Ambulante Krankenpflege Pittelkow

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Ambulante Krankenpflege Pittelkow

30 Jahre


Inhaltsverzeichnis Impressum

Vorwort

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Idee, Konzept, Layout Callies GmbH, www.callies-kommunikation.de

1 Aufbruch Pflegen, Helfen, Betreuen

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Texte Denise Bakscha, Christian Pittelkow, Detlef Arlt Bilder Archiv Pittelkow Druck MÖLLER PRO MEDIA® GmbH, Ahrensfelde Auflage 300 Exemplare

2 Umbruch und Wandel Fürsorge mit einem Lächeln

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3 Aufstieg Gemeinsam, Miteinander, Füreinander

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4 Ausblick Gegenwart und Zukunft

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30 Jahre


Vorwort 30 Jahre Ambulante Krankenpflege Neustadt! Wenn diese Zeit vor uns liegt, erscheint sie wie eine Ewigkeit, doch wenn man sie rückblickend betrachtet und erinnert, ist die Zeit vorbeige­ rast. Wo ist sie nur geblieben, diese Zeit mit Höhen und Tiefen, mit Heiterkeit und Trauer, mit Freude und Enttäuschung, mit dem Gefühl, etwas geleistet zu haben oder gescheitert zu sein, Zeit mit Freunden und mit Neidern, Menschen, die es gut meinen und jenen, die ewig nörgeln, von Dankbarkeit und Forderungen, Verständnis, Missverständnis und Unverständnis, Wohlgefühl und ­Unwohlsein und dem Gefühl, sich eigentlich nur an die tollen Erlebnisse erinnern zu können? Es hat Spaß gemacht und Spaß bringt es immer noch! Welcher Schabernack hatte mich getrieben, vor 30 Jahren zu beginnen, Menschen in deren Häuslichkeit zu versorgen, um einen Heimaufenthalt zu vermeiden? Es war der Wille, Pflege anders aufzuziehen, Zeit für den Patienten zu haben und ihr Leben mit der Eingeschränktheit lebenswert zu gestalten. Mit Menschen umgehen zu können, die einem etwas wert sind, mit denen man teilen und lachen möchte und jenen, denen man das Lachen gern einmal gönnen würde. Von der Idee, sich selbständig zu machen, den Anfangsjahren, in denen die Stunden des Schaffens endlos waren, vom ersten verdienten Geld, vom Verzicht auf Freizeit bis zum Gefühl der Zufriedenheit – ich durfte unglaublich viel erleben, freue mich auf die nächsten Jahre und bin dankbar, mit Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind, die 30 Jahre erlebt haben zu dürfen. Ich bin neugierig auf die Zukunft, die Spannendes verspricht und bei allen elektronischen und digitalen Entwicklungen bei uns den Menschen im Mittelpunkt lassen wird. Ich freue mich auf all die verschiedenen Charaktere unserer Patienten, Kunden und Klienten und deren individuellen Art, ihr persönliches Leben zu meistern. Ich habe mir gedacht, dass 30 Jahre ein guter Anlass sind, eine kleine Chronik herauszugeben, in der Sie und Ihr alle diese Zeit nochmals erleben könnt und denen einen Rückblick bietet, die später zu uns gestoßen sind oder noch zu uns stoßen werden. Viele Dinge sind mir eingefallen, einiges habe ich glatt vergessen, aber der Humor war immer dabei! Viel Spaß beim Stöbern und Wiedererkennen an diejenigen, die mich begleitet haben! Für die letzten 30 Jahre ziehe ich, mich tief verbeugend, dankend den Hut!

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1991  – 2001

Die ersten zehn Jahre Lehrjahre sind keine Herrenjahre, das galt auch für die ersten zehn Jahre unseres ambulanten Pflegedienstes, damals noch Jürs & Pittelkow. Gut, pflegen und betreuen konnten wir, das ­hatten wir gelernt. Aber wir hatten keine Ahnung davon, wie ein Unternehmen aufgebaut und vor allen Dingen wirtschaftlich erfolgreich geführt werden muss. Das haben wir in den ersten zehn Jahren unserer eigenen Firma manchmal schmerzhaft lernen müssen. Wir Geschäfts­ führer waren noch Hans-Dampf-in-allen-Gassen und haben uns gut um unsere Patienten und die rasch wachsende Mitarbeiterschar gekümmert, uns selbst und unsere Familien aber oft genug vergessen, viel gearbeitet und noch mehr investiert.

1 Aufbruch

Wir mussten buchstäblich lernen, Unternehmer zu werden, so zu handeln und zu denken. Mit der Zeit sind wir Profis geworden und haben unsere Firma mit Hilfe unserer Kolleginnen und Kollegen aus Pflege, Hauswirtschaft und Verwaltung auf professionelle Füße gestellt.

Pflegen, Helfen, Betreuen Christian Pittelkow und Reinhard Jürs 1991 Beginn der Selbständigkeit „Die ersten Schritte“

1992 Vom Schlafzimmer in die Friedenseiche

1992 Die ersten Mitarbeiter

1993 Die ersten Dienstfahrzeuge

1998 Von der Friedenseiche vor das Kremper Tor

Der erste Angestellte: Sigurd Zachau

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Die Anfänge: Vom Schlafzimmer in die Friedenseiche Am Anfang unserer Selbstständigkeit stand die Euphorie: Wir haben endlich Zeit für den P ­ atienten, gemeinsames Frühstück inklusive. Das war die Freude, die wir Jungspunde empfanden, nachdem wir dem alltäglichen Stress des Krankenhausbetriebs entkommen waren und uns mit unserer ambulanten Krankenpflege selbstständig gemacht hatten. Doch anstatt unsere Gürtel enger schnallen zu müssen, wie am Beginn der Selbstständigkeit üblich, mussten wir unsere immer weiter machen – die Folge von bis zu drei Früh­stücken mit unseren Patienten jeden Tag. Paradiesische Zeiten, wenn ich an die absolut durchkalkulierte Pflege von heute denke. Ange­ fangen haben wir in den Privatgemächern von Reinhard Jürs – sein Schlafzimmer war unser Büro, die Küche der Aufenthaltsraum. Das ging natürlich nicht lange gut. Erstens rebellierte Reinhards Frau und zweitens wurde es sehr schnell zu eng, denn unser ambulanter Pflege­ dienst wuchs rasant. Wirklich zu zweit waren wir nur die ersten vier Monate. Als erster Mitarbeiter kam „Siggidu“ dazu, der in Wirklichkeit Sigurd Zachau heißt und ein ­alter Kumpel von uns war. Zu dritt haben wir praktisch durchgearbeitet, bis zu 120 Stunden in der Woche, der Erfolg unserer Werbetrommelei hat uns, genauso wie die Flut der Patienten, überwältigt. Sogar die Familien wurden eingespannt. Sie übernahmen die Einkäufe für unsere Klienten, indem wir der Ehefrau oder dem Sohn den Einkaufzettel der Patienten in die Hand drückten. Damals gab es noch keine Differenzierung zwischen Pflege und Hauswirtschaft und Jürs & Pittelkow waren noch die einzigen Anbieter ambulanter Pflegedienste in der ­Umgebung. Heute gehen unsere Hauswirtschaftskräfte, wenn möglich, gemeinsam mit ihren Betreuten einkaufen – oftmals ein unwahrscheinliches Glücksgefühl für die Betroffenen.

Schlüsselkästen im Wandel der Zeit

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Back Home

Ende des Jahres 1992 bestand unser Team bereits aus neun Mitarbeitern und wir versorgten morgens und abends bis zu 35 Patienten – zum Teil auch dreimal am Tag. Oftmals riefen abends noch Patienten zuhause an: „Mensch Chrischan, bringst Du mir Morgen noch ein Schwarzbrot mit?“ Das ging nicht so weiter, Arbeit und Privat­leben mussten getrennt werden. So zog die Ambulante Krankenpflege Jürs & Pittelkow 1992 in ihr erstes Büro „Bei der F­ riedenseiche 14“ ein. Der Zufall kam dabei zur ­Hilfe, man war bei der „Gothaer“ versichert und das Büro des ­zu­­­stä­n­­digen Vertreters war viel zu groß für ihn. ­­Er zog eine Trennwand ein und der Pflegedienst konnte einziehen – DreizimmerBüro mit Küche und Bad. Doch natürlich hörte das Wachstum nicht auf, mit den ersten Klinik-Kooperationen kamen Pflegeschüler, Praktikanten und Azubis und das Personal wuchs mit der ­Patientenzahl.

war ­damals unser Motto, das eine Pyramide mit Äskulap­ stab und Pflegebett umrahmte. Diese Pyramide beschrieb ­damals unsere Arbeit und ist bis heute unser Logo. Der Fahrzeugpark wuchs ständig, nicht nur, weil bis heute von den Fahrzeugen immer ­eines zuverlässig kaputt ist (siehe Kapitel Blitzpoller), sondern weil wir ständig neue Mitarbeiter einstellten. Heute sind es 130 Menschen und 40 Fahrzeuge. So wurde es auch bald in den drei Büroräumen bei der Friedenseiche zu eng für uns alle, und am 1. April 1999 zogen wir mit unserem auf mittlerweile 16 Mitarbeiter angewachsenen Team erneut um – in unsere heutigen Büroräume „Vor dem Kremper Tor“. Vier der Mitarbeiter arbeiten heute noch für uns, einige sind nach Unterbrechungen zurückgekehrt. Für die war es immer ein „Nach-Hause-kommen“, ein besseres Kompliment kann man seinem Arbeitgeber nicht machen.

„Mensch Chrischan, bringst Du mir Morgen noch ein Schwarzbrot mit?“

Bis 1994 fuhren die Mitarbeiter noch ausschließlich in ihren Privatautos zu den Patienten, kenntlich durch magnetische Firmenschilder an den Seitentüren. Die gingen aber ständig verloren und so entschlossen wir uns, endlich Dienstfahrzeuge anzuschaffen. Drei weiße Fiat 500 mit einheitlichen grünen Aufklebern machten fortan die Neustädter Straßen unsicher. „PFLEGEN, HELFEN, BETREUEN“

Durch unsere Ausbildung und Arbeit kannten wir v­ iele Gleichgesinnte und so hatten wir von Anfang an keine Schwierigkeit, Personal zu finden. Heute pflegen wir Ausbildungskooperationen mit der Ameos- und der Schön-Klinik und können so viele ehemalige Azubis für uns gewinnen.

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Die Verwaltung: Kuli, Adler und der Pieper Die ambulante Pflege und hauswirtschaftliche Betreuung sind nur die eine Seite unserer Arbeit. Die andere Seite der Medaille ist die Büroarbeit, die zwar heute weitestgehend digitalisiert ist, trotzdem aber einen immer größeren Teil unserer Arbeit ausmacht.

Das Adler-Suchsystem

Das Programm mit begrenzter Haltbarkeit

Eines habe ich bis heute nicht wirklich gelernt: Das Zehn­ fingersystem auf der Schreibmaschine, respektive Computertastatur. Bis heute setze ich die „Adler-Suchtaktik“ ein, wobei sich der Begriff nicht vom gleichnamigen Raubvogel ableitet, sondern von der uralten Adler-Schreibmaschine, auf der ich damals die ersten Rechnungen und Anträge schrieb. Eine technische Revolution waren die beiden Taschenrechner von ­Casio und Texas Instruments, sowie ein Faxgerät, das gleichzeitig drucken konnte. Der Rest der Schreibarbeit wurde noch brav mit Kugelschreiber und viel Papier erledigt.

Die Tourenplanung haben wir anfangs noch mit Kugelschreiber und Listen ­erledigt. Das ging irgendwann nicht mehr, daher stellten wir auf ein Stecktafelsystem um, das im Laufe der Zeit auf Wandgröße anwuchs. Zu unserem Glück wuchsen die Möglichkeiten der Computertechnologie parallel mit, so dass wir 1997 endlich auf ein IT-­basiertes Abrechnungsprogramm umstellen konnten. „Pflegedienst 2000“ hieß das ­Windows-basierte Programm, das aber die berühmte Stecktafel mitnichten ablöste.

Die zwei Wirtschaftswaisen brauchen Hilfe Bedingung der Krankenkasse und daher unser ständiger Begleiter war ein sogenannter „Pieper“, weil wir 24-Stunden erreichbar sein mussten, sowie ein Anrufbeantworter, selbstverständlich noch mit Kassette, auf die Patienten ihre Nachrichten hinterlassen konnten. Eine Patientin, die mit dieser Technik nicht vertraut war und meinte, einen von uns am Apparat zu haben, sprach das gesamte Band mit zunehmend ärgerlichen Anrufen über eine Durchfallerkrankung voll. Der Spaß stand an erster Stelle, die Wirtschaftlichkeit war noch nicht so wichtig. Erst als die Herren Geschäftsführer feststellten, dass sie am Monatsende durchaus mal ohne Geld nach Hause gingen, haben sie etwas verändert und 1996 die heutige Frau Noldt als Verwaltungsfachangestellte mit ins Boot geholt.

„Die ambulante Pflege und hauswirtschaftliche Betreuung sind nur die eine Seite unserer Arbeit.“

Von einer Termin- oder Arbeitsplanung war das Programm noch meilenweit entfernt. So konnte der Chef weiterhin, mitunter mit diebischer Freude, die mühsam gesteckte Tagesplanung mal kurz umschmeißen, um eine vermeintlich bessere Lösung zu finden. Dann gab es aber ein gewaltiges Problem für unser relativ neues Computer­ programm – das Millenium.

Trotz des modernen Namens hatten die Programmierer scheinbar nicht mit der Jahrtausendwende gerechnet, so dass unser „Pflegedienst 2000“ pünktlich zum Jahreswechsel seinen Geist aufgab. Die ersten Ansätze einer computergesteuerten Tourenplanung begannen um 2007, indem wir im Textprogramm Microsoft Word erste Tabellen erstellten. Das Programm „Excel“ hatten wir bis dahin noch nie gehört.

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Das Multifunktionswerkzeug beantragt eine Zusatzstunde Mittlerweile verfügen wir über eine vollintegrierte Planungs- und Abrechnungslösung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen mit iPads auf Tour, auf denen sie sofort elektronisch festhalten, was sie beim Patienten machen. Ihre Tablets sind mit unserem System verbunden, sodass wir zumindest unsere Kollegen vor Ort administrativ entlasten können. Ohne gut funktionierende IT-Lösungen wären wir vermutlich überhaupt nicht mehr in der Lage, die überbordende Administration, Dokumentation und so weiter, zu erledigen. Das einzige, was nicht mit der Technik Schritt hält, ist das Netz. Entfernen sich unsere Kolleginnen und Kollegen vom Innenstadtbereich, bricht das WLAN oft genug ab, die Chefs fliegen un­ vermittelt aus Videokonferenzen und auch die Verwaltung stöhnt über zu langsame Verbindungen. Und wer muss dann ran? Der Chef natürlich! So ist aus dem ehemaligen Gemeindebruder Chrischan mittlerweile ein Multifunktionswerkzeug geworden, aus examinierten Pflegekräften wurden Fachanwälte für Gesundheitsrecht mit Zusatzqualifikation IT-Fachmann/frau. So wurde mit viel Arbeit, Technik und einer riesigen Masse Humor aus dem Zweimann-Schlaf­ zimmerbetrieb ein komplexes Unternehmen, das immer zwischen Pflegeanspruch und Wirtschaftlichkeit jonglieren muss. Viel Arbeit auch für die Verwaltung. Christian Pittelkow hat mittlerweile für alle die 25. Tagesstunde beantragt, um die Arbeit erledigen zu können. Sie wurde bis heute nicht genehmigt.

PORTRÄT: Gemeindebruder Chrischan „Wie, ein Mann als Krankenschwester? Bist Du jetzt der Gemeindebruder ­Chrischan?“ So wurde Christian Pittelkow oft genug begrüßt, am Anfang seiner Tätigkeit. Klar, es gab die Gemeindeschwester oder die Krankenschwester. Aber ein Mann in der ambulanten Krankenpflege? Das war absolutes Neuland für die Patienten. Man einigte sich dann auf Herrn Pittelkow oder „Chrischan“, denn seine Mutter ist geborene Neustädterin, und ­natürlich kannten ihn alle „ole Lüd“. Geboren wurde Chrischan in Rendsburg, der Vater war bei der Marine, und wie das so ist bei Soldaten, zog die Familie durch die Gegend. 1978, mit 16 Jahren, kam die Familie in Neustadt an, wo Chrischan noch ein paar Jahre zur Schule ging. Anschließend machte er eine Bäckerlehre bei Bäcker Scheel in Neustadt und hat dort zum Teil sehr kleine Brötchen gebacken. Das kam nicht gut an und so hängte er die Bäckerei an den Nagel und machte nach seiner vierjährigen Bundeswehrzeit 1988 seine Ausbildung zum Krankenpfleger im Landeskrankenhaus Neustadt. In der Ausbildung hat Christian auch seine Manuela kennen und lieben gelernt. Sie blieb nach dem Examen zunächst als Krankenschwester im Landeskrankenhaus – als Sicherheits-Backup für die Selbstständigkeit ihres Mannes und weil ambulante Pflege nicht ihr Ding war. Mittlerweile führt sie zusammen mit Chrischan den Ambulanten Pflegedienst Pittelkow und ist, wie ihr Chrischan sagt „die Herbergsmutter mit Herz“. Ihr Mann war am Anfang nicht nur Krankenpfleger und Gemeindebruder, sondern auch Verwaltungsfachangestellter in Personalunion.

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Ein Leistungssprung: Vom Bauchgefühl zur kalkulierten Pflege Unser jüngster Patient war 11 Monate, unsere älteste 111. Diese beiden Zahlen beschreiben schon ganz gut das Spektrum unserer Leistungen, wobei die Pflege von Kindern ganz besondere fach­liche, zeitliche und emotionale Anforderungen stellt. Die Idee, hilfsbedürftige Menschen mit Zuwendung ohne Zeitdruck rundum zu versorgen, war meine Motivation mein Ideal. Mit diesem Konzept sind wir gestartet und hatten bei Hausärzten und Krankenhäusern ordentlich Klinken geputzt.

Die zwei Exoten auf Tour Wir – das waren zwei examinierte Krankenpfleger, Reinhard Jürs und ich, Christian Pittelkow. Zu zweit zogen wir ungefähr ein Jahr vor Beginn der Selbständigkeit los, um uns das notwendige Know-how anzueignen, befragten bekannte Pflegekräfte nach deren spärlichen Erfahrungen und kamen so zu der ersten Adresse, wenn es um private, mobile Pflege ging, der AGH Norddeutschland mit Sitz in Bremerhaven. Hier waren wir seitdem Dauergast und durchschnittlich im Vierwochenrhythmus vor Ort, fragten den Experten Löcher in die Bäuche, und fühlten uns gut gerüstet für den Start unserer Selbständigkeit. Als private Anbieter ambulanter Pflege waren wir in den 1990er Jahren Exoten, da dieses „Feld“ von karitativen Einrichtungen wie dem DRK oder die Diakonie bearbeitet wurde. Viele ­Ältere erinnern sich noch an die „Gemeindeschwester“. Ihre Berufsbezeichnung war schon damals genauso antiquiert, wie die Durchführung ihrer Arbeit – zum Glück für uns.

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Die ersten Patienten So erhielten wir relativ schnell Zulauf von Menschen, die ein breiteres Angebot als das der Gemeindeschwester benötigten. Schon am ersten Tag hatten wir unsere ersten beiden Pfleglinge, die, als Neustädter Fischer von einem Schlaganfall getroffen, pflegebedürftig geworden waren. Sie wurden zwar noch von den Ehefrauen gepflegt, aber diese zart gebauten und auch nicht mehr ganz so jungen Damen konnten den Herzenswunsch der beiden Rollstuhlfahrer nicht mehr erfüllen: sie wollten gern zum Neustädter Hafen. Als Höhepunkt des Tages schoben wir die ehemaligen Fischer im Rollstuhl zum Hafen, damit sie die ­ herausfahrenden Fischerkollegen herzlich begrüßen konnten.

„Den ersten Zehnmarkschein, den wir damit verdient haben, haben wir bis heute aufgehoben“.

Es war schon ein tolles Gefühl, die gestandenen und wettergegerbten Männer in ihrem Rollstuhl hin und her wippen zu sehen, wie sie in ihrer eigenen Gebärdensprache und lauten Rufen „ihren Fischern“ ein erfolgreiches Fangergebnis wünschten. Denn sprechen konnten die beiden infolge des Schlaganfalls nicht mehr. Und wer noch nie einen bemannten Rollstuhl durch Neustadt geschoben hat, weiß nicht, wie der an Hügeln drückt und schiebt. Das war harte Arbeit. Den ersten Zehnmarkschein, den wir damit verdient haben, haben wir bis heute aufgehoben.

Pflege im Gutshof oder Vorzelt Die Qualität der Patientenversorgung änderte sich fast mit jeder Aufnahme. Die Zuweisungen der pflege- oder behandlungsbedürftigen Menschen kamen von den niedergelassenen Ärzten, Fachärzten, aus den Krankenhäusern und vor allem aus dem breiten Spektrum der Häuslichkeit: Von der Wohnung im 8. Stockwerk eines Hochhauses, über Zweizimmer-Wohnungen in Mehr­ familienhäusern, bescheidene Häuschen, Deputatkaten mal mit, mal ohne Strom, Resthöfe, Gutshöfe und Ferienwohnungen war alles dabei. Improvisation war und ist bis heute ein wichtiges Thema und die Umsetzung erfordert ein h ­ ohes Maß an Kreativität. Und da wir in einer Region leben, in der andere Urlaub machen, durften wir auch eben diese Urlauber pflegen. Die Ferienwohnung, das Ferienhaus und nicht zuletzt das ­Vorzelt oder Duschhaus auf den Campingplätzen rund um Neustadt und Grömitz waren dann unsere Arbeitsplätze – zum Teil äußerst gewöhnungsbedürftig und am Rand des Machbaren, wenn die Schwester den demenzkranken Camper zur Morgenpflege ins Duschhaus begleitete. Wohin, Männlein oder Weiblein? Dann eben doch das Familienbad!

Die Pflege hat sich verändert – Wir auch Vom „Rollstuhl schieben“ und „Kaffeeschnack“ bis hin zur Intensivpflege ist ein langer Weg. Anfangs war es „Learning by Doing“, wir haben uns praktisch alles selbst beigebracht – auch das Lernen um die Wirtschaftlichkeit eines Betriebs. Und in unserer Arbeit kristallisierte sich schon bald deutlich heraus, dass ein ambulanter Pflegedienst eben keine reine Altenpflege leistet, sondern alle Disziplinen abbilden muss: Enterale und parenterale Ernährung, modernes Wund­management, die Versorgung eines Fixateurs externa, onkologische Erkrankungen, Versorgung nach Schlaganfällen oder Herzinfarkten, die schwierige Betreuung von Demenzkranken, Immunsuprimierte und die sehr belastende Versorgung von palliativen oder sterbenden Patienten. Hier ist vor allem die Begleitung von Kindern in ihrer letzten Phase unglaublich belastend. Aber nicht nur die Patienten erhielten ihre Versorgung. Oftmals brauchten auch die pflegenden Angehörigen ein hohes Maß an Zuwendung, wenn der Pflegling ungewohnt reagiert hat oder sich sein Leiden verschlimmerte.

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PORTRÄT: Die drei Musketiere Antje Noldt 350 Patienten wollen schnacken und wir müssen uns beeilen Die heutige Pflege ist nicht mehr mit den Anfängen zu vergleichen. Sie ist sehr vielseitig geworden und hat sich auch technisch hoch entwickelt. Eine Heimbeatmung war zu Beginn der ambulanten Krankenpflege überhaupt nicht denkbar, die Geräte waren zu groß und viel zu teuer. Heute ist ein Beatmungsgerät nur noch so groß wie ein Teller und dank moderner Technik in der Anwendung einfach. Aber auch unsere Patienten, Klienten oder Kunden, wie wir sie heute nennen, sind professioneller geworden. Haben wir uns früher so weit wie möglich nach ihren Wunschterminen gerichtet, ­müssen sie sich heute nach unserem straff durchorganisierten Tagesplan richten – manchmal ­zähneknirschend aber meist sehr verständnisvoll. Denn es geht heute darum, die uns zur Ver­ fügung stehenden Zeitressourcen optimal auszunutzen. Wir wollen nicht, dass die Pflegekraft ­ihre Zeit im Auto verbringt, sondern beim Patienten. Und das funktioniert nur mit optimaler, ­IT-gesteuerter Planung. So sind innerhalb von 30 Jahren aus den zwei fröhlich winkenden Fischern im Rollstuhl ca. ­ 350 Patienten geworden, die täglich versorgt werden müssen und zum Teil sehnsüchtig auf die Pflegerin oder den Betreuer warten. Und das auch immer noch, um mal „einen auszuschnacken“!

Sie ist ein Urgestein bei der ambulanten Krankenpflege Neustadt. Seit 1996 ackert sich Antje Noldt erfolgreich durch unseren Bürokram. Aufgewachsen ist Antje Noldt in Neubrandenburg, ist dort zur Schule gegangen und hat danach Technische Zeichnerin und Bürokauffrau gelernt. Über eine ­Weiterbildung zur Fachwirtin für Seniorenwirtschaft ist sie mit der Alten- und Krankenpflege in Kontakt bekommen. Anfang der Neunziger Jahre hat sich ­Antje Noldt die Ostseeküste hoch bis nach Neustadt gearbeitet, wo sie dann schließlich ihre Familie gegründet und vor 25 Jahren bei damals noch Jürs & Pittelkow die Verwaltung auf Vordermann gebracht hat. Das war bitter nötig, denn die beiden waren mitnichten Bürohengste und froh, dass ein Profi ihnen diese Arbeit abnahm. Bis 2004 hat sie alles allein gemacht, dann kamen zunächst zwei Kolleginnen dazu, heute leitet sie den Bereich Finanzen und Controlling und arbeitet mit sechs Kolleginnen und Kollegen zusammen. Privat liebt Antje Noldt ihren Garten, verbringt viel Zeit mit ihrer Familie und verreist leidenschaftlich gern. Bis heute schätzt sie den Zusammenhalt, die Fröhlichkeit und das tolle Arbeitsklima bei ihrem Arbeitgeber – und deshalb ist sie auch nach 25 Jahren immer noch voll motiviert dabei.

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Alltagsgeschichten: Die schwerhörige Grog-Genießerin Es ist kein Geheimnis, dass das Alter die ein oder andere Einschränkung des körperlichen Zustandes mit sich bringt. Die Schwerhörigkeit gehört zu den bekanntesten Veränderung der menschlichen Sinne im Alter. Sie isoliert die darunter Leidenden sogar, wenn Hörgeräte zur Verfügung stehen, die so gar nicht auffindbar sind, wenn man diese dann braucht. Denn sie sollen so klein und zierlich wie möglich sein, damit die Schwerhörigkeit unentdeckt oder zumindest unauffällig bleibt.

Een steepen Grog

Dramatische Rettung

So wie bei Frau Jensen. Ihre Hörgeräte waren immer „irgendwie wech“! Bei ihr kam zur Schwerhörigkeit z­ usätzlich eine eingeschränkte Mobilität hinzu, Frau ­Jensen konnte sich ausschließlich mit einem Rollator fortbewegen. Gebürtig aus der Rumstadt Flensburg hatte die alte Dame außerdem eine Schwäche für einen „steepen Grog“. Und der war abends ziemlich „steif“ – ganz nach dem Motto „Zucker vielleicht, Wasser kann, Rum muss!“ Nach diesem Rezept durften wir ­diesen Schlummertrunk bei der Abend­­versorgung anmixen, wobei wir immer herzlich eingeladen wurden, uns auch einen zu gönnen. „Mack di glieks en mid!“ Nöö, magst nich? Denn geev mi man nock een!“, waren ihre allabendlichen Angebote. Die allseits bekannte Wirkung des Grogs führte dann manchmal dazu, dass Frau Jensen abends ihr Bett nicht fand oder erreichte, da sie mitsamt Rollator „kapeister ging“ und der Schwerkraft folgend auf dem Boden liegend auf ihren Retter vom Pflegedienst wartete.

Traf die Pflegekraft dann ein, ergaben sich Schreckmomente der besonderen Art: Frau Jensen, des Wartens überdrüssig, schlief kurzentschlossen, verwickelt in ihren Rollator, ein – ein dramatisches Bild. Da sie auf keinen Zuruf reagierte, nahm die Pflegekraft an, dass Frau Jensen nach ihrem Sturz von uns gegangen sei. Sie näherte sich der liegenden Dame an, um ihre Atmung zu überprüfen. Nase an Nase erwachte die überaus schwer­ hörige Frau Jensen mit einem erschreckten Aufschrei aus ihrem, einem Koma nicht unähnlichen Schlaf, was wiederum zur Folge hatte, dass sich auch die Retterin enorm erschreckte und ebenfalls aufschrie „Oha da hest du di wohl bannig verfeert!? Dor mööt wir woll een Grog hebben!? Aver en ordentlichen, näh!“, war die Reaktion der Grog-Genießerin. Natürlich lehnte die Pflegekraft ab und enttäuscht ließ sich Frau Jensen dann ins Bett begleiten, um selig weiterzuschlafen. Der nächtliche Einsatz jedoch führte dazu, dass das Einschlafen für die Pflegekraft nicht ganz so einfach war!

Der eingeschlossene Monteur Eines Tages, lange vor dem Siegeszug der Handys, war die Heizung von Frau Jensen kaputt. Ein Monteur, den wir im Auftrag der Angehörigen bestellt hatten, wurde von unserer anwesenden Pflegekraft gegen halb zehn am Vormittag eingelassen und begab sich in den Keller. Die Pflegekraft verließ nach Erledigung ihrer Aufgaben das Haus und wir gingen davon aus, alles bestens geregelt zu haben. Bis wir gegen 17 Uhr einen Anruf von der Heizungsfirma bekamen, ob wir etwas über den ­Verbleib ihres Monteurs wüssten, er hätte sich den ganzen Tag nicht gemeldet Wussten wir nicht, aber uns kam ein schlimmer Verdacht und so fuhr ich zu Frau Jensen. Die hatte am Vormittag die offene Kellertür entdeckt und sie, wie immer, sorgfältig verriegelt. „Na min Jung, willst wedder n‘ Grog hebben?“, fragte sie mich. Nein, ich musste den armen Monteur befreien, dessen zunehmend verzweifeltes Klopfen und Rufen Frau Jensen aufgrund ihrer Taubheit überhaupt nicht wahrgenommen hatte, zumal sie völlig vergessen hatte, dass überhaupt ein Monteur in ihrem Haus war. Der knapp dem Hungertod entgangene Mann war äußerst dankbar, den angebotenen Grog hat er trotzdem abgelehnt.

„Zucker vielleicht, Wasser kann, Rum muss!“

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2001  – 2011 2

Einführung: Der Abschied vom sozialen Gedudel

Umbruch und Wandel

Fürsorge mit einem Lächeln

Die zweite Dekade meiner Selbstständigkeit war einerseits geprägt von großen Umbrüchen wie dem Ausstieg meines Partners Reinhard Jürs und der daraus resultierenden Umstrukturierung der Firma, andererseits auch von einem unglaublichen Schub an Professionalisierung unserer Arbeit. 2004 vergrößerten wir uns schlagartig durch die Übernahme des „Betreuten Wohnens“ in der ­Grömitzer Höhe. Auf einen Schlag bekamen wir 25 neue Patienten plus sieben neue Mitarbeiter hinzu. Durch die Weiter­entwicklung der Pflegeversicherung ergaben sich neue Geschäftschancen, wir sind weiterhin rasant gewachsen. Dafür musste ich das Unternehmen umstrukturieren, mich selbst aus dem aktiven Tagesgeschäft herausnehmen und mich auf die Steuerung und Entwicklung unseres Pflegedienstes konzentrieren. Das Tagesgeschäft lag von nun an in den Händen zweier Geschäftsführerinnen, eine für die Pflege und die andere für die Verwaltung – mir blieb die Rolle des „el Presidente“ als Inhaber und Generalverantwortlicher. Vom sozialen Gedudel des ersten Jahrzehnts habe ich mich verabschiedet und aus unserem Pflegedienst wurde ein soziales Wirtschaftsunternehmen, dessen Ziel nicht nur die optimale Patientenversorgung, sondern auch das Erzielen von Gewinnen ist, um meine Mitarbeiter anständig bezahlen zu können. Die neue Organisation arbeitete sehr erfolgreich, aber ich habe in diesem Jahrzehnt auch die dunkelste Stunde meines Unternehmertums erleben müssen.

2003 Handelsvertretung für Medizinprodukte mit Fresenius Kabi

2004 Betreutes Wohnen Grömitzer Höhe

2005 Ausstieg Reinhard Jürs

2007 Umstrukturierung mit Kompetenzen

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Abschiede schaffen Platz für Neues Es ist nicht leicht, sich von Weggefährten zu verabschieden, sei es aus dem Job oder aus dem Leben. Aber hinter jedem Abschied steht ein Wandel, der oftmals etwas Großartiges hervorbringt – wie beim neugeborenen Ambulanten Pflegedienst Pittelkow.

Ein Partner geht Unser zweites Jahrzehnt war geprägt von großen Umbrüchen und Umwälzungen: Die neue ­Pflegekasse wurde 1995 gegründet, neue Abrechnungsmöglichkeiten geschaffen und mit der Einrichtung der Pflegestufen, heute Pflegegrade, öffnete sich ein ganz neuer Markt für Pflegedienste. Allein das war schon Motivation genug, auch Einzelleistungen anzubieten, über die wir früher nie nachgedacht hatten.

Wir feiern Abschied

Der nächste große Umbruch für unser Unternehmen war 2005 der physische Ausstieg von Reinhard Jürs aus gesundheitlichen Gründen. Er konnte und wollte einfach nicht mehr jeden Tag 12 Stunden und mehr arbeiten. 2007 ist er dann endgültig aus der damals noch als GBR fungierenden Firma ausgeschieden und seitdem bin ich alleiniger Inhaber der dann in Ambulante Krankenpflege Neustadt umbenannten Firma. Mit ihm hat unser Unternehmen damals einen absoluten Sympathieträger verloren und ich einen meiner besten Freunde.

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Die Wirtschaftlichkeit gerät in den Fokus Ich habe die Firma dann entsprechend umstrukturiert, mit der Pflegedienst- und einer kaufmännischen Leitung 2009 eine zweite Geschäftsführungsebene eingezogen und Kompetenzen abgegeben. Denn allein war der Laden nicht mehr zu wuppen und es war auch an der Zeit, unseren Pflegedienst auf wirtschaftlich gesunde Füße zu stellen, was die neue Leitung auch erfolgreich umgesetzt hat. Sie haben den Patientenstamm analytisch durchgeschüttelt und kostentechnisch auf neue Beine gestellt. Die Tourenplanung wurde von Patienten-Wunschzeiten auf eine wirtschaftlich logistische Zeitplanung umgestellt, was natürlich anfangs zu erheblicher Unruhe unter den Patienten führte, aber wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung unseres Unternehmens führte. Mit der Zeit hat sich eine gut geölte Maschine etabliert, die aber trotz aller wirtschaftlichen Zwänge nie die Fürsorge und Menschlichkeit vergessen hat – getreu unserem damaligen Motto „Fürsorge mit einem Lächeln“. Senioren-Tennis mit Fliegenklatsche

Von der Wald- und Wiesenzur Intensivpflege

„Wir haben trotz aller wirtschaftlichen Zwänge nie die Fürsorge und Menschlichkeit vergessen“ .

Die Umstrukturierung gab der Firma eine weitere, ungeheuere Dynamik. Wir waren weiterhin auf rasantem Expansionskurs. Aus einer Verwaltungsangestellten wurden vier, die auch irgendwo untergebracht werden wollten. Auch das Pflegeteam wuchs entsprechend mit, auf fast 30 Mitarbeiter. 2010 haben wir die Bereiche Pflege und Hauswirtschaft/Betreuung getrennt, was das Team noch einmal anwachsen ließ. Die kleine gemütliche Höhle am Kremper Tor reichte nicht mehr, wir mussten und konnten zum Glück Räume am Standort dazu mieten.

Tagestreff in der Grömitzer Höhe

Auch die Professionalisierung schritt weiter voran: Aus der Wald- und Wiesenpflege der neunziger Jahre wurde mehr und mehr eine spezialisierte Intensivpflege, die allerdings sehr viel Spezialwissen und fortgeschrittene Fähigkeiten verlangte. Führungskräfte und Mitarbeiter haben sich in vielen, von uns finanzierten, Schulungen und Fortbildungen weiterqualifiziert – auch damit wir weitere Mitarbeiter aber auch Angehörige weiterbilden und gegenüber den Kostenträgern jederzeit den richtigen Schein für unsere Arbeit vorzeigen konnten.

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Begriffe und Bestechung: Patienten und das Honigglas Die Menschen, die wir betreuen, sind ein bunter Querschnitt durch die Ostholsteiner Gesellschaft. Ganz jung und ganz alt, arm und reich, herzensgut oder garstig griesgrämig. Neben unserer ­fachlichen Qualifikation ist da auch jede Menge Menschenkenntnis und vor allen Dingen Geduld gefordert.

Leidend oder qietschfidel

Begleitung bis zum Schluss

Wie nennen wir die Menschen, die wir betreuen. Auch die Bezeichnung für sie hat mit den ­Jahren einen Wandel erfahren. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts hießen sie „Patienten“ ganz klar, den Begriff kannten wir aus dem Krankenhaus. „Patient“, abgeleitet aus dem Latei­nischen „patiens“ bedeutet „leidend, erduldend“. Aber ist die quietschfidele Seniorin, deren Wohnung wir aufräumen wirklich leidend? Oder erduldet der rüstige Rentner es nur, wenn wir ihm morgens seine Kompressionsstrümpfe anziehen?

Durch meine Mitarbeit im Hospizverein und eine Weiterbildung zum Palliativpfleger konnten auch Patienten in der Palliativpflege darauf vertrauen, dass wir bis zum Ende zugewandt und empathisch für sie da sind. Dieser zutiefst menschliche Aspekt bewog uns dann auch 2010, den Slogan „Fürsorge mit einem Lächeln“ zu entwickeln. Er sollte nicht nur freundliche Zugewandheit, sondern auch unseren Humor herausstellen, ohne den eine Arbeit in der Pflege nicht möglich ist.

So haben sich im Laufe der 2000er Jahre eher die Bezeichnungen „Kunde“ oder „Klientin“ bei uns eingebürgert, sehr zum Leidwesen einiger Menschen. „Ich bin kein Kunde von Ihnen, der zu Ihnen in den Laden kommt, und etwas kauft“, haben wir oft genug gehört. Menschen, die krank sind, sehen sich nach wie vor als Patienten, die von uns gepflegt werden. Also handhaben wir die drei Begriffe doch eher flexibel.

Tagespflege Grömitz: eigentlich erfolgreich aber wirtschaftlich bankrott

Wir sagen freundlich nein danke

Schon lange ging ich mit der Idee schwanger, uns nicht nur um unsere Patienten zu kümmern, sondern auch den pflegenden Angehörigen mehr Zeit für sich und etwas Luft zum Atmen zu verschaffen. Dafür haben wir 2010 in der Grömitzer Kleinen Bergstraße die Tagespflege eröffnet, mitsamt einem Pflegehotel, in der pflegebedürftige Menschen von qualifizierten Kräften betreut, den Tag oder sogar einen Urlaub verbringen konnten. Finanzierungsmöglichkeiten durch die Pflegeversicherung waren vorhanden, reichten aber nicht aus und der Kreis Ostholstein sah es überhaupt nicht ein, die Refinanzierung der restlichen Kosten zu übernehmen, sondern nur die Hälfte dazu zu schießen. So musste ich das eigentlich erfolg­ reiche Experiment nach anderthalb Jahren im November 2011 schweren Herzens abbrechen – eine der dunkelsten Stunden meiner Selbstständigkeit.

Ein Problem für uns sind die herzensguten Patienten, Kunden, Klienten, die ihre Dankbarkeit gern mit Geschenken in jedweder Form zeigen möchten – sei es der „Zwanni“, der gern mal zugesteckt werden möchte oder sogar wertvolle Gegenstände, die uns geschenkt werden sollen. Ich habe am Anfang unserer Tätigkeit tolle Wolldecken, Pferdeköpfe oder Mahagonielefanten geschenkt bekommen – und meist gleich eingelagert, denn die Angehörigen wollen das oft genug gar nicht. Aber wir dürfen und wollen Geschenke nicht annehmen, denn erstens werden wir für unsere ­Arbeit bezahlt, zweitens haut uns das Finanzamt derartige geldwerte Vorteile um die Ohren, ­drittens schätzen es Angehörige oft überhaupt nicht, wenn ihr potenzielles Erbe weggeschenkt wird und viertens werten die scharfen Antikorruptionsgesetze das Annehmen von Geschenken als Bestechung. Also lehnen wir den lieb gemeinten kleinen Geldschein ebenso ab, wie das von Herzen kommende Glas Honig.

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PORTRÄT: Die drei Musketiere Denise Bakscha Schmieren zwecklos

„Und der Oskar geht an ...!“

Dafür gibt es einen weiteren guten Grund: Wir sind auch Kontrollinstanz für die Pflegestufen bzw. Pflegegrade der pflegebedürftigen Patienten. Die allermeisten dieser Menschen sind wirklich sehr krank – einige aber auch nicht. So hat mich ein Patient mit der damaligen höchsten Pflegestufe 3 einmal mit 200 Sachen auf der Autobahn überholt, ein anderer „Schwerkranker“ wollte gerade mit federndem Gang in Hut und Mantel sein Haus verlassen, als ich etwas zu früh zur K­ ontrolle kommen wollte. Da versuchen es diese Menschen ­natürlich auch mit etwas Schmiere. Bis ich ihnen sage, dass ich zwar Pflegestufen, bzw. Pflegegrade besorgen, aber nicht a­ berkennen kann. Dann gibt sich das auch mit den Bestechungsversuchen und die Wolldecken werden kleiner.

Jede Chefetage braucht Führungskräfte, die das tägliche Geschäft erledigen, damit sich der Chef um die drei großen „V“ kümmern kann: Verantwortung, Verbandsarbeit und Verreisen. ­ Der ambulante Pflegedienst Pittelkow hat gleich Führungspersönlichkeiten in der zweiten Reihe aufgestellt. Eine davon ist Denise Bakscha. Denise gehört zu den Urgesteinen bei Pittelkow. Ihr Talent und ihren unbedingten Willen haben wir erkannt, nachdem sie vom Fahrrad gefallen war und sich die Knochensplitter selbst herausoperierte, um möglichst schnell wieder arbeiten zu können. Seit 2005 arbeitet die examinierte Krankenschwester bei uns, zunächst als Pflegekraft und dann zunehmend auch als Managerin und Pflegedienstleiterin – denn sie hat zweifelsfrei ein Händchen für das Geschäftliche und Juristische. Anfangs hat sie noch beides unter einen Hut gekriegt, aber einerseits wurden die administrativen Aufgaben immer mehr und zweitens ist sie vor einigen Jahren Mutter geworden. Aber von wegen Mutter­ schutz und Rückzug in die Kindererziehung: Bis kurz vor der Geburt und acht Wochen danach saß Denise wieder in ihrem Büro. Ihre Tochter betreute ihr Mann, der sich ein Vaterjahr nahm und die Kleine sogar ins Büro brachte, wenn Stillzeit war. Heu-

te ist die Kleine im Kindergarten, der Mann wieder bei der Arbeit und Denise ganz das fröhliche Arbeitstier, das ihre Kollegen so lieben und ohne die der Chef nicht kann. Aber trotzdem hat sich Denise vor einigen Jahren schweren Herzens aus der aktiven Pflege zurückgezogen. Heute ist die gebürtige Neustädterin mit ihrer Position als Leiterin der Niederlassungen Neustadt und Grömitz voll ausgelastet. Dabei trennt sie Arbeit und Privatleben nicht voneinander. Ganz nach dem Motto „gemeinsam, miteinander, füreinander“ verschwimmen die Grenzen, denn sie und ihre Kolleginnen und Kollegen verbringen alle auch häufig private Zeit miteinander. Das heißt aber nicht, dass sie ihrer Leidenschaft, dem Reisen, nicht mehr frönen kann. Wann immer es geht, packt die Familie ihre Siebensachen und ab geht es – entweder für einen Kurztrip an unsere schöne Küste oder für länger irgendwo hin, vorzugsweise ins ost- und südosteuropäische Ausland, das sie aufgrund ihrer Herkunft und ihren familiären Wurzeln schätzen und lieben. Inzwischen vertrauen wir ihr alles an – außer einem Fahrrad.

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Die Blitzpoller: Vom ersten Corsa zum professionellen Fuhrparkmanagement Ein ambulanter Pflegedienst muss eine fließende Versorgung sicherstellen. Dafür müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mobil sein. Natürlich gibt es je nach Standort und Region diverse kreative Fortbewegungsarten wie Schlitten und Skier im Hochgebirge, Loren oder Schlickrutschen auf den ­Halligen. Sicherlich wird der eine oder andere Pflegedienst auch in die Luft gehen oder per Boot ein ­Gewässer überqueren. Wir als küstennahe Flachland-Dienstleister haben uns aus ökonomischen Gründen für das Auto entschieden.

Zwei Flitzer und ein bunter Fuhrpark Zunächst fuhren die Inhaber des frisch gegründeten ambulanten Pflegedienstes Jürs & Pittelkow ganz bescheiden in ihren Privatfahrzeugen zu den Einsätzen. So flitzten ein älterer, schwarzer Opel Corsa und ein nicht minder betagter, blauer Fiat Tipo durch Neustadts Straßen. Doch die Auftragslage wurde besser, die Patienten mehr, es wurden Mitarbeiter eingestellt und analog dazu wuchs die Zahl der Kraftfahrzeuge. Ein bunt gemischter Fuhrpark mit einem Peugeot 106, einem Fiat Uno, einem Opel Omega, einem Peugeot 206 und einem VW Polo entstand. Wartung und Reparaturen in verschiedenen Werkstätten wurden immer komplizierter, also entschlossen wir uns, auf Dienstfahrzeuge umzusteigen. Die ersten drei geleasten Fiat Cinquecento vom Autohaus Reher sollten den steigenden Bedarf decken. Aber der wuchs kontinuierlich und wir mussten bei der Auswahl der KFZ darauf achten, dass die Werkstatt genug Kapazitäten hatte, um unsere Flotte mobil zu halten. Die Werkstattkosten entwickelten sich nämlich rasant – nicht etwa durch Pannen oder unzuverlässige Autos, sondern durch viele Unfälle. Auswirkung eines „Blitzpollers“

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Die Blitz-Poller und ein depressiver Versicherungsvertreter Wir nahmen an, dass sich die hohe Schadensquote mit ein wenig Verkehrserziehung hier und einem Fahrsicherheitstraining dort beheben ließe. Ein Trugschluss, wie wir feststellen mussten. Zu groß sind der Zeitdruck und zu hoch das Verkehrsaufkommen, so dass manche Unfälle nur schwer vermeidbar sind. Die meisten Unfallschäden sind allerdings auf Wetterereignisse, wie Stark­regen, Schnee oder Glatteis zurückzuführen. Doch nicht alle: Ein weiteres, höchst besorgniser­regendes Naturschauspiel ist der lackfressende Blitz-Poller. Dieser raubtierähnliche Betonpfeiler verharrt jahreszeitenunabhängig in lauernder Starre, um dann in unbeobachteten Momenten wie ein Blitz hinter ausparkende KFZ zu hechten, und völlig lautlos, langsam wachsende, aber hartnäckige Kratzer und Beulen zu verursachen, die erst bei der nächsten Fahrzeuginspektion ganz plötzlich auftauchen. Die Schadensfälle an den Leasingfahrzeugen häuften sich und mussten in unserer Werkstatt vertragsgemäß auch sofort behoben werden, was unseren anfangs so fröhlichen KFZ-Versicherungsvertreter in tiefe Depressionen stürzte. Daraufhin zeigte uns sein Arbeitgeber die rote Karte in Form von unverhältnismäßig hohen Prämien. Also haben wir uns entschlossen, die Fahrzeuge in Zukunft zu finanzieren, da die Fraßschäden der Blitzpoller, kleine Beulen und Lackschäden, nicht zwangsläufig repariert werden müssen.

Die Erfindung des autonomen Fahrens Bis heute verzeichnen wir eine Menge Schäden an und in den Fahrzeugen, verursacht durch ­andere Verkehrsteilnehmer aber auch durch Stress und Unaufmerksamkeit. Neben den bereits erwähnten Kratzern und Beulen blieben dabei Frontscheiben, Außenspiegel und Stoßstangen in

Grabenkämpfen, Schleudereien und serienreifen Überschlag-Stunts auf der Strecke. Eine vergessene Handbremse, die die Pittelkow-Fahrzeuge zu autonomen Fahrzeugen machten, lange bevor Elon Musk diese Funktion in seine Teslas einbaute, aufgesetzte Fahrzeuge auf dem Kantstein, mit viel Schwung befreit, Schneeverwehungen, die sich als unüberwindbar erwiesen, Demenzkranke, die während der Autobahnfahrt schon mal aussteigen wollten, Liegenbleiber auf dem Grömitzer Kreisel, natürlich zur Rushhour, verlorene Schlüssel und so weiter und so weiter. Zum Glück wurde dabei nie jemand ernsthaft verletzt, und so können wir uns heute noch schmunzelnd daran ­erinnern.

Der Fuhrparkmanager und der Fahrspaß Natürlich hat die Verwaltung der Fahrzeuge mitsamt der Schadensbearbeitung jede Menge ­Manpower gebunden, sodass wir uns 2019 entschlossen, auch das Fuhrparkmanagent zu professionalisieren. Heute kümmert sich ein Fahrzeugmanager um die rund 40 Pittelkow-Fahrzeuge, meist Skoda Citigo, die mit unserem Logo über die Straßen der Kreise Ostholstein und Plön fahren. In Kürze kommt das erste e-Auto in die Flotte, denn auch wir sehen unsere Zukunft langfristig klimaneutral. Die Ausstattung unserer Autos hat sich im Laufe der Jahre enorm entwickelt. Anfangs war der Anschaffungspreis das Entscheidungskriterium, heute stehen Sicherheit und Komfort im Vordergrund. Wir können unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwar immer noch keinen Rolls Royce bieten, aber Navigationsgerät, Freisprecheinrichtung und Klimaanlage können die Situation häufig entspannen und zum Fahrspaß beitragen Und das ist wichtig, denn unsere PKWs und ihre Insassen spulen zwischen 20.000 und 25.000 km pro Jahr ab. Sie w ­ ühlen sich durch den dicksten Urlauberverkehr im Sommer, kämpfen mit den Unbilden des Winter­ wetters – und natürlich saisonübergreifend mit den Blitz-Pollern.

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Alltagsgeschichten: Siggi und der goldene Schuss Bei unseren Einsätzen erleben wir immer wieder ungewöhnliche Situationen, die, wie diese ­Geschichte zeigt, unsere körperliche Gesundheit bedrohen könnten. Sie stellen sich dann aber in fast allen Fällen als harmlos und im Nachhinein als wirklich lustig heraus. Wie zum Beispiel dieser Vorfall in Neustadt.

Wie der Beginn einer Gruselgeschichte Ein Arzt, mit dem wir zusammenarbeiten, bat mich, bei einem älteren Ehepaar in bester Wohnlage vorbeizuschauen, da sie seiner Ansicht nach Unterstützung benötigten. Er gab mir dabei einen guten Rat mit auf den Weg: „Erscheinen Sie nicht in den weißesten Klamotten und gehen Sie nicht allein!“. Ich befolgte seinen Rat zumindest zum Teil und nahm meinen Kollegen Siggi Zachau mit zum Einsatz. Das Haus neben einer Sparkassenfiliale machte mit seiner gepflegten Fassade, Blumen­beeten und einem blühenden Kirschbaum einen guten Eindruck. Nach dem Klingeln öffnete uns eine ältere Dame, begrüßte uns herzlich und bat uns, ihr zu folgen. Wir folgten ihr durch einen langen Flur, die freundliche Helligkeit des Eingangs wurde zu einem schummrigen, fahlen Licht, bis wir auf eine verschlossene Tür stießen. Mit einem leisen, aber vernehmlichen „Moment“ fingerte die Ehefrau auf einem über der Tür hängenden Regal herum und zeigte uns schließlich einen leicht angerosteten Schlüssel. Die Dame führte ihn umständlich in das Schlüsselloch ein – er ließ sich erfreulich leicht drehen. Nach zwei Umdrehungen drückte sie die Klinke herunter und die Tür bewegte sich wie im Zeitraffer mit einem leicht schlurfenden, quietschenden Geräusch.

Die alte Hexe Der Anblick, der sich uns präsentierte, ließ mich ahnungsvoll an den Rat des Hausarztes hinsichtlich unserer weißen Dienstkleidung denken, den wir natürlich nicht beachtet hatten. Das Schlafzimmer der in die Jahre gekommenen Eheleute zeigte sich nun in ganzer Pracht: Im Vordergund stand ein Doppelbett in dunkler Eiche, offenbar aus den Anfangsjahren der langen Ehe, begleitet von ebenso in Eiche gehaltene Nachttische beidseitig vom Bett, in der Ecke ein dazu passender Kleiderschrank. In der Mitte des Bettes, vom kärglichen Licht eines Fensters erhellt, lag der Ehemann. Der Zustand dieses Herrn war vergleichbar mit dem von Robinson Crusoes zum Ende

seiner Leidenszeit auf der einsamen Insel. Das Bett schien der Insel nicht unähnlich und eine nähere Inspektion des Patienten zeigte ihn in einem erbärmlichen körperlichen Zustand. Meine Blicke und die meines K­ ollegen trafen sich erst, als ich vergeblich nach der lautlos ent­schwundenen Gattin gerufen hatte, von der ich mir Informationen erhoffte, da der Ehemann nur spärlich Auskünfte geben konnte oder wollte. Nach dem Verbleib seiner Frau befragt, reagierte er allerdings deutlich: „Die alte Hexe ist wohl in der Küche!“ Hier hatten wir es also mit einem klassischen Beispiel einer langen eher unglücklich verlaufenden Beziehung zu tun.

Das Unheil nimmt seinen Lauf Nichtsdestotrotz erhielten wir in der Folge einen Pflege­ auftrag. Wir statteten den Patienten mit Pflegebett, Toiletten- und Rollstuhl aus, ­richteten sein Schlafzimmer gemütlich, aber praktisch her und positionierten das Bett auf Wunsch des bettlägerigen Herrn so, dass er auf seinen heißgeliebten Kirschbaum blicken konnte. Gern öffneten wir nach der Abendtoilette das Fenster, damit er dem Vogelgezwitscher lauschen konnte. Ich erfüllte ihm auch seinen häufig geäußerten Wunsch, sein Luftgewehr samt Diabolo-­Munition in seine Reichweite zu legen, damit er die Stare vertreiben konnte, die seine

Kirschen vom Baum holten. Mit dem erfüllten Gefühl, eine gute Tat vollbracht zu haben, verabschiedete ich mich, um weitere Patienten zu versorgen. Nach einer halben Stunde erreichte mich ein Notruf der Ehefrau des von mir zurückgelassenen, selig lächelnden alten Mannes. Mit den unheilverkündenden Worten: „Sie müssen schnell kommen, es ist schlimm!“ unterbrach ich meine Tour und raste zurück in die beste Wohngegend.

Knapp daneben ist auch vorbei Als ich aus dem Auto stieg, stand die als „alte Hexe“ bezeichnete Ehefrau bereits händeringend, mit wirrem Blick vor der Haustür und flehte mich an: „Bitte! Nehmen Sie meinem Mann die Flinte weg! Er schießt auf mich!“ Dieser Bitte entsprach ich umgehend. Bereitwillig übergab mir der gute Mann seine „Flinte“ mit den Worten „… ist halt ein komischer Vogel!“ Stare zu vertreiben war so ziemlich das Letzte, was dieser putzig drein­blickende Ehemann vorhatte. Aber das seine mit der Zeit wenig geliebte Ehefrau mehrmals täglich an eben jenem Kirschbaum vorbeiging, um in den Garten zu gelangen, brachte den alten Herrn auf die Idee, sich auf seine Weise für die vergangenen Jahre zu bedanken. Getroffen wurden übrigens weder Stare noch der Baum, und die Ehefrau spürte höchstens den Luftzug eines vorbeifliegenden Diabolos.

„Bitte! Nehmen Sie meinem Mann die Flinte weg! Er schießt auf mich!“

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2011  – 2021 3 Aufstieg

Gemeinsam, Miteinander, Füreinander

2011 Ambulante Krankenpflege Lütjenburg

2012 Das Gesundheitsmanagement

2018 Aus für die Handelsvertretung

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30 Jahre


Einführung: 2011 – 2021 Das Jahr 2011 begann mit einem Paukenschlag: der Eröffnung des Standortes Lütjenburg. Natürlich wurde die Eröffnung von einem langwierigen Trommelwirbel vorbereitet, denn schon ein Jahr vorher hatte ich erfahren, dass die Ambulante Krankenpflege Frey & Bromm in Lütjenburg zum Verkauf stand. Ich konnte mich mit den Besitzern einigen und so wurde der Pflegedienst unter dem Namen „Ambulante Krankenpflege Lütjenburg“ mit 21 Mitarbeitern und einer eigenen Leitung in unsere Unternehmen integriert. 2019 erhielt es dann nach achtjähriger Verlobungszeit schließlich unseren Namen. In Neustadt platzten wir mittlerweile aus allen Nähten, der Büroraum im linken Teil des Gebäudes reichte längst nicht mehr aus. Das Problem: im rechten Teil residierte nach wie vor die Schülerhilfe und kümmerte sich um die Lerndefizite von Kindern und Jugendlichen. Alt und jung unter einem Dach, eigentlich ganz schön. Aber wir waren trotzdem erleichtert, als sich der Generationskonflikt auflöste und die Schülerhilfe 2012 auszog. Endlich konnten wir uns räumlich ausdehnen. 2012 war auch das Jahr, als wir nicht nur mehr etwas für unsere Patienten, Klienten, Kunden tun wollten, sondern auch für uns selbst. Also haben wir ein Betriebliches Gesundheitsmanagement in unsere Prozesse integriert, das die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter erhält und fördert. Im Rahmen der Lütjenburger Hochzeit war es auch an der Zeit, sich Gedanken zu machen, ob der lang gelebte Slogan „Fürsorge mit einem Lächeln“ noch passte. Wir suchten etwas, was sämtliche an unserer Arbeit Beteiligten emotional mit einbezieht: die Patienten, die Mitarbeiter und auch die Kostenträger. Nach diversen Sitzungen, auch „Brainstorming“ genannt, fanden wir die Lösung, mit der sich alle identifizieren können: „Gemeinsam, Miteinander, Füreinander“. Denn wir sitzen alle in einem Boot und wir können es nur gemeinsam fortbewegen, indem jeder etwas dazu beiträgt.

Gemeinsam

Miteinander

Füreinander

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30 Jahre


„Sie wünschen...?“ Der Wunschpunsch im „Meerchenwald“

Mitarbeiterkultur: Wunschpunsch für einen lustigen Haufen

Wunsch-Punsch zum Teambuilding Sponsoren-Cup

Während wir damals Anfang der neunziger Jahre noch drei Patienten versorgten, kommen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf bis zu 20 Termine, die sie morgens zwischen halb sieben und halb zwölf absolvieren müssen. Das ist kein Zuckerschlecken, denn es sind Menschen mit all ihren Ansprüchen, Nöten und Sorgen, die zugewandt von uns versorgt werden müssen.

Auch ein lustiger Haufen braucht Pflege Dass die Arbeit nicht komplett in Stress ausartet, hat neben all unserer Professionalität vor allen Dingen einen Grund: Wir sind ein lustiger Haufen – an allen unseren Stand­orten. Trotz der ­großen Anzahl von 130 Mitarbeitern konnten wir uns bis heute unseren familiären C ­ harakter bewahren. Das ist harte Arbeit, die bis heute von Manuela Pittelkow bravourös erledigt wird. Wir haben aber auch ein professionelles Gesundheitsmanagement in unserer Firma eingerichtet. Das heißt, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben im Rahmen unseres Betrieb­lichen Gesundheits­ managements die Möglichkeit ihre Seele pflegen zu lassen – und sei es, dass sie auch mal auf die Couch müssen. Wir bieten Mentaltrainings, Massagen, Reiki oder sogar kosmetische Behandlungen, kurz alles, was der Entspannung der Psyche dienlich ist. Ganz neu ist unser „Job-Rad“: Unsere Kolleginnen und Kollegen können sich über die Firma ein E-Bike leisten.

Unsere Aktivitäten zur Stärkung unserer Widerstandskraft, heute „Resilienz“ genannt, sind viel­ fältig. Wir veranstalten Gesundheits-Workshops aber auch die eine oder andere Feierlichkeit oder wir machen zwei bis drei Ausflüge pro Jahr, heute „Teambuilding-Maßnahme“ genannt, wie ein Ausflug ins „Hamburg Dungeon“ oder „Dialog im Dunkeln“ und wir haben Flöße am Howachter Strand gebaut, bei dem der Chef zur Freude aller baden gegangen ist. Selbst „After-WorkPartys“ veranstalten wir ab und an und dann gibt es „Wunsch-Punsch“ für die ganze Familie. Denn eines ist uns ganz wichtig: dass auch die Familien unserer Mitarbeiter mit eingebunden werden. Denn gerade die Angehörigen tragen einen großen Teil zum Wohlgefühl unserer Kolleginnen und ­Kollegen bei. Wenn Angehörige beim Oktoberfest mit der Partnerin des Kollegen zünftig in Dirndl und Lederhose feiern, entsteht ein ganz anderes Zusammengehörigkeitsgefühl – und Riesenpartys, die viel Spaß machen.

Ganz sutje frühstücken Aber nicht nur das. Ein regelmäßiges Mitarbeiterfrühstück, das Manuela Pittelkow einmal im ­Monat immer freitags vorbereitet und organisiert, trägt zum Zusammenhalt der Mannschaft bei. Da sitzen sie dann an einer langen Tafel, essen ihr Brötchen, trinken Kaffee und schnacken, bis sie wieder losfahren müssen – ganz locker und sutje. Das ist immer ein Moment zum Verpusten und Gelegenheit, über andere Dinge, als die Arbeit zu sprechen. Und auch während der Arbeit sind die Türen und Ohren des Chefs sowie der Leitungskräfte immer offen, jeder ist aufgefordert, ihnen zumindest verbal alles um die Ohren zu hauen, was ihnen auf der Seele liegt. Die Mitarbeiter kennen das, denn die meisten sind schon sehr lange dabei – zwei von ihnen nun schon 25 Jahre – und der tägliche Schnack gehört zur Arbeitszeit dazu.

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Spaß an der Freud Die Festscheune in Klein Schlamin

... oder Familienfeste

... auch in der Freizeit

Draisinensause Schmielau

Bowling-Cup

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Maritime Weihnachtsfeier Drachenbootrennen

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Der ganz normale Wahnsinn: Ein typischer Tag bei Pittelkows Wie geht das eigentlich zu im Alltag unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter draußen vor Ort im wilden Leben. Wir alle wissen: Unsere Pflegekräfte und Hauswirtschafterinnen haben keinen leichten Job. Sie hetzen oft genug durch dichten Verkehr bei Wind und Wetter von Termin zu Termin und sind doch immer freundlich, professionell und zugewandt, sobald sie bei ihren Patienten oder Klienten vor Ort sind. Wie schaffen die das eigentlich? Wir haben eine gefragt, die es wissen muss: Denise Bakscha, die Leiterin unserer Niederlassungen in Neustadt und Grömitz.

Wie sieht der typische Alltag einer ambulanten Pflegekraft aus? Denise Bakscha: Der Tag beginnt hier im Büro meistens schon vor sechs auf einen ersten, gemütlichen Kaffee mit den Kollegen. Der reguläre Dienst beginnt um 6:15 Uhr, dann beginnt auch die Rüstzeit, in der die Kolleginnen und Kollegen die Medikamente für ihre Patienten zusammen­ stellen und deren Haustürschlüssel einsammeln – ganz wichtig für bettlägerige Patienten oder zur Sicherheit, damit wir die Wohnung im Notfall betreten können. Anschließend suchen sie sich ihre Touren heraus und speichern sie auf ihrem iPad. Um 6:30 Uhr fahren die Kolleginnen und Kollegen mit ihren Dienstfahrzeugen los und beginnen mit den Versorgungen ihrer Klienten. Wir haben allerdings auch sogenannte „Müttertouren“ für Kolleginnen mit Kindern, die erst beginnen, wenn ihre Kleinen in der Kita oder der Schule sind. In der Regel, an normalen Tagen, sind alle dann um ca. 11 Uhr zurück im Büro. Dann gibt es noch einige Mittagstouren von ca. 11 bis 13 Uhr und der Spätdienst beginnt um 16 Uhr und endet ungefähr um 20 Uhr.

Sie sprachen von normalen Tagen. Welche Tage sind nicht normal? Ein Arbeitstag mit vielen zusätzlichen Aufgaben ist der Donnerstag. Da werden bei allen Patienten die Medikamente gerichtet – das ist ein immenser Zusatzaufwand. Da gehen die Touren eher schon bis 11:30/12 Uhr. Generell machen aber auch die Verkehrslage, viele Baustellen und in der Saison die Touristenströme es manchmal schwierig, den Terminplan einzuhalten. Manche Patienten reagieren dann ungehalten, das bringt natürlich zusätzlichen Stress.

Wie sieht eine ambulante Pflege aus?

Nachgefragt bei Denise Bakscha der Leiterin unserer Niederlassungen in Neustadt und Grömitz

Früher war das noch sehr pflegelastig, da wurden die Kollegen überwiegend zur Unterstützung der häuslichen Körperpflege bei massiv immobilen Patienten zur Entlastung der Angehörigen eingesetzt. Es gab Patienten, bei denen wir acht bis zehnmal am Tag waren. Das hat sich durch die Verlegung dieser Patienten in Pflegeheime stark verändert. Heute unterstützen unsere Kollegen ihre P ­ atienten grundpflegerisch überwiegend beim Aufstehen, bei der morgendlichen und abendlichen Körperpflege, beim An- und Auskleiden, bringen sie abends bei Bedarf ins Bett. Einen großen Anteil an der Versorgungszeit hat die Behandlungspflege, also Leistungen, die vom Arzt verordnet werden. Natürlich haben wir immer noch Patienten, die intensiv gepflegt werden müssen, aber der Anteil ist deutlich weniger geworden.

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Die Pittels in action...

Der ganz normale Wahnsinn

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Wie wichtig ist die emotionale Unterstützung der Patienten? Ist das überhaupt noch zu leisten? Auch das hat sich stark verändert. Früher waren wir noch bis zu einer Stunde bei einem Patienten, daraus ergab sich natürlich noch eine viel intensivere psychosoziale Versorgung praktisch nebenbei. Heute sind die Pflegeeinsätze allerdings so eng getaktet und strategisch geplant, dass dafür nur wenig Raum bleibt. Unsere Kollegen geben ihr Bestes, um auch die Seelen ihrer Klienten zu füttern, aber wir stehen mit unseren Leistungen auch gegenüber den Angehörigen und den Kostenträgern in der Verantwortung und haben uns daher für den sehr professionellen Weg entschieden, Pflege und Betreuung strikt zu trennen. Deshalb sind heute auch eher die Kollegen unserer Abteilung Hauswirtschaft und Betreuung für die emotionalen Aspekte zuständig, die sich sehr umfänglich darum kümmern können.

Wie hoch ist der Standardisierungsgrad in der Pflege? Es gibt natürlich einheitliche Pflegestandards, aber in der ambulanten Krankenpflege sind diese Standards häufig realitätsfremd und sehr weit weg von professioneller Pflege. Das Bearbeiten von ­Standards, die Entwicklung von Qualitätsmerkmalen und andere Dokumentationen kosten sehr viel Zeit, die wir eigentlich lieber für unsere Patienten einsetzen würden. Im Grunde steht die Individualität eines jeden Patienten für uns im Vordergrund, dem lässt sich kein Standard überstülpen.

Welche Qualifikationen muss eine Pflegekraft bei Pittelkow mitbringen? Eigentlich könnten wir auch Mitarbeiter ohne eine formale Qualifikation in der Pflege beschäftigen. Das tun wir allerdings nicht, weil wir so professionell geworden sind, dass wir auch sehr viel Behandlungspflege leisten und da gibt es sehr strenge Vorgaben. Deshalb müssen unsere Pflegekräfte mindestens Kranken- oder Altenpflegehelfer sein, die entweder Zusatzqualifikationen für die Behandlungspflege besitzen oder sie bei uns absolvieren. Aufgrund unseres hohen Professionalisierungsgrades besteht unser Team heute allerdings fast ausschließlich aus examinierten Kranken- und Altenpflegerinnen und -pflegern. Denn wir finden, dass unsere Patienten einen Anspruch auf hochgradig professionelle Pflege aus einer Hand haben, dass die Person, die sie anund auskleidet ihnen auch die tägliche Insulinspritze gibt.

Wie sieht denn ein typischer Tag im zweiten Betätigungsfeld, der Hauspflege, aus? Unsere Hauspflegekräfte beginnen ihren Tag ein wenig später, da die meisten von ihnen kleine Kinder haben, die erst einmal versorgt werden müssen. Wir leben hier sehr stark die Philosophie eines familienfreundlichen Unternehmens. Uns ist es sehr wichtig, dass wir Müttern und Vätern ein Arbeitsumfeld bieten, in dem sie sich wohl und gewertschätzt fühlen und die Arbeit nach ihren Bedürfnissen planen. Meistens beginnt ihre Arbeitszeit um 8 Uhr, auch weil unsere Klienten erst einmal in aller Ruhe aufstehen, sich fertigmachen und frühstücken wollen. Erst dann sind sie auch bereit, ihre Hauswirtschaftskraft zu empfangen.

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Wie sieht die typische Arbeit einer Hauswirtschaftskraft aus? Hauswirtschaftliche Unterstützung ist eine Vertrauensarbeit, die viel Fingerspitzengefühl und Empathie erfordert: Da kommt anfangs eine völlig fremde Person ins Haus und bringt über Jahrzehnte eingeübte Routinen durcheinander, die den Klienten allerdings zunehmend schwerfallen. Viele meinen, ihr Haus noch selbst in Ordnung halten zu können und willigen erst in eine Betreuung ein, wenn wir ihnen erklären, dass wir ihnen nur die beschwerlichen Tätigkeiten Fensterputzen, Staubsaugen oder Einkaufen abnehmen möchten, ohne in ihre Autonomie einzugreifen. Wenn das Vertrauen dann wächst und eine Beziehung aufgebaut ist, sind sie auch sehr dankbar für die Unterstützung. Wir würden uns allerdings auch wünschen, dass viele Angehörige von kognitiv eingeschränkten Patienten aber auch andere Klienten den Betreuungsaspekt für sich annehmen würden, der häufig viel wichtiger ist, als die eigentlichen Hauswirtschaftsaufgaben. Ein Klient hat manchmal viel mehr davon, wenn wir mit ihm spazieren gehen oder dem Angehörigen ermöglichen, mal aus dem Haus zu gehen.

Hauswirtschaftliche Unterstützung ist Vertrauensarbeit, die viel Fingersptizengefühl und Empathie erfordert.

Wie groß ist das Zeitfenster für jeden Klienten? Wenn man alle Leistungen, die durch verschiedene Zusatztöpfe abgerechnet werden können, zusammenzieht und über das Jahr verteilt, kann jeder Klient durchschnittlich zwei Stunden pro Woche betreut werden. Das ist für die gründliche Reinigung selbst einer kleinen Wohnung oft eine knackige Herausforderung. Oft genug müssen wir Abstriche machen oder Kompromisse eingehen, zumal viele unserer Hauspflegekräfte in Teilzeit von 8 bis 12 oder 13 Uhr arbeiten und höchstens zwei bis drei Klienten pro Tag betreuen.

Welche Qualifikation muss eine Hauswirtschaftskraft bei Pittelkow mitbringen? Die formale Bezeichnung lautet „Angestellte für Hauswirtschaft und Betreuung“, da wir nicht den Anschein erwecken wollen, dass wir nur ausgebildete Hauswirtschafterinnen oder Betreuungskräfte beschäftigen. In diesem Bereich spielt die persönliche Qualifikation eine viel wichtigere Rolle: Einfühlungsvermögen, Kommunikationsbereitschaft und natürlich eine gehörige Portion praktische Erfahrung in der Haushaltsführung. Das ist für die Klienten viel wichtiger. Diese Eigenschaften bringen alle unsere Mitarbeiter mit – und sie brauchen sie jeden Tag. Denn wir dürfen nicht vergessen, wir greifen in die Autonomie unserer Klienten ein, in eine Hauswirtschaft, deren Abläufe seit Jahrzehnten in Beton gegossen sind, und wir betreuen ja nicht nur alte Menschen, sondern durchaus auch Vierzigjährige. Und die sehen noch ganz genau, ob auch hinter den Blumentöpfen Staub gewischt wurde.

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Die Handelsvertretung: Fahrn, fahrn, fahrn, auf der Autobahn 2013 wurde ich zum Multi-Unternehmer, ein Novum, das meine Arbeit am Patienten grundlegend veränderte. Ein Novum auch deshalb, weil wir in unserer täglichen Arbeit bisher freiwillig auf den Besuch von Außendienstmitarbeitern verschiedener Medizinproduktehersteller oder -vertreiber verzichtet hatten. Jetzt wurde ich selber einer. Das Vorurteil „die verkaufen, was nicht bei drei auf den Baum klettern kann“ überwog und so wurden Anmeldungen von Besuchswilligen von der Rezeption freundlich abgebügelt. Wie ­Steffie Sanne trotzdem durch diese „Sperre“ in unser Büro vordringen konnte, lässt sich nicht mehr genau recherchieren. Jedenfalls saß sie da nun und erzählte mir von den Produkten der Firma Fresenius Kabi. Ihre Produkte – und das war das Sympathische – umfassten eine Auswahl von mehreren Herstellern im Bereich der Inkontinenz, der Wundversorgung, der Diabetik und der Harnableitung. Die Ernährungsprodukte, die die Palette abrundeten, waren tatsächlich das hauseigene Thema von Fresenius Kabi. Aber nicht nur die Aufzählung der Produkte war verlockend, sondern auch die Idee, die sich ein Herr Lucassen ausgedacht hatte. Der wollte Pflegedienstbetreiber oder deren Mitarbeiter als freie Mitarbeiter anwerben, die dann die Produkte der Firma Fresenius Kabi bei den Patienten anwenden, die Rezepte dafür bei den Hausärzten ordern und dafür provisioniert werden. Diese Idee fand ich so überzeugend, dass ich 14 Tage später in ein von Frau Sanne organisiertes Treffen einwilligte und so Frank Lucassen kennenlernte. Ich begegnete einem euphorischen, empathischen Menschen, der seine Idee so faszinierend vermitteln konnte, dass ich den Vertrag mit der Fresenius Kabi spontan unterschrieb. Und so trat ich neben meiner umfänglichen Arbeit im Pflegedienst eine weitere Selbständigkeit als freier Mitarbeiter der Fresenius Kabi an.

Ich durchlief zahl­reiche Schulungen in Bad Homburg, Bad Hersfeld und Hamburg, in der das Wissen über die einzelnen Produkte intensiv vermittelt wurden. Ich fühlte mich als einer der ersten Mitarbeiter dieses Konzeptes wertgeschätzt und war gerne bereit, Herrn Lucassen und seine Idee zu unterstützen, indem ich auf weiteren Treffen mit Interessierten meine Umsetzung der Versorgung vorstellte.

Zwei Jobs und eine Mission: Helfen Nachdem ich die Versorgung unserer Patienten mit der breiten Palette an Produkten erfolgreich umgesetzt hatte, erfolgte die Anfrage, ob ich es mir vorstellen könnte, auch Menschen zu versorgen, die nicht durch unseren Pflegedienst versorgt wurden. Nur allzu gern willigte ich ein und wurde so ganz nebenbei auch noch Ernährungsexperte. Ich betreute ein relativ großes Gebiet von Fehmarn bis Hamburg und Umgebung. Die Kliniken in diesem Einzugsbereich meldeten über den Patientendienst der Fresenius Kabi onkologische Patienten, der Dienst gab diese Meldung an mich weiter und ich übernahm die Organisation des gemeldeten Patienten, indem ich in die Klinik fuhr und die Versorgung initiierte. So konnte ich bei Entlassung des Klienten in die Häuslichkeit, die Versorgung mit Hilfe anderer Pflegedienste größtenteils selbst durchführen – ein Versorgungsnetz aus Apotheken, Ärzten und örtlichen Pflegediensten hatte ich akribisch aufgebaut. Trotzdem war die Initiierung zeitaufwendig und nervenaufreibend, da meine Hauptarbeit weiter­ hin in meinem eigenen Ambulanten Pflegedienst Pittelkow stattfand. Doch der Spaß an der Arbeit, verbunden mit dem Gefühl, sterbenskranken Menschen einen kleinen Lichtblick mit „meiner“ Ernährung zu geben, machten die 12-14 Stundentage erträglich.

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Vielleicht war ich auch ein wenig berauscht? Die Zahl der Menschen wuchs enorm und so bat ich zunächst Frau Mader und später Frau B ­ akscha, mich zu unterstützen. Fresenius Kabi verstand es, seine freien Mitarbeiter „bei Laune zu halten“. Qualitätstreffen und Meetings in Hotels wurden abgehalten, natürlich stets mit kostspieligem Beiwerk. Lüneburg, Bad Hersfeld, Hannover, Bad Homburg, Tegernsee, Neumünster, Hamburg, es wurde großzügig getagt und gefeiert! Wobei das Vermitteln von Fachwissen immer oberste Priorität hatte. Ich weiß nicht, wie häufig ich nach Bad Homburg gereist bin, um dort an Schulungen oder Meetings teilzunehmen. Scheinbar reichte auch das nicht aus, so dass ich 2015 einen ­Kooperationsvertrag mit der Firma Unizell unterschrieb, der meine Handelsvertretung ausweitete. Nach und nach übernahm ich ca. 30 stationäre Einrichtungen, um Bewohner zu ernähren, mit Inkontinenzprodukten zu versorgen oder eine moderne Wundversorgung anzustoßen. Ich leitete die Mitarbeiter der Heime an, dokumentierte, evaluierte und schulte Pflegedienste.

Der rasende Versorger übergibt den Staffelstab Diesen Zeitaufwand konnte ich nur leisten, weil ich in meinem eigenen Pflegedienst qualifizierten Kollegen den Staffelstab übergab, sodass ich in Neustadt, Grömitz oder Lütjenburg nur noch selten präsent sein musste. Ich raste also über die Autobahnen des Landes und spulte etwa 50.000 km pro Jahr ab. Ein schnelles Auto war hier grundsätzlich nötig und so waren die brenzligen Situa­tionen eher die Regel als die Ausnahme. Um Termine einhalten zu können, war die Tachonadel bei mehr oder weniger freier Straße grundsätzlich im Bereich der 200 km/h. Um Zeitressourcen zu erschaffen, kam mir die Erfindung des elektronischen Apfels sehr gelegen. Aus­ gerüstet mit einem iPad konnte ich überall meine Ernährungspläne oder Wundregime erstellen

und diese an die betreffenden Absender schicken, damit dort intensiv versorgt werden konnte. Ich entschied mich, die Handelsvertretung aus den Räumen des Pflegedienstes herauszuziehen und zog mit einer extra für die Handelsvertretung angestellten Mitarbeiterin in den Pagoden­ speicher. Bisher hatte Frau Bakscha die Handelsvertretung im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung, neben ihrer Hauptarbeit als Pflegeleitung, kreativ und engagiert unterstützt. Mit ihr war dieser Unternehmenszweig bis 2015 bereits auf einen hohen fünfstelligen Jahresumsatz gewachsen – und das alles „nebenbei“!

Du bist manchmal unausstehlich Von unermüdlichem Tatendrang erfasst, arbeitete ich dank der digitalen Möglichkeiten auch im Urlaub oder während meiner spärlichen Freizeit. Bis dann in den Wohnwagenferien im Sommer 2018 ein einziger Satz die entscheidende Wende brachte. Ich erstellte gerade einen Ernährungsplan für einen neuaufgenommenen Patienten kombiniert mit der immer schwieriger werdenden Pflegedienstsuche und der komplizierten Bestellung der Ernährungsbeutel. Was sich für mich zwar wie konzentriertes Arbeiten anfühlte, das ich nebenbei erledigte, war für die Mitglieder meiner Familie tatsächlich zur Belastung geworden, denn auf Ansprache reagierte ich scheinbar nicht so freundlich, wie gewohnt. Und so sagte meine Tochter eines Tages zu mir: „Du bist manchmal unausstehlich!“, und verließ den Wohnwagen demonstativ mit feuchten ­Augen und einem formvollendeten Schmollmund. Mir wurde schlagartig klar, dass ich die wirklich wichtigen Dinge, meine Familie, meine Firma und meine Mitarbeiter nicht ungestraft vernachlässigen darf. Ich zog sofort die Konsequenzen, kündigte meine Kooperationsverträge mit Fresenius Kabi und Unizell, entließ meine Mitarbeiterin und schloss die Handelsvertretung für Medizinprodukte zum 31.12.2018. Ein Schritt, den ich bis heute nicht bereut habe.

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Engagement: Vom Wundverband zum Wunsch-Verband Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde als Arbeit, Freizeit und Familie. Dazu gehören das Bedürfnis, Dinge anzustoßen und die Welt verändern zu wollen. Also suchte ich nach anderen Möglichkeiten, meine Botschaften und Ideen einzubringen und fand sie in der Verbands- und Vereinsarbeit, bis heute ein wichtiger Bestandteil meines Lebens.

Veränderung braucht Engagement Vernetzung, Meinungsaustausch und auch eine gewisse Lobbyarbeit sind nötig, wenn man etwas verändern will. Doch dafür muss man sich engagieren – und das habe ich von Anfang an getan. Schon früh habe ich mich als Mitglied der AGH Norddeutschland (Arbeitsgemeinschaft Haus­ krankenpflege Norddeutschland e.V.) in der Vorstandsarbeit engagiert. Die ambulante Pflege galt damals als Neuland, wurde sie in der Vergangenheit doch durch rührige Gemeindeschwestern durchgeführt und dünn finanziert. Das änderte sich in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Den damaligen Boom in der Pflegedienst-Landschaft wollte ich mitentwickeln und fördern. Interessiert durch als Qualitätszirkel inszenierte Treffen privater ambulanter Anbieter, ließ ich mich für das Land Schleswig-Holstein in den Vorstand wählen und übernahm gern den Vorsitz. Von da an organisierte ich die Treffen mit einer stetig wachsenden Zahl von Neumitgliedern und berichtete über die positive Entwicklung des Pflegemarktes, erörterte die Probleme mit den Kostenträgern und beriet bei der Erstellung und Entwicklung von Angeboten. Als Vorsitzender konnte ich mein Know-how bei Bedarf an neu gegründete Pflegedienste vermitteln und sie begleiten. Als die AGH Norddeutschland in den Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. überging, hielt ich mich zunächst zurück und fand in der Gründung eines Hospizvereines – dem „Beistand am Lebensende“ – ein neues interessantes Betätigungsfeld.

Der Hospizverein – Ein Herzensprojekt Ich traf mich mit Frau Bleicker, um zu diskutieren, wie wir die Begleitung Sterbender in einem Verein organisieren könnten. Die Welle der Hospizgründungen wuchs in dieser Zeit zu einem Tsunami und so vereinbarten wir schon beim ersten Treffen mit Gleichgesinnten die Gründung unseres Vereins – ich wurde als Beisitzer gewählt. In der Folge bauten wir in langen Abendsitzungen eine Initiative auf, die es sich zur Aufgabe machte, Freiwillige in der Begleitung Sterbender auszubilden. Auf ehrenamtlicher Basis begleiten diese „Sterbebegleiter“ Menschen in der letzten Phase ihres Lebens und auch deren Angehörige – eine aufopferungsvolle und anspruchsvolle Tätigkeit am Menschen, die die Betroffenen dankbar annahmen. Neben den Vorstands- und Vereinssitzungen hielt ich bei Veranstaltungen Vorträge und Präsentationen, in denen ich über den Pflegealltag und Versorgungsmöglichkeiten berichtete. Inspiriert durch diesen Verein, rückten die ostholsteinischen Pflegeanbieter zusammen und trafen sich auf Einladung von Frau Elija Jührs von der Diakonie Ostholstein in Eutin. Frau Jührs vereinte zwei Eigenschaften: den unbändigen Willen, Pflege in den Vordergrund zu rücken, um Menschen, die Hilfe benötigen, das Maximum zu bieten und eine von einem sympathischen finnischen Dialekt geprägte Satzmelodie. Das Ergebnis dieses Treffens: Gemeinsam mit den sieben Gründungsmitgliedern erblickte das „Palliativnetz östliches Holstein“ – kurz „PnöH“ – das Licht der Vereinswelt. Zwei Jahre wirkte ich als Beisitzer mit, bevor ich mich einem neuen, ebenfalls von Frau Jührs angestoßenem Projekt widmete.

Ein Erfolgsmodell und ein Reinfall Uns verband schon länger die Vision einer gemeinsamen Pflegewelt und so gründeten wir ein Pflegenetz, das die Pflege, überkonfessionell, verbandsübergreifend, gemeinnützig oder privatwirtschaftlich aufwerten sollte. Wer ein Unternehmen in der Pflegelandschaft betrieb, konnte Mitglied werden – Pflegedienste genauso wie Senioreneinrichtungen, Krankenhäuser, Ärzte und Reha-Einrichtungen. Ein bunter Reigen interessierter und für die Pflege kämpfender Menschen!

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Dieser Verein wurde sogar Träger eines „Pflegestützpunktes“, mit der Aufgabe, Pflegebedürftige zu beraten und zu vermitteln – eine Innovation in der Pflegelandschaft. Als zweiter Vorsitzender engagiere ich mich nach wie vor dafür, immer im Sinne der Anerkennung und Wertschätzung der Pflege. Aber damit nicht genug: Ein weiterer Verein entstand aus zwei unterschiedlichen Anlässen. Zum einen trafen sich regionale Pflegedienste in Organisation des bpa (Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienstleistungen e.V.) zu regelmäßigen Qualitätszirkeln, um z.B. Standards zu erarbeiten, die dann von anderen Mitgliedern des bpa genutzt werden können. Bei einem Treffen in Burg/Fehmarn bei Herrn Peter Mester – Inhaber des gleichnamigen Pflegedienstes – diskutierten wir über das Thema Tourismus, das uns alle beschäftigte, weil wir als Betreiber in den Sommermonaten sehr viele Touristen versorgen sollten. So kamen wir auf die Idee, weitere Patienten durch die Gründung eines Verein zu akquirieren, der sich um die Belange der pflegebedürftigen Touristen kümmern sollte und die touristischen Gastgeber in dieser Frage zu beraten. Unterstützt wurden wir vom bpa, der eine Förderung durch die EU organisierte. So gründeten wir innerhalb kurzer Zeit den Verein, dessen Vorsitz ich gern übernahm, hatte ich doch durch die Kooperation mit der Grömitzer Höhe ein starkes Interesse, urlaubende Pflegebedürftige und deren ungleich urlaubsreifere Angehörige in den freien Appartements unterzubringen. Wir gestalteten eine Urlauberbroschüre, sammelten über Anzeigen und Messeauftritte mehr als 600 Adressen und gewannen einige Vereinsmitglieder. Doch der Erfolg blieb aus: Der Mangel an Toleranz der „gesunden Urlauberschar“ und die begrenzten Personalressourcen führten dazu, dass der Verein mittlerweile abgewickelt wurde.

Resümee eines Vereinsmeiers Aus der Vielzahl der Vereinstätigkeiten sind das Pflegenetz und der bpa geblieben. Der bpa als größter Vertreter der Pflegeunternehmen in Deutschland hat ein hohes Mitspracherecht und damit Gestaltungsmöglichkeiten für die Pflege in Deutschland. Meine Mitarbeit als Vorstandsmitglied ist vielseitig, spannend und zum Teil auch unterhaltsam, fordert aber natürlich auch Zeit. Es bleibt spannend, in welche Richtung sich die Pflege entwickeln wird. Aktuell sieht es nicht so aus, als wenn der Wille der Politik mit der Schaffung eines flächendeckenden Tarifvertrages für eine Besserung zu sorgen von Erfolg gekrönt sein wird. Zu vielfältig sind die Interessen und zu gering die tatsächliche Verbesserung.

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Krankenkassen und andere Kostenträger: Und ewig grüßt das Murmeltier Was sich in den vergangenen 30 Jahren nie verändert hat und voraussichtlich auch in den­ nächsten 30 Jahren nicht verändern wird, ist das vermeintliche Bestreben der Kostenträger, dem Leistungserbringer das Leben so schwer wie möglich zu machen.

So sollte es sein: Kostenträger tragen Kosten

Unsere Kosten rechnen wir monatlich mit dem Kosten­ träger ab, der auch pünktlich bezahlt. Zum Großteil ist das die gängige Praxis. Verordnungen werden eingereicht, der Kostenträger genehmigt und schickt sie zurück. Der Begriff „Großteil“ lässt vermuten, dass es ich hier nicht um die erwünschten hundert Prozent handelt, wie das folgende Beispiel zeigt:

Der Kampf um den Pieks

Hin und her, immer fährt der Kreisverkehr

Ein insulinpflichtiger Diabetiker, der zwar manch spektakuläre Reparatur an seinem Moped durchgeführt hatte, aber die Insulinspritze in seinen von falscher Ernährung und gut gemeintem Bierverzehr sichtbar angewachsenen Bauch nicht in denselben versenken konnte, brauchte unsere Hilfe bei der Insulinversorgung. In diesem Fall war nicht die Angst vor dem Piekser der Auslöser, sondern die fehlende Möglichkeit, die Insulineinheiten einzustellen, weil das filigrane Sehen nicht mehr möglich war. Auch fehlte die Einsicht der Regelmäßigkeit, was aber mehr dem Altersstarrsinn anzulasten war. Der Hausarzt erkannte diesen Mangel, informierte den Pflegedienst und schickte uns mit einer Verordnung häuslicher Krankenpflege zu dem in Bezug auf Insulinspritzen hilflosen Herrn.

Im Idealfall sieht die Zusammenarbeit zwischen Kostenträger und Leistungserbringer so aus: Der Hausarzt erkennt einen Bedarf, schreibt eine Verordnung und reicht sie an den Leistungs­erbringer, also uns, weiter. Wir begutachten den Patienten und lassen uns die Verordnung von ihm unterschreiben. Wir reichen die Verordnung beim Kostenträger ein und wenn er sie bearbeitet und nach drei bis vier Tagen genehmigt, können wir mit unserer Arbeit beginnen.

Der Pflegebedarf wurde festgehalten, die Verordnung vom Versicherten unterschrieben und anschließend zum Kostenträger verschickt. Eigentlich hätte alles gut gehen müssen. Hätte, denn es spielte sich dann folgendes ab: Nach 4 Tagen hakten wir beim Kostenträger nach, da die

Zunächst sei einmal klar gestellt, wofür Kostenträger wie Krankenkassen, Pflegekassen oder Sozial­hilfe, eigentlich stehen. Sie sollen per Definition die Kosten tragen, die entstehen, wenn ein Kassenmitglied eine Leistung empfangen hat. Eigentlich ganz einfach, aber in der Realtität ist das eine komplexe Angelegenheit. Denn es müssen Bedingungen erfüllt werden, damit das Kassenmitglied eine Leistung empfangen darf. Zunächst einmal muss er eine Beeinträchtigung erleiden, durch Krankheit, Unfall, Geburtsfehler, Alter, Arbeit oder Leichtsinn. Die Vielfalt der Transformation vom Kassenmitglied zum Leistungsempfänger, ist schier unerschöpflich. Daraus entwickelt sich ein bestimmter Bedarf, Hilfe oder Versorgung annehmen zu müssen, weil der Leistungsempfänger diese Verrichtung nicht selbständig durchführen kann.

erforderliche Genehmigung mit Abwesenheit glänzte. Nach Anruf gab die stets freundliche Mitarbeiterin der Krankenkasse an, eigentlich alles geregelt zu haben. Erfahrene Mitarbeiter werden bei der Aussage „eigentlich alles geregelt“ stutzig und man recherchiert detektivisch. Der Patient wird befragt, der von Natur eher nicht Bescheid weiß, die Krankenkasse wird nochmals telefonisch befragt und nach weiteren zwei Tagen stellt sich heraus,

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dass die Verordnung nach Ansicht der freundlichen Mitarbeiterin fehlerhaft gewesen sei, was diese dazu bewogen hat, die Verordnung mit Bitte um Prüfung nochmals an den Hausarzt zu senden. Der Hausarzt, von dieser Verordnung aus Prinzip genervt, schickte diese zur Kasse zurück, da er keinen Fehler finden konnte. Für die MA der KK lag aber definitiv ein Fehler vor, so dass sie die VO postwendend an den HA zurückschickte.

Da geht dann der Lachsack durch den Knick.

Dieses gar lustig anmutende „Hin-und-Hergeschicke“ wurde dann irgendwann von uns unterbunden, da es sich herausstellte, dass eigentlich kein Fehler im herkömmlichen Sinne vorlag, sondern lediglich eine Position zu viel verordnet wurde, die nicht im Behandlungspflegekatalog verzeichnet war und somit keine abrechnungsrelevante Tätigkeit darstellte.

Der Hausarzt war der Meinung, dass eine Insulingabe ohne das Messen des B ­ lutzuckerspiegels fahrlässig sei und schrieb das Messen des BZ‘s also mit auf die Verordnung. Das wiederum stach der Krankenkassenmitar­beiterin ins leicht geschminkte Auge und führte dazu, dass „eigentlich alles geregelt“ worden sei. Der HA korrigierte seinen Fehler, der kein Fehler war, da wir sowieso das BZ-Messen vor der Insulingabe durchführten, was aber abrechnungstechnisch keine Rolle spielte, da verordnete Leistungen pauschal abgerechnet werden, vollkommen unabhängig, wieviele Leistungen verordnet werden.

Willkommen in Absurdistan Gerade diese Verordnungspraxis gleicht immer wieder dem Buch mit der unendlichen Ge­schichte. Mal fehlt eine relevante Diagnose, da die Kompressionsstrümpfe ein Beinödem verhindern sollen, der Sachbearbeiter der KK hinter einer Herzinsuffizienz nicht gleich angeschwollene Beine vermutet. Dann zweifelt jener Sachbearbeiter daran, dass diese Kompressionsstrümpfe morgens angezogen, abends aber wieder ausgezogen werden müssen. Die Medikamentengabe entpuppte sich immer wieder als Dauerbrenner der Genehmigungshoheit. Da wurde ohne Information an den Pflegedienst der Leistungsempfänger davon überzeugt, dass sein zwar altersmäßig weit fortgeschrittener Nachbar die Medikamente verabreichen könne, wobei die Tatsache, dass der nette Nachbar an Jahren gewonnen, aber an Sehkraft entsprechend verloren hatte, das ganze absurd scheinen ließ. Die Binde, die im Allgemeinen Sehbehinderte ausweist, war beim besten Willen durch das Telefon nicht erkennbar. Verwandte, die bis dato unbekannt waren, wurden mobilisiert und mit € 1,50 pro Verabreichung der Augentropfen zwangsverhaftet. Kompressionswickel wurden nur einmal täglich genehmigt, da die an den Spätfolgen der Kinderlähmung leidende Versicherte, die „Dinger doch selbst abwickeln“ könne. Das sich daraus ein Sturz mit einer Oberschenkelfraktur ergab, war als ein alltägliches Risiko hinnehmbar. So können noch viele Geschichten über die „Verordnungstaktik“ der KK erzählt werden.

Der orientalische Basar Man könnte sogar drüber schmunzeln, wenn nicht dahinter so manches Debakel stünde, was entstanden ist, weil Sachbearbeiter der Krankenkassen sich über die Genehmigung von Verordnungen gegenüber ihren Kontrollorganen rechtfertigen müssen. Die Verordnungen häuslicher Krankenpflege waren, sind und werden auch zukünftig ein heikles Thema darstellen.

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Es geht eben ums Geld. Wie war doch gleich eine Feststellung eines Verhandlers auf Krankenkassenseite, der während einer Vergütungsverhandlung süffisant in den Raum stellte: „Je mehr Leistungsanbieter auf dem Markt sind, desto mehr Leistungsnehmer werden versorgt werden wollen!“ Daraus könnte man ableiten, dass es hier nicht um Menschen geht, die Unterstützung benötigen, sondern vielmehr um Patienten, die es schick finden, wenn ein Pflege­ dienst vor dem Haus parkt, um eine Bagatelle behandeln zu lassen. Bei einer eben dargestellten Vergütungsverhandlung war ich als Vertreter der Leistungserbringer im Rahmen meiner Verbandstätigkeit beim bpa auf einer solchen gegenwärtig und durfte feststellen, dass meine soziale Einstellung, die ich versehentlich auf alle im Raum befindlichen Personen spiegelte, völlig fehl am Platze war. Da wurde geschachert, dass selbst ein orientalischer Basar mehr Menschenfreundlichkeit offenbarte. Leistungs­erbringer gehen mit Kalkulationen in eine solche Vergütungsverhandlung, weil man annehmen sollte, dass Forderungen auf einer ordentlichen Kalkula-

tion ­basierend erfolgreich sein könnten. Da geht dann der Lachsack durch den Knick. In meiner naiven Berechnung der von mir eingesetzten Fachkräfte mit der geplanten Dauer des Einsatzes, mit der pedantisch errechneten Kostennote der gefahrenen Kilometer, kombiniert mit der Dauer der Anfahrt, mit der Dauer des Einsatzes, unter Berücksichtigung der Qualifikation des Mitarbeiters, mit der Gefahreneinschätzung der Infektionsabwehr und dem Anspruchsverhalten des Klienten, nannte ich die kalkulierten Kosten und bekam als höchst anspruchsvolle Antwort: „Warum nehmen Sie denn eine deutsche Fachkraft? Polnische sind viel preisgünstiger!“ Schlagfertig, wie es meine gepriesene Art ist, antwortete ich: „Das Examen polnischer Fachkräfte wird in Deutschland nicht anerkannt!“

„Warum nehmen Sie denn eine deutsche Fachkraft?“

Das wiederum wäre, so die Einschätzung des von mir ­ weniger geschätzten Gegenübers, nicht sein Problem. Soweit das qualifiziert anspruchsvolle Miteinander der Verhandlungsparteien. Aber dennoch ist die Reihe der Merkwürdigkeiten noch nicht zu Ende erzählt. Denn es kommt nun mein Lieblingskontrollorgan! Der MDK – der Medizinische Dienst der Krankenkassen!

Der Medizinische Kopfschüttel-Dienst Ich kenne keine Institution, die so viel Kopfschütteln bereitet hat, wie der MDK. Kurz erklärt, ­welche Aufgaben der MDK hat und mit welchem Personal er bestückt ist. Die Aufgabe ist die, der Kontrolle! So habe ich die lieben Mitarbeiter kennenlernen dürfen. Nebenbei sollen die Ärzte und examinierten Pflegekräfte Pflegegutachten erstellen und Pflegeeinrichtungen besuchen und beraten. Soweit die Lesart des Gesetzes. Ich persönlich empfinde eine Beratung als wohltuend, soll diese doch helfen, Schwierigkeiten lösen zu können. So wurde also der MDK zum Kontrollorgan der Pflegeeinrichtungen von Seiten der Kranken- und Pflegekassen. Mein Augenmerk soll auf die Kollegen des MDK gerichtet sein, da es sich hier um Kollegen handelt, die – so durfte ich es kennenlernen – keine Chance auslassen, die Pflegekräfte, die mitsamt Pflegeeinrichtung kontrolliert werden, so richtig auflaufen zu lassen. Von Beratung keine Spur! Das durfte ich zumindest erleben. Es kann durchaus sein, dass ich der einzige Pflegemensch bin, dem es so ergangen ist, weiß jedoch von Kolleginnen und Kollegen, dass ich nicht so einsam gewesen bin. Auch, wenn der Eindruck durch meine durchaus subjektiven Erlebnisse mit dem MDK entsteht, es würde sich hier um eine Institution handeln, die aus purer Schikane entstanden wäre, hat diese Kontrollinstanz natürlich eine wichtige Bedeutung für die Qualität in der Pflege, der Begutachtung von Pflegebedürftigen und Hilfsmitteln. Ohne den unabhängig von Krankenkassen oder Verbänden agierenden Medizinischen Dienst wäre die Qualitätssicherung in der Pflege nicht ­sicherzustellen. Denn es gibt nicht wenige profitgierige schwarze Schafe. Und Pflegebedürftige sind definitiv keine Handelsware, sondern hilfsbedürftige Menschen, mit deren Pflege wir auch Geld verdienen dürfen. Das Erzielen von Gewinnen darf niemals unser Hauptanliegen sein, denn wir wollen unsere Klienten und nicht Investoren zufriedenstellen.

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Alltagsgeschichten: Ich wollte sie doch nur Duschen! Demenz ist eine der besonderen Herausforderungen unserer täglichen Arbeit. Es ist nicht nur das Vergessen und der Verlust jahrzehntelang eingeübter Fähigkeiten, sondern auch das Unvermögen, Situationen richtig einzuschätzen, wie die folgende, für uns amüsante Geschichte zeigt.

Routine, ein täglich neues Abenteuer Es war Dienstag und das Ehepaar W. war mal wieder an der Reihe, geduscht zu werden. Es war für mich nicht der erste Hausbesuch bei den beiden hochbetagten Herrschaften, deshalb stellte ich mich auch wieder auf schwierige Vorgespräche vor der Grundpflege ein. Die Demenz hatte bei den beiden unbarmherzig zugeschlagen, weshalb mich wie immer keiner erkannte, geschweige denn, den Grund meines Besuches verstand. Nachdem ich es geschafft hatte, zunächst die Ehefrau davon zu überzeugen, mir ins Bad zu folgen, um ihr bei der Körperpflege zu helfen, fiel mir schon im Flur der eisige Blick des Gatten auf, der uns auf jedem Schritt beobachtete. Nachdem ich die Badezimmertür schloss und mit meiner Arbeit begann, vernahm ich schon nach kurzer Zeit eine geschäftige Unruhe auf dem Flur. Türen knallten, Schranktüren quietschten und die Stimme des Ehemannes drang unverständlich durch die Tür.

Eifersucht ist keine Zier, weiter kommst Du ohne ihr Nach 25 Minuten öffnete ich, meine zufriedene, frischgeduschte Dame untergehakt, die Badezimmertür. Mit dem, was dann passierte, hatten wir beide nun wirklich nicht gerechnet. Der Gatte saß wutschnaubend auf der Telefonbank und zeigte mit dem Finger auf die eiligst gepackten Koffer und zusammengeworfenen Habseligkeiten der Dame und schrie uns entgegen: „Jetzt reicht‘s mir endgültig! Du verschwindest hier einfach mit so einem jungen Bengel im Bad!? Wer weiß, was ihr dort angestellt habt. Ich habe die Nase voll! Verschwinde!“ Verzweifelt suchte die Dame meinen Blick und verstand die Situation überhaupt nicht. Und ich genausowenig. Bevor die Situation eskalierte, rief ich die nebenan wohnende Tochter der Beiden an, die uns natürlich sofort zur Hilfe eilte, um ihren Vater zu besänftigen. Das gelang nur mittelmäßig und ich entschloss mich, mich aus dieser ehebrecherischen Szenerie zu verabschieden. Fazit: Eben war ich noch ein hilfsbereiter Altenpfleger und im nächsten Moment der junge Geliebte und Gigolo einer betagten Dame, mit der ich in flagranti erwischt wurde. That‘s Live! Timo Grünau

PORTRÄT: Die drei Musketiere Elena Gipner Elena Gipner ist die Frau, die alles unter einen Hut kriegt. Sie ist taff, herzlich, zielstrebig und weiß was sie will – sie ist eine der Säulen unseres Unternehmens und deshalb leitet sie auch seit 2015 u ­ nsere Niederlassung in Lütjenburg. 1996, mit knapp 19 Jahren zog Elena Gipner mit ihrer Familie von Kasachstan an die Ostseeküste nach Neustadt. Hier hat sie deutsch gelernt und sich im wahrsten Sinne des Wortes durchgebissen. Sie hat alles gemacht, als Spülerin und Putzfrau gearbeitet, war Kassiererin bei Lidl und konnte 10 Monate nach der Geburt ihres Sohnes endlich die ersehnte Ausbildung als Krankenschwester beginnen, die sie mit einer hervorragenden Note (1,3) abschloss – ganz oder gar nicht, anders macht ­Elena es nicht.

angefangen. 2006 kam des zweite Kind und damit auch ein Bandscheibenvorfall, mit dem sie nicht mehr in der Pflege arbeiten konnte. Aber aufgeben gilt nicht: Elena ließ sich berufsbegleitend in der Abendschule zur Kauffrau im Gesundheitswesen umschulen und wechselte in unsere Verwaltung in Neustadt. Nach ein paar Jahren reichte ihr der Job nicht mehr: Die taffe Elena begann ein berufsbegleitendes Betriebswirtschaftsstudium und machte ihren Fachwirt im Gesundheits­ wesen – mit sehr gutem Abschluss. Ein knappes Jahr nach ihrem Studium übernahm sie dann die Standortleitung unserer Niederlassung in Lütjenburg, damals mit knapp 30 Mitarbeitern und 120 Kunden – heute ist sie für 200 Kunden und 64 Mitarbeiter verantwortlich.

Christian Pittelkow hatte sie schon vorher kennengelernt. Er kam immer ins Haus, um ihre Oma zu versorgen. So hat sie während ihrer Ausbildung auch ihr Praktikum bei ihm absolviert und hat direkt nach ihrem Examen bei der Ambulanten Krankenpflege als Krankenschwester

Wenn sie mal nicht arbeitet, kümmert sie sich um ihre Familie und den Garten. Sie fährt leidenschaftlich gern Fahrrad und reist ebenso gern. Ihr Mann und sie haben sich vorgenommen, alle Hauptstädte dieser Welt besuchen zu wollen – 25 haben sie schon geschafft, aber Elena ist ja noch jung.

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Öffentlichkeitsarbeit & Auszeichnungen Neben der Tätigkeit in Verbänden und Vereinen spielte die Öffentlichkeitsarbeit schon immer eine große Rolle im Auftritt unseres Unternehmens. Wir sind auf Messen präsent, betreiben aktives Sponsoring oder veröffentlichen redaktionelle Beiträge für medizinische Sonderseiten in verschiedenen Magazinen. Wir nehmen an Pro-Pflege-Demos teil, wirken seit mehreren Jahren an Studien der ­wissenschaftlichen Fakultät der Universität Lübeck mit oder nehmen an Netzwerkarbeit teil, wie z.B. bei der Initiative „Erfolgsfaktor Familie“. Zweimal in Folge wurde unser vielfältiges Engagement sowie die mitarbeiterbezogene Ausrichtung unseres Unternehmens nun schon mit der Auszeichnung „Familienfreundliches Unternehmen“ gewürdigt. Doch die schönste Auszeichnung ist und bleibt die hohe Mitarbeiterzufriedenheit, jedes herzliche Wort und die Freude, mit der wir an den Standorten empfangen werden.

Überbringer der Urkunde: Bürgermeister Mirko Spiekermann

Auszeichnung im Kreistagssaal mit Kreispräsident Harald Werner und Landrat Reinhard Sager

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ab 2021 4 Ausblick

Gegenwart und Zukunft Gemeinsamer Blick nach vorn...

Corona

Wertschätzung und Image der Pflege

Digitalisierung und E-Mobilität

Pflegedienst für die Ewigkeit?

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Träumen von Räumen

Workshop „Zuversicht mit Weitblick“

Wir platzen aus allen Nähten und träumen von mindestens 300 qm neuem Büroraum, um den Mitarbeitern Räume bieten zu können, die ihren und unseren Vorstellungen entsprechen, inklusive Platz für Betriebliches Gesundheitsmanagement, vielleicht einen Wellnessbereich oder auch nur einen genügend großen Besprechungsraum, damit wir uns bei Dienstbesprechungen nicht mehr stapeln müssen.

Mensch und Technik Bei der Weiterentwicklung unserer Organisation und Kommunikation hat uns tatsächlich die Corona-­ Pandemie vorangebracht. Wir haben die Chancen der Videokonferenzen entdeckt und werden sie sicherlich in Zukunft verstärkt einsetzen, und wenn es nur darum geht, bei Be­ sprechungen an den anderen Standorten live dabei zu sein, wobei der emotionale Charakter der persönlichen Treffen natürlich verloren geht.

Klatschen reicht nicht Die Situation in der Pflege, egal ob stationär oder ambulant, ist desolat – sowohl personell als auch finanziell. Während der Pandemie haben die Menschen für uns auf den Balkonen applaudiert, die Politik hat Geld und Reformen versprochen, viel passiert ist nicht. Im Gegenteil die Wertschätzung der wirklich anspruchsvollen und anstrengenden Pflegeberufe ist eher zurückgegangen, die Gehälter stagnieren. Damit wir auch weiterhin hochwertige Pflege- und Betreuungsarbeit leisten können, müssen unsere Kräfte auch entsprechend gut bezahlt werden.

Bungsberg: 168 üNN

Aber auch die Vollkaskomentalität der Gesellschaft in Hinblick auf die Pflegeversicherung muss sich ändern. Wer gewisse Leistungen erhalten will, muss dann auch bereit sein, privat dafür zu zahlen.

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Ausblick und Zukunft Nach diesen erlebnis- und abwechslungsreichen Jahren, lässt es sich nur schwer verheimlichen, dass auch ich selbst eben diese 30 Jahre ebenso älter geworden bin. Älter und reifer! Die Ziele von 1991 lassen sich nur noch bedingt mit denen vergleichen, die heute durch mein ergrautes Haupt schwirren. Geblieben ist sicherlich die hohe Wertschätzung für die Menschen, die sich für diesen aufopferungsvollen Beruf entschieden haben. Allein, die Entlohnung, ob durch Tarifverträge oder höherer Löhne, drückt diese nötige Wertschätzung nicht aus. Um diesen Beruf attraktiver zu gestalten und sein Ansehen zu steigern, braucht es ein großes Stück Menschlichkeit und Dankbarkeit, Verständnis und Einfühlungsvermögen – und das scheint so manchem politischen und wirtschaftlichen Entscheider abhanden gekommen zu sein. Menschen haben Bedürfnisse und Interessen! Für mich ist es fundamental, diejenigen, die durch Krankheit und Behinderung abhängig sind, und die anderen, die sie umsorgen, unter einen Hut zu bringen und beide vor allem darunter zu behalten. Darum werde ich mich, wie in den vergangenen 30 Jahren, weiter kümmern und, wo erforderlich, auch für sie kämpfen. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie lange der kleine Mann dieses denn noch machen möchte und wie es um die Weiterführung des Betriebes gestellt ist!? Verwunderlich und vielleicht auch leicht komisch, ist die Annahme, die erste Hälfte geschafft zu haben. Nochmals 30 Jahre? Wohl eher nicht. Dann doch eher die in zehn Jahren vollendete Chronik „40 Jahre Ambulante Krankenpflege Pittelkow“! Auf alle Fälle stehen das Wohlgefühl und die Wertschätzung der Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind, auch in der Zukunft weiterhin im Mittelpunkt. Soviel kann und will ich versprechen!

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Ambulante Krankenpflege Neustadt Inhaber Christian Pittelkow Vor dem Kremper Tor 13 23730 Neustadt in Holstein Tel.: 04561 2957 E-Mail: info@ambulante-pflege-neustadt.de

Ambulante Krankenpflege Lütjenburg GbR Inhaber Manuela und Christian Pittelkow Königsberger Straße 4 24321 Lütjenburg Tel.: 04381 418141 E-Mail: info@ambulante-pflege-luetjenburg.de www.ambulante-krankenpflege-pittelkow.de


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