Other Spaces – The Independent Performing Arts Venues in Berlin

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Monster Truck und hannsjana. Alle Stücke werden gemeinsam mit den Ensemblemitgliedern entwickelt, gemeinsame Autor:innenschaft ist seit langem ein Grundprinzip der Arbeit. Der wegweisende diverse Ansatz wird auch seitens der Fördergremien gewürdigt. Seit 2020 erhält Thikwa die vierjährige Konzeptförderung des Berliner Kultursenats. In unmittelbarer Nähe zum Theater, in der ehemaligen Bockbrauerei auf der anderen Straßenseite, befindet sich die Thikwa-Werkstatt für Theater und Kunst, in der Menschen, die als geistig, psychisch oder lernbehindert gelten, eine Ausbildung in Schauspiel, Tanz und Bildender Kunst erhalten. Hier arbeitet und probt auch das 44-köpfige Ensemble. Die Thikwa-Werkstatt für Theater und Kunst wird gemeinsam mit der Nordberliner Werkgemeinschaft (nbw) betrieben und bietet den behinderten Beschäftigen einen Vollzeitarbeitsplatz im Bereich Kunst. Für seine Arbeit wurde das Theater mit einer Vielzahl von Preisen ausgezeichnet – unter anderem mit dem Martin-Linzer-Theaterpreis der Zeitschrift Theater der Zeit für die „herausragende Ensemble-Leistung eines Theaters im deutschsprachigen Raum“ und dem Theaterpreis des Bundes für „die in der Theaterszene herausragende Beschwörung von gesellschaftlicher Diversität bei gleichzeitiger Lust an künstlerischer Radikalität“. Dagegen hat sich das English Theatre Berlin (ETB) als eines der ältesten kontinuierlich produzierenden freien Theater in Berlin von Anfang an an der internationalen Vielfalt orientiert. Von der Umbruchzeit nach dem Mauerfall über den Hype der Nuller Jahre bis hin zu den 2010er Jahren mit der zunehmenden Internationalisierung Berlins sowie der Professionalisierung und Etablierung der Freien Szene als feste Größe in der Theater- und Performancelandschaft ist die Geschichte des ETB untrennbar mit der von Berlin verbunden – es hat sich über die Jahrzehnte immer wieder neu erfunden, künstlerisch und namentlich. 230

Ein knappes halbes Jahr nach der ersten Premiere gab es die Uraufführung von „Noodle Highway“, einem Stück der US-amerikanischen Autorin Joy Cutler und der Gruppe Out to Lunch auf Englisch, und ein erstes Gastspiel aus Dublin. Aus der großen Resonanz auf die englischsprachige Fokussierung folgte die Entscheidung, die Spielstätte künftig unter dem Namen Friends of Italian Opera – English Theatre zu betreiben. 1993 kam Günther Grosser, der schon in den 1980er Jahren mit den Berlin PlayActors um Rik Maverik und später mit Out to Lunch gearbeitet hatte, als künstlerischer Leiter an das Haus. 1995 erhielt das Theater seine erste Förderung aus Mitteln für Freie Theater und Gruppen des Landes Berlin. Bis 2006 bespielten Friends of Italian Opera die kleine Bühne mit fünfzig Plätzen und Open-air-Bar, die lange als Geheimtipp galt. Auf dem Spielplan fanden sich renommierte Gastspiele aus allen englischsprachigen Ländern, Eigenproduktionen von neuen Stücken und modernen Klassikern sowie Performances und Produktionen aus der Freien Szene Berlins. Die kleine Spielstätte hatte zahlreiche Erfolge zu verzeichnen, so etwa die Aufnahme der Out-to-Lunch-Produktion von Nicky Silvers „The Food Chain“ ins Programm der Berliner Festwochen von 1998. Die Wende zum heutigen English Theatre Berlin | International Performing Arts Center kam 2012, 23 Jahre nach dem Mauerfall. Daniel Brunet, Hausregisseur in der Spielzeit 2003/04 und Gründer der Entwicklungsreihe THE LAB, wurde zum Producing Artistic Director berufen und vertrat damit im Leitungsteam eine neue Generation von Theatermacher:innen. Mit ihm kam ein neues künstlerisches Konzept, das auf der spannenden und internationalen Freien Szene Berlins basiert: Englisch als Arbeitssprache. Mit diesem Schritt hat sich die ­Spielstätte für alle Künstler:innen der Stadt geöffnet, die auf Englisch arbeiten, dabei aber ausdrücklich nicht-englische Muttersprachler:innen mit einbezogen. Der Spielplan beinhaltet Arbeiten von Künstler:innen aller


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