine gleichrangige?

Sekunden, um entscheiden zu können, ob die

 K I R I L L M A X I M O V Das hängt natürlich

Chemie passt oder nicht.

vom Stück ab. In einem Paganini-Konzert beispielsweise ist die Solo-Geige ganz stark im

Was tut ein Konzertmeister, um jemandem über

Vordergrund.

diese erste Unsicherheit hinwegzuhelfen?

 E M M A N U E L T J E K N A V O R I A N So etwas spiele

 K I R I L L M A X I M O V Keine Ahnung, ob ich wirk-

ich nicht. Aus genau dem Grund: Weil ich ein

lich helfen kann – aber freundlich zu schauen

Partner sein möchte!

ist immer ein Anfang.

Im Gespräch — P 6


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