Programmheft "Er ist wieder da"

Er ist  wieder da

Eine Produktion des Altonaer Theaters, Hamburg, in Zusammenarbeit mit dem Theater am KurfĂźrstendamm

Er ist wieder da

Bühnenfassung von Axel Schneider Nach dem gleichnamigen Roman von Timur Vermes Adolf Hitler Bellini, Künast u.a.

Sensenbrink, Kioskbesitzer u.a.

Sawatzki, Wizgür u.a.

Fräulein Krömeier, Ute Kassler u.a.

Musiker

Kristian Bader Kerstin Hilbig Ole Schloßhauer

Regie Bühnenbild Kostümbild Musikalische Einrichtung Video Dramaturgie

Axel Schneider Lars Peter Volker Deutschmann Georg Münzel Willy Hans Violaine Kozycki

Regieassistenz Bühnenbildassistenz Kostümbildassistenz Regiehospitanz

Inga Weinlich Marlene Rudolph Anna Lopez Vera Herden

■

3

Stefan Roschy Elena Meißner

2

Georg Münzel

Kristian BAder

Premiere am 2.11.2016 im Theater am Kurfürstendamm Aufführungsdauer: ca. zwei Stunden 30 Minuten, inklusive Pause Aufführungsrechte: Eichborn Verlag der Bastei Lübbe AG, Köln, vertreten durch Verlag der Autoren GmbH & Co KG, Frankfurt am Main

■

Kristian BAder

4

■

5

Ole Schlosshauer

Kristian BAder

■

Kerstin Hilbig

Kristian Bader

Timur Vermes Timur Vermes kam 1967 als Sohn einer Deutschen und eines 1956 geflohenen Ungarn in Nürnberg zur Welt. Im Anschluss an seinen Schulabschluss studierte er in Erlangen Geschichte und Politik und arbeitete danach als Journalist. Timur Vermes verfasste unter anderem Artikel für die »Abendzeitung«, den Kölner »Express« und verschiedene Magazine.

2007 begann er, als Ghostwriter Bücher zu schreiben, u.a. das Buch eines so genannten Tatortreinigers mit dem Titel »Was vom Tode 7

übrig bleibt«. 2012 erschien sein Debütroman

6

■

unter eigenen Namen: »Er ist wieder da«, eine Satire über Hitler. Roman und Hörbuch, gelesen von Stromberg-Darsteller Christoph Maria Herbst, nahmen auf den Bestsellerlisten sofort die ersten Plätze ein, wie auch der gleichnamige Film, der 2015 in die Kinos kam und zu dem Vermes das Drehbuch schrieb. Darüber hinaus betätigt sich Timur Vermes weiterhin als Ghostwriter.

Georg Münzel münzel

SZ.de: »Schon wieder Hitler«, werden die Foristen vermutlich unter unser Gespräch schreiben. Was antworten Sie denen, Herr Vermes?

Timur Vermes: Dass wir nicht zu viel Hitler haben, sondern zu viel vom gleichen Hitler.

Immer dieselben Erklärungen, immer dieselben

Was fehlte Ihnen?

Die offenkundige Attraktivität des Menschen Adolf Hitler. Der Mann dachte und arbeitete zwar nach einer völlig verquasten Logik, aber damit allein kann man noch keinen Massenmord begehen. Es haben ihm eine Menge Leute geholfen, weil sie ihn toll fanden. Wenn aber so viele ihm geholfen haben, kann er nicht so grauenhaft auf sie gewirkt haben. Menschen wählen Menschen, die sie attraktiv oder bewundernswert finden.

Dass weite Teile der Bevölkerung ihn damals verehrten, Mag sein, den Grund dieser Verehrung kann Ihnen

Leuten, die Hitler nur als Monster akzeptieren –

heute aber kaum noch jemand erklären. Die Medien

um sich selbst besser zu fühlen.

zeigen heute vor allem den Monsterhitler, der

Ging es Ihnen auch so?

alle einschüchtert, und den Kasperhitler. Seine

9

ist eine Binsenweisheit.

wir haben zu oft die Verweigerungshaltung von

Wähler von damals sehen von diesem Standpunkt

8

Zugänge, immer dieselben Perspektiven. Und

Klar. Auch ich habe mich lange dran gewöhnt,

aus wie Idioten. Und wir zappen beruhigt weiter:

Hitler als zwangsläufigen Teil der Geschichte zu

Heute sind wir schlauer, wir würden nie Monstern

sehen. Nach dem Motto: Erst kommt der Erste

oder Kaspern nachlaufen. So schlau wie wir

Weltkrieg, dann die Weimarer Republik, dann

waren die damals aber schon auch. Hitler konnte

die Phase mit dem furchtbaren Irren, die Hetze,

offensichtlich auch freundlich, klug und charmant

die Diktatur, die Judenvernichtung. Aber dann

wirken. Das ist der Punkt, mit dem wir uns

stellt man fest: Das reicht nicht. So kann es

ziemlich schwertun. Ein monströser Hitler

nicht gewesen sein.

macht es uns einfach. Denn je unwiderstehlicher

■

» Hitler«

Wir haben zu viel vom gleichen

das Böse war, desto weniger Schuld scheinen diejenigen auf sich geladen zu haben, die ihm eifrig geholfen haben. Im Umkehrschluss: Wenn Hitler nicht absolut böse war, sondern auch nette Seiten hatte, kann das mit dem Monster so nicht stimmen. Dann wird plötzlich deutlich, dass viel mehr Menschen freiwillig mitgemacht haben. […]

Hitler wacht in Ihrem Buch im Jahre 2011 in Berlin auf – Kerstin Hilbig

und Sie erklären nicht, wie und warum er dort hinkommt.

Inwieweit wird Ihr Nazi-Diktator der historischen Figur gerecht, so ganz ohne Göring, ohne Eva, ohne Blondi?

Das Szenario Hitler in die Gegenwart zu versetzen, ist ein phantastisches Element, das ich mir erlaubt zu flunkern, sondern nahe an der historischen Figur zu bleiben. So stammt der Stil aus »Mein Kampf«: Er kommt von Hölzchen zu Stöckchen, ist prätentiös, wie einer aus kleinen Verhältnissen glaubt, dass ein Buch sein müsste. Inhaltlich haben seine Monologe im Führerhauptquartier weitergeholfen. Mir war wichtig zu zeigen, wie er tickt und wie er heute agieren würde. Auch Hitler würde ein Feuer mit Wasser löschen – der schleichende Übergang von Vernunft zu Irrsinn macht ihn ja so gefährlich.

Elena Meissner

11

habe. Des Weiteren habe ich versucht, nicht

■

Ole Schlosshauer

■

10

Kristian BAder

■

Ihr Hitler gerät in Situationen, die mitunter amüsieren.

Haben Sie keine Sorge, dass das den Tyrannen verharmlost?

Nein, das Amüsante macht es ja erst interessant.

Das Amüsante signalisiert bei uns ja immer: Jetzt kann dir nichts passieren, jetzt gibt's nur Witze. Und ich nutze diese Arglosigkeit des Lesers, ich serviere diese Situationen immer mit einer Beilage, die unverdaulich ist. Da beobachtet Hitler eine Frau mit Hund. Der macht sein Häufchen, was das Frauchen mit einer Plastiktüte aufnimmt und entsorgt. Hitler denkt, die Frau wäre verrückt. Das klingt lustig. Ist es aber nicht, denn für Hitler ist klar: Die aus seiner Sicht irre Hundehalterin muss sterilisiert werden, damit sie sich nicht fortpflanzt. Das kommt wie eine Ohrfeige aus dem Nichts, 13

genauso beiläufig wie die Gags vorher – aber es

■

steht genauso deutlich da. Die Bewertung bleibt

12

dem Leser überlassen, aber wer das für harmlos hält, den beobachtet hoffentlich schon der Verfassungsschutz.

Warum lassen Sie Hitler aus der Ich-Perspektive erzählen?

Weil die Ich-Perspektive dem Leser die Möglichkeit zum Ausweichen nimmt. Er ist nicht mehr nur Beobachter, er ist Partei. Er sitzt in einem Kopf, in dem er nie sitzen wollte, und er stellt fest, Kerstin Hilbig

■

Kristian BAder

dass man's da überraschenderweise ganz gut aushält. Die zweite Frage ist: Warum Hitler?

Weil Hitler neue Möglichkeiten eröffnet. Bei wohl keiner Figur der Menschheitsgeschichte ist jede noch so unbedeutende Handlung oder Meinung im Voraus bewertet. Ich habe mir zum Beispiel vorgestellt, dass Hitler Veronica Ferres toll finden würde.

Weil er den Film »Schtonk« gesehen hat? (lacht) Nein, weil sie groß und blond ist. Was sagt das über Ferres aus? Natürlich nix! Und was sagt das über ihn aus? Eigentlich auch nix, aber trotzdem vermuten wir in dieser Vorliebe sofort eine tiefere Bedeutung. Hitler findet die Ferres gut, also muss sie doch schlecht sein, oder? Und wenn man sich dazu verhalten will, muss man zugleich auch aufpassen, ob man sich anschließt oder nicht. Merken Sie, was das aus einem macht? Das war schon unheimlich reizvoll.

Oliver Das Gupta (SZ, 2012)

Agenda Setting

Die Thematisierungsfunktion der Massenmedien Die Massenmedien haben in modernen

Gesellschaften einen bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung. Sie präsentieren nur einen Ausschnitt der objektiven Realität und beeinflussen die Öffentlichkeit bereits durch die gesetzten Themenschwerpunkte – ein Aspekt, den der viel beachtete Agenda-SettingAnsatz (auch »Thematisierungsansatz« genannt) hervorhebt. Grundgedanke des Konzepts ist,

Elena Meissner

■

Kristian BAder

dass die Massenmedien zwar keinen großen Ein-

auf ihre Tagesordnung setzen (Media Agenda) und diese durch Publikationshäufigkeit, Aufmachung und Platzierung unterschiedlich gewichten, geben sie nicht nur die Themen vor, mit denen sich die Menschen auseinandersetzen (Public Agenda), sie beeinflussen auch nachhaltig die gesellschaftliche Relevanz von Themen.

Bundeszentrale für politische Bildung

■

machen. Indem die Medien einzelne Themen

16

sehr wohl aber auf das, worüber sie sich Gedanken

17

fluss auf das haben, was die Menschen denken,

Literatur http://www.sueddeutsche.de/kultur/bestseller-autor-timur-vermeswir-haben-zu-viel-vom-gleichen-hitler-1.1548976

Einige Texte wurden redaktionell bearbeitet, gekürzt und der neuen Rechtschreibung angepasst.

Der Jingle der Wizgür-Show wurde von Tobias Kilian produziert.

Unser Theater-Team

19

G2 Baraniak Schöne Drucksachen GmbH, Berlin

18

Probenfotos: Druckerei:

■

Kristian BAder

Susanne Adam, Romy Beu, Ringo Breitz, Emrah Demir, Maria-Micaela Eichfeld, Stephan Emmerich-Jung, Boris Feist, Ilona Feist, Ursula Fisch, Michael Forner, Martin Köster-Rößling, Carsten Lange, Nicola Liefeldt, Lennart Losensky, Peter Müller, Mathias Nitschke, Robert Perin, Katrin Reichardt, Alexander Rickmann, Olesia Ruschig, Jana Salewski, Bärbel Salomon, Astrid Schill, Marita Schröter, Anja Schubert, Carsten Schultz, Margrit Schultze, Kerstin Sielaff, Philipp Sturm, Sanyo Thet, Claudia Töpritz, Brigitta Valentin, Stephanie Vatansever, Thomas Vorkastner, Miriam Wehde, Andrea Weidmann, Martin Woelffer, Jürgen Wölffer, Eckard Wurm, Matthias Ziesch

Ole schlosshauer