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TROTZ VERBOT: DAS KÜKENTÖTEN GEHT WEITER

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WASSERVERBRAUCH

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Die Freude war groß, als das Bundesverwaltungsgericht im September 2019 letztinstanzlich entschied, dass das Töten männlicher Küken aus rein wirtschaftlichen Gründen einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz darstellt.

Tierschutzorganisationen hatten schon lange so argumentiert und angeführt, dass es nicht rechtmäßig ist, die Brüder der Legehennen auszusortieren und zu töten (die Brüder haben keinen wirtschaftlichen Wert, weil sie keine Eier legen und nur langsam wachsen). Doch Politik, Wirtschaft und Vollzug sahen es anders oder blieben untätig. Zumindest bis der damalige Landwirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel, seine Behörden im Jahr 2013 anwies, das Kükentöten zu unterbinden. Daraus entstand ein Rechtsstreit, der durch alle Instanzen ging und sechs Jahre später ein gutes Ende hatte – eigentlich.

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13 Milliarden Eier pro Jahr – allein in Deutschland

Die Kosten der Geschlechtsfrühbestimmung liegen bei zirka 1 Cent pro Ei. Der Engpass ist derzeit die Verfügbarkeit von Geräten zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Werden die männlichen Küken aufgezogen, verursacht das Mehrkosten in Höhe von rund 2,5 Cent pro Ei. Bei 13 Milliarden Eiern, die jedes Jahr in Deutschland produziert werden, ist der Anreiz hoch, das Verbot des Kükentötens zu umgehen und dadurch viele Millionen Euro einzusparen.

Zögern in der Politik, Tierleid in der Praxis

Die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ließ sich viel Zeit, um den Gerichtsentscheid in einen Gesetzestext zu gießen. Das Verbot des Kükentötens ist erst seit dem 1. Januar 2022 in Kraft. Wer in Deutschland Legehennen züchtet, hat jetzt zwei Alternativen: Entweder wird das Geschlecht im Ei festgestellt und Eier mit männlichen Embryonen werden vernichtet, oder alle Küken werden ausgebrütet und die männlichen Küken werden gemästet. Letzteres geschieht meist unter schlechten Bedingungen im Ausland und führt zu zusätzlichen Tiertransporten. Unsere Einschätzung ist, dass es für diese Tiere besser wäre, direkt als Küken getötet zu werden.

Erst 2024 tritt Regulierung für Geschlechtsfrüherkennung in Kraft

Noch gibt es für die Geschlechtsbestimmung im Ei keine Beschränkungen. Theoretisch (und teilweise auch praktisch) kann das Geschlecht also erst kurz vor Schlupf bestimmt werden, wenn die Küken schon fast voll ausgebildet sind. Sie empfinden mit Sicherheit Schmerzen, wenn die Eier in einen Häcksler geworfen werden. Aus den Eiern samt der ungeschlüpften Küken wird dann Tierfutter. Erst ab dem 1. Januar 2024 wird die Geschlechtsfrüherkennung so reguliert, dass sie vor dem siebten Bebrütungstag stattfinden muss. Die Embryonen spüren dann sehr wahrscheinlich noch keinen Schmerz. Allerdings gibt es bislang noch kein marktreifes Verfahren, das das Geschlecht so früh bestimmen kann.

Die Tricks zur Umgehung des Kükentöten-Verbots

Für Eier, die in Lebensmitteln wie Nudeln und Gebäck verarbeitet werden (man spricht von Eiprodukten), können einfach Eier aus dem Ausland importiert werden. Vereinzelt kommen dafür sogar noch Käfigeier zum Einsatz. Ob Käfig oder nicht: Die Eier stammen – mangels Verboten in anderen Ländern – in der Regel von Hennen, deren Brüder direkt nach dem Schlüpfen getötet wurden. Das gilt für fast alle verarbeiteten Lebensmittel. Auch in der Gastronomie werden in der Regel Eiprodukte (z. B. Flüssigei im Tetrapack) verwendet, die mit Kükentöten in Verbindung stehen. Das spart Kosten und ist weder verboten noch fragen viele Kund:innen danach.

Die Hintertür der Brütereien im Ausland

Auch für Schaleneier, wie man sie im Supermarkt, auf dem Wochenmarkt oder beim Landwirt seines Vertrauens kauft, kommt das Kükentöten zum Teil zum Einsatz. Und das gilt sogar für Eier mit DE-Aufdruck, der anzeigt, dass das Ei in Deutschland gelegt wurde. Der Trick dahinter: Das Verbot des Kükentötens gilt nur auf der Ebene der Brütereien. Landwirt:innen sind aber nicht dazu gezwungen, ihre Hennen von deutschen Brütereien zu kaufen. Sie können die Hennen einfach aus dem Ausland beziehen, wo die Brüder der Hennen nach dem Schlüpfen getötet wurden.

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