Thcene 201301

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Auch wenn sich die politische Situation für Cannabis in Deutschland bisher nicht groß verbessert hat, kommt man doch nicht daran vorbei, einen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung festzustellen: Cannabis scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. In unserer Reihe „Cannabis im Alltag“ (in der Menschen aus allen Schichten und Lebenslagen offen über ihren Umgang mit Cannabis sprechen) haben wir uns diesmal mit einer lebenslustigen Rentnerin getroffen, die davon berichtet, wie sie mit 48 Jahren schließlich Gefallen an Marihuana fand. Mittlerweile kifft sie fast täglich, zieht selbst ein paar Pflanzen groß und hat trotzdem nicht das Gefühl, sich irgendwie verstecken zu müssen. Anschließend haben wir „auf der Piste“ mit einem Aktivsportler gesprochen, dem es gelungen ist, Familienleben, Beruf, Hanfgenuss und (s)ein von sportlichen Aktivitäten bestimmtes Leben erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Ein außergewöhnliches Beispiel für einen Menschen, der es geschafft hat, mit Cannabis seinen zuvor exzessiven Alkholkonsum unter Kontrolle zu bringen. Aber auch Freunde der Sortenvielfalt, Hobbygrower und Zuchtexperten kommen in unserer aktuellen Ausgabe auf ihre Kosten. Green Born Identity nimmt mit Atomical Haze von Paradise Seeds, Serious Seeds Biddy Early und Silver Kush von Reserva Privada diesmal gleich drei Top-Strains ausführlicher unter die Lupe und berichtet in „Growing in Balkonien“ auch davon, wie immer mehr Hanf auf Deutschlands Balkonen und Terrassen wächst und gedeiht und damit den Trend des Selbstanbaus fortsetzt. In der Kategorie „Politik und Gesellschaft“ äußert sich der US-amerikanische Politkritiker, Aktivist und Philosoph Noam Chomsky zur allgemeinen weltpolitischen Lage und etwas später gehen wir auch noch der Frage auf den Grund, ob wir bald alle von unbemannten fliegenden Drohnen unbemerkt aus der Luft ausspioniert werden. Doch das ist noch längst nicht alles, was Ihr im neuen Heft findet – lasst Euch überraschen und denkt daran: Es braucht viel mehr Leute mit Mut und gesundem Menschenverstand, die bereit sind, zu ihrem Umgang mit Cannabis in der Öffentlichkeit zu stehen und die sich für eine entsprechende Änderung der Gesetze stark machen. Dann wäre selbst eine Legalisierung gar kein allzu weit entferntes Ziel mehr – denn was die USA (zumindest in Washington und Colorado) können, dass schaffen wir doch auch! Eure thcene-Redaktion

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Oberverwaltungsgericht Münster: Patienten dürfen Cannabis zur Selbsttherapie anbauen Schwerkranke Bundesbürger dürfen unter strengen Voraussetzungen Cannabis zuhause selbst anbauen. Dies stellte das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Urteil vom 7. Dezember 2012 fest. Die Begründung wurde nun veröffentlicht. Patienten, für deren Erkrankungen keine anderen und zumutbaren Therapien zur Verfügung stehen, jedoch von Cannabisprodukten medizinisch profitieren, können einen Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn stellen, damit sie im Rahmen einer ärztlich begleiteten und überwachten Selbsttherapie Cannabispflanzen in ihrer Woh-

nahmen gegen eine Entwendung verlangen, wie sie von pharmazeutischen Unternehmen gefordert wird. Die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes wie auch die internationalen Suchtstoffübereinkommen müssten so ausgelegt werden, dass die Erteilung einer Erlaubnis an Privatpersonen möglich ist. Der Anwalt des Klägers, Dr. Oliver Tolmein aus Hamburg, sieht nach dieser Entscheidung den Gesetzgeber gefordert: "Wenn das Bundesgesundheitsministerium nicht will, dass schwerkranke Patienten Cannabis zur Eigentherapie selbst anbauen dürfen, muss er im Krankenversicherungsrecht eindeutig klarstellen, dass die Krankenkassen bei entsprechend schwerkranken, sonst nicht behandelbaren Patienten die Kosten für cannabinoidhaltige Medikamente oder Medizinalhanf übernehmen müssen." Eine ärztlich überwachte Therapie mit Cannabis beziehungsweise einzelnen Cannabinoiden kann in Deutschland gegenwärtig auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen: Einerseits können mittels Betäubungsmittel-Rezept der Cannabiswirkstoff Dronabinol, der synthetische THC-Abkömmling Nabilon und der Cannabisextrakt Sativex verschrieben werden. Andererseits kann eine medizinische Verwendung von Cannabis in Form von Cannabiskraut aus der Apotheke, das aus den Niederlanden importiert wird, erfolgen. Dies bedarf allerdings einer Ausnahmegenehmigung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Vor dem Verwaltungsgericht Köln sind derzeit weitere Klagen schwerkranker Patienten anhängig, denen das Bundesgesundheitsministerium die Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis verweigert. Quelle: Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)

nung anbauen dürfen. Bislang wurden solche Anträge auf Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums grundsätzlich abgelehnt. Diese Praxis ist aber rechtswidrig, erklärte das Gericht. "Das Urteil ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer besseren Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten auf Cannabisbasis", erklärte Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. "Denn Cannabisprodukte aus der Apotheke sind für viele Patienten unbezahlbar. Durch einen legalisierten Eigenanbau eröffnet sich für sie erstmals eine erschwingliche Alternative." Die Krankenkassen verweigern bisher überwiegend die Erstattung der Kosten einer Behandlung mit Cannabismedikamenten. "Dass viele Patienten deshalb auf illegale Quellen oder einen illegalen Selbstanbau ihrer Medizin angewiesen sind, ist unerträglich", so Grotenhermen. Patienten, deren Krankenkassen die Kosten einer Therapie mit cannabinoidhaltigen Medikamenten übernehmen, haben allerdings keinen Anspruch auf eine Genehmigung zum Eigenanbau. Dies stellte das Gericht im konkreten Fall bei einem an Multipler Sklerose erkrankten Kläger fest und gab in diesem konkreten Einzelfall der beklagten Bundesrepublik Deutschland recht, die die Erlaubnis zum Eigenanbau hier verweigert hatte. Der Kläger habe bisher nicht überzeugend darlegen können, dass das von seiner Krankenkasse bezahlte Medikament Dronabinol bei ihm nicht die gleiche medizinische Wirkung, wie das von ihm selbst angebaute Cannabis habe. Die Argumente der Bundesopiumstelle gegen eine grundsätzliche Erteilung einer Genehmigung für den Eigenanbau durch Patienten wurden vom Gericht jedoch vollständig zurückgewiesen. Das Urteil stellt klar: "Fehlt aber eine erschwingliche Behandlungsalternative, kommt die - im Ermessen des BfArM stehende - Erteilung einer Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis in Betracht." Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte könne beim Eigenanbau zu therapeutischen Zwecken von den Antragstellern keine Sicherungsmaß-

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Cannabis in Colorado und Washington nun offiziell legal Nach den beiden erfolgreichen Volksabstimmungen in den US-Bundesstaaten Colorado und Washington ist am 5.12. bzw 10.12. die Legalisierung nun in Kraft getreten. Die Gouverneure der beiden Staaten haben jeweils eine entsprechende Bekanntmachung herausgegeben. Unmittelbar nach den Abstimmungen hatten bereits Staatsanwälte in beiden Staaten damit begonnen offene Verfahren einzustellen. Die beiden erfolgreichen Initiativen gehen klar über eine Entkriminalisierung von Cannabis hinaus: Washington – Initiative 502 erlaubt den Besitz von bis zu einer Unze Cannabis für Erwachsene ab 21 Jahren. Anbau zum Eigenbedarf wird jedoch nur Patienten gestattet, die Cannabis als Medizin nutzen. Cannabisanbau, Einzel- und Großhandel werden mit Einschränkungen in Bezug auf Werbung lizensiert. Die Regulierung wird Aufgabe des 'Liquor Control Board' des Staates, welches bis spätestens Dezember 2013 Regeln diesbezüglich erstellen muss. Die Gesetzesänderung wird eine Steuer von 25 % auf Cannabisverkäufe schaffen, wobei 40 % der Einnahmen durch die Steuer in den allgemeinen Haushalt fließen werden und 60 % Präventionsmaßnahmen, Forschung und Gesundheitsversorgung zugute kommen werden. Es wird ausserdem ein allgemein gültiger Grenzwert von 5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut für den Straßenverkehr eingeführt. Colorado – Amendment 64 wird es Erwachsenen ab 21 Jahren erlauben, bis zu einer Unze (ca. 28 g) oder sechs Hanfpflanzen zu besitzen, wobei von letzteren bis zu drei erntereif sein dürfen. Es wird ein System von staatlich zugelassenem Anbau, Weiterverarbeitung und Qualitätskontrolle geschaffen, sowie staatlich genehmigte Verkaufs-


stellen. Lokalen Behörden ist es gestattet, derartige Einrichtungen einzuschränken oder zu verbieten. Das Gesetz wird außerdem die Legislative des Bundesstaats dazu verpflichten, Gesetze zu Anbau, Verarbeitung und Verkauf von Industriehanf zu verabschieden, sowie eine Steuer auf den Cannabis-Großhandel zu schaffen. Die ersten 40 Millionen Dollar aus diesen jährlichen Einkünften werden für den Bau öffentlicher Schulen vorgesehen. Zu dieser positiven Wende im “War on Drugs” äusserte sich Georg Wurth vom Deutschen Hanf Verband in einer Pressemitteilung vom 07.11.2012 so:

Die Bürger der US-Staaten Washington und Colorado haben die vollständige Legalisierung von Cannabis beschlossen. Anders als in vielen deutschen Medien berichtet, geht es nicht nur um die Entkriminalisierung des gelegentlichen Konsums. Ausgerechnet in den USA wird weltweit zum ersten mal Marijuana ähnlich wie Alkohol reguliert, kontrolliert und besteuert. Auch in Deutschland erwartet der Hanfverband nun eine verstärkte Diskussion um das "teure und unsinnige Verbot von Hanf". Heute wird Geschichte geschrieben, dies ist ein wichtiger Meilenstein in der internationalen Debatte um eine vernünftige Regulierung des Cannabismarktes". Für die Umsetzung der Initiativen gelten im Abstimmungsrecht der USA strenge Regeln. Der Deutsche Hanf Verband und US-Organisationen wie NORML oder die Drug Policy Alliance rechnen mit einer zügigen Umsetzung der Vorschläge und sprechen von einem historischen Ereignis.

mit der US-Bundesebene führen könnte, so wie es auch bei den Cannabis-Apotheken in Kalifornien der Fall ist. Unter Obama wird es wohl weniger Widerstand geben als unter Romney. In einem Interview, das am 14. Dezember im Fernsehen ausgestrahlt wurde, wurde Präsident Barack Obama gefragt, ob er die Legalisierung von Cannabis unterstützt. Er sagte: "Ich würde nicht so weit gehen." Aber der Präsident will Konsumenten in Staaten, in denen die Wähler die Verwendung von Cannabis während der Wahlen im November legalisiert haben, nicht verfolgen. Cannabis bleibt nach den Bundesgesetzen illegal. Obama erklärte: "Es macht aus Perspektive der Prioritäten keinen Sinn" sich auf den Drogenkonsum in Staaten, in denen er nun erlaubt ist, zu konzentrieren. Cannabis wurde in Washington offiziell Anfang Dezember und wird in Colorado im Januar legal. Vor zwei Jahren hatte die Obama-Administration noch gegen eine ähnliche Abstimmung in Kalifornien mobil gemacht, sich diesmal aber zurückgehalten. Das liegt vermutlich auch daran, dass mittlerweile 59 Prozent aller Amerikaner für die vollständige Legalisierung von Cannabis sind. Nach einer Umfrage des Umfrageinstituts der Quinnipiac-Universität favorisieren die amerikanischen Bürger mit 51 zu 44 % die Legalisierung von Cannabis. Männer unterstützen die Legalisierung mit einem Verhältnis von 59 zu 36 %, während Frauen die Legalisierung mit 52 zu 44 % ablehnen. Wähler im Alter zwischen 18 und 29 Jahren unterstützen die Legalisierung mit 67 zu 29 %, während Wähler im Alter über 65 Jahren dagegen sind, mit 56 zu 35 %. Und ausserdem is es ja bekannt, dass Obama in früheren Jahren dem Konsum von Cannabis auch selbst nicht abgeneigt war... Der DHV erwartet auch für Deutschland frischen Wind in der Debatte. Dass das Thema auf Platz 2 bei Merkels Zukunftsdialog gelandet sei, zeige den großen Diskussionsbedarf auch hierzulande. Georg Wurth erwartet zwar in dieser Legislaturperiode keine Fortschritt mehr, "aber die Politik wird das Thema nicht mehr los, wir bleiben dran." (Quelle: Newsletter des Deutschen Hanf Verband, www.hanfverband.de)

Damit wird es in absehbarer Zeit weltweit erstmals Cannabis-Fachgeschäfte für Erwachsene geben, obwohl das noch zu einigen Konflikten

Breaking the Taboo! Am Donnerstag, den 6.12.2012 feierte der Film "Breaking the Taboo" seine Weltpremiere, seit Freitag kann jeder ihn auf Youtube sehen. Der bekannte Schauspieler Morgan Freeman erzählt darin die Geschichte des erfolglosen weltweiten "War on Drugs". Dazu kommen zahlreiche Interviews mit Prominenten wie den ehemaligen Staatschefs Bill Clinton oder Fernando Cardoso. Die einstündige Dokumentation beleuchtet zudem die Arbeit der "Global Commission on Drug Policy". Mehr über den Film erfahrt Ihr unter: www.breakingthetaboo.info (Quelle: Newsletter des Deutschen Hanf Verband, www.hanfverband.de)

Deutschsprachige Version des "Global Cannabis Cultivation Survey" online "Bauen Sie Cannabis an? Wenn ja, helfen Sie uns bitte, ein objektives und detailliertes Bild von Cannabis-Growern zu erstellen und tragen Sie somit zu einem besseren, wissenschaftlich fundierten Verständnis des Umgangs mit Cannabis bei." Mit dieser Bitte wenden sich Dr. Bernd Werse (Schildower Kreis) und Dr. Christiane Bernard an alle, die in Deutschland, Österreich oder der Schweiz wohnen und Erfah-

rungen mit dem (illegalen) Anbau von Cannabis haben. Wir rufen dazu auf, sich an der Befragung zu beteiligen! "Bei dem Projekt geht es um die sozialwissenschaftliche Erforschung des (illegalen) Anbaus von Cannabis in unterschiedlichen Ländern der Erde. Die Erhebung wird mittels Online-Surveys durchgeführt. Das Thema ist bislang nur in geringem Maße erforscht. Bislang laufen bereits Erhebungen in Belgien, Finnland, Dänemark, Großbritannien, USA/ Kanada und Australien; weitere folgen demnächst. Das Konsortium besteht aus erfahrenen und renommierten Sozialwissenschaftlern , die ausschließlich an Universitäten oder anderen öffentlichen Institutionen über Drogenthemen forschen." Die Wissenschaftler weisen zudem darauf hin, dass die Teilnehme völlig anonym ist. Es werden weder IP Adressen aufgezeichnet, noch sonst irgendwelche Informationen erhoben, die direkt oder indirekt zur Identifikation dienen könnten. Das Hanfjournal weist in seinem Artikel darauf hin, dass "das Centre For Drug Research bereits bei ähnlichen Projekten in der Vergangenheit höchste Professionalität beim Datenschutz bewiesen hat. " Finanziert werden soll die Studie über Crowdfunding. Hierzu kann man auf der Seite sciencestarter.de Geld spenden und erhält im Gegenzug z. B. eine persönliche Erwähnung im Bericht (10€) oder einen eigenen Vortrag zu den Ergebnissen (1000€). Wenn Dr. Werse und Dr. Bernard mit diesem neuen Ansatz Erfolg haben, würde dies für die Zukunft interessante neue Möglichkeiten für eine völlig unabhängige Forschung im Bereich Drogen eröffnen. Hier geht es zur Befragung! https://limesurvey.unifrankfurt.de/limesurvey/index.php?sid=18881&la ng=de (Quelle: Newsletter des Deutschen Hanf Verband, www.hanfverband.de)

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Von Hanf ist die Rede - Anmerkungen zum wissenschaftlichen und politischen Diskussionsstand in Deutschland Der Suchtmediziner Hans-Günter Meyer-Thompson hat auf dem "Alpensymposium" im Rahmen des 13. Interdisziplinären Kongress für Suchtmedizin am 5.7. 2012 bis 7.7.2012 in München einen großartigen Vortrag zum Thema Cannabis gehalten. Unter dem Titel "Von Hanf ist die Rede - Anmerkungen zum wissenschaftlichen und politischen Diskussionsstand in Deutschland" kritisierte er das Cannabisverbot und die Drogenpolitik aus wissenschaftlicher Sicht. Sein Vortrag ist nun endlich online in der Zeitschrift "Suchtmedizin in Forschung und Praxis" verfügbar. Meyer-Thompson ist Vorstandsmitglied der DGS (Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin) und einigen von unseren Lesern als Sachverständiger aus der Anhörung zur "Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs” bekannt. Thompson beginnt den Vortrag mit zwei Zitaten: "Ich glaube, das Haschisch abhängig macht. Es wird eine Sucht auf die angestrebte Bewusstseinserweiterung gebildet." (Antje Huber, Bundesgesundheitsministerin, Spiegel 3/1980, 14.01.1980). "Bei Alkohol und Zigaretten ist ein vernünftiger, begrenzter Umfang nicht sofort so suchtgefährdend, wie das bei Cannabis – nach unserer Auffassung – der Fall ist." (Angela Merkel zum Thema Cannabis-Legalisierung, YouTube, 18.11.2011,http://www.youtube.com/watch?v=Y2-fYVIHAhU) “Zwischen diesen beiden Statements liegen 30 Jahre. Während die Sozialdemokratin Huber noch an die Suchtgefahr von Haschisch glaubte, weiß die Christdemokratin und studierte Physikerin Merkel es ganz genau: Cannabis macht abhängig. Das ist drogenpolitisch kein Fortschritt und das ist überhaupt nicht lustig: Äußerungen wie diese bilden den Rahmen für eine Politik, die Jahr für Jahr eine sechsstellige Anzahl Menschen, meist junge, mit Ermittlungsverfahren überzieht. Äußerungen wie diese unterhöhlen jede glaubwürdige Präventionsstrategie. Und Äußerungen wie diese orchestrieren eine Marktentwicklung, die unter den Bedingungen der Prohibition ziemlichen Schaden anrichtet. Wer die Diskussion um Cannabis in den zurückliegenden Jahrzehnten verfolgt hat, weiß, welche Mythen gepflegt wurden, der weiß, mit welchen Lügen und Gefälligkeitsgutachten die wissenschaftliche Diskussion munitioniert wurde, der weiß, dass in den teils bizarren Bekenntnissen der Hanfgegner eine gehörige Portion Antihedonismus, Jugendfeindlichkeit und missionarischer Eifer steckt”. Den ganzen Artikel kann man auf der Seite der Zeitschrift "Suchtmedizin in Forschung und Praxis" lesen.

Abstimmung über den Antrag von Cannabis Social Clubs verschoben Entgegen ersten Berichten wurde der "Cannabis Social Clubs"-Antrag der LINKEN nicht Ende November im Bundestag debattiert und darüber abgestimmt. Wie uns das Büro von Frank Tempel mitteilte, wurde die Abstimmung auf Wunsch der LINKEN auf den 17. Januar verschoben. Der "CSC"-Antrag basiert im Wesentlichen auf einer Petition des Deutschen Hanf Verband und wurde Anfang 2012 im Gesundheitsausschuss des Bundestages mit einer großer Medienaufmerksamkeit im Rahmen einer öffentlichen Anhörung diskutiert. Von der Abstimmung selbst braucht man nicht viel zu erwarten; SPD, CDU und FDP haben sich klar gegen ihn positioniert und die Stimmen von LINKEN und Grünen zusammen sind halt leider keine Mehrheit. Im Innenausschuss, Rechtsausschuss und dem Ausschuss für Gesundheit wurde der Antrag bereits abgelehnt, auch wenn der eine oder andere FDP- und SPD-Abgeordnete nur widerwillig seiner Fraktion folgte. Interessant wird vor allem, ob die Abstimmung zu einer vernünftigen Uhrzeit stattfinden und es davor eine Diskussion im Plenum geben wird - das wäre das erste Mal seit Jahren, dass das Wort Cannabis dort ausgesprochen und das Thema nicht nur in den Fachausschüssen beraten wird. Das sollte dann auch live auf Phönix oder im Internet zu sehen sein. Sobald wir mehr wissen, werden wir berichten. Im Bericht von Angelika Graf (SPD), die als Berichterstatterin die bisherige Diskussion zusammengefasst hat, sind einige Aussagen und Stilblüten zu finden, die wir hier einfach mal unkommentiert zitieren: Die Fraktion der FDP führte aus, das für die Legalisierung von Cannabis angeführte Argument, der Konsum von Cannabis sei gesundheitlich unbedenklich, entspreche nicht den Erkenntnissen der Wissenschaft. Vielmehr weise die Wissenschaft darauf hin, dass Cannabis immer giftiger und damit der Konsum von Cannabisprodukten immer gefährlicher werde und außerdem zu psychischen Beeinträchtigungen führen könne. [...] CDU/CSU: [...] Durch die Ratifikation der Suchtstoffkonvention der Vereinten Nationen habe sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Besitz, Anbau und Verkauf von Betäubungsmitteln unter Strafe zu stellen. Eine Legalisierung von Cannabis wäre zudem nicht mit dem deutschen Betäubungsmittelrecht vereinbar. [...] Die Fraktion der SPD widersprach der Einschätzung der Fraktion DIE LINKE, dass die Risiken, durch den Konsum von Cannabis abhängig zu werden, als gering einzuschätzen seien. Auch werde eine gesellschaftliche Kontrolle nicht zu einem kontrollierten Umgang mit Cannabis führen, dieser Anspruch werde bereits beim Konsum von Alkohol nicht erfüllt. [...] (Quelle: Newsletter des Deutschen Hanf Verband, www.hanfverband.de)

(Quelle: Newsletter des Deutschen Hanf Verband, www.hanfverband.de)

Israel: Die Zahl der medizinischen Cannabisnutzer übersteigt 10.000 Mehr als 10.000 Patienten in Israel besitzen nun eine offizielle Erlaubnis der Regierung zur Verwendung von Cannabis, eine Zahl die in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten und Europa verursacht das Thema innerhalb der Regierung und der Führungsschicht des Landes nahezu keine Kontroversen. Selbst einflussreiche Rabbis erheben gegen die Verbreitung der medizinischen Verwendung von Cannabis nicht ihre Stimme. Nun überlegt das Gesundheitsministerium, die Verteilung von medizinischem Cannabis durch Apotheken vorzunehmen. (Quelle: Newsletter der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, www.cannabis-med.org)

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Wissenschaft: Cannabis wirkt sich bei verschiedenen Personen unterschiedlich aus In einer klinischen Studie mit 21 gesunden Männern, die 10 mg orales THC erhielten, reagierten einige Teilnehmer mit vorübergehenden leichten psychotischen Symptomen und die anderen nicht. Und dieser Unterschied war mit Unterschieden der Gehirnaktivität, die sich in Darstellungen des Gehirns zeigte, verbunden. Dies ist das Ergebnis einer Placebo kontrollierten Studie an der Klinik für Psychiatrie des King’s College London (Großbritannien) unter der Leitung von Prof. Philip McGuire, Direktor der Abteilung für Psychose-Studien des Instituts. Die Gruppe wurde auf der Basis einer Skala, die für die Messung so genannter „positiver“ Symptome bei Schizophrenen verwendet wird, nach der THC-Gabe eingeteilt. Es gab 11 Teilnehmer mit vorübergehenden psychotischen Symptomen (Veränderungen der Wahrnehmung, Gefühle von Großartigkeit, etc.) und 10 Teilnehmer ohne solche Symptome. Beide Gruppen wiesen eine unterschiedliche Aktivierung in bestimmten Gehirnregionen auf (linke parahippocampale Gehirnwindung, linke und rechte mittlere temporale Gehirnwindung und rechtes Kleinhirn). In diesen Regionen führte THC im Vergleich zum Placebo in beiden Gruppen zu entgegengesetzten Wirkungen. Die Personen mit vorübergehenden psychotischen Effekten wiesen im Vergleich zu der anderen Gruppe zudem eine geringere Aktivierung in der rechten mittleren temporalen Gehirnwindung und im Kleinhirn auf, unabhängig von den THC-Wirkungen. Die Autoren folgerten, "dass das Auftreten akuter psychotischer Symptome mit einer unterschiedlichen Wirkung von THC auf die Aktivierung im ventralen und medialen temporalen Kortex und Kleinhirn assoziiert war, was nahe legt, dass diese Regionen die Wirkungen der Droge auf psychotische Symptome vermitteln". (Quelle: Newsletter der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, www.cannabis-med.org)

Tschechische Republik: Das Parlament möchte Cannabis für die medizinische Verwendung erlauben Die tschechischen Gesetzgeber stimmten am 7. Dezember für die Verschreibungsfähigkeit von Cannabis und Medikamenten auf seiner Basis, damit diese ärztlich verschrieben werden können und ab dem nächsten Jahr in Apotheken zur Verfügung stehen. Im ersten Jahr soll nur importierter Cannabis verfügbar sein. Danach soll das tschechische Institut für Drogenkontrolle einheimischen Anbauern Lizenzen erteilen. Es wird erwartet, dass der Senat die Gesetzesvorlage ebenfalls genehmigen wird, die dann vom Präsidenten unterzeichnet werden muss. "Es ist der entscheidende Punkt in dem Vorschlag, medizinisches Marihuana für Patienten, die es benötigen und bereits heute verwenden, obwohl es gegen das Gesetz verstößt, zugänglich zu machen", erklärte Pavel Bern, einer der Abgeordneten, die die Gesetzesvorlage vorbereitet haben. Die Tschechische Republik erlaubt es bereits, dass die Bevölkerung kleine Mengen der meisten illegalen Drogen anbaut, besitzt und konsumiert – jedoch nicht verkauft – und betrachtet den Besitz von weniger als 15 Gramm Cannabis als legal.

Medizin: Sativex wird bei Krebspatienten mit chronischen Schmerzen auch langzeitig gut vertragen und behält die therapeutischen Wirkungen bei In einer offenen Studie mit 43 Patienten mit krebsbedingten Schmerzen wurde die langzeitige Verwendung des Cannabisextrakts Sativex im Allgemeinen gut vertragen, ohne einen Hinweis auf einen Verlust der Wirksamkeit auf die Schmerzlinderung. Die Studie wurde von Dr. Jeremy Johnson, medizinischer Direktor des Severn-Hospizes in Bicton Heath (Großbritannien) geleitet. Die Patienten hatten zuvor an einer dreiarmigen kontrollierten Studie teilgenommen, in der sie entweder Sativex, das THC und CBD enthält, ein THC-Spray oder ein Placebo erhalten hatten. Die Teilnehmer der offenen Folgestudie bestimmten selbst die Dosis von Sativex (39 Patienten) oder des THCSprays (4 Patienten) in Abhängigkeit von der Symptomlinderung oder Verträglichkeit. Die mittlere Schmerzintensität und der stärkste Schmerz nahmen im Vergleich zum Ausgangswert ab. Die Lebensqualität nahm nach einem Fragebogen in den Bereichen Schlaflosigkeit, Schmerzen und Müdigkeit zu. Aufgrund der Studie ergaben sich keine neuen Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit der längeren Verwendung des THC-/CBD-Sprays. Die Patienten, die die Studienmedikation langzeitig einnahmen, zeigten keine Tendenz, die Dosis von Sativex oder anderen Schmerzmedikamenten im Verlaufe der Zeit zu steigern, "was nahe legt, dass die zusätzliche Verwendung von Cannabinoiden bei krebsbedingten Schmerzen einen deutlichen Nutzen bringen könnte", schrieben die Forscher in ihrem Artikel. (Quelle: Newsletter der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, www.cannabis-med.org)

Termine 2013 Hier eine Übersicht über drogenpolitisch relevante Termine 2013 mit dem Schwerpunkt Hanf. 20. Januar, Landtagswahl in Niedersachsen Mai Hanftag / Global Marihuana March in Berlin, Frankfurt 25.-26. Mai, Entheovision 10. August, 17. Hanfparade in Berlin 13.-14.9., 7th Conference on Cannabinoids, IACM-Konferenz 2013 in Groningen 18.-20. Oktober, Hanfmesse Cultiva, Wien

(Quelle: Newsletter der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, www.cannabis-med.org)

Herbst, 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, in Berlin

Treffen des europäischen Industriehanfverbandes

Vertreter des einzigen italienischen Hanferstverarbeitungsbetriebes Assocanapa.

Am 5. Dezember fand ein internes Treffen der European Industrial Hemp Association in Frankfurt statt. Die EIHA ist die Interessenvertretung der europäischen Industriehanfbranche. Reguläre Mitglieder sind 9 Hanferstverarbeiter aus 6 europäischen Ländern, außerordentliche Mitglieder über 70 Unternehmen und Organisationen aus der ganzen Welt. Unter anderem waren bei dem Treffen dabei: Michael Carus (nova-Institut), John Hobson aus Großbritannien (Hemp Technology), Mark Reinders aus den Niederlanden (HempFlax), Bernd Frank (BaFa / Planète Chanvre), Tālis Laizāns aus Lettland (Institute of Business Technologies), ein paar Vertreter französischer Unternehmen (Frankreich ist immer noch das wichtigste Hanfanbaugebiet in Europa) und

Es war eine nette Runde in Räumlichkeiten direkt gegenüber des Frankfurter Hauptbahnhofs. Nachdem die Aktivitäten diesen Jahres besprochen wurden, kam der erste Höhepunkt: die Vorstellung der Ergebnisse über die Industriehanfproduktion und -verarbeitung in der EU von 2010. Diese umfangreichste Erhebung seit Jahrzehnten wurde mit großem Interesse aufgenommen. Die Ergebnisse werden demnächst u.a. im Blog des Deutschen Hanf Verband (www.hanfverband.de) vorgestellt. Es bleibt spannend. Die nächste große Konferenz, bei der über 100 Teilnehmer aus der ganzen Welt erwartet werden, findet im Mai in der Nähe von Köln statt. Von dort werden auch wir wieder berichten. Steff

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Pünktlich gegen 21 Uhr waren die Kinder ins Bett gebracht, und Markus begann seine wenigen Stunden „Familienfreizeit“ mit einem Joint. Das war der perfekte Moment, um mit ihm ein Gespräch über seinen ganz persönlichen Alltag mit Cannabis zu beginnen. Hattest du schon etwas über Cannabis gehört, bevor du anfingst, das Kraut zu rauchen? Eigentlich nicht – ich weiß auch gar nicht mehr so genau, wie es dazu kam, dass ich dann das erste Mal selbst was geraucht habe. Ich bin ja in einem kleinen Dorf in Baden-Württemberg aufgewachsen und kann mich nur noch erinnern, dass ich nach einem Schulwechsel irgendetwas davon gehört hatte, was es in meinen Augen interessant und spannend machte. Außerdem hatte ich auch mitgekriegt, dass es dieser und jener in unserem Dorf bereits rauchte, und auch in der Klasse über uns gab es Einige, die wohl schon kifften. Also wollte ich es auch mal ausprobieren, um die in der Schule gehörten Erfahrungsberichte einmal mit dem eigenen Empfinden zu vergleichen. Vielleicht spielte da auch rein, dass ich gerade in einer Phase war, in der ich mich von dem kindlichen Dasein lösen und meine eigenen, „erwachsenen“ Erfahrungen machen wollte. In welchem Alter hast du das erste Mal gekifft, und wie war das für dich? Das war auf einem vom örtlichen Schützenverein veranstalteten Dorffest, und ich war gerade siebzehn geworden – da ich ja bereits wusste, wo die etwas Älteren bei solchen Veranstaltungen immer abhingen, stellte ich mich einfach dazu. Ich kannte die meisten von ihnen ja auch schon eine Weile, und so fragte ich dann – als sich mal wieder ein Joint auf die Reise machte – wie das eigentlich wäre, und ob ich vielleicht auch mal ziehen kann. Ich durfte, wobei man mir auch gleich mitteilte, dass die meisten beim ersten Mal gar nichts merken. Ich spürte dann aber schon etwas und empfand die Wirkung auch als sehr angenehm und entspannend. Rückblickend kann ich mich aber nur noch daran erinnern, wie ich bestimmt eine Stunde lang auf der Festwiese lag, in den klaren Sternenhimmel schaute und das Leben, das Universum und den ganzen Rest einfach nur klasse fand. Hattest du zuvor auch schon andere Drogen ausprobiert? Eigentlich nur Alkohol und Tabak – erst danach habe ich dann vereinzelt auch mit anderen Drogen experimentiert. Was hat dir an Cannabis so gut gefallen, dass es nicht bei dem einen Joint blieb? Das lag wohl am Gesamtpaket: Wir waren eine Gruppe guter Freunde, konnten bekifft prima ablachen, aber auch über Gott und die Welt quatschen. Cannabis beflügelte meinen Geist und weckte in mir ein ganz neues Lebensgefühl – und es passte auch prima zum Gitarre spielen und singen. Wir hatten da so ein kleines Blockhaus im Wald zu unserem Hauptquartier erkoren und trafen uns dort immer, um abzuhängen und dabei auch immer mal was zu rauchen. So rutschte ich relativ schnell in die regionale Hanf-Szene und kriegte immer mehr mit, wie stark verbreitet das Rauchkraut in der baden-württembergischen Provinz bereits war. Nur wenige Monate nach meiner ersten eigenen Erfahrung war dann Cannabis auch mein Hauptthema, und ich besorgte mir bereits selbst regelmäßig immer mal wieder was. Ich kannte inzwischen auch einige Grower und erfuhr, wie man das Kraut am besten kultiviert – und ich rauchte bereits täglich wenigstens einen Joint. Hast du dann auch selbst mal was angepflanzt? Das musste ich gar nicht, ich kannte ja Ende der 90er Jahre bereits genug Leute, die das bereits recht erfolgreich betrieben – so war auch immer genug günstiges Kraut am Start. Hast du irgendwann auch die Bong für dich entdeckt? Ja, nur etwa ein knappes Jahr nach meiner ersten Tüte – ich habe mit achtzehn dann doch schon ziemlich radikal auf Bongs umgeschwenkt und rauchte kaum noch Joints. Das blieb dann für immer hin gute drei Jahre so, und rückblickend muss ich schon eingestehen, dass man meinen damaligen Konsum nur als „ultra-heftig“ beschreiben kann. Ich rauchte die erste Bong des Tages häufig schon vor der Arbeit bzw.

meiner Berufsausbildung – das Breitsein war tatsächlich zu meinem Normalzustand geworden. Und wie kamst du damit klar? Eigentlich ganz gut – schließlich habe ich meine Ausbildung mit „gut“ abgeschlossen, und auch mein soziales Umfeld hatte eigentlich keinen Grund, sich zu beschweren, da ich durch die heftige Kifferei nicht zum Einzelgänger oder Stubenhocker mutierte. Danach machte ich dann auch gleich das Abi, welches ich sogar mit „sehr gut“ abschloss – allerdings verlagerte sich mein Konsumverhalten damals wieder weg von der Bong und hin zu Joints, die ich dann anstelle der Bong täglich rauchte. Ab und zu habe ich mir aber auch später noch die Bong gegönnt – diese verstand mich nämlich stets gut zu pushen, wogegen mich Joints eher zu Ruhe kommen ließen. Insofern entschied ich eigentlich immer ganz bewusst, auf welche Art ich mein Gras rauchte – wobei ich inzwischen auch relativ viel Ephedrin nahm. Das hatte ich mir bei meinen Mitschülern abgeguckt, und es half auch mir sehr gut beim Lernen. Selbst in Kombination mit Cannabis fand ich die Wirkung immer noch sehr hilfreich und gleichzeitig angenehm, da ich plötzlich richtig Bock auf Büffeln hatte. Nach meinem Abi-Abschluss hat sich dann der Drang, jedes Wochenende exzessiv feiern zu gehen, wieder gelegt, und ich machte auch schon mal ein paar Wochen Rauchpause. Dann fing ich an zu studieren, und auch das ging eigentlich ganz gut mit täglichem Cannabiskonsum zusammen – inzwischen konsumierte ich auch gar kein Ephedrin mehr und kiffte nur ab und zu mal schon mal morgens oder in den Uni-Pausen. Mit der Zeit hatte ich wohl gelernt, vernünftig einschätzen zu können, welche Fächer sich mit Cannabis vertragen –- und so schloss ich mein Studium schließlich sogar mit sehr guten Ergebnissen ab. Wow – da haben wir hier also den lebenden Beweis dafür, dass man auch als Kiffer Abitur und Studium erfolgreich bewältigen kann. Und dir scheint Cannabis ja sogar in gewisser Weise dabei geholfen zu haben... Ja, Hanf hat meine Kreativität geweckt, mir innere Ausdrucksstärke gegeben und manchmal sogar dabei geholfen, in bestimmten Studienfächern Hintergründe, Zusammenhänge und „das große Ganze“ zu verstehen. Von insgesamt vielleicht zwei oder drei Monaten Rauchpause abgesehen, rauche ich ja nun schon seit meinem siebzehnten Lebensjahr täglich Cannabis – sicherlich auch, weil es mir bekifft leichter fiel, neue gedankliche Wege zu gehen und bei Problemstellungen auch mal ganz neue Lösungsansätze zu versuchen. Aber auch außerhalb des Studiums hat mir Hanf viele unvergessliche Erlebnisse beschert, die ich so mit Alkohol sicher nicht gemacht hätte – deshalb kiffe ich ja auch schon so lange und habe es bisher nie bereut. Während meines Studiums hat mich Cannabis dann auch erkennen lassen, dass ich eigentlich gar keine Lust auf eine akademische Laufbahn habe. So bin ich schließlich den deutlich kreativeren Weg in meine wirtschaftliche Selbstständigkeit gegangen. Du hast ja schon erzählt, dass du eine Zeit lang auch EphedraKapseln geschluckt hast –- mit welchen anderen Drogen hast du auch schon eigene Erfahrungen sammeln können? In meinen damaligen Kifferkreisen lautete die Devise immer: „Ausschließlich Naturprodukte!“ Und als solche wurden ja auch die magischen Pilze angesehen. Das war schon eine krasse Erfahrung – auch wenn ich gar keine Halluzinationen hatte, aber die Shrooms wirkten schon heftig auf meine Psyche. Ich war geistig extrem sensibilisiert und spürte förmlich die verschiedenen Energien im Raum oder auf den vielen Partys, auf denen wir uns damals herumtrieben. Das war aber nur eine Phase von knapp zwei Jahren, während der wir recht häufig auf Pilz unterwegs waren – das führte dann aber auch dazu, dass ich Teile meiner Pilz-Psyche dann auch im nüchternen bzw. lediglich bekifften Zustand wahrnahm. Manchmal fastete ich mehrere Tage und nahm danach ein paar „Hawaiianer“ – da blieben die Grenzen zwischen Rausch und Wirklichkeit oft fließend. Meine psychische Sensibilisierung war nach einiger Zeit ganz offensichtlich nicht mehr auf die Pilz-Trips beschränkt, und so blutete mir tatsächlich jedes Mal heftig das Herz, wenn ich beispielsweise irgendwo einen gefällten Baum liegen sah. Auf Dauer wurde mir das aber eindeutig zu heftig, und ich ließ lieber die Finger von den Pilzen. Und nach ein paar Monaten war ich dann auch nicht mehr so überempfindlich. Gab es noch weitere Drogen, mit denen du selbst experimentiert hast?

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Ja, wir haben uns auch mal getrocknete und zu feinem Pulver gemahlene Yohimbe-Rinde aus Holland mitgebracht und davon eine Art Tee gekocht. Ich habe davon nur eine halbe Tasse getrunken, und etwa 50 Minuten später spürte ich mein Herz schon wie verrückt schlagen. Ich fühlte mich auch gar nicht mehr so gut. Irgendwie war ich krass fertig – das war eigentlich richtig schlimm. Ich weiß noch, wie ich die Treppe herunterkam und offen eingestand: „Ich kann jetzt auf keinen Fall mehr Auto fahren.“ Eigentlich wollten wir ja noch auf eine Abi-Feier, doch keiner wollte sich mehr hinters Lenkrad setzen. Irgendwie sind wir dann aber doch da hingefahren – da kamen wir dann zu sechst voll auf Yohimbe in einem VW-Bus an und verteilten uns dort auf dem Gelände. Jeder suchte sich eine Ecke, setzte sich hin und beobachtete das Treiben. Doch schon nach kurzer Zeit kamen wir alle zu dem gleichen Schluss: Hier war es uns eindeutig zu turbulent, wir wollten nur noch ganz schnell weg hier. Wir rannten dann alle wieder zu unserem Bus und merkten dabei ganz deutlich, wie unsere Kräfte schwanden. Also lümmelten wir uns dann erstmal in die Autositze und hofften, das Herzrasen würde bald verschwinden. Wir hatten alle richtig Schiss und steigerten unsere Angst noch gegenseitig – was wäre, wenn nun einer von uns zusammenklappt, das Bewusstsein verliert oder noch Schlimmeres? So machten wir uns ein-zwei Stunden lang heftige Sorgen, bis dann nach insgesamt ca. vier Stunden nach Einnahme jemand meinte, er sei jetzt soweit unten, dass er wieder Auto fahren könne. Er lieferte uns dann auch alle – einen nach dem anderen zuhause ab. Selbst als ich dann wieder daheim war, schlug mein Herz noch immer deutlich über der Norm. Ich wusste auch gar nicht, wie ich da wieder von runterkommen sollte, aber da es schon ein bisschen weniger heftig schlug, als noch im Bus, machte ich mir inzwischen keine allzu großen Sorgen mehr. Doch es sollte noch eine lange Nacht werden: Ich hatte das Zeug gegen 22 Uhr getrunken und ging davon aus, dass ich nach drei bis vier Stunden wieder gelandet sei – doch schließlich saß ich dann noch gegen 14 Uhr am darauffolgenden Tag in meinem Zimmer und hatte in der Nacht drei T-Shirts vollgeschwitzt. Und in der ganzen Zeit saß ich fast ausschließlich auf meinem Sofa und konnte bzw. wollte mich nicht bewegen. Denn jegliche Bewegung war höllisch anstrengend. Abends ging es mir dann wieder halbwegs gut und ich konnte schließlich einschlafen – das war für uns alle der erste und letzte Yohimbe-Trip, auch wenn andere damit vielleicht auch positive Erfahrungen gemacht haben. Ansonsten habe ich auch mal ein bisschen Koks und Speed gezogen, aber da die Aufnahme durch die Nase nie angenehm war, ist es bei ganz wenigen Versuchen geblieben, die für mich auch wahrlich nicht besonders berauschend waren. LSD fand ich dagegen richtig gut, genauso wie MDMA, welches natürlich möglichst rein zu sein hatte. Letzteres habe ich aber nur ganz selten genommen – dann war es aber immer sehr schön. Und LSD ist das Einzige, was ich auch heute noch – zumindest einmal im Jahr – konsumiere. Allerdings auch nur in so geringer Dosis, dass ich nie irgendwelche Halluzinationen habe. Ich bin da halt sehr vorsichtig geworden. Apropos Vorsicht: Hast du auch schon mal eine richtig schlechte Erfahrung mit Cannabis gemacht? Ja, das war auch in der besagten Pilz-Phase – ich hatte an dem Tag und an den Tagen zuvor zwar keine Mushrooms gegessen, aber ich grübelte dennoch pausenlos über Gott und die Welt und stellte alles in Frage. Und damit meine ich wirklich alles – selbst die Wand, vor der ich saß. An diesem Abend rauchte ich eine ganze Menge hochpotentes Haschisch in meiner Bong, was mich dann auch derart heftig plättete, dass ich mich erst mal ausruhen und lang ausgestreckt auf mein Bett legen musste. Ich glaube, ich bin dann recht schnell in eine Art Traumwelt hinübergeglitten und bemerkte, dass ich heftig und am ganzen Körper zitterte. Parallel dazu spielten dann auch meine Gedanken verrückt: „Was geht hier ab? Was passiert gerade mit mir?“ Mentale Panik packte mich, und ich sah mich in einem langen dunklen Tunnel, einem entfernten Licht zustreben. Ich hatte mich von meinem Körper gelöst und glaubte, mich in einer Zwischenebene zwischen Leben und Tod zu befinden. Ich sah mich selbst auf dem Bett liegen und schaute von der Decke auf mich herab. Eine Frage begann mein Hirn zu martern: „Was geschieht eigentlich, wenn man stirbt? Ist der Tod wirklich das Ende?“ Ich beobachtete dann, wie meine Mutter meinen auf dem Bett liegenden Leichnam fand, sah ihre Trauer und reiste mit ihr bis zu meiner eigenen Beerdigung. Ich kann mich noch genau an bestimmte Abschnitte der Trauerfeier erinnern und an das Gefühl der grenzenlosen Freiheit, als meine Familie den Sarg mit meinem toten Körper endlich in die Erde hinabließ. Doch nun sah ich mich ganz plötzlich vor die Frage gestellt, ob ich in das fleischliche Dasein

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zurückkehren wollte, oder lieber in die körperlose Ebene aufsteigen wolle – und ich entschied mich für das irdische Leben. Danach habe ich mich auch nie wieder gefragt, was eigentlich der Sinn des Lebens ist oder warum wir hier sind – denn ich kannte die Antwort bereits: Leben. Im hier Hier und Jetzt. All die philosophischen Fragen erschienen mir fortan völlig irrelevant, da ich erkannt hatte, wie kurz – im kosmischen Maßstab betrachtet – unsere Lebenswege verlaufen. Diskussionen über Sinn und Zweck des Lebens, über das Woher und das Wohin, erschienen mir nun als absolute Zeitverschwendung – und als Ablenkung, die einen nur davon abhält, das eigene Leben genau so zu führen, wie man es sich wünscht. Klingt für mich nach einem abgefahrenen Traum – aber nicht nach einer schlechten Cannabis-Erfahrung... Doch, doch – ich war auch noch völlig außer mir, als ich dann wieder aufwachte, und musste erst mal sämtliche Schokoladenvorräte niedermachen, während ich vor dem Fernseher saß und es nicht fassen konnte, nun doch wieder am Leben zu sein. Auch wenn die Freude über mein zurückgewonnenes Leben meine Beunruhigung mit der Zeit zerstreute, war es dennoch das unheimlichste und damit unangenehmste Erlebnis, welches ich in Zusammenhang mit Cannabis je hatte. Vielleicht war da ja auch ein bisschen Opium mit im Haschisch oder ich erlebte einen THC-getriggerten Flashback – keine Ahnung, so etwas Heftiges ist mir danach auch nie wieder passiert. Zum Glück – denn ich bin keiner von denen, die am liebsten die krassesten Trips fahren... Konntest du, als du noch bei deinen Eltern gewohnt hast, auch schon ganz offen mit deiner Familie über deinen Cannabiskonsum sprechen, oder hast du deine Kifferei lieber verheimlicht? Klar, das war ständig ein großes Thema – schließlich wussten meine Eltern auch, dass Cannabis illegal ist, und so schwankten sie häufig zwischen „Oh Gott, oh Gott – was machst du da bloß!“ und „Lass dich bloß nicht erwischen!“. An manchen Tagen wurden in meinem Zimmer ja von mir und meinen Freunden bis um die dreißig Bongs durchgezogen – das ließ sich ja schon rein olfaktorisch nicht verheimlichen. Außerdem gab ich mir auch gar keine Mühe, meinen Cannabiskonsum geheim zu halten. In unserem kleinen Dorf machte so was natürlich auch schnell die Runde – schließlich stand ich zu meinem Rauchkraut und drehte mir selbst bei Familienfesten schon mal einen Joint – ganz unverblümt am Essenstisch. Einmal nahm mein Vater sogar nichtsahnend eine postalische Lieferung von mehreren Duftsäckchen an und wollte dann unbedingt wissen, was da eigentlich drin sei. Meine Eltern haben dann sogar ein paar Mal bei einer Drogenberatungsstelle angerufen und haben sich zu Risiken und Nebenwirkungen von Cannabis informiert – dabei sagte man ihnen wohl auch, dass es kontraproduktiv sei, überzureagieren und jeglichen Konsum rigoros zu verbieten, da dann meist umso mehr heimlich gekifft würde. Also sprachen sie ganz offen mit mir darüber und verschlossen sich dabei auch nicht gegenüber meinen Argumenten für Cannabis. Und davon hatte ich viele. Mit der Zeit haben sie wohl gelernt, mir trotz allem zu vertrauen und schließlich auch eingesehen, dass ich trotz meiner schwer erkämpften Dreadlocks nicht gleich zwangsläufig zum Junkie und Beschaffungskriminellen mutiere. Hattest du auch mal Angst vor einer möglichen Strafverfolgung? Mit Dreadlocks ist man ja oftmals noch schneller im Fokus der Fahnder... Zum Glück bin ich denen immer durchs Netz gegangen – aber ich habe mal eine Aktion am Rande miterlebt: Ich kam mal mit ein paar Freunden im Auto zurück aus Holland, und wir wurden hinter der Grenze angehalten und durchsucht. Da wurde gesucht und gesucht und doch nichts gefunden – dabei hatten wir schon etwas dabei. Vielleicht waren es hier wirklich meine Dreads, die die Aufmerksamkeit der Polizei auf uns gelenkt hatten, doch zum Glück erhielten meine Haare dann doch nicht die volle Aufmerksamkeit, da das darin versteckte Hasch nicht gefunden wurde. Etwas später wurden wir dann erneut hinter der Grenze angehalten, und dieses Mal wurde auch etwas gefunden: Wir hatten etwas Ephedrin und besagtes YohimbePulver in Amsterdam gekauft, und die Cops rasteten voll aus und keiften uns an: „Na, was haben wir denn da? Heroin!!!“ Mir kam es fast so vor, als ob der Kollege voll auf Koks wäre – so erregt war er von seinem vermeintlich großen Fang. Und so wurde dann auch auf unsere Beteuerung, dass dies völlig legale Substanzen seinen, gar nicht wei-


ter eingegangen. Unser Auto wurde so gründlich wie noch nie durchsucht. Dabei wurde aber nichts weiter gefunden, doch als vermeintliche Heroin-Schmuggler mussten wir natürlich mit auf die Wache, wo wir noch mal befragt und unsere Personalien festgestellt wurden, bevor das vermeintliche Heroin in ein Polizeilabor geschickt wurde. Tatsächlich waren damals Ephedra und Yohimbe auch in Deutschland noch legal, und so hatte auch diese Begegnung kein übles Nachspiel. Allerdings kenne ich auch Leute, die da weniger glücklich waren – bei einem Kumpel haben sie mal was gefunden, und der hat nun schon seit 15 Jahren keinen Führerschein mehr. Und einmal habe ich auch eine Hausdurchsuchung miterlebt, als ich mit ein paar Kumpels bei einem Freund zu Besuch war, der noch stärker als wir in der Hanfszene steckte und zudem auch noch kräftig dealte. Da polterten dann vier Herren in Zivil in die Wohnung und schnauzten gleich rum – aber letztendlich haben die dann nur unsere Personalien aufgenommen und den Hausherren abgeführt. Schlimm genug. Aber persönlich bin ich noch nie erwischt worden – auch wenn ich fast immer etwas Gras dabei hatte. Wahrscheinlich lag das einfach an den guten Verstecken, die ich mir früher immer gebastelt hatte – inzwischen mache ich mir dahingehend aber gar keinen Schädel mehr, da ich nun schon lange keine Dreads mehr habe und mittlerweile auch zu alt bin, um in polizeiliche Verdachtsschubladen zu passen. Wie ist das heute so als zweifacher Vater – hast du da überhaupt noch täglich Zeit zum Kiffen? Klar, spätestens zum Familienfeierabend, wenn die Kinder im Bett sind. Meine Frau ist dann meist auch nicht abgeneigt, und dann werden meist noch zwei oder drei Joints zusammen geraucht. Wenn ich am nächsten Morgen nicht die Familienfrühschicht habe, kann es auch mal etwas mehr werden – aber dann arbeite ich auch noch in der Nacht. Manche Sachen mache ich bekifft auch viel lieber als nüchtern, aber das geht jetzt nur noch nachts oder abends. Hast du auch mal THC-haltige Kekse oder Cookies gegessen? Nein, aber Pudding – und diese eine Erfahrung hat mir voll und ganz gereicht. Da bin ich zu einer Freundin in ein Zivildienstheim gefahren, die dort eine Party veranstaltete. Dafür hatte sie für jeden Gast ein Schälchen Schokopudding vorbereitet, welches jeweils ein Gramm Schwarzen Afghanen enthielt. Das Ganze entwickelte sich dann zu einer Art Psycho-Party, da wir zunächst alle weitgehend lethargisch herumlagen und uns einfach nicht mehr bewegen konnten. Als dann langsam wieder Bewegung möglich wurde, ging der Trend ganz klar in Richtung der Toiletten: Ein Kumpel kotzte erst mal ein Waschbecken voll, während ich auf dem Klo saß und nicht genau wusste, ob ich nun kotzen oder kacken muss. Und während ich da so saß und aus dem Klofensterchen schaute, setzten bei mir voll krasse Halluzinationen ein: Ich spürte, wie ein Sturm aufkam, und aus dem Sturm heraus erschien plötzlich ein Hubschrauber, der einen Sturmtrupp absetzte, der sich offensichtlich daranmachte, das Zivildienstheim einzunehmen. Schon hörte ich die ersten Schreie und versank in stiller Panik – unfähig, mich von der Klobrille zu erheben wartete ich ab, bis sie auch zu mir kommen würden. Keine Ahnung, wie lange ich da auf dem Klo gesessen habe, aber ich weiß noch, wie sehr ich dort schwitzte – im wahrsten Sinne des Wortes. Irgendwann habe ich mich dann wieder herausgetraut und kehrte langsam und ganz vorsichtig wieder in die Realität zurück und begriff, dass die überall herumliegenden Körper keine Sturmtrupp-Opfer, sondern einfach nur freiwillig verstrahlte Partyopfer waren. Just like me.

„legal“ und „illegal“, in „geächtet“ und „akzeptiert“ sollten eher versachlicht und vor allem gesundheitspolitisch betrachtet werden. Denn wenn man rein wissenschaftlich darüber befinden sollte, welche Drogen die meisten Opfer verursachen, dann stellt man fest: Es sind die legalen Drogen Tabak und Alkohol. Sachlich gesehen, müssten eher diese Drogen verboten sein. Aber um Sachlichkeit und Vernunft geht es in der Drogenpolitik ja leider nicht. Wie siehst du deine Zukunft mit Cannabis? Eigentlich möchte ich noch weniger rauchen – ich rauche ja heute auch schon deutlich weniger als früher, aber das liegt sicher auch daran, dass ich älter geworden bin. Außerdem schätzte ich es zunehmend, einen klaren Kopf zu behalten, und so wird sich meine Kifferei vielleicht eines Tages ganz von selbst erledigen. Manchmal habe ich auch das klare Gefühl, dass es mal wieder an der Zeit wäre, in eine neue Lebensphase einzutreten – in eine Phase, die nicht mehr so von meiner Kreativität geprägt ist und in der es mir nicht mehr so schwerfällt, Sachen auch wirklich zu Ende zu bringen. Das heißt jetzt nicht, dass ich derzeit nichts zu Ende bringen kann – denn das klappt durchaus – aber tatsächlich fange ich unter Cannabiseinfluss mehr Sachen an, als ich zu Ende bringen kann. Da ließe sich bestimmt noch Einiges verbessern – aber konkrete Pläne, dann oder dann mit dem Kiffen ganz aufzuhören, habe ich zur Zeit nicht. Denn wie gesagt: Cannabis kann mir bei meiner Arbeit oft auch sehr gut helfen, da ich mich bekifft nicht so schnell ablenken lasse und mich viel besser auf das Entscheidende konzentrieren kann. Vielleicht reicht es aber auch schon, einfach mal wieder eine Pause von ein paar Wochen zu machen – ich glaube, das werde ich einfach aus dem Bauch heraus entscheiden. Denn zwingen will ich mich ja auch nicht, da ich weiß, dass ich in den Pausen so ganz ohne Cannabis auch schon mal komisch draufkommen kann. Wenn mir mein Arzt dagegen eröffnen würde, dass ich aus gesundheitlichen Gründen mit dem Kiffen aufhören sollte, dann würde ich das natürlich umgehend tun – oder auch, wenn sich vielleicht doch mal die Frage stellen würde, ob ich meinen Führerschein wiederhaben bzw. behalten will. Mir selbst muss ich dabei aber nichts beweisen – wenn ich mal keine Lust mehr auf Cannabis habe, werde ich es einfach sein lassen. Doch so weit ist es noch lange nicht.

Legalize it anyway? Klar, Cannabis sollte legalisiert werden, denn die Illegalität hat Menschen noch nie davon abgehalten, diese oder jene Drogen zu konsumieren. Und auch das Märchen von der Einstiegsdroge ist ja mittlerweile als solches entlarvt – wenn überhaupt, dann erfolgt hier höchstens der Einstieg in den Schwarzmarkt. Doch das ist ja letztendlich eine politische Entscheidung – wäre Cannabis legal oder zumindest entkriminalisiert, müsste da auch keiner mehr einsteigen. Das käme auch der Qualität der Blüten und damit der Gesundheit der Konsumenten zugute, da diese dann nicht mehr überzüchtet oder gestreckt oder voller Düngerrückstände daherkämen. Ähnliches gilt auch für die Reinheit anderer illegaler Drogen, auch hier wäre ein zeitgemäßerer Umgang empfehlenswert – diese Kategorisierungen in

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Also biege ich auf dem Rückweg von Zürich irgendwo in Deutschland von der Autobahn ab, um in einer mittelgroßen Stadt die Adresse in einem gutbürgerlichen Mehrfamilienhaus aufzusuchen, die mir die Mittfünfzigerin auf der Cannatrade zugesteckt hatte. Elke erwartet mich bereits in der Tür, und meine geübte Nase stellt erleichtert fest, dass trotz bevorstehender Erntezeit kein verräterischer Geruchspartikel ins Treppenhaus dringt – sehr gut. Bevor sie mir die Früchte ihrer Arbeit zeigt, gibt es Kaffee und Kuchen, außerdem möchte ich vorab ein paar Dinge wissen, die ich meine Gastgeberin auf der Messe in Zürich nicht fragen konnte oder wollte. Die erste Frage, weshalb Elke überhaupt selbst Weed anbaut, erklärt sich fast von selbst, denn Elke verzichtet auf den selbst gebackenen Pflaumenkuchen, weil sie Diabetikerin ist. Seit sie kifft, sind ihre Werte einfach besser, und sie fühlt sich allgemein besser als die Jahre zuvor. Außerdem hat sie fast sieben Kilogramm abgenommen, seit sie sich regelmäßig mit Cannabis selbst medikamentiert. Ihre Tochter Marie* habe sie darauf gebracht, als das mit dem Zucker immer schlimmer wurde. Die wohnt seit ein paar Jahren in Berlin, kifft schon seit sie 17 ist ab und zu und hat in der Hauptstadt ein paar Freunde, die ihr Gras selbst anbauen. Darunter ist auch einer ihrer Mitbewohner, ein Student aus Israel, der in seiner Heimat als Diabetiker über ein Rezept für medizinisches Cannabis verfügt. Daraufhin habe sich Marie kundig gemacht und sogar zwei Studien** aus Israel gefunden, die die lindernde Wirkung von Cannabis auf die Symptome der beiden bekannten Formen von Diabetes dokumentieren. Denn obwohl sie nie ein Problem mit der Kifferei der eigenen Tochter gehabt hätte, hätte es Elke bis dahin noch nie gewagt, Gras auszuprobieren, weil das in ihrem eigenen Freundeskreis ein absolutes Tabu sei.

Komische Kekse Zuerst hatte Elkes Tochter bei einem ihrer Besuche in der alten Heimat ein kleines Tütchen Gras mitgebracht und ausprobiert, ob es wirklich hilft, die Symptome der Zuckerkrankheit ein wenig zu lindern. Am Anfang sei das im wahrsten Sinne des Wortes komisch gewesen, weil selbst geringe Dosierungen Lachflashs nach sich zogen. Eine Verbesserung des Allgemeinzustands war anfänglich nicht zu bemerken, aber die Erfahrungen mit den ersten drei der 25 sehr niedrig dosierten Kekse, die sie sich aus den fünf Gramm Gras gebacken hatten, waren so lustig, dass Elke anfing, regelmäßiger davon zu naschen. Zuerst mit Marie, dann auch mal alleine. Nach ein paar Wochen waren die Kekse alle, Elke musste jetzt nicht mehr lachen und wurde auch nicht besonders „breit“, wenn sie genascht hatte, aber es ging ihr einfach allgemein besser. Ob es daran lag, dass sie auf die beiden Gläser Wein verzichtete, wenn sie Kekse gegessen hatte oder daran, dass sie wieder durchschlafen konnte und regelmäßig Appetit auf „Gesundes“ hatte, wusste sie selbst nicht so recht. Auf jeden Fall waren ihre Zuckerwerte so gut, dass sie ihre Insulindosis zum ersten Mal seit Jahren wieder ein wenig reduzieren konnte. Die Rötungen der Haut gingen ebenfalls zurück, und außerdem hatte Elke bis zum Zeitpunkt meines Besuchs – wie schon erwähnt – viele Kilos abgenommen. Nachdem die Kekse alle waren, habe sie Marie angerufen, um nach neuen zu fragen. Die sei dann völlig ausgerastet, weil die Mama am Telefon ganz unverblümt über Blüten gesprochen habe. In diesem Moment wurde Elke erst bewusst, dass ihre neue Medizin ja total illegal ist. Natürlich gab es beim nächsten Familienbesuch wieder ein Tütchen Gras, aber die Kleingärtnerin in spe wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass ein Gras-Lieferservice aus Berlin auf Dauer keine Lösung war, wenn sie weiterhin mit Keksen versorgt sein wollte. Deshalb fragte Elke ihre Tochter um Rat, wie man das mit einer regelmäßigen Versorgung regeln könne. Die alten Connections von Töchterchen waren allesamt weggezogen oder aufgeflogen. Außerdem kostet ein Gramm Gras in dem Teil der Republik, in dem Elke wohnt, meist über 10 Euro – wenn es überhaupt welches gibt. Also blieb Elke nichts anderes übrig, als den Grundstoff für die gesunde Süßigkeit selbst zu produzieren.

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Das „Erste Mal“ will gut vorbereitet sein Dazu bedurfte es eines Besuchs in Berlin, wo sie mit dem netten Mitbewohner von Marie das erste Mal im Leben einen Growshop betrat. Die Entscheidung für ein Komplettsystem mit fast allen nur erdenklichen Extras fiel schnell, schließlich möchte man es mit Mitte Fünfzig schon bequem haben. Nach ein wenig Überlegung und Beratung fiel die Wahl auf das „exzessive“ Komplettset, das mittlerweile viele Händler im Angebot haben, bestehend aus: - einem GrowLab120 mit Sichtfenster, Silber-Beschichtung und Equipmentboard zum Aufhängen von Zubehör wie Steckerleisten oder Thermometer. - einem extra leisen Lüftungsset 250 Deluxe, mit integriertem KlimaController - eine growRACK Modular 1.2/ 25 Tisch mit Garland Pflanzschale, 120 x 120 cm - einem Bewässerungsset für 20 Pflanzen - einem Elektrox Vorschaltgerät, 600 W, (zwischen 300-660 Watt regelbar, für HPS- und MH-Leuchtmittel mit einem GIB Lighting Flower Spectre XTreme Output HPS 600W (Blüte) und dem spezialbeschichteten Mithralit-Reflektor - einer Omnirex Zeitschaltuhr - einem 2-Stufen Hurricane Clipventilator (18cm) - einem digitalen Hygro-Thermometer mit Speicherfunktion, - 16 Air-Pots® 6 L (Spezial Pflanzkübel zur optimalen Bewurzelung durch „Luftwurzeln“ - einem GIB Industries pH-Pro-Meter ( Messbereich 0,0-14,0 0 pH, Auflösung 0,01 01 pH,) - einem Easy Roll Set zum stufenlosen Anbringen von Lampen bis 10 kg. Das Beleuchtungsset war mit Fassung, vier Meter Kabel mit IEC-Connector betriebsbereit vormontiert, schließlich wollte Elke nicht unbedingt den Elektriker rufen. Für kleinere technische Probleme vor Ort stand ihr von Anfang an ihr Ex-Mann zur Seite, der gleich um die Ecke wohnt. Ich wunderte mich zuerst ein wenig, als die Hausfrau und Mutter mir vom Kauf eines doch relativ großen Sets berichtete, das sicher mehr abwirft, als die ein oder zwei Kekse, die Elke über den Tag verteilt kaut. Zum Aufbessern der Haushaltskasse schien sie es kaum nötig zu haben, aber ich hatte Marie nicht bedacht. Die wurde natürlich an dem ganzen Projekt beteiligt und darf jetzt das, was Mama nicht zu Grasbutter verarbeitet, selbst rauchen oder den Mitbewohnern in Berlin mitbringen. Zum Set gab es dann noch ein Buch über die Grundlagen der Hanfzucht unter Kunstlicht und drei Säcke vorgedüngte Erde. Elke meinte, es sei schon heikel genug, beim ersten Mal alles zu beachten, was wichtig ist, und deshalb wolle sie sich nicht auch noch mit dem Anmischen von Nährlösung beschäftigen. Später vielleicht einmal, wenn alles geklappt habe. Die nächste Hürde, die es zu überwinden galt, war die Füllung für's Zelt, also hieß es nun, Sämlinge oder Stecklinge an den Start zu bringen. Marie wollte eigentlich Stecklinge besorgen, aber Elke wollte nicht Pflanzen und das Equipment quer durch die Republik fahren, also hat sie sich für Samen entschieden. Wieder zuhause angekommen, sollte ein kurzer Abstecher ins benachbarte Ausland das Problem schnell lösen, – drei Zehner Päckchen feminisierter AK- 47 von Serious Seeds-, Paradise Seeds Klassiker Sensi Star- und Sensi Seeds bewährte Jack Herer-Samen wechselten in einer konzertierten Butterfahrt unbemerkt in einem mit Rentnern besetzten Reisebus die Staatsgrenze. So hatte Elke ein knappes Vierteljahr nach dem Konsum ihres ersten Graskekses alle notwendigen Grundlagen für ihren ersten Grow in ihrer Wohnung versammelt.

der Ladys fallen aufgrund des jetzt nur noch 25 Zentimeter hohen Arbeitstisches und dem aufklappbaren Sichtfenster an der Zelttür besonders leicht. Der Rest des Aufbaus, inklusive der Verlegung des Bewässerungssystems, war so einfach, dass Elke es fast alleine geschafft hätte, wie sie stolz berichtet, aber schlussendlich hat ihr Ex schon den Großteil der Arbeit verrichtet. Dann war sie am Zug: Als ambitionierte Rosen- und Gemüsegärtnerin verfügt die Indoor-Anfängerin bereits über den berühmten „grünen Daumen“, der ihr auch beim Ansetzen der Sämlinge zugutekommen sollte. Von den 30 potenziellen Damen, die Elke in Torfquelltöpfen keimen ließ, gingen immerhin 26 auf, die unter der 600-Watt- Metall-Halogenlampe erst einmal ordentlich Wurzeln schlagen sollten. Nach zehn Tagen konnten die Sämlinge in kleine Töpfe umziehen, eine Woche später waren sie bereits 20 Zentimeter groß und bereit für Zwei-Liter- Töpfe. Bei einer

Größe von 30 Zentimetern war der letzte Umzug im Leben der Mädels angesagt. Mit bereits gut entwickelten Wurzelballen standen jetzt die bereits erwähnten 5,5- Liter- Airpots bereit. Von den ursprünglich 26 gekeimten Pflanzen waren zwar noch alle wohlauf, aber die sechs Nachzüglerinnen, die in der Entwicklung ein wenig hinterherhinkten, vermachte meine Gastgeberin ihrer Tochter Marie, die sie irgendwo im Stadtwald ihrer alten Heimatstadt ausgesetzte hat. Leider gab es zum Zeitpunkt meines Besuches im Spätsommer noch keine diesbezüglichen Ergebnisse. Die restlichen 20 Pflanzen bestanden aus einer bunten Mischung der drei ins Rennen gegangenen Strains: Alle zehn Jack Herer, acht Ak- 47 und nur zwei Sensi-Star waren ohne jedwede Beanstandung durch die Vorselektion gekommen und somit bereit, die 20 Stellplätze im Zelt zu füllen. In der vegetativen Phase wurde ausschließlich manuell bewässert. Nach einem Tag der Eingewöhnungsphase in den neuen Töpfen entschied sich Elke dann, sie in die Blüte zu schicken.

Die Blüte Mit dem Umtopfen in die Airpots und dem ersten Blütetag schaltete sie dann auch die Bewässerung an, wobei sie beim Einstellen ein wenig Hilfe gebrauchte hat. Das ist auch gar nicht so einfach, denn um eine Bewässerungssystem sekundengenau zu regeln, bedarf es der genauen Feststellung des Durchflusses in Litern pro Minute, ein Beispiel: Der Gärtner möchte jeder Pflanze 400 Milliliter Nährlösung pro Tag verpassen. Er stellt einen Tropfer in einen Messbecher, schaltet die Bewässerung an und wartet genau eine Minute. Während dieser Zeit laufen 250 ml Wasser durch den Tropfer. So weiß man, dass die Bewässerung insgesamt etwas länger als 1,5 Minuten laufen muss, und kann die Bewässerungsintervalle der Zeitschaltuhr für die Bewässerungspumpe auf 6x18 Sekunden stellen.

Jetzt geht‘s los Beim Aufbau konnte sie sich, wie schon erwähnt, auf ihren Ex verlassen, der auch kleinere Hürden wie die Installation der Bewässerung in den Griff bekam. Denn leider wird das „exzessive Set“ ohne Durchführungsmöglichkeit für die Bewässerung angeboten, – Elkes Verflossener musste diese mit Hilfe eines heißen Cuttermessers mühsam verlegen und mit alten Fahrradschläuchen abdichten – was letztendlich auch gelang. Das mitgelieferte Alu-Untergestell für den Tisch ist überflüssig, da er bei einer Höhe von 40 Zentimetern zu wenig Platz nach oben bietet, wenn es später eng wird in der Box. Ansonsten war der Aufbau eine wahre Wonne, und die Kontrolle und das Versorgen

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Die Nährstofflösung bestand lediglich aus klarem Wasser und einem natürlichen Blütestimulator von Green Buzz Liquids, der den EC-Wert nicht beeinflusst. Den Rest sollte die vorgedüngte Erde erledigen. Elke musste also lediglich dafür sorgen, dass der Tank immer gefüllt war, den pH-Wert kontrollieren und ab und zu die unteren Blätter entfernen. Während der ersten Blütewoche konnte sie dann schon die unterschiedlichen Wuchseigenschaften der jeweiligen Sorten beobachten: Die Jack Herer blieben etwas kleiner als die AK- 47, die beiden SensiStar fingen schon nach drei Tagen an, alle anderen um wenige Zenti-


meter zu überragen. Ansonsten verlief die erste Woche ohne weitere Zwischenfälle, und die Ladys konnten im Schnitt gute 20 Zentimeter zulegen. Die Futtermenge jeder Pflanze betrug 300 ml pH-kontrolliertes Wasser pro Tag. In der zweiten Woche fingen besonders die beiden Sensi-Star an, extrem in die Höhe zu schießen, doch auch der Rest konnte fleißig an Blattmasse zulegen, und bei allen drei Sorten fing jetzt die Blütenbildung an. Elke musste lediglich die unteren Stielbereiche, die später sowieso kaum Licht mehr abbekommen, von Blattwerk oder kleinen Blütenansätzen befreien. Die Hausfrau, Growerin und Mutter erzählte mir, sie habe einige Bedenken gehabt, die gesunden Blätter abzuknipsen, aber sie kenne das ja von den Rispentomaten aus ihrem kleinen Garten, da mache sie es genauso, denn ansonsten blieben die Tomaten zu mickrig. Mitte der zweiten Woche half ihr Ex dann, das MH-Leuchtmittel gegen eine Natriumdampf-Lampe zu tauschen. Die Pflanzen wurden weiterhin mit 300 ml Wasser pro Tag versorgt. In der dritten Woche sank die Wuchsgeschwindigkeit proportional zum Blütenwachstum, und der besorgten Pflanzen-Mutti unterlief der erste kleine Fehler. Wenn Cannabis das Wachstum langsam einstellt und zur Blütenbildung übergeht, sinkt der Wasserverbrauch. Elke hatte es mit den 300 ml/Tag schon sehr gut gemeint, wie sie im Nachhinein feststellt, aber gegen Ende der dritten Woche waren die Töpfe so feucht, dass sich Wasser in der Garland-Wanne sammelte. Weil sie die Bewässerungsintervalle nicht sofort verkürzt hatte, konnten sich die wenigen Trauermücken, die von Anfang an präsent waren, innerhalb weniger Tage explosionsartig vermehren. Zum Glück hatte Elke ihr „schlaues Buch“ zur Hand, und sich umgehend im Gartencenter Nematoden bestellt. Der Einsatz der Nematoden funktionierte auch mit einem automatischen Bewässerungssystem bestens, und so war sie die Trauermücken schnell wieder los. Die Bewässerung wurde jetzt auf 200 ml pro Tag reduziert, was sich als ausreichend zum Schutz vor einer neuen Viecher-Attacke und als gut für die Hanfdamen erweisen sollte. Elke beschloss deshalb, beim nächsten Durchgang von Anfang an weniger zu bewässern und die Intervalle im Zweifelsfalle eher zu erhöhen, als sie im Nachhinein zu senken. Denn durch die leichte Überwässerung, die ja im Falle der vorgedüngten Erde keine Überdüngung nach sich zieht, hatte einen anderen, nicht minder starken Effekt: In der vierten Woche – die Pflanzen waren mittlerweile zwischen 60 und 90 Zentimetern hoch – fingen die beiden großen Sensi-Star an, Nährstoffdefizite zu zeigen, indem die Blätter immer heller wurden. Als blutige Anfängerin wusste Elke nicht so recht, wie sie reagieren sollte, denn laut Hersteller reichten die Nährstoffe aus der vorgedüngten Erde mindestens sechs Wochen. Bis hierhin waren keine vier Wochen um. Als dann auch noch ein paar AK 47 anfingen, leichte Anzeichen von Unterdüngung zu zeigen, bat Elke ihre Tochter nach einem Blick ins Growbuch, ihr umgehend Dünger zu schicken. Zwei Tage später konnte sie den Mädels eine ordentliche Ration „Flora Nova Bloom“ verpassen, was sich zwei Tage später auch sichtbar niederschlagen sollte. Wahrscheinlich hatte sie durch die intensive Wassergabe in den ersten drei Wochen eine Menge Nährstoffe aus der Erde gespült, sodass diese nach drei Wochen „leer“ war, also keine Nährstoffe mehr gespeichert hatte. Die meisten Pflanzen erholten sich nach der Düngergabe wieder, lediglich die beiden Sensi-Stars sollten bis Blüteende eine leicht hellgrüne Färbung behalten, hatten sie doch auch schon ein paar Kalix-Blätter eingebüßt. Doch auch sie sollten bis zur endgültigen Reife noch richtig schön an Blütemasse zulegen... In der fünften und sechsten Woche hatten alle nacheinander das Höhenwachstum komplett eingestellt und widmeten sich ausschließlich der Bildung ihrer Blüten. Ende der sechsten Woche fingen die AK 47 und die Sensi-Star an, richtig auszureifen, während die Jack Herer noch mit rein weißen Härchen besetzt waren. Elke düngte jetzt regelmäßig nach Vorgabe, jedoch ohne EC-Meter, und beließ es bei den 200 ml Nährlösung pro Tag und Pflanze. In der achten Woche wurde es schwierig, denn die Jack Herer musste wenigstens eine Woche länger reifen als die anderen beiden Sorten. Deshalb spülte Elke die Sensi-Star und die AK 47 per Hand mit klarem Wasser und beließ das Bewässerungssystem nur an den restlichen zehn Jack Herer, damit die noch eine Woche gedüngt werden konnten, bevor auch bei ihnen der Spülvorgang losging. Dafür musste Elke die Bewässerungsintervalle mit Hilfe der Zeitschaltuhr wieder halbieren, verfügte doch nun jede der „Jackys“ über zwei Tropfer im Topf. In der neunten Woche konnte Elke wieder alle Ladys automatisch versorgen, denn alle bekamen klares Wasser. Jetzt, wo wir hier vor ihrer Box stehen, geht die neunte Woche gerade zu Ende, und die beiden Indica-lastigeren Sorten, also AK 47 und Sensi-Star, können definitiv geerntet werden – die Sensi-Star ist fast über ihren Zenit, die AKs sind genau richtig. Den Jack-Herer-Damen würde ich noch eine gute Woche geben, damit das einzigartige Aroma und die aufputschende Wirkung auch wirklich zur Geltung kommen. Ich lobe Elke ob ihres ersten Grows, denn – auch wenn nicht alles perfekt gelaufen ist – das kann sich sehen-

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lassen! Der Ertrag wird nicht optimal sein, aber Elke wird auf jeden Fall durchschnittlich 20 Gramm von jeder Pflanze und somit mindestens 400 Gramm bestes Gras ernten – nicht schlecht für den Anfang, Hut ab. Sie sei schon ziemlich zufrieden und stolz auf ihr „erstes Mal“, aber als Hobbygärtnerin mit 40jähriger Erfahrung hätten sie die gelben Blätter an einigen Pflanzen doch ein wenig gestört. Im Laufe des ersten Durchgangs sei sie ja auch zum intensiven Lesen ihres, wie sie es nennt „schlauen Buches“ (Ed Rosenthals Grower Handbuch), gekommen und habe so Einiges erfahren, was sie beim zweiten Durchgang anders machen werde: - Die vorgedüngte Erde wird gegen Kokossubstrat und einen Spezialdünger ausgetauscht. - Elke wird sich einen EC-Meter kaufen, um das Kokos optimal düngen zu können. - Die Bewässerung wird genauer kontrolliert und so eingestellt, dass das Substrat auf keinen Fall zu feucht wird, dabei muss man während der Blütephase die Intervalle mehrmals anpassen. - Es wird nur noch eine Sorte pro Durchgang gezüchtet, denn durch die beiden „Ausreißer“ musste die Lampe immer ein wenig höher hängen, als für die restlichen 18 notwendig war. Aber erst einmal muss die Ernte ab morgen eingefahren und getrocknet werden, und danach soll es nahtlos weitergehen. Nicht, dass es zu wenig Gras für die Kekse und die Tochter sei, sondern einfach, weil es Spaß gemacht hat. Elke hat ihren nächsten Besuch im nahen Ausland bereits hinter sich, und wieder drei leckere Päckchen feminisiertes Saatgut mitgebracht: Bubblegum, Lemon Skunk und Church sollen demnächst das Licht des Schranks erblicken, um die Hauptdarstellerinnen in Elkes zweitem Teil zu werden. Auf lange Sicht habe sie sich aber überlegt, sich vom Ex eine kleine Stecklingskammer bauen zu lassen – das mit den Samen dauere ja länger als notwendig. Ja, du hast das „schlaue Buch" wirklich gelesen, Elke‘, denke ich im Stillen. Nach weiteren fünf Stück Kuchen und einem Verdauungs-Joint auf dem Balkon (Kiffer-, aber Nichtraucherwohnung) verabschiede ich mich von meiner Gastgeberin und verspreche, ihre Tochter in Berlin mal zu kontaktieren und ihr die Fotos von Mamas erstem Grow zu zeigen, sobald ich wieder in der Heimat bin. Vielleicht stellt Marie mir ja dann ihren netten Mitbewohner aus Israel vor...

*Name von der Redaktion geändert ** Studie 1: Nabilon reduziert Schmerzen bei Patienten mit Diabetes, die an peripheren neuropathischen Schmerzen, die nicht auf andere Medikamente ansprechen, leiden. Dies ist das Ergebnis einer doppelblinden, placebo-kontrollierten Studie, die in der Abteilung für Klinische Neurowissenschaften der Universität von Calgary (Kanada) durchgeführt wurde. (Quelle: The Department of Clinical Neurosciences, the Hotchkiss Brain Institute, and the University of Calgary, Alberta, Canada.)

Studie 2: Südafrikanische Wissenschaftler untersuchten die Wirkungen eines Cannabisextrakts auf die Insulinempfindlichkeit von insulinresistenten Fettzellen. Eine Insulinresistenz, d. h. eine Unfähigkeit von Zellen, Glukose (Zucker) trotz der Gegenwart von Insulin aufzunehmen, wurde durch die Verwendung von TNF-Alpha induziert. Die Insulin-induzierte Glukoseaufnahme wurde in diesen Zellen nach der Exposition mit dem Extrakt erhöht, was auf einen antidiabetischen Effekt des Cannabisextrakts hindeutet. (Quelle: Gallant, M. et al.: Phytomedicine, 1. April 2009)

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Laut eines Marktreports des High Times Magazine von 2005 war „Sour Diesel zweifellos die teuerste Gras-Sorte der Welt, für die Wall-Street-Yuppies zwischen 800 und 1.000 Dollar pro Unze bezahlten.“ Nun, viele jener Wall-Street-Yuppies sollten sich drei Jahre später in einer öffentlichen Suppenküche Schlange stehend wiederfinden und wären wohl froh gewesen, sich wenigstens „amerikanische Hecke“ als Rauchware leisten zu können, aber das ist eine andere Geschichte... Mit der Sorte Acid (Mostly Sativa), hat der holländische Qualitätszüchter Luc von Paradise Seeds seine ganz eigene Version der berühmten Diesel-Sorte gezüchtet, wofür er originäre High Quality Genetik verwendete. Er kombinierte Diesel mit einer seiner favorisierten Holland-Sorten, was in einer „Super-Kreuzung mit starker Potenz“ und einem intensiven Grapefruit-Geruch und -Geschmack resultierte – Acid soll also die fruchtige Seite des Diesel-Aromaspektrums klar zum Ausdruck bringen. Luc verspricht, dass „sich diese Hybride als sehr ertragreich erwiesen hat und mit einer noch höheren Potenz auftrumpft als die Originalsorte, ihr THCGehalt soll mindestens 18 Prozent betragen. Luc beschreibt das Acid-High wie folgt: „Nach dem Inhalieren des säuerlichen Rauches stellt sich schnell ein überwältigendes, sehr erhebendes und positives Gefühl ein. Es ist, als wenn das Gefühl der Schwere, in einem Körper zu stecken, plötzlich verschwindet und einer unbeschwerten Leichtigkeit weicht, die mit viel Euphorie und Optimismus einhergeht – die medizinischen Qualitäten von Acid treten deutlich zu Tage.“ Kein Wunder, dass Mr. Power-Planter, ein großer Fan fruchtiger Cannabis-Flavours, Acid sofort auf seinem Radarschirm hatte, nachdem sie von Paradise Seeds auf den Markt gebracht worden war. Schon bald säte er sieben feminisierte Acid-Samen in Jiffy-Pots aus (es gibt diese Sorte nur in feminisierter Form) und reservierte für sie einen Quadratmeter in seinem Grow-Raum. Nach vier Tagen waren alle sieben Samen erfolgreich gekeimt und in guter Verfassung an der Oberfläche des Mediums angelangt. Die Pflanzen wurden von Anfang an unter drei 600-Watt-Green-Bud-Metallhalogendampflampen gegrowt, die mit Adjust-a-Wing-Reflektoren (ohne Spreader) bestückt waren. Eine Woche nach der Keimung wurden die Pflanzen in 11 Liter-Töpfe, befüllt mit Plagron Standard MixErde, umgepflanzt. Bei 18 Stunden Licht täglich zeigten die Acid-Plants sehr lebhaftes, frühes Wachstum. Sie wuchsen kompakt und mit sattgrünen Blättern, die eine Sativa-dominante Form und Größe aufwiesen, aber wegen des Indica-Anteils etwas kürzer und breiter waren als reine Sativa-Blätter. Das Wachstum war sehr homogen, zwei Wochen nach der Keimung hatten alle Pflanzen ungefähr die gleiche Höhe. Und sie bildeten schon früh viele seitliche Triebe – auch ihr Wachstumsmodell schien also Sativa-mäßig auszufallen. Drei Wochen nach der Keimung, bei einer Höhe von 40-47 cm, leitete Mr. PowerPlanter durch Umstellung der Photoperiode von 18/6 auf 12/12 die Blüte ein und ersetzte die drei Metallhalogendampflampen durch drei 600-Watt-Osram-HPSLampen. Innerhalb von acht Tagen offenbarten alle sieben Pflanzen ihr Geschlecht, das sich wie erwartet als weiblich erwies. Die Blütenproduktion kam schon sehr bald voll in Schwung, nach drei Blütewochen waren die Triebe der Pflanzen mit hübsch blühenden Spitzen besetzt, die ein hohes Blüten/Blätter-Verhältnis entwickelten. Die sieben Acid-Pflanzen zeigten in der frühen Blütephase einen merklichen Streckungseffekt und maßen nach drei Blütewochen bereits 70-85 cm. Im unteren und mittleren Bereich der Pflanzen hatten sich viele lange Seitenzweige gebildet, und oben am Stamm bildeten sie lange Top-Colas aus, was ein sehr attraktives rhomben- bzw. koniferenförmiges Wachstumsmodell ergab, typisch für Sour Diesel. An den Buds und Blütenblättern waren dichte Harzteppiche in der Entstehung begriffen, und die Pflanzen verströmten bereits einen gewissen fruchtig-sauren Duft, was Mr. Power-Planter optimistisch stimmte, dass sie am Ende tatsächlich nach Grapefruit riechen und schmecken würden. Die Blütenbildung wurde in den folgenden Blütewochen vom Grund der Pflanzen bis oben durchgängig sehr dicht und kompakt, alle sieben Acid-Pflanzen waren mit einem sehr hohen Blüten/Blätter-Verhältnis und dicken, wohlgeformten Buds ausgestattet. „Dies ist wirklich eine superbe Blütenproduktion“, frohlockte Mr. Power-Planter. Und die Tatsache, dass alle sieben Pflanzen mittlerweile tatsächlich ein sehr klares und köstliches Grapefruit-Aroma produzierten, machte ihn noch froher, „bei dieser Diesel-Kreuzung hat Luc es geschafft, in allen Pflanzen jenes wunderbare typische Sour Diesel Grapefruit-Aroma auf den Punkt zu bringen, wobei er den genetischen Einfluss des anderen Elternteils, der HollandSorte, komplett aus dem Spiel halten konnte. Luc hat hier also einen perfekten Züchterjob abgeliefert“, bestätigte er, „und die Pflanzen sind auch in Sachen Wachstum und Blütenstruktur sehr homogen.“ Jene intensiven Grapefruit-Aromawolken dominierten den gesamten Grow-Raum, sie „überdufteten“ alle anderen Sorten, die dort wuchsen. Nach acht Blütewochen hatten die Pflanzen, vor Harz triefend, eine majestätisch weiße Erscheinung. „Sie sind so dermaßen klebrig, dass ich glaube, dass, wenn sich eine Fliege törichterweise entscheiden sollte, auf diesen Blütenclustern zu landen, sie sofort an diesen festkleben würde, gefangen in einer unüberwindlichen Harzfalle“, vermutete Mr. Power-Planter.

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Viele Blütennarben waren mittlerweile verwelkt und orange gefärbt, sodass er davon ausging, dass die sieben Acid-Pflanzen innerhalb von 5-10 Tagen zur Reife gelangen würden. Und genauso war es: Bereits nach 60 Blütetagen konnte Mr. Power-Planter die ersten vier Pflanzen ernten, und die anderen drei folgten fünf Tage später. Ihr säuerlicher Grapefruit-Duft war einfach überwältigend. Am Ende hatten die sieben Pflanzen Höhen von 80, 93, 94, 97 und 107 cm erreicht – eine sehr homogene Performance! Mr. Power-Planter konnte nicht eine einzige männliche Blüte an den Pflanzen finden – wieder einmal hatte ihm ein Paradise-Strain ein tadelloses Ergebnis in Sachen weiblicher Blüte geliefert. Die Erntearbeit war dank des hohen Blüten/Blätter-Verhältnisses ein leichter und schneller Job, und die großen, dichten Acid-Buds ließen Mr. Power-Planter freudig dem Wiegen der Ernte entgegensehen. Als diese Phase nach einer zweieinhalbwöchigen, schonenden Trocknungsphase erreicht war, zeigte die Waage das trockene Endergebnis an: insgesamt 374 Gramm, durchschnittlich ca. 53,5 Gramm pro Pflanze, ein exzellentes Ergebnis. Eine andere interessante Frage war, ob jenes Grapefruit-Aroma auch in dem trockenen Endprodukt und dem Geschmack des Rauches noch Bestand haben würde, aber angesichts der extremen Intensität dieses Geruchs hatte Mr. Power-Planter allen Grund, davon auszugehen, dass dies der Fall sein würde. Und tatsächlich verströmten die Buds auch nach der Trocknung noch genau jenes klare, intensive Grapefruit-Aroma der frischen Pflanzen, nichts hatte sich verändert. Dann testete er freudig den Smoke dieser wunderbar harzigen Acid-Blüten, und bereits der erste Zug offenbarte ihm, dass der Flavour vollgepackt war mit einem köstlichen Grapefruit-Aroma, das sehr lange auf dem Gaumen verweilte. Und auch das Acid-High erwies sich als eine kleine Sensation, schnell lieferte es einen mächtig starken, erhebenden Sativa-Flash und ein kribbelndes Gefühl purer Happiness. Mr. Power-Planter hatte zuvor ehrlich gesagt gedacht, dass Lucs euphorische Beschreibung der Acid-Effekte doch sehr poetisch geraten war („Es ist, als wenn das Gefühl der Schwere, in einem Körper zu stecken, plötzlich verschwindet und einer unbeschwerten Leichtigkeit weicht.“), und dass sich eine solche Wirkung bei ihm möglicherweise nicht einstellen würde. Aber nachdem er ein Drittel des Acid-Joints geraucht hatte, bemerkte er, dass sich genau jenes Gefühl in ihm aufbaute und ihn auf Wolke Neun schickte. Munter tänzelte er durch seine Wohnung und erledigte einige kleine, schon länger aufgeschobene Haushaltsjobs. Dies war wahrhaftig ein langanhaltendes Gefühl heiterer Schwerelosigkeit, kristallklar im Kopf und mit viel Euphorie und Optimismus einhergehend, jegliche düstere Gedanken verscheuchend, unbegrenzte mentale Zuversicht vermittelnd – genau wie Luc es beschrieben hatte. Acid hat also potenziell exzellente medizinische Qualitäten, zum Beispiel als Antidepressivum oder ganz einfach als positiv aktivierende Droge für alle, die an Antriebslosigkeit leiden. Mr. Power-Planter schwärmte: „Großartig. Eine weitere fantastische Fruchtsorte mit einem sehr stabilen und klaren Grapefruit-Geruch und Geschmack sowie eindrucksvoll starken, euphorisierenden Sativa-Effekten – Glückwunsch an Luc für diese neue „Deichland-Dieselsorte“!

Kulturdaten Sorte: Acid (Diesel x unbekannte Holland-Sorte) Genetik: Mostly Sativa Vegetative Phase: hier: 21 Tage nach der Keimung Blütephase: hier: 60-65 Tage, allgemein 65 Tag Medium: Plagron Standard Mix Topfgröße: 6,5 Liter pH: 6,0-6,3 EC: max. 2,0 mS Licht: Vegetative Phase: 3 x 600 W Green Bud MH Blütephase: 3 x 600 W Osram HPS Temperatur: nachts: 16-20°C tagsüber: 23-30°C Luftfeuchtigkeit: 40-55% Bewässerung: von Hand Düngung: Canna Terra Vega Canna Terra Flores PK 13/14 (in der 6. Woche) Zusatzmittel: Rhizotonic Wurzel, CannaZym, Bcuzz Blütestimulator Höhe: 80, 93, 94, 97, 107 und 107 cm Ertrag: 374 Gramm

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Zunächst registriere ich erstaunt, dass ich der einzige Journalist bin, der an der Fahrt teilnimmt, ansonsten gibt sich ein erlesenes Who's who von bekannten Cannabis-Wissenschaftlern und -Ärzten die Ehre. Die Spannung ist groß, als nach dreistündiger Busfahrt der ländlich gelegene Betrieb von Bedrocan erreicht wird. Nach einer herzlichen Begrüßung durch die beiden Betriebsinhaber Freerk Bruining und Tjalling Erkelens, zwei miteinander verschwägerten Mittvierzigern, folgt zunächst eine einleitende Power Point-Präsentation zur Firmengeschichte und Arbeit von Bedrocan. 1984 erben sie einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb und praktizieren zunächst jahrelang ausschließlich die Indoor-Treiberei von Chicorée. 1991 kommen Spargel und Buchsbaum als Erwerbspflanzen dazu. 1995 beginnen sie dann, auf Hobby-Basis auch erfolgreich Cannabis anzubauen. Als im Jahre 2000 in Holland das Büro für medizinisches Cannabis gegründet wird, entschließen sich die beiden Schwager in der Folgezeit, dort eine Lizenz für die Produktion von medizinischem Cannabis zu beantragen. 2002 ist es dann soweit, die Firma Bedrocan erhält vom BMC einen Fünfjahresvertrag und wird einer der beiden einzigen staatlich lizenzierten Medizinalhanf-Produzenten. Am 1. September 2003 beginnt in Holland der Apothekenverkauf von Cannabisblüten auf Rezept. Doch es wird schnell klar, dass die Nachfrage der Patienten weitaus geringer ausfällt als erwartet und der Bedarf bequem von nur einer Firma gedeckt werden kann. Als Folge wurde 2005 dem anderen Produzenten mit einer Lizenz, der

Stiftung SIMM, der Anbauvertrag zum Anfang des Jahres gekündigt, auch weil es hier Probleme mit der Standardisierung des THC-Gehalts der Blüten gab. Seitdem ist Bedrocan mithin der einzige Betrieb in Holland, der die Apotheken mit Cannabisblüten beliefert. Eine gesicherte betriebswirtschaftliche Existenz also? Weit gefehlt. Auch Bedrocan kämpft um das Überleben. Die jährlich von Bedrocan in den Apotheken abgesetzte Menge an Medizinalhanf liegt bei unter 100 kg, was angesichts des großen Kostenapparats, den Bedrocan hat, weit entfernt davon ist, echte Gewinne abzuwerfen. Zum anderen steht die Fortführung des Apothekenverkaufs gerade wegen der bescheidenen Nachfrage derzeit auf dem Prüfstand des Gesundheitsministeriums. Zurzeit beziehen nur etwa 1.500 Patienten in Holland Cannabis aus der Apotheke, im Vorfeld des Projekts war mit 7-15.000 Patienten gerechnet worden. Nach dem Vortrag öffnen sich dann die Türen zum „Allerheiligsten“: Der Rundgang durch die Produktionsräume von Bedrocan steht an. Zunächst müssen sich alle in weiße Plastik-Kittel hüllen, wegen der Hygiene. Die wird beim Anbau von medizinischem Cannabis natürlich ganz groß geschrieben. Bedrocan hat sich den Grundsätzen der so genannten guten landwirtschaftlichen Praxis verschreiben müssen, und darüber hinaus strengen Grundsätzen der Weiterverarbeitung, der Laborkontrolle und des reglementierten Vertriebs. Das mit dem BMC vereinbarte Konzept zur Qualitätskontrolle soll noch in diesem Jahr nach ISO 9002-2000 zertifiziert werden. Entsprechend den Grundsätzen der guten landwirtschaftlichen Praxis hält Bedrocan den Energieaufwand bei der Produktion so gering wie möglich, gleiches gilt für die Düngung. Die verwendete Steinwolle wird recycelt, auf den Einsatz von Pestiziden völlig verzichtet. Schädlinge und Pilzsporen werden durch ein Filtersystem in der Lüftung der Anlagen am Eindringen in die Anbauräume weitgehend gehindert.

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Eine biologische Kultur scheidet übrigens aus mehreren Gründen aus. Zunächst einmal ist es gemäß internationaler pharmakologischer Vorschriften gar nicht möglich bzw. erlaubt, einem rezeptpflichtigen Medizinprodukt das Etikett „biologisch“ anzuheften. Außerdem ist die erforderliche Standardisierung der Anbaubedingungen mit biologischen bzw. organischen Substraten und Düngern praktisch kaum möglich. Die Standardisierung der Produktion wird bei Bedrocan zum einen durch die Verwendung von Stecklingen ermöglicht, deren Anbau einem festen zeitlichen Ablaufplan folgt, zum anderen durch stets identische Anbaubedingungen, also z. B. gleichbleibendes Klima und beständige pH- (6,0) und EC- (1,2 mS) Werte. Bedrocan verfügt insgesamt über vier Räume mit jeweils 55 m2 Grundfläche und 30 Hochdrucknatriumdampflampen in 600 Watt-Stärke. Ein Raum ist für die vegetative Vermehrung und Kultur zuständig, hier stehen Mutterpflanzen mit ihren Töchtern, die nach einigen Wochen Wachstum in einen der drei Blüteräume aufrücken. In jedem der Blüteräume können sich bis zu 130 Pflanzen befinden. Alle zwei Wochen ist eine Pflanzenpartie erntereif. Es wird durchgängig Topfkultur praktiziert, wobei alle blühenden Pflanzen über ein Steinwoll-Tropfsystem gewässert und ernährt werden. Im vegetativen Raum stehen die Pflanzen dagegen auf intervallweise befluteten Anstau-Tischen. Zurzeit produziert Bedrocan vier Sorten für die Apotheke: „Bedrocan“ (Mostly Sativa, 60 Tage Blütezeit, 18% THC / 0,8% CBD) „Bedrobinol“ (ungefähr ausgewogene Indica/Sativa, 54 Tage Blüte, 13% THC / unter 1 % CBD), die bewusst CBD-lastige Varietät „Bediol“ (50 Tage Blüte, 6% THC / 7,5%

CBD) und seit 2011 „Bedica“ eine Indica mit einem THC Anteil von 14% und weniger als 1% CBD die als Beruhigungsmittel empfohlen wird. Viermal im Jahr erhält Bedrocan Besuch von einer staatlichen Aufsichtsbehörde, welche die Anzahl der Pflanzen und die aktuell vorrätige Menge an trockenen Blüten kontrolliert. Das BMC wird immer dann vorstellig, wenn wieder eine Ernte fertig getrocknet ist. Denn ab diesem Zeitpunkt nimmt der Staat die Zügel in die Hand, das BMC koordiniert die weitere Verarbeitung und Kontrolle sowie den Vertrieb der Cannabisblüten. Zunächst wandert die zu Einheiten von 250 Gramm verpackte Ernte zu einer Firma namens Isotron BV, welche die Blüten mit Gammastrahlen behandelt, um sicherzustellen, dass das ohnehin schon sehr reine Endprodukt garantiert frei von Pilzsporen, Bakterien und anderen Mikroorganismen ist. Für den Menschen ist die bei vielen frischen Lebensmitteln übliche Gammastrahlen-Prozedur vollkommen unschädlich. Ein Labor kontrolliert die Blüten abschließend stichprobenartig auf Schadstofffreiheit (es dürfen z. B. auch keine Schwermetalle enthalten sein) und die Einhaltung des für die Sorte standardisierten THC-Gehalts. Wenn alles in Ordnung ist, wird das Material an die Firma Fagron in Westholland weitergeleitet, welche die Blüten in 5 g-Dosen abfüllt und an die Apotheken ausliefert. Ingesamt konnte Bedrocan die Besucher sehr von seiner Arbeit überzeugen, sogar den erfahrenen Anbau-Experten David Watson (Hortapharm). Man kann der engagierten und verantwortungsbewussten Firma nur wünschen, dass in Holland künftig deutlich mehr Patienten Apotheken-Cannabis den Vorzug gegenüber der Pestizid- und Schimmelsporen-belasteten Coffeeshop-Ware geben, sodass Bedrocan seine Existenz in der Zukunft nicht nur erhalten, sondern auch profitabel gestalten kann und sich Hanf aus der Apotheke durchsetzt.



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Googelt man nach „Kritik Obama“, dann erhält man zigtausende Einträge im World Wide Web, die alle in deutscher Sprache verfasst sind. Gibt man „truth about Obama“ ein, dann gehen die Treffer sogar in die Hunderttausende. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich nicht nur um abstruse Verschwörungstheorien oder unsachliche Beleidigungen, sondern zum Teil auch um recht brisante Tatsachen, die den ehemaligen Hoffnungsträger in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Eines vorab: Im Vergleich zu vielen anderen US-Präsidenten der jüngeren Geschichte, ist Barack Obama sicherlich einer der besseren – allein der Versuch einer Gesundheitsreform ist ihm hoch anzurechnen. In vielerlei Hinsicht schlug Obama außen- wie innenpolitisch ganz neue Töne an – weniger überheblich nach außen und lösungsorientierter nach innen, auch wenn man von einem US-Präsidenten naturgemäß nicht zu viel verlangen kann. Nun hat es Obama erneut geschafft und ausreichend Sympathie und Vertrauensvorschuss geerntet, dass es für eine zweite Amtszeit reicht – auch wenn er dieses Mal sicher nicht gleich wieder den Friedensnobelpreis für eine überfällige Änderung der US-amerikanischen Attitüde in der Außenpolitik erhalten wird. Für Cannabisfreunde ist es sicherlich bemerkenswert, dass Obama – im Gegensatz zu allen anderen Präsidenten der letzten Jahrzehnte – keinen Hehl daraus macht, als Jugendlicher und Student auch reichlich gekifft zu haben. Am liebsten Bong. Nachdem ein Bill Clinton noch öffentlich erklärte, vielleicht mal an einem Joint gezogen, nicht aber inhaliert zu haben, wird nun um vormaligen Cannabiskonsum gar kein Geheimnis mehr gemacht – selbst die US-Leitmedien scheinen das kapiert zu haben. Und wer weiß, ob die überraschende Legalisierung von Cannabis in einigen US-Bundesstaaten nicht teilweise auch auf der von Obama transportierten Aufbruchstimmung und seinem lockeren Umgang mit Cannabis aufbaute (s. „Historische Abstimmung in den USA“, Seite 52). So gesehen ist Obama wahrscheinlich wirklich einer der modernsten und weltoffensten US-Präsidenten – doch während in den USA der große Hype um seine Person längst verklungen ist, wird Obama hierzulande noch immer nahezu als Heilsbringer betrachtet. Leider ist diese Sichtweise genauso abwegig wie die seiner Gegner, die ihn wahlweise als Kommunisten, Sozialisten oder Faschisten bezeichnen. Obama ist – wie alle seine Vorgänger – lediglich ein Politiker, und damit Produkt des amerikanischen (Polit)Systems. Und so gibt es durchaus berechtigte Kritik an seiner Person und seinen Handlungen – unabhängig von der verlogenen Propaganda seiner politischen Gegner, die man natürlich erstmal herausfiltern muss. Was übrig bleibt, haben wir hier mal für Euch zusammengetragen: Bereits im Vorwahlkampf zu seiner ersten Präsidentschaftswahl wurde Obamas geschäftliche Beziehung zu Tony Rezko kritisiert, einem Unternehmer, der 2006 wegen Überweisungsbetrug, Bestechung, Geldwäsche und versuchter Erpressung in Chicago vor Gericht stand. Rezko hatte Obama (für den er sich übrigens auch nach wie vor als Spendensammler betätigte) zu erheblich vergünstigten Bedingungen beim Kauf seines Eigenheims verholfen. Da derartige zwielichtige Verbindungen in der Politik natürlich kein Einzelfall sind, landete Obama schon 2007 (!) in den Top Ten der „most wanted corrupt politicians“ der Bürgerrechtsorganisation „Judical Watch“ – auch wenn ihn damals noch kaum einer kannte. Vielleicht hätte man aber auch schon skeptisch werden können, als man mit Beginn des Präsidentschaftswahlkampfes feststellen musste, wie einheitlich die meinungsbildenden Massenmedien Obama unterstützen – schließlich werden alle wichtigen Medien in den USA von der CFR (The Council on Foreign Relations) kontrolliert, deren offizielles Ziel es ist, „Amerikas Verständnis für die Welt zu fördern“. Man könnte aber auch sagen, eines der Ziele der CFR ist es, den amerikanischen Bürgern die Welt genau so zu zeigen, wie es in der CFR besprochen wurde – dafür sorgen so langjährige CFR-Mitglieder wie Rupert Murdoch. Schon 1975 erklärte der amerikanische Politologe William Domhoff gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Die CFR ist das entscheidende Verbindungsglied zwischen den großen Konzernen und der Regierung.“ Selbstredend ist auch Obama ein CFR-Mitglied, ebenso wie seine Frau, die bei beiden Wahlkämpfen uneingeschränkt hinter ihrem Mann stand und eifrig für ihn warb. Und so nahmen es die Leitmedien ihrem neuen Präsidenten auch gar nicht weiter übel, dass er erst für eine Finanzierung des Präsidentschaftswahlkampfs aus öffentlichen Mitteln war, und dann,

nachdem er selbst reichlich private Spendengelder (eine Rekordsumme von über 100 Millionen Dollar) erhalten hatte, energisch das genaue Gegenteil propagierte – nämlich den Verzicht auf jegliche öffentliche Mittel. Im Wahlkampf versprach Obama auch, sich als Präsident dafür einzusetzen, den die bürgerlichen Grundrechte weitgehend einschränkenden „Patriot Act“ zu widerrufen. Doch als er dann tatsächlich Präsident wurde, stimmte er fortan für die Fortführung der Bespitzelung des amerikanischen Volkes und sprach sich gar für eine umfassende Legalisierung illegaler Abhörmaßnahmen aus. Zudem führte er Todeslisten, auf denen ein Osama bin Laden ganz oben stand. Die von Obama angeordnete (und „live“ beobachtete) Tötung des Terroristen wurde in seinem zweiten Wahlkampf als großer außenpolitischer Erfolg gefeiert – schließlich galt es zu vermeiden, in der amerikanischen Öffentlichkeit ein allzu liberales und friedliebendes Bild abzugeben. Denn so was kommt bei der Mehrzahl der US-Bürger eher schlecht an. Und so hat Obama beispielsweise auch den Einsatz von Kampfdrohnen gegen mutmaßliche Terroristen zu einem seiner „Markenzeichen“ gemacht. Die finale Entscheidung über ihren Einsatz und das konkrete Ziel trifft er stets selbst, während gleichzeitig alle Warnungen vor den rechtlichen oder politischen Folgen derartiger Drohnen-Angriffe ignoriert werden. Schließlich kommen diese ferngesteuerten Attacken beim Wahlvolk gut an, da so kein US-Soldat sein Leben aufs Spiel setzen muss. Doch nun haben angesehene Rechtswissenschaftler eine sehr kritische Bewertung dieser Drohnenangriffe vorgelegt: Diese Art der Kriegsführung sei politisch kontraproduktiv, rechtlich fragwürdig und koste Hunderte von Zivilisten das Leben. Die US-Regierung behauptet zwar stets, dass bei den Drohnen-Angriffen kaum je Zivilisten zu Schaden kämen. Es ist tatsächlich schwierig, genaue Zahlen zu ermitteln, weil die USA das Drohnen-Programm vor einer demokratischen Kontrolle abschirmen. Unabhängige Schätzungen ergaben jedoch, dass von Juni 2004 bis September 2012 in Pakistan zwischen 2.562 und 3.325 Menschen bei Drohnen-Angriffen getötet worden sind. Zwischen 474 und 881 von ihnen seien Zivilisten gewesen, darunter auch 176 Kinder. Weil die USA oft mehrere Raketen nacheinander auf ein Ziel abfeuerten, trauten sich die Dorfbewohner nach einem Drohnenangriff nicht, den Verletzten zu Hilfe zu kommen, heißt es in dem Bericht der Rechtswissenschaftler. Eltern schicken ihre Kinder nicht mehr in die Schule, und selbst zu Beerdigungen wagen sich viele Dorfbewohner nicht mehr, weil sie fürchten, die USA könnten die Menschenmenge mit einer Zusammenkunft von Taliban- oder Al-QaidaKämpfern verwechseln und angreifen. Wie schnell so etwas geschehen kann, kann man auf YouTube sehen: Das Collateral Murder Video, das von Wikileaks veröffentlicht wurde, zeigt die ganze traurige Wahrheit der modernen Kriegsführung. Nach Einschätzung der Rechtswissenschaftler gibt es zudem keine eindeutigen Belege dafür, dass die Drohnenangriffe fernab der Heimat die USA tatsächlich in irgendeiner Weise "sicherer" machten – nur knapp zwei Prozent der Getöteten zählten zur Führungsebene der islamistischen Terroristen. Gleichzeitig schürten die Drohnen-Angriffe ganz eindeutig die Wut der Einheimischen auf die USA und erleichterten den Extremisten so die Rekrutierung neuer Kämpfer. Alle Angriffe auf Personen oder Gruppen, die keinerlei Verbindung zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hätten oder welche die USA nicht unmittelbar bedrohten, seien rechtlich zweifelhaft, schrieben die Juristen. Und: "Die US-Praxis kann anderen Regierungen als gefährlicher Präzedenzfall dienen und den Rückgriff auf tödliche Gewalt überall auf der Welt erleichtern." Vielleicht ist das ja ein gar nicht so unerwünschter Nebeneffekt. Schon kurz nach seinem ersten Wahlsieg machte Anfang 2009 weltweit die Nachricht die Runde, Präsident Obama hätte (seinem Wahlversprechen folgend) Guantanamo nun geschlossen. Tatsächlich hatte Obama gleich in der ersten Woche seiner ersten Amtszeit einen Erlass unterzeichnet, der scheinbar die Schließung von Guantanamo und anderen Geheimgefängnissen anordnete. Doch als schließlich der komplette Wortlaut jenes Erlasses öffentlich bekannt wurde, stellte man fest, dass dort lediglich geschrieben stand, Obama werde „darüber nachdenken“, Guantanamo Bay „innerhalb eines Jahres“ schließen zu lassen. Das Schlimmste war jedoch, dass dieser Erlass auch weiterhin die Praxis der geheimen Verhaftungen und der Folter erlaubte. Hatte Obama während seines Wahlkampfs noch versprochen, er würde dafür sorgen, dass die Wahrheit über die Folter von US-Ge-


fangenen öffentlich gemacht wird, so machte er nach seinem Amtsantritt das genaue Gegenteil. Während er zumindest das „Waterboarding“ mittlerweile als Folter bezeichnet, sicherte er jedoch gleichzeitig allen an Folter beteiligten CIA-Mitarbeitern umgehend weitreichende Straffreiheit zu. Auch die eigentlichen Verantwortlichen aus der Vorgängerregierung wie Rice, Rumsfeld, Cheney oder Bush wurden natürlich nicht gerichtlich belangt – handelten sie doch „im Interesse ihres Landes“. Und so verweigerte Obama sogar die Herausgabe von Fotografien, auf denen die Wahrheit darüber, was keine Folter sein soll, zu sehen ist. Obendrein war sich Obama nicht zu schade, das Wegschließen dieser Bilder zu einer Frage der nationalen Sicherheit zu erheben. Die Tagesschau zitierte Obamas Begründung dafür so: “Diese Bilder könnten den Anti-Amerikanismus weltweit entfachen und Amerikas Truppen in zusätzliche Gefahr bringen.” Wenn also die Menschen die Wahrheit kennen, soll eben das verantwortlich für Anti-Amerikanismus sein? Inzwischen ist doch weltweit bekannt, dass in den vergangenen Jahrzehnten durch US-amerikanische „Verhörspezialisten“ (bzw. durch von den USA zum Foltern ausgebildete oder von den USA bei der Folter unterstützte Handlanger) mehrere hunderttausend Menschen zu Tode gefoltert wurden: in Vietnam, Laos, Haiti, Chile, Kosovo, Griechenland, Zaire, Nicaragua, El Salvador, Guatemala, Kolumbien. Die Liste, wo unter der Regie der USA systematisch gemordet und gefoltert wurde, ließe sich noch lange fortsetzen. Die Bilder aus dem US-Gefängnis Abu Ghraib im Irak ähneln den zahlreichen Bildern aus vielen Ländern dieser Welt – einer Welt, die schon vielfach Bekanntschaft mit dem selbsternannten Weltpolizisten USA gemacht hat. Wie schlimm müssen die Bilder sein, von denen Barack Obama meinte, sie seien so schlimm, dass sie Anti-Amerikanismus schüren und den gewaltsamen Widerstand gegen die Besatzungstruppen im Irak und in Afghanistan stärken könnten? Und sind wirklich die Bilder der Grund für den AntiAmerikanismus? Später schlug Obama in einer Rede zur nationalen Sicherheit vor, für „besonders gefährliche Terroristen“ einen neuen legalen Rahmen für eine Vorbeugehaft zu entwickeln. Diese Vorbeugehaft will Obama u. a. auch für Gefangene des Guantanamo-Lagers verwenden, denen aus unterschiedlichen Gründen kein Prozess gemacht werden kann, die aber von der US-amerikanischen Justiz dennoch als „besonders gefährlich“ eingestuft werden. Obama wurde dafür bereits von vielen Bürgerrechtlern und der amerikanischen Linken heftig kritisiert. Sehr bezeichnend ist, welche Personen von dem neuen US-Präsidenten in die wichtigsten Posten der Nation gehievt wurden. Obamas Wahl für den Posten seines außenpolitischen Beraters fiel auf Zbigniew Brzezinski, einst Protegé von Henry Kissinger. Der langjährige Staatsmann Kissinger wurde von Obama zum Sondergesandten des Auswärtigen Amts berufen, dabei steht Kissinger ebenso für den von langer Hand vorbereiteten Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Chiles wie für die Verlängerung des Vietnamkrieges oder die Bombardierung von Kambodscha – um nur einige seiner „historischen“ Taten zu benennen. Kissinger erklärte im Februar 2009 gegenüber dem Fernsehsender CNBC: „Obama kann der amerikanischen Außenpolitik ein neues Gesicht verleihen, seine Wahrnehmung in der Welt ist außergewöhnlich. Seine Aufgabe wird sein, eine umfassende Strategie für Amerika zu entwerfen – gerade zu dieser Zeit, wenn wahrhaftig eine neue Weltordnung geschaffen werden kann. Es ist nicht nur eine Krise, es ist auch eine Gelegenheit.“ Da versteht sich doch von selbst, dass der Grandsenior verdeckter Operationen dem neuen Präsidenten einen seiner gelehrigsten Schüler an die Seite stellt: Schon in den späten 90er Jahren hatte Zbigniew Brzezinski das Buch „The Grand Chessboard“ geschrieben, in welchem er auf die geopolitische Bedeutung Eurasiens hinwies, und wie wichtig es für Amerika sei, Eurasien langfristig zu dominieren, um die eigene Hegemonialmachtstellung für die Zukunft zu sichern. Außerdem findet sich in seinem Buch der Verweis darauf, dass nur ein katalytisches Event wie „ein neues Pearl Harbor“ es der USA ermöglichen würde, ihre Vormachtstellung weltweit zu sichern – dieses Event fand schließlich am 11. September 2001 statt. Außerdem gilt Brzezinski als Gründer der „Trilateral Commission“ – einer offiziellen internationalen Organisation für eine „gemeinsame“ Weltregierung (One World Government). Ein weiteres Personalbeispiel: Robert Gates war schon unter George W. Bush Verteidigungsminister und damit direkt mitverantwortlich für die aktuellen Kriegsschauplätze Amerikas – kein Grund für Obama,

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diesen Posten neu zu besetzen. Gates bleibt auch unter Obama Verteidigungsminister, und sein neuer Vize wurde ein bekannter Lobbyist der Rüstungsindustrie. Außerdem machte Obama Leon Panetta – den König der Wall-Street-Lobbyisten – zum Chef der CIA, und den TopLobbyisten der Pharmaindustrie zu seinem Gesundheitsminister. Weiterhin ernannte Obama George Mitchell – den Top-Lobbyisten der saudischen Königsfamilie – zu seinem Nahostbeauftragten. Die bemerkenswerteste Personalentscheidung betraf jedoch die Auswahl seines persönlichen Kabinetts – denn er besetzte alle Kabinettspositionen ausschließlich mit Wall-Street-Oligarchen. Von seinem Kabinett wurde schließlich der ehemalige Chef der New Yorker Zentralbank, Timothy Geithner, zum neuen Finanzminister berufen, und Obamas erste Wahl in Währungsangelegenheiten war auch schon George W. Bushʼs Finanzexperte: "Wir brauchen Bernanke, um fortzusetzen, was er derzeit tut." Obama pries auch die "Ruhe und Weisheit" sowie die "Kreativität und den Mut" Ben Bernankes, der einmal erklärt haben soll, er würde im Falle einer Deflation einfach Dollarnoten von Hubschraubern abwerfen lassen. Der oberste US-Währungshüter und Chef der Notenbank (Federal Reserve) war am 1. Februar 2006 von George W. Bush als Nachfolger des berühmt-berüchtigten Alan Greenspan in dieses wichtige Amt berufen worden, durch welches er – wie jeder Chef der „Federal Reserve Bank“ – zu einer der mächtigsten Figuren in der internationalen Finanzwelt aufstieg. Obama hatte seine diesbezügliche Entscheidung schon sehr frühzeitig getroffen und Bernanke davon auch vorab unterrichtet – tatsächlich hatte der neue Präsident diesen wichtigen Posten keinem anderen Kandidaten angeboten, obwohl eine zweite Amtszeit Bernankes nicht als sicher galt. Bernankes Kritiker werfen ihm und der Notenbank vor, in ihrer Rolle als Aufseherin über die Bankenwelt komplett versagt und die weltweite Finanzkrise mit heraufbeschworen zu haben. Insbesondere Bernanke habe es zu weit getrieben, als er nicht nur Hunderte Milliarden Dollar in die krisengeschüttelten Finanzmärkte pumpte, sondern auch Mega-Zocker wie den von Insolvenz bedrohten Versicherungsgiganten American International Group (AIG) mit Staatsmitteln rettete. Mittlerweile wird Obama immer öfter vorgeworfen, lediglich ein talentierter Handlanger der Wall-Street-Elite zu sein, die das Land längst für sich vereinnahmt habe. Es scheint fast so, als wäre Lincolns Warnung missachtet worden – dieser hatte einst erklärt: „Die Macht des Geldes beutet eine Nation in Friedenszeiten aus und verschwört sich gegen sie in Kriegszeiten. Sie ist despotischer als eine Monarchie, unverschämter als eine Autokratie und egoistischer als eine Bürokratie. Sie verleumdet all jene als Volksfeinde, die ihre Methoden in Frage stellen und Licht auf ihre Verbrechen werfen. Eine Zeit der Korruption an höchsten Stellen wird folgen und die Geldmacht des Landes wird danach streben, ihre Herrschaft zu verlängern bis der Reichtum in den Händen von Wenigen angehäuft und die Republik vernichtet ist.“ Tatsächlich erleben wir heute die Tendenz, dass sich immer mehr Reichtum in den Händen einiger Weniger anhäuft – und die Allerreichsten sind die Banker. Da alle produzierenden Betriebe (einschließlich großer Teile der Waffen-, der Auto- und der Pharmaindustrie) von ihren jeweiligen Hausbanken abhängig sind, reicht es heutzutage völlig aus, die einflussreichsten Finanzmagnaten hinter sich zu versammeln – die regeln dann schon den Rest. Eine Sache ist allerdings doch immer noch Chefsache: Der Krieg. Obwohl Obama in seinen Wahlkämpfen stets als Friedensengel auftrat, handelt er letztendlich wie jeder andere Präsident der Vereinigten Staaten und ist sich daher für keinen Krieg zu schade. Zudem rekrutierte er in seiner ersten Amtszeit noch eine ganz neue Streitmacht: „Wir können uns nicht alleine auf das Militär verlassen, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten, die wir uns vorstellen. Wir brauchen eine Bürgerwehr für die Staatssicherheit. Diese soll genauso schlagkräftig sein und finanziell gefördert werden, wie unser Militär...“ erklärte Obama seine Entscheidung, nach der fortan alle 18-25jährigen Amerikaner eine 3-monatige Grundausbildung absolvieren müssen und damit einer inländischen paramilitärischen Streitkraft dienen, die direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Ebenso offiziell verlangte Präsident Obama eine stärkere Beteiligung der anderen Nato-Staaten in den Krisengebieten und eine „weltweite Verantwortung der Gemeinschaft für jegliche Krisen“. Dass diese Krisen vor allem von den USA verschuldet sind, fällt dabei unter den Tisch – die restliche Welt soll



die Militäreinsätze der USA einfach nur gehorsam mittragen. Außerdem soll sie gefälligst Verständnis für die empfindlichen Sicherheitsbedürfnisse der Supermacht zeigen – so sprach sich Obama (ganz wie sein Vorgänger) auch für ein „Raketenabwehrschild“ in Osteuropa und Asien aus – ganz so, als wäre noch immer Kalter Krieg. In Wahrheit geht es auch Obama vor allem darum, die geostrategische Dominanz der USA weiter auszubauen. Die angeblichen „Abwehranlagen“ werden nun in Polen, der Tschechischen Republik, der Ukraine, Serbien, Georgien, der Türkei, dem Irak, in Afghanistan und Pakistan gebaut. Dabei hatte Obama doch schon in seinem ersten Wahlkampf versprochen, die US-Truppen „unverzüglich“ aus dem Irak abziehen zu wollen – auf genauere Nachfrage bezüglich der Rahmenbedingungen gestand er eine Frist von 6 Monaten ein. Nach seinem Amtsantritt verkündete er dann, der Abzug würde innerhalb von 16 Monaten erfolgen – ein paar Wochen später wurden daraus 23 Monate. Inzwischen gilt der Rückzug als beendet, da die verbleibenden Truppen ja auch zum Verbleib gedacht waren und gar nicht zurückgezogen werden sollten. Irgendwie logisch. Was nun den Krieg in Afghanistan betrifft, so hatte Obama ja nie einen Hehl daraus gemacht, dass er hier das „Engagement“ der USA „intensivieren“ wolle. Und so schickte er 2009 als frisch gewählter US-Präsident auch gleich 60.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan – schließlich hatte er öffentlich erklärt: „Ich werde nicht zögern, Gewalt anzuwenden, um das amerikanische Volk oder unsere vitalen Interessen zu schützen." Da das amerikanische Volk in Afghanistan sicherlich nicht „beschützt“ werden muss, stehen hier wohl eher die "vitalen Interessen" im Vordergrund. Wer den amerikanischen Interessen im Weg steht und sich ihnen nicht freiwillig unterordnet, wird erst von Wirtschaftsattentätern attackiert, und wenn diese keinen Erfolg haben, wird schließlich das Militär entsandt. Im Fall von Afghanistan war das US-Militär ja bereits vor Ort, als Obama zum ersten Mal gewählt wurde. Um die Entsendung weiterer Truppen zu rechtfertigen, erklärte er: „Wir dürfen nie vergessen, es ist kein Krieg der Wahl, sondern ein Krieg der Notwendigkeit." Auch hier übernahm der neue Präsident die offizielle Lüge des alten, denn wie man inzwischen weiß, hat die USRegierung auch den Krieg in Afghanistan ganz bewusst und mit inoffiziellen Hintergedanken angefangen. Dazu sollte man wissen, dass der US-Konzern „Unocal“ eine Pipeline quer durch das Land bauen will und daher sogar lange Zeit mit den Taliban verhandelte – das war zu der Zeit, als viele Talibanführer noch gern gesehene Gäste der texanischen Ölindustrie waren. Als die Verhandlungen schließlich scheiterten, weil die Taliban die Bedingungen der Amerikaner nicht akzeptieren wollten und mehr Geld für die Verlegung einer Pipeline vom Kaspischen Meer nach Pakistan forderten (und nachdem sie von China und anderen Staaten deutlich bessere Angebote erhielten), wurde ihnen unmissverständlich mit Krieg gedroht. Und der kam schließlich auch – „dank“ dem 11. September 2001 und der Verschwörungstheorie von Bin Laden und seinen 40 Räubern. Dass die afghanischen Taliban eine reale Bedrohung für Amerika darstellen, ist ein eigentlich recht einfach zu durchschauendes Märchen. Nicht so verzwickt, wie das Märchen vom Friedensbringer Obama – denn ihm glauben die Meisten noch immer allzu gerne. Vor allem in Europa. Ich bin wahrlich kein Freund der afghanischen Taliban, aber Fakt ist nun mal, dass sie nichts mit dem 11. September zu tun hatten. Sie haben damals weder Amerika angegriffen noch planen sie heute einen Angriff auf das Territorium der USA. Kein einziger der angeblichen 9/11-Terroristen war Afghane oder Mitglied der afghanischen Taliban – das waren alles Saudis. Und doch setzte Obama die militärische „Außenpolitik“ von Bush vor allem in Afghanistan fort und erklärte das so: „Die, welche uns am 11. September angegriffen haben, planen das wieder.“ Vielleicht meint er damit ja die Leute, die tatsächlich diese Anschläge geplant bzw. ermöglicht haben, und dass ein neuer, großer "Inside Job" geplant wird, der das Volk erneut in die benötigte Kriegsstimmung versetzt. Obama erklärte: „Wenn nicht eingedämmt, dann schafft der Aufstand der Taliban einen noch größeren und sichereren Zufluchtsort für Al-Qaida, von wo aus sie planen, noch mehr Amerikaner zu töten.“ Inzwischen ist ja hinlänglich bekannt, dass es die „Terrororganisation Al-Qaida“ gar nicht in der Art und Weise gibt, wie uns immer erzählt wird. Al-Qaida ist keine weltweit operierende islamische Terrororganisation, sondern eine Erfindung und ein früheres Instrument der CIA, das vom damaligen CIA-Chef und jetzigen Verteidigungsminister Ro-

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bert Gates (beauftragt von Zbigniew Brzezinski, dem damaligen Sicherheitsberater des damaligen Präsidenten Carter), geschaffen wurde. Gates und Brzezinski – zwei von Obamas Favoriten und derzeit aktiv in seiner Regierung. Zumindest diese beiden wissen also ganz genau, wie alles begann. Tatsächlich hatte anfangs die CIA den Großteil der islamischen Kämpfer rekrutiert, nach Afghanistan gebracht und dort in Trainingslagern ausgebildet – auch das ist heute eigentlich kein großes Geheimnis mehr. Die CIA hat Al-Qaida finanziert, mit Waffen ausgestattet und ihre Kämpfer weltweit als Terroristen bzw. „Freiheitskämpfer“ oder „Rebellen“ (vor allem gegen Russland oder China) eingesetzt – so wie sie das auch heute noch macht. Zum Krieg in Afghanistan erklärte Obama in einer seiner Fernsehansprachen an das amerikanische Volk: „Dieser Krieg ist es nicht nur wert ihn zu führen, er ist fundamental wichtig für die Verteidigung unseres Volkes.“ Wie bitte? Fundamental? Amerika führt Krieg in Afghanistan, weil das amerikanische Volk von einem zerlumpten Haufen Turbanträger fundamental gefährdet ist? Obama erklärte weiterhin: „Bei jedem Schritt auf diesem Weg werden wir unsere Anstrengungen überprüfen, um Al-Qaida und ihre extremistischen Alliierten zu besiegen und um dem afghanischen Volk dabei zu helfen, die Zukunft – die es sich wünscht – aufzubauen.“ Welche Zukunft? Die Afghanen wurden doch gar nicht gefragt, was sie wollen – es wird ihnen einfach diktiert. Seit über zehn Jahren führt die NATO nun schon unter Führung der USA einen Krieg in Afghanistan, ohne dass sich die Situation für das afghanische Volk auch nur ansatzweise verbessert hätte. Ganz im Gegenteil: Es herrscht Chaos, Zerstörung, Tod und Elend. Das nimmt auch Obama weiterhin in Kauf – schließlich geht es hier um die Sicherung und Ausbeutung von afghanischen Bodenschätzen sowie um die geostrategische Umzingelung von Russland und China, den einzigen Staaten, die den Hegemonialanspruch der USA noch ernsthaft gefährden könnten. Zum Schluss noch ein Thema, das auch vielfach mit Obama verbunden wird bzw. wurde: Der Umweltschutz. Schon während seines ersten Wahlkampfes hatte Obama einen ökologischen Wandel versprochen, doch was dann folgte, war nur ein weiterer Griff in die Geldbörsen seiner Landsleute, denn Obama führte über hundert neue „marktorientierte“ CO2-Besteuerungen ein. Immerhin reduzierte er die Subventionen (!) für fossile Energien und erklärte (blumig), erneuerbare Energien fördern zu wollen. Den Rest erzählte die Berliner Zeitung auf ihrer Titelseite – die größte Schlagzeile lautet: „Obama enttäuscht Klimaschützer“, darunter steht (etwas kleiner): „US-Präsident kündigt auf UN-Gipfel ‚neue Ära’ im Umweltschutz an, bleibt aber konkrete Zusagen schuldig.“ “ Das bringt es noch einmal auf den Punkt: Obama ist ganz hervorragend in der Kunst blumiger Lippenbekenntnisse – doch leider lässt er seinen Versprechungen nur selten Taten folgen. Dafür tut er Sachen, die man ihm gar nicht zugetraut hätte – ist vielleicht auch das „Phänomen“ Obama nur ein großartig inszenierter Schwindel? Dieser Präsident hatte bisher nur in einem Punkt tatsächlich großen Erfolg: Es ist ihm gelungen, das internationale Ansehen der USA zu verbessern und vielfältige Hoffnungen zu schüren. Hoffnungen, die wohl Hoffnungen bleiben werden, denn Obama wurde von den Massenmedien und ihren mächtigen Hintermännern aus der Wall-Street-Elite ganz bewusst zum Heilsbringer hochstilisiert, um von dem tatsächlichen Zustand unserer Gegenwart abzulenken. Das international operierende Bankenkartell ist dabei, die Ressourcen unseres Planeten ebenso wie seine Menschen gnadenlos auszuplündern – womit sie ja „nur“ dem auch bei uns gepriesenen „obersten Prinzip der Marktwirtschaft“ folgen: Der Maximierung des Gewinns. Und dazu sind alle Mittel recht. Auch ein trojanisches Pferd in Form eines charismatischen Hoffnungsträgers.



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Die Einen glauben, dass silber beschichtete Boxen besser reflektieren und zudem für Wärmebildkameras unsichtbar sind. Die anderen meinen, dass weiß besser reflektiert, weniger Wärmestau im Zelt verursacht, und dass so kleine Boxen in einer Wohnung sowieso nicht von Hubschraubern entdeckt werden. In Jorge Cervantesʼ „Growbibel" konnte man bereits 1996 nachlesen, dass es kaum etwas gibt, das besser reflektiert, als alpinweiße Wandfarbe. Lediglich silber bedampftes Mylar weist laut Cervantes bessere Eigenschaften auf. Aber diese Folie ist extrem teuer und hat nichts mit dem zu tun, was in silber beschichteten Growboxen verwendet wird: Echte Mylarfolie ist eigentlich transparent. Mylar ist eine sehr dünne, reißfeste Folie mit vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten, und eigentlich ein Markenname wie „Tempo“. Die silbernen Folien für den Grow-Bereich sind meist aus Mylar-ähnlichen Materialien, die mit silberner Farbe bedampft werden. Um jedoch so gut wie unter Laborbedingungen zu reflektieren, dürfen diese Folien weder geknickt noch gefaltet werden. Deshalb sind sie für den Einsatz in Homeboxen kaum geeignet. Gute Growshops führen hoch reflektierende, silberne Folien mit den unterschiedlichsten Oberflächenstrukturen, die ebenso Einfluss auf die Reflexionseigenschaften haben. So gibt es Folien mit pyramidenartigen oder perlenförmigen Auswölbungen, die die Oberfläche vergrößern sollen, oder die Stukko-Variante, die unempfindlich gegen Spritzwasser sein soll. Gute Fachverkäufer knicken sie jedoch nicht beim Verkauf oder beim Versand, weil so die empfindliche Oberfläche ihre Reflexionseigenschaften einbüßt. Fest steht, dass diese hochpreisigen Folien nicht das sind, was in silber beschichteten Boxen verklebt wird. Der Preis ist ungefähr fünf- bis zehnmal so hoch wie der der oft genutzten Schwarz-Weiß-Folie, die laut Jorge Cervantes einen Reflexionsgrad von immerhin 92% aufweist. Hochwertige Folie mit silberner Spezialbeschichtung bringt es laut „Marihuana Indoor“ auf 94%, vorausgesetzt, sie ist völlig plan verlegt, frei von Knicken und, ganz wichtig, von Wasserspritzern oder anderen Verschmutzungen. Denn leider hat sich in der Praxis gezeigt, dass besonders der Einsatz von Sprühflaschen, der beim Indoor-Anbau unumgänglich ist, hässliche Kalkränder und -flecken hinterlässt, die die Reflexionseigenschaften negativ beeinflussen. Ob sie nun um eine Winzigkeit besser reflektieren als weiß oder nicht, müsste in einem unabhängigen Test, den es leider bisher in „unserem" Segment nicht gibt, gesondert ermittelt werden. So, wie es Mr. Jose für die Zelte getan hat.

Ein unabhängiger Test von „Jak Pestovat Indoor“ In Tschechien gibt es ein Growbuch, das leider noch nicht in Deutsch oder Englisch verfügbar ist: „Jak pestovat indoor“ von Mr. Jose widmet dem Thema der Innenbeschichtung von Growzelten ein ganzes Kapitel und dokumentiert dabei auch einen Testlauf, bei dem die Lichtverteilung sowie die Hitzeverteilung in einer weiß und einer silber beschichteten Box genau gemessen und miteinander verglichen werden. Der Autor ist dabei im Prinzip zum gleichen Ergebnis wie Jorge Cervantes gekommen. Als das Cervantes-Buch Mitte der 1990er Jahre auf den Markt kam, wurde die Lichtleistung in Lumen angegeben, wobei auch für Pflanzen nicht „sichtbare“ (verwertbare) Lichtfarben eine Rolle bei der Ermittlung des Werts spielten. Seit ein paar Jahren besteht die Möglichkeit, Messungen in PAR/Watt durchzuführen. Diese Methode bezieht sich auf das von Pflanzen verwertbare Licht, nicht auf die gesamte Lichtleistung. PAR heißt photosynthetisch aktive Strahlung. Misst man den PAR-Wert, so wie auch Mr. Jose es in seinem Buch getan hat, schneidet weiß immer am besten ab (siehe Grafik). Auch die Wärmeentwicklung innerhalb der Zelte spricht eindeutig für weiß, was besonders für Indoorfreunde in warmen Regionen oder für Dachböden- und -schrägen-Grower interessant ist. Zwar haben silberne Zelte eine geringere Wärmesignatur, dafür heizen sie sich innen schneller auf, weil die Wärme kaum nach außen abstrahlt. Ich habe bislang von noch keiner Box für den Eigenbedarf gelesen, die aufgrund von Wärmebildkameras enttarnt wurde, egal ob silber oder weiß. Eastside-Impex aus Berlin, die einst die „Zeltkultur“ erfanden, haben sich aufgrund der Testergebnisse jetzt sogar entschlossen, die Produktion ihrer Homebox „Silver Line", die seit einiger Zeit im Programm war, einzustellen und nur noch weiß beschichtete Zelte zu produzieren. Das klingt nicht gerade nach einem PR-Gag, zudem die Berliner Firma in Growerkreisen für die schnelle Umsetzung von möglichen Verbesserungen ihrer Produkte bekannt ist. Mehr zum Thema: www.pestovat.cz

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Reservoir Seeds wurde in den späten 80er Jahren von „Rez“ gegründet. Einige seiner Grundgenetiken stammen von einer der wichtigsten und allerersten Samenbanken im Seedbusiness ab – dem „SSSC“ oder auch „Super Sativa Seed Club“, den Nevil Schoemaker gründete. Reservoir Seeds hat die Philosophie, nur eine bestimmte Stückzahl an Samen zu produzieren; dafür sollen die Strains aber auch von allerhöchster Qualität sein. Samen kann man nur über Seedbay, die Seedboutique oder über andere kanadische Shops beziehen, man sollte sich aber schon mal auf deftige Preise einstellen. Vom „SSSC“ stammt auch die „Williams Wonder“. Diese Indica übernahm den Part des ersten Elternteils der Wonder Diesel. Um die Grundgenetik der Sour Diesel, die den zweiten Elternteil der WD übernommen hat, ranken sich viele Geschichten. Wahrscheinlich ist die Sour Diesel eine Original Diesel x DNL Kreuzung, welche vor allem durch die runden, aufgequollenen Blütenkelche und eine Menge Harz auffällt. Die Wonder Diesel ist ein F1-Hybrid, der aufgrund seiner Genetik einige Phänotypen ausbilden kann. Trotzdem versprechen die beiden Elternteile viel Harz und eine ganze Menge THC. Ob es denn wirklich so ist, werden wir spätestens am Ende des Durchganges wissen. Für diesen Grow standen mir fünf reguläre Samen zur Verfügung, die auch innerhalb der nächsten zwei Tage keimten. Nachdem die ersten Keimlinge das Licht der Welt erblickt hatten, wurden sie mit einer 400 W NDL im Abstand von 80 cm beleuchtet. Für die Pflanzen gab es keine Wachstumsphase. Von Anfang an wurde bei diesem Grow mit einer 12/12 Stunden Photoperiode gearbeitet. Die Wonder Diesel ist zwar eine etwa 50/50-Mischung aus Indica und Sativa, verfügt aber über eine enorme Streckung. Alle Pflanzen sollten am Ende des Grows zwischen 80 und 132 cm hoch sein. Als Medium wurde Composana Erde eingesetzt. In den ersten Tagen kamen die vier Pflanzen sehr gut voran, nur ein Keimling hinkte deutlich hinterher und wies auch einige Verkrüppelungen an den Blättern auf. Da in der Box sowieso schon wenig Platz zur Verfügung stand, wurde diese eine Wonder Diesel gleich entfernt. Es blieben mir also noch vier Pflanzen übrig, die sich glücklicherweise als weiblich outeten. Die weitere Blütenbildung ließ dann eine ganze Weile auf sich warten. Das Hauptaugenmerk lag ganz klar auf dem Wachstum. Die vier Wonder-Diesel-Damen schossen täglich mehrere Zentimeter in die Höhe. Wenn man gleich mit 12/12 Stunden Licht arbeitet, sollte man Einiges beachten: Es wird immer länger dauern, bis die ersten Griffel gebildet werden, das ist eine Art eingebauter Frühblüherschutz bei sehr jungen Pflanzen. Erst ab einer gewissen Größe oder einer bestimmten Anzahl an Nodien ist es möglich, dass Pflanzen in die Blüte gehen. Durch die spätere Blüteninduktion werden die Pflanzen auch länger zum Ausreifen benötigen, somit spart man am Ende keine Zeit ein. Im Gegenteil, die Endhöhe wird deutlich unter dem liegen, was man mit einer kurzen Wachstumsphase erreicht hätte. Außerdem ist es ein Unterschied, ob Stecklinge oder Samen zur Verfügung stehen. Seedplants strecken sich immer mehr als Stecklinge und wachsen teilweise auch deutlich schneller. Andererseits gehen Stecklinge aufgrund ihres wirklichen Alters schneller vom Wachstum in die Blütephase. Mittlerweile waren die Wonder Diesel 40 cm hoch. Sie produzierten die ersten Blütenansätze und das erste Harz, unterschieden sich untereinander aber deutlich in mehreren Eigenschaften. Während zwei Wonder Diesel große Nodienabstände, lange Triebe und feine, filigrane Blätter hatten, wuchsen die beiden anderen deutlich kompakter. Die Nodien lagen viel näher zusammen, die

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Triebe waren bei Weitem nicht so lang und auch die Blätter hatten eine eher Indica-dominante Form, die der Wonder Williams durchaus ähnelten. Eine große Anzahl an Phänotypen bedeutet meist, dass die Grund- oder Elterngenetiken für sich schon aus mehreren Sorten bestehen, was bei diesem Strain ja auch der Fall ist. Die beiden Sativa Phänos streckten sich mit der Zeit immer weiter, bildeten aber in dieser Phase weit weniger Blütenmasse. Ganz anders die beiden Indica Phänotypen. Ihre Endhöhe von 80-90 cm hatten sie schon erreicht, die beiden weiblichen Pflanzen konnten sich nun voll und ganz auf die Blütenbildung konzentrieren. Die Blütenstruktur war bei diesen beiden Indica-Typen aber nochmals verschieden. Eine Pflanze hatte kompakte, mit einer dicken Schicht Harz überzogene Blüten, während der zweite Indica-Typ etwas lockerere und luftigere Blüten aufwies. Das Aroma und der Geruch wurden immer stärker, aber auch hier zeigten sich schnell die ersten Unterschiede, die sich durch den gesamten Grow ziehen sollten. Fruchtig/blumig und Diesel-typisch säuerlich/kräftig, so könnte man die beiden groben Richtungen beschreiben, in die das Aroma ging. Die Bildung der Blütenstände ging munter weiter, auch die beiden Sativa Phänos legten jetzt einen Zahn zu und produzierten viele neue Blütenkelche. Beide Pflanzen waren mittlerweile bei 120 cm und 132 cm angekommen. Bei den beiden schnelleren Indica Phänos begannen sich die Griffel nach ungefähr 60 Tagen Blütezeit bräunlich zu färben. Die Blütenkelche wurden nochmals größer und ähnelten in der Form immer mehr der Sour Diesel. Auch der Geruch ging klar in Richtung Diesel. Ein intensiv saures, ja fast schon aufdringliches Aroma konnte man bei den beiden Wonder-DieselDamen wahrnehmen. Für sie gab es jetzt nur noch pH-reguliertes Wasser und etwas „Final Phase“ von Advanced Nutrients. Bei den zwei Sativa Phänos ging es nun auch deutlich dem Ende entgegen. Die Buds waren für die relativ kleinen Töpfe, die ich im Grow benutzte, recht groß. Auch die seitlichen Blüten hatten eine stattliche Größe erreicht, wirkten aber eher luftig und etwas fluffig, eben typisch Sativa. Auch hier wurde nur noch mit „Final Phase“ und pH-reguliertem Wasser gearbeitet – es sollte ja nur noch wenige Tage bis zur kompletten Reife dauern. Zwei andere wurden indes schon geerntet: 72 Tage nach dem Keimen waren die Indica-dominanten Wonder Diesel reif. Nach weiteren 15 Tagen konnten auch die beiden letzten Pflanzen geerntet werden. Trotz der vielen Unterschiede zeigten alle vier sehr gute Eigenschaften. Eine Menge Harz, einen leckeren Geruch und einen sehr guten Ertrag. Eine gute Mutter kann man auf jeden Fall nach seinen Wünschen selektieren, wobei den Growern, die eher homogene Pflanzen bevorzugen, die Anzahl der Phänotypen wohl klar zu hoch sein dürfte. Vor allem die Differenz in der Blütezeit von etwas über zwei Wochen ist doch sehr viel. Die Blüten wurden gleich nach der Ernte manikürt und im Trocknungsnetz verteilt. Nach zehn Tagen konnte man die erste Rauchprobe nehmen. Gleich war ein intensiver Diesel Geruch wahrnehmbar, der nun auch die beiden Sativa Phänos dominierte, nur auf eine etwas mildere Art und Weise. Die Wirkung ist sehr kräftig und stark. Ich war aufgrund der Potenz wirklich überrascht. Dass ich ein Tütchen nicht zu Ende rauche, passiert nicht so oft, doch bei der Wonder Diesel war dies der Fall. Der Ertrag lag bei durchschnittlichen 32 g pro Pflanze. Natürlich wäre mit größeren Töpfen mehr drin gewesen, aber 32 g im Schnitt bei kleinen 5-L-Schuhen ist für diesen Strain richtig gut. Hier kommen die Eigenschaften beider Eltern zum Tragen, die jeweils für sich schon wahre Ertragsmonster sind. Was steht einem Wonder Diesel Grow nun im Weg? Neben der nach wie vor bestehenden Gesetzeslage in den meisten Ländern noch so einiges. Die schlechte Verfügbarkeit und die geringe Anzahl an Samen treiben den Preis und die Nachfrage natürlich nach oben. Auch die weite Reise der Samen von England oder Kanada macht die Sache nicht gerade einfacher und risikoärmer, aber vielleicht hat der ein oder andere Grower die Möglichkeit, an Stecklinge ranzukommen. Ich bin mir sicher, wer auf die Original Diesel oder die Sour Diesel steht, der wird die Wonder Diesel lieben. Für mich persönlich ist das Aroma zu intensiv und aufdringlich, fast schon penetrant, aber die Qualität stimmt auf jeden Fall, und Geschmack und Geruch sind bekanntlich Geschmackssache.

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Zuletzt scheiterte ein solches Legalisierungsvorhaben vor zwei Jahren in Kalifornien, wenngleich mit 46% vs. 54% nur recht knapp; davor hatte es bereits 2004 in Alaska nicht geklappt (wo man von 1975-1990 immerhin stolze 112 Gramm Cannabis im eigenen Zuhause legal besitzen durfte). Doch nun war die Zeit endlich reif für eine historische Zäsur, die Wähler in Washington und Colorado sollten Geschichte schreiben und stimmten mit Mehrheiten von 56% bzw. 54% für die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel. Ein Paukenschlag, der für große weltweite Aufmerksamkeit sorgte und dessen Nachbeben womöglich nicht nur in den USA einige Bewegung in die verkrustete Verbotspolitik bringen wird. Genaugenommen handelt es sich jedoch um eine Re-Legalisierung, denn vor dem Inkrafttreten des „Marijuana Tax Act” von 1937, dem Verbot der Hanfpflanze in den USA, war Cannabis in den USA gänzlich legal gewesen. Zwar müssen die beiden Legalisierungsmodelle im nächsten Jahr administrativ zunächst noch konkret ausgestaltet werden (Grundsatzentscheidung: Staatlicher Anbau oder in Lizenz durch private Unternehmen? Besteuerung, Verkaufsstellen, Abgabemengen, Jugendschutz etc.), einige Eckdaten sind allerdings jetzt schon bekannt: In Colorado dürfen Erwachsene ab 21 Jahren künftig legal eine Menge von bis zu ca. 28 Gramm Cannabis ihr Eigen nennen oder im Besitz von bis zu sechs Cannabispflanzen sein, der Eigenanbau in moderaten Mengen wird dort also ebenfalls legalisiert. Wobei sich hier natürlich die Frage stellt, wie ein Grower die Legalität wahren will, wenn die Erntezeit seiner Pflanzen gekommen ist und ihn im Regelfall zwangsläufig in den Besitz von deutlich mehr als 28 Gramm Cannabis bringt. Auch in Washington wird der Besitz von bis zu 28 Gramm legal, Homegrowing ist hier aber nur zu medizinischen Zwecken erlaubt. Wenn man genauer hinschaut, erkennt man also, dass die beiden Legalisierungskonzepte nicht allumfassend sind, sondern sich auf gewisse Mengen und Tatbestände beschränken, also eher eine Teillegalisierung darstellen. Cannabis wird der anderen großen Volksdroge Alkohol nicht auf allen Ebenen gleichgestellt, zieht aber im wichtigsten Punkt gleich mit seinem flüssigen Kollegen: Erwachsene können die Droge in Zukunft vollkommen legal in staatlich zugelassenen Shops erwerben, einfach so, als Genussmittel. Genau darin besteht der riesige gesellschaftliche und juristische Fortschritt, dem die Wähler in Washington und Colorado den Weg bereitet haben. Man kann es auch als möglicherweise entscheidenden Dammbruch im zähen Wall der globalen Prohibition sehen: Das Verbotsbollwerk war durch die medizinische Legalisierung in 17 US-Bundesstaaten sowie Liberalisierungen in vielen europäischen Ländern, aber auch Südamerika, bereits rissig und stellenweise durchlässig geworden. Nun hat die Legalisierung in Washington und Colorado neue, noch größere Breschen in die Prohibitionsmauer geschlagen, durch die sich die Flutwasser der Legalisierung energisch ins Innere ergießen und nach und nach zu einem reißenden Mahlstrom entwickeln, der schließlich die gesamte Prohibition niederreißt und in den Gully der Geschichte spült, vielleicht schon innerhalb der nächsten Jahre. Ein Vorbote dieser Bewegung war z. B. die Ankündigung der Regierung von Uruguay im Juni, Cannabis als Genussmittel zu legalisieren und über staatliche Einrichtungen verkaufen zu wollen. Zwar sprachen sich die Wähler in Oregon zu 55% gegen eine Cannabislegalisierung in ihrem Bundesstaat aus, Arkansas lehnte – gegen den US-Landestrend – sogar eine Legalisierung von Cannabis als Medizin ab, und Montana winkte eine restriktivere Gesetzgebung bei medizinischem Cannabis durch. In Massachusetts aber wurde die Legalisierung von Cannabis als Medizin mit einer überwältigenden Mehrheit von 63% angenommen, Massachusetts avancierte somit zum 18. US-Bundesstaat, in dem Cannabis als Medizin legal ist, sowie unter bestimmten Bedingungen auch die dazu nötigen Handlungen – ärztliche Verschreibung, Anbau und Vertrieb bzw. Verkauf. Auch das ist eben nach wie vor Amerika: Ein bunter Flickenteppich aus 50 Bundesstaaten, die ihre eigenen politischen und weltanschaulichen Neigungen haben und dies bei Wahlen auch zum Ausdruck bringen. Was nach den jüngsten Wahlen allerdings bleibt und auch die Berichterstattung in den Medien nachhaltig befeuern wird, ist der mächtige Schub der historischen Legalisierungen in Washington und Colorado. Die Amerikaner sind übrigens laut einer Umfrage von Ende Oktober zu 59% für eine US-weite Legalisierung von Cannabis, und dieser Wert dürfte sich nach Washington und Colorado sogar noch deutlich erhöht haben. An der Medizinalhanf-Front geht es ohnehin gut voran, der Konsens über die Legitimität und Legalität von Cannabis als Medizin wird immer breiter, nicht nur in den USA, sondern auch in etlichen

anderen Staaten dieser Welt. Zu dieser dynamischen Speerspitze im Kampf gegen die Mauern der Prohibition gesellen sich nun die sensationellen Legalisierungen in den beiden US-Bundesstaaten – die Front wird breiter, vielfältiger und schlagkräftiger. Denn die Legalisierungsbefürworter führen sehr überzeugende Argumente ins Feld, die auch für Nicht-Konsumenten oder -Patienten gut nachvollziehbar sind: Justiz und Polizei werden personell und finanziell extrem entlastet. Die Zahlen sind dramatisch: 2009 saßen über 800.000 Personen wegen Cannabis in US-Gefängnissen ein (bei einer Gesamthäftlingszahl von ca. 2,3 Millionen, das entspricht mehr als einem Drittel!), allein im Jahre 2011 gab es ca. 750.000 Festnahmen wegen Cannabis (oftmals nur wegen Besitzes), und Kalifornien gibt mehr Geld für Gefängnisse als den Bildungssektor aus; fast in ganz Amerika sind die Gefängnisse chronisch überfüllt. Mit den neu erschlossenen Steuereinnahmen sollen Maßnahmen im Bildungs- und Gesundheitsbereich gefördert werden, die Legalisierung von Cannabis könnte also Bestandteil einer modernen Sozialpolitik in den USA werden. In Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise historischen Ausmaßes nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, sowie hoher Arbeitslosigkeit, sind neue Steuerquellen und Arbeitsplätze natürlich stets Argumente mit gewisser Anziehungskraft. Doch ein Unsicherheitsfaktor bleibt auch in Washington und Colorado nach der Wahl bestehen: Laut US-Bundesgesetz, dem Federal Law, ist Cannabis nach wie vor illegal, die beiden Bundesstaaten werden sich also im Konflikt mit dem Bundesrecht und somit der US-Regierung befinden. Bisher hat sich Obama oder das US-Justizministerium noch nicht dazu geäußert, ob und wie stark die Regierung in den beiden „rebellischen“ Bundesstaaten intervenieren und möglicherweise gegen Anbau und Verkauf vorgehen will. Aber kein Hanffreund in den Staaten hat vergessen, dass Obama vor seiner ersten Wahl zum Präsidenten versprochen hatte, die Gesetze in Bundesstaaten mit legalem Zugang zu Cannabis als Medizin respektieren zu wollen und die staatliche Verfolgungspolitik der Bush-Vorgängerregierung zu beenden, dieses Versprechen aber nicht hielt. Bis heute werden in diesen Bundesstaaten Medizinalhanf-Grower oder Cannabis-Apotheken immer wieder von der Bundespolizei oder der DEA heimgesucht, „gebustet“, verhaftet, angeklagt. Dennoch gibt es Hoffnung: Die USA sind in der Geschichte immer weltweiter Vorreiter in Sachen Drogenpolitik gewesen, nun könnte es wieder so sein. Einst sorgten sie für das globale Verbot der gesamten Cannabispflanze (ganz besonders in Person des legendären Anti-Drogenzars Harry Anslinger), nun könnten sie als Wegbereiter für eine weltweite Re-Legalisierung fungieren – ein Kreis würde sich schließen. Es ist die historische Chance für Amerika, den Fehler des unsinnigen und ungerechten Cannabisverbots, das Staaten, Gesellschaften und Menschen auf dieser Welt nichts als Schaden und Kosten bereitet und Abermillionen von ansonsten oftmals unbescholtenen Bürgern mit Leid überzogen hat, nach einem Dreivierteljahrhundert zu korrigieren. Aber es geht auch darum, die Grenzen zwischen bundesstaatlicher und US-staatlicher Gewalt zu definieren, und womöglich wird es Obama in seiner zweiten Amtszeit leichter fallen, einzelne Bundesstaaten ungestört eine Legalisierung erproben zu lassen, weil er es als politisch opportun ansieht. Zudem kann er nun nicht mehr wiedergewählt werden; er hat von den Wählern nichts mehr zu befürchten. Vielleicht traut er sich darüber hinaus sogar selbst an das Thema Cannabislegalisierung heran und setzt es auf die Agenda der US-Regierung. Kann sich die bröckelnde Weltmacht dazu aufschwingen, kann der amerikanische Präsident soviel Vernunft und Mut aufbringen? Hey Obama: Yes, you can! Denn wie sagte er nach seiner Wiederwahl so schön: „The best is yet to come...“



Im Besitz dieser Sammlung ist die Niederländische Firma „HortaPharm“, ein Unternehmen, das schon einige britische Medizinalhanfsorten entwickelt hat. Initiatoren waren unter anderem David Watson und Robert Connell Clarke, der vielen als Autor diverser Hanfbücher bekannt sein dürfte. Es gibt aber auch einige Samenbanken, die sich der Erhaltung spezieller Landrassen verschrieben haben. Blue Hemp Seeds war ein solcher Anbieter, der aufgrund der gesetzlichen Lage in der Schweiz die Produktion von Hanfsamen einstellen musste. Blue Hemp wurde 1996 in der Schweiz gegründet, man spezialisierte sich von Beginn an auf die Entwicklung von potenten und schnell reifenden Outdoor Sorten, die gerade in unseren Breitengraden pünktlich ausblühen. Hier fand man neben den ursprünglichen Landrassen wie der bekannten Lebanese oder Nepali auch sehr gute Kreuzungen mit einheimischen Genetiken wie der Erdbeerli. Eine der letzten Sorten, die Blue Hemp Seeds und Breeder „El Malo“ veröffentlichte, war die Thaifun Horizon, die ihren Ursprung in der Region um Koh-Samui hat und eine für eine Thai recht ungewöhnlich kurze Blütezeit haben soll. Kaufberechtigte Personen bezahlten vor drei Jahren für ein Fünferpack regulärer Samen 22 Euro – ein sehr guter Preis für eine Thai Landrasse. Ich hatte noch ein paar Samen übrig und entschied mich, die Thaifun Horizon ein weiteres Mal anzupflanzen. Fünf Seeds wurden in kleine Steinwollwürfel gesetzt. Nach drei Tagen hatten alle fünf das Licht der Welt erblickt. Die Sämlinge kamen in 3,5-L-Töpfe, die mit altbewährter Composana Erde gefüllt waren. Das künstliche Licht kam von einer 400 W NDL, die in den ersten Tagen mit einem ausreichend großen Abstand über den kleinen Keimlingen hing, um Verbrennungen und ein Austrocknen zu vermeiden. Die Thai Setzlinge fühlten sich sichtlich wohl und wuchsen dementsprechend schnell heran. So konnte ich nach zehn Tagen Wachstumszeit die Blüte einleiten. Die Pflanzen waren zu diesem Zeitpunkt zwar sehr vital, sahen aber nicht unbedingt Sativa-like aus – die Kleinen erinnerten mit ihrem kompakten Aussehen mehr an eine Indica/Sativa Kreuzung. Am 12. Blütetag outeten sich die ersten beiden Männchen, die auch gleich aus der Box entfernt wurden. Nach weiteren fünf Tagen zeigten dann auch die letzten drei Thaifun ihr Geschlecht, glücklicherweise waren sie alle weiblich. Die 3,5 L Töpfe waren den Pflanzen mittlerweile deutlich zu eng geworden, und so bekamen sie jeweils einen größeren 11L-Topf verpasst. In der dritten Blütewoche begann die Streckung, und so legten die Pflanzen jeden Tag einige Zentimeter an Höhe zu. Die Sativa Gene waren jetzt deutlich sichtbar und dominierten Wuchs und Erscheinungsbild unverkennbar. Wo vorher noch kleine und breite Blätter waren, befanden sich jetzt feine, langgezogene Sonnensegel mit extrem dünnen Blattfingern. Die Pflanzen verzweigten immer mehr und bildeten langsam die ersten kleinen Blütenansätze. Doch das Wachstum stand nach wie vor deutlich im Vordergrund und sollte auch noch bis zur sechsten Blütewoche andauern.

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Beim Anbau in Hydro-Systemen kann man gleich mit einer Photoperiode von 12/12 Stunden beginnen, da diese Thai sehr lange und vor allem sehr stark wächst. Mittlerweile war der 35. Blütetag erreicht, die Pflanzen waren durchschnittlich 130 cm hoch, hatten aber bisher nur wenig Blütenmasse und Harz ausgebildet. Nur langsam stellten sie ihr Wachstum ein und begannen mit der Blüten- und der Harzbildung. So langsam wie die Blüte begonnen hatte, so schnell sah man jetzt die Fortschritte an den Pflanzen. Der Geruch verstärkte sich in den nächsten Tagen gewaltig, ein erdiges, fast muffiges Aroma machte sich im gesamten Growraum bemerkbar. Die Blüten hatten eine überraschend feste Struktur und waren mit einer guten Schicht Harz überzogen, die sich ausschließlich auf den Blüten und nicht auf den anliegenden Blütenblättern befand. Alle drei Thaifun wuchsen ziemlich homogen und zeigten nur ganz vereinzelte Unterschiede, die sich aber nur auf das Wachstumsmodell beschränkten. Die Endhöhe der Pflanzen lag zwischen 130 und 155 cm, bei einer VegiZeit von nur zehn Tagen eine enorme Streckung, was bei den thailändischen Sorten aber nicht unbedingt so selten ist. Ab und an wurde auf männliche Pollensäcke kontrolliert, da bei diesen doch recht empfindlichen Genetiken Zwitter häufiger vorkommen können als bei anderen, stabileren Genetiken. Die bisher recht unkomplizierte Thai zeigte nun zunehmend die ersten Nährstoffmängel an. Durch das lange Wachstum ist der Bedarf an Stickstoff natürlich größer, und so bekamen die Damen die erste kleine Stärkung in Form von Advanced Hydroponics Dünger, wobei hier jedoch auf eine Stickstoffgabe verzichtet wurde. Die ersten braunen Griffel an den unteren Buds waren am 55. Blütetag sichtbar. Ab diesem Zeitpunkt gab es keine weiteren Nährstoffe oder Zusätze, es wurde nur noch mit pH-reguliertem Leitungswasser gegossen. Die Blütenmasse war echt beeindruckend, weiß man doch, dass gerade reine Landrassen im Indoorbereich oftmals nicht die Ertragswunder sind – diese Genetiken kommen unter natürlichen Bedingungen viel besser zurecht und werfen auch dementsprechend mehr ab. Diese Regel gilt aber scheinbar nicht für die Thaifun Horizon. Die Pflanzen produzierten an jedem einzelnen Trieb schöne große Blüten, die mit einer ansehnlichen Harzschicht überzogen waren. Während im unteren Teil der Pflanze die Griffel schon zur Hälfte braun waren, konnte man an den oberen Buds noch keine Färbung der Blütenstände erkennen. Im Gegenteil, die Griffelproduktion war noch längst nicht abgeschlossen, und so entstanden in den folgenden Tagen noch jede Menge neuer Blütenkelche. Geerntet wurde dann schließlich in der zwölften Blütewoche, genauer gesagt am 80. Blütetag. Man hätte den Pflanzen durchaus noch einige Tage mehr geben können, aber ich wollte bei dieser Thai ein wirklich klares UpHigh haben, und außerdem standen schon die nächsten Landrassen bereit. Nur dieses Mal stammen die Samen direkt aus Ghana und aus der Türkei. Ich werde in einer der nächsten Ausgaben vielleicht über die Selektion dieser zwei Landrassen berichten. Das klare Up-High, was ich mir von der etwas früheren Ernte erhofft hatte, bekam ich auch. Der Turn der inzwischen getrockneten Buds war sehr stark und aktivierend zugleich, ein wirkliches Up-High, wie man es nur von einer Thai kennt. Die Buds waren im getrockneten Zustand etwas luftiger, aber trotzdem noch erstaunlich kompakt. Das Aroma würde ich als erdig/würzig, teilweise sogar muffig, aber dennoch als angenehm beschreiben, eben typisch Thai Sativa. Beim Ertrag glänzten alle drei Thai Pflanzen, sie brachten pro Pflanze fast 50 g trocken auf die Waage, ein wirklich sehr gutes und auch ein wenig überraschendes Ergebnis. Die Blütezeit von 12-13 Wochen ist für eine Thai Landrasse absolut in Ordnung, für den Outdooranbau in unseren Breiten aber völlig ungeeignet, da diese Sorte bis in den Oktober/November blühen kann. Grower aus dem Tessin oder Spanien werden dagegen auch Outdoor gute Erfolge erzielen können. Diese Sorte würde ich jedem Thai Liebhaber ans Herz legen, nur bezweifle ich stark, dass es noch Reseller gibt, die alte Blue Hemp Samen besitzen. Trotzdem ist und bleibt die Thaifun Horizon eine gute Thai Genetik, die sich sicher nicht verstecken muss, gerade was die Wirkung und das Aroma angeht. Eben eine echte Old School Thai.

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Spannend wurde es wie immer, wenn man als eingefleischter GrowingRedakteur nach Neuheiten Ausschau hält. Wenn man nicht ständig davon abgehalten wird, um das Wiedersehen mit alten Freunden der illegalisierten Pflanze zu feiern… Denn Hanf und somit Anlass zum Feiern gab es zur Genüge – in Österreich ist der Anbau und Handel mit nicht blühenden Hanfpflanzen, also Stecklingen und Mutterpflanzen, immerhin legal. Auch Samen dürfen selbstredend ausgestellt und verkauft werden, und so trafen sich in Wien alle namhaften Samenbanken, die nicht blühende Exemplare ihrer Strains dank der Hanfbauern von Flowery Fields direkt am Stand präsentieren konnten. Zurzeit erfreuen sich feminisierte Automatic-Strains großer Beliebtheit; reguläre Samen findet man leider kaum noch. Sind es keine „Automatics“, dann sind fast alle Samen wenigstens feminisiert. Ob das die Zukunft des Hanfanbaus sein kann, ist in meinen Augen mehr als fraglich. Doch auch Grower können dazu beitragen, die Sortenvielfalt zu erhalten und die Eigenschaften zu verbessern, indem sie jene unterstützen, die weiterhin reguläres Saatgut verkaufen und sich ihre eigenen Muttis selektieren. Irgendwann habe ich dann noch eine im wahrsten Sinne des Wortes „coole" Neuheit entdeckt, auf die ich schon lange gewartet habe. Der Hortiline Northstar-Reflektor vermeidet aufgrund seiner Bauart jedweden Hotspot und leuchtet eine quadratische Fläche absolut gleichmäßig aus, obwohl Hochdruck-Dampflampen eigentlich für rechteckige Flächen optimiert sind. Er vermag die Temperatur im empfindlichen Bereich über den Pflanzenspitzen aufgrund seines Schornsteineffekts um über 10 Grad zu senken. Da hat wirklich mal jemand mitgedacht. Roor, G-Spot, Zenit und die Newcomer von Pure waren für alle Freunde der Glas-Rauchkultur vor Ort und präsentierten ihre besten und schönsten Stücke Glaskunst. Bei einem kurzen Besuch im frisch umgebauten und nun mit GavitaPlasma-Armaturen ausgestatteten Gewächshaus von Flowery Fields war auch ich von dieser Neuentwicklung beeindruckt, die auf der Messe nebenan an einigen Ständen ausgestellt wurde. Die Tischreihe mit den neuen 300 Watt Plasma-Armaturen lieferte weitaus bessere Ergebnisse als die Reihe, über der herkömmliche Hochdrucklampen für die vegetative Phase hingen. Die neuen Armaturen sind zurzeit allerdings noch nicht mit Blütespektrum verfügbar. Am zweiten Tag der Messe waren die Gänge der Pyramide dann so belebt, dass ein Vorankommen zum Geduldspiel wurde, und so zog ich es vor, mir im Chill-Out-Zelt eine Basis zu suchen und mit den zahlreich angereisten Growern zu fachsimpeln und die verschiedenen Grassorten der Bundeshauptstadt durchzutesten. Gegen Abend kämpfte ich mich dann nochmal zum Stand von „verdampftnochmal.de“ vor, der drei Tage lang durchgängig umlagert war, konnte man doch dort die Hanf-Verdampfer mit Salbei, Minze oder mit selbst mitgebrachten Kräutern in Ruhe testen. Ich persönlich habe Gefallen am neuen DaVinci Vaporizer aus Las Vegas gefunden, kann man mit diesem Kleinod doch besonders unauffällig und effektiv und zudem gradgenau vaporisieren.

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Die anschließende Party ist leider nicht besonders erwähnenswert, lediglich Freunde des stumpfen Techno-Hammer kamen auf ihre Kosten – ohne eine Rückzugsecke für Gespräche oder für die, die am nächsten Tag nicht mit Ohrenweh aufwachen wollten. Auch der Kongress ist mittlerweile zu einer Institution geworden, denn hier treffen sich die bekanntesten Köpfe der österreichischen Mediziner, Experten und Patienten zum Thema „Cannabis als Medizin“, wobei in diesem Jahr die Information über die zahlreichen noch unerforschten, natürlichen und synthetischen Cannabinoide im Vordergrund stand. Die Culitiva 2012 war ob der ausgelassenen Stimmung, der interessanten Neuheiten und der vielen neuen Kontakte auf jeden Fall eine Reise wert und wird es auch im kommenden Jahr sein. Wir sehen uns vom 18.20.10.2013 sicher wieder. Mehr zur Cultiva gibt es unter: www.cultiva.at

Ganz groß - Das Cannafest Prag hat sich ganz heimlich zu einem der hanfigsten Hotspots weltweit entwickelt, sind doch der Besitz kleinerer Mengen für den Eigenbedarf sowie der Konsum von Cannabis dort wirklich entkriminalisiert. Das ist nicht nur für Hanfliebende prima, auch Grow- und Headshopbetreibende, Samenbanken und die gesamte legale Branche, die sich rund um die verbotene Pflanze entwickelt hat, profitiert von der liberalen Einstellung unserer Nachbarn. Das war auch auf dem Cannafest vom 9.-11. November 2012 deutlich zu spüren, kamen doch so viele Besucher wie nie zuvor. Unsere Redakteure vor Ort konnten sich an den beiden Haupttagen der Messe nur noch schwer durch die beiden riesigen Hallen fortbewegen, und die Schlange an den Kassen war beeindruckend. In Tschechien ist Hanf auf alle Fälle weiterhin auf dem Vormarsch. Das Cannafest ist nicht unbedingt die typische „Kiffermesse“, so wie andere Riesen-Events in Barcelona oder Madrid; hier trifft man Menschen aus allen Lebensbereichen und jeden Alters. Die Neuheiten, die es hier zu bewundern gab, hatte ich zuvor schon in Wien gesehen was mich nicht daran hinderte, das wirklich einzigartige Ambiente in der über 200 Jahre alten Messehalle zu nutzen, um mich mit den zahlreich angereisten Händlern und Growern aus aller Welt auszutauschen. Besonders mein Wiedersehen mit Mr. Jose, Autor von „Jak pestovat Indoor“, habe ich genossen, hatte er mich doch mit seinem Buch animiert, mich ein wenig näher mit den Reflektionseigenschaften von Growzelten zu beschäftigen (s. Seite 40). Die größte Überraschung in Prag war das Gras, das ich mit Mr. Jose rauchen konnte, war es doch das erste Mal, dass ich bewusst Buds geraucht habe, die unter LED-Lampen angebaut waren. Die Blüten der Sensi Star waren extrem lecker, und der Autor, der Grows beschreibt, die unter Laborbedingungen durchgeführt werden, versicherte mir, dass er während der Recherche zu seinem nächsten Projekt zu der Überzeugung gelangt sei, dass es mittlerweile LED-Lampen gäbe, mit denen sich wirklich effektiv anbauen ließe (s. Seite 62). Ich bleibe dran und hoffe auf nachvollziehbar dokumentierte Ergebnisse im Laufe des kommenden Jahres. Neben den zahlreichen Händlern gab es auch viele Vorträge zum IndoorGrowing, zu Nutzhanfanbau sowie zu Cannabis als Medizin. Mit Ausnahme weniger Beiträge bin ich aufgrund der Sprachbarriere jedoch leider nicht in der Lage, über die genauen Inhalte zu berichten. Aufgrund des regen Publikumszuspruchs schien es allerdings sehr interessant zu sein. Besonders gelungen auf dem Cannafest war das hanfige Catering – statt des üblichen Fast-Foods gab es Suppen, echtes Brot, Aufläufe und Hanfwaffeln zu Preisen, die einem nicht die Tränen in die Augen treiben. Auch wenn es die letzte Messe der Saison und somit die anstrengendste war, ist und bleibt das Cannafest einmalig und einfach großartig. Die Gewinner der Publikums- und Jurypreise sowie alle Dates und Deadlines zum Cannafest 2013 findet Ihr unter: www.cannafest.cz.

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Für eine der führenden und etablierten Seedbanks wie Dutch Passion zu arbeiten bringt einige Vorteile mit sich, zum einen stehen einem die besten Strains und Originalgenetiken der Welt für Zuchtexperimente zur Verfügung und zum anderen hat man Zugang zu den neusten technologischen Innovationen für den Growbereich. Bei vielen Growern gelten LED Lampen nach wie vor als eine gehypte Modeerscheinung und technischer Reinfall, der die Gutgläubigkeit der Hobbygärtner und deren Verlangen nach technischen Innovationen und neuen Produkten ausnutzt, dabei seine Versprechen von gleichen Erträgen, Qualität der Blüten und Anteil an THC aber bei weitem nicht hält und daher in der Realität für das Anpflanzen von Cannabis indoors nicht geeignet ist. Auch bei Dutch Passion standen wir dieser neuen Technologie mehr als skeptisch gegenüber bis wir durch befreundete Gärtner die unsere Strains anpflanzten eines besseren belehrt wurden. Die Wende kam 2011 als uns befreundete Grower stolz ihre Zuchtanlagen die mit LED Lampen ausgestattet waren und die Ergebnisse die sie erzielt hatten zeigten. Zu diesem Zeitpunkt kamen die ersten LED Lampen mit mehr als 1Watt Leistung auf den Markt und stellen einen Meilenstein in der Weiterentwicklung der LED Technologie dar. Die Befürworter der LED Technologie lagen nämlich nicht falsch mit ihrer Aussage, dass die Zukunft den LED´s gehören würde waren aber zu vorschnell damit, denn die Lampen der ersten und zweiten Generation erzeugten gerade mal 0.25 oder maximal 0,5Watt was für den Anbau von Pflanzen bei gleichbleibender Qualität wie mit Natrium-Hochdruckdampflampen nun mal nicht ausreichte. Dieser Umstand hat dafür gesorgt, dass die LED Technologie bei Growern in Verruf geraten ist und vielen dieser Technik nun nicht über den Weg trauen. Dazu kommt ein erhöhter Preis, denn moderne und passende LED Lampen der letzten Generation sind eine kostspielige Angelegenheit.

LED vs. NDL Mittlerweile gibt es LED Lampen auf dem Markt die zwischen 3-5Watt produzieren und damit stark genug sind, qualitativ hochwertige Pflanzen indoors zu ziehen. Die LED Technologie wird von Jahr zu Jahr stärker und dabei gleichzeitig kostengünstiger was für einen zweiten Trend in der Szene sorgen könnte, wenn sich mehr Grower auf das Experiment mit den LED Lampen einlassen. Die meisten LED Lichter werden in China und anderen asiatischen Ländern massenproduziert und jedes Jahr werden davon mehr in besserer Qualität, Potenz und nebenbei auch erschwinglicher hergestellt. Deshalb kann man davon ausgehen, dass LED Lampen in Zukunft von immer mehr Growern genutzt werden.

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LED´s können das gesamte Farbspektrum von rot zu blau und allen Farben zwischendrin abdecken. Damit sind sie für das Anpflanzen von Cannabis nahezu perfekt geeignet. Die meisten LED Lampen produzieren 75% rotes Licht und 25% Blaulicht. Sechs verschiedene Wellenlängen sind z.Zt. der Standard. Dabei werden vier verschiedene Wellenlängen im Rotspektrum produziert und zwei Im Blauspektrum. Man kann die LED Lampen spezifisch auf die Anforderungen von Hanf einstellen und so gesunde Pflanzen ziehen die 100% des produzierten Lichts verwenden.

ausgetauscht werden müssen, weil die Erträge merklich geringer ausfallen.

Im Vergleich zu LED´s produzieren herkömmliche Natrium-Hochdruckdampflampen zur Hälfte gelbe und orange Wellenlängen welche von Hanfpflanzen nicht absorbiert werden. Ein weiterer Nachteil von NDL Lampen ist der hohe Stromverbrauch und die Hitze die sie entwickeln.

LED Lichter sehen anders aus als Natrium-Hochdruckdampflampen die neuen Systeme sind schmal und oft nicht mehr als 10cm dick und benötigen daher weniger Platz. Das Licht von LED´s scheint von pink bis zu lila und da LEDs kein Infrarotlicht produzieren entwickeln sie auch kaum Wärmeabstrahlung was dazu führt, dass es im Growbereich deutlich kühler bleibt.

Auch wenn LED´s nach wie vor sehr teuer sind, sinken die Preise durchschnittlich um 30% pro Jahr und damit wird diese neue Technologie immer erschwinglicher. LED´s haben eine Lebensdauer von durchschnittlich 50,000 Stunden. Diese lange Lebensdauer wird dadurch erreicht, dass LED´s durchschnittlich mit unter 70% ihrer Leistungskraft belastet werden d.h., dass eine 3Watt LED Lampe mit nur 2Watt Strom betrieben wird und eine 1Watt Lampe mit nur 0,5% belastet wird. Das erhöht die Lebensdauer von LED´s gegenüber NDL um etliche Jahre. Der Stromverbaruch eines LED Panels mit 150 individuellen 3Watt LED Birnen beträgt ungefähr 300Watt (150x2Watt). Solch ein Set Up ist genauso effektiv wie eine 400Watt NDL und verbraucht dabei weniger Strom, erzeugt keine Hitze und das Licht wird zu 100% von den Pflanzen zu deren Entwicklung genutzt. Ein weiterer Vorteil ist, dass LED´s mit der Zeit nicht weniger effektiv werden und das erzeugte Licht immer gleich stark bleibt. Im Gegensatz zu Natriumdampflampen die schon nach zwei bis drei Growdurchgängen an Kraft einbüssen und unter Umständen

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Natürlich haben auch LED Lampen nach wie vor ihre Nachteile einer davon ist, dass LED´s die Blätter der Pflanzen bleichen wenn diese zu nahe an der Lichtquelle wachsen. Ein Mindestabstand von 30cm sollte gewahrt werden sonst läuft man Gefahr, dass sich die Blätter zunächst hell-gelb und anschliessend sogar weiss verfärben. Auch bei Pflanzen ist das eine äusserst ungesundes Merkmal.

Ich gehe davon aus, dass die LED Technologie für den Anbau von Pflanzen im Indoorbereich in den nächsten fünf Jahren ausgereift ist und ab diesem Zeitpunkt immer mehr Grower auf diese zukunftsweisende Technik umsteigen werden. Die Lampen werden immer stärker und gleichzeitig wie viele moderne Technologien die in Asien massenproduziert werden immer billiger. Zur Zeit sind LEDs noch etwas für die Avantgarde unter den Indoorgärtnern, technikverliebte Hanfnerds die auf dem neusten Stand der Technik sein wollen und es wagen mit dieser modernen Technologie zu experimentieren aber schon in wenigen Jahren werden LEDs der neue Standard beim Indooranbau sein und die veralteten Natriumdampflampen abgelöst haben. Im Internet und den entsprechenden Foren kann man informieren welche Systeme schon jetzt gute Ergebnisse erzielen und welche Erfahrungen die Grower mit ihren LED Set Ups gemacht haben. Tony Passion



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"Ferner muss der Tyrann Veranstaltungen treffen, dass ihm nichts entgeht, was die Untertanen sprechen oder tun. Er muss vielmehr Spione halten, wie es in Syrakus die so genannten 'Zuträgerinnen' waren oder die 'Horcher', welche Hieron ausschickte, wenn irgendwo eine Gesellschaft oder eine Verein stattfand." Schon Aristoteles hatte die "Notwendigkeit" von geheimdienstlichen Tätigkeiten erkannt, seitdem hat sich so ziemlich jede Regierung auch geheimdienstlicher Mittel und Methoden bedient. Doch wie so oft musste die USA auch hier in neue Dimensionen vordringen. Doch immer schön der Reihe nach. Vor der CIA gab es in den USA verschiedene militärische Nachrichtendienste, doch erst zwei Jahre nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese von Präsident Roosevelt in der CIA zusammengefasst. Nach dem Krieg profitierten insbesondere amerikanische Geheimdienste vom besiegten Deutschland: Sie verhalfen schwer belasteten Nazis – die noch in irgendeiner Weise nützlich sein konnten – zur Flucht. Insbesondere deutsche Militärwissenschaftler wurden “überzeugt“, direkt in die amerikanische Waffenproduktion zu gehen. Allein die genauen Kenntnisse der deutschen V2-Rakete ersparten der amerikanischen Waffenentwicklung etwa 50 Milliarden Dollar und fünf Jahre Forschungsarbeit. Auch die medizinische Elite Deutschlands war inhaftiert, in Konzentrationslagern hatten Nazi-Ärzte grausame Experimente für die deutsche B-Waffenforschung durchgeführt. Führend auf diesem Gebiet war der KZ-Arzt von Dachau, Dr. Blome, der nach dem Krieg überraschend freigesprochen wurde, obwohl handfeste Beweise gegen ihn vorlagen. Kurz darauf führte er im Auftrag der Amerikaner einige der KZ-Versuchsreihen fort und entdeckte dabei einen sehr widerstandsfähigen Erreger, der sich gut für B-Waffen zu eignen schien: Anthrax. Ab 1950 begann die CIA mit der Operation "Artischocke". Dabei sollten Menschen mit "fragwürdiger Loyalität" durch Drogen und Folter gefügig gemacht werden – es galt, den Willen der Verdächtigen zu brechen und möglichst viele Informationen aus ihnen herauszuholen. Dazu wurde in Oberursel im Taunus ein verschwiegenes Verhörzentrum in alten Fachwerkhäusern eingerichtet. Hier wurde an russischen Agenten und verdächtigen DDR-Übersiedlern auch LSD als Wahrheitsdroge getestet – kombiniert mit grausamer Folter. In einer anderen Operation bezahlte die CIA New Yorker Prostituierte, damit diese gewissen Kunden unauffällig LSD unterschoben und ihnen dann Geheimnisse entlockten. Doch nicht nur mit Prostituierten kooperierte die CIA – auch mit dem Vatikan. Seit ihrer Gründung wurde die CIA auch als "heilige Mafia des Papstes" bezeichnet. Im italienischen Wahlkampf von 1948 stellte die CIA den christlichen Demokraten, dem Vatikan und der katholischen Aktion immense Finanzmittel zur Verfügung – nur um einen Wahlsieg der Kommunisten zu verhindern. Gemeinsam mit dem Vatikan entwickelte die CIA zudem Strategien zur Bekämpfung des europäischen Kommunismus. Tatsächlich empfand es die CIA bald als gute und kostengünstige Möglichkeit, die Vormachtstellung der USA auszubauen und sich der "kommunistischen Bedrohung" zu erwehren, indem sie unbequeme Regierungen einfach stürzte und danach US-freundliche Vasallenregime einrichtete. Dafür gibt es mittlerweile unzählige Beweise. Es würde den Rahmen sprengen, alle Staatsstreiche und sonstige bekannt gewordene CIA-Operationen aufzuführen, daher beschränke ich mich hier auf eine „repräsentative Auswahl“. 1954 initiierte die CIA eine Invasion Guatemalas. Antikommunistische "Exilguatemalteken" stürzten die gewählte Regierung, die zuvor den riesigen Landbesitz der "United Fruit Company" enteignet und an arme Bauern verteilt hatte. Der demokratisch gewählte Präsident Árbenz wollte zudem aus dem Ostblock Waffen beziehen und Exportzölle auf Bananen erheben. Das reichte der CIA, um die Regierung Árbenz als pro-kommunistisch hinzustellen und zu stürzen. Denn auch wenn es im "Kalten Krieg" offiziell um den Ost-West-Konflikt der Gesellschaftssysteme ging, hatten viele Operationen der CIA auch damals schon eher wirtschaftliche Gründe. Und so wurde nach dem Sturz von Árbenz in Guatemala sogleich die Agrarreform widerrufen und alle Exportzölle abgeschafft. Hunderttausende Menschen wurden in den folgenden 40 Jahren von der Militärjunta in Guatemala ermordet – Macht und Einfluss der "United Fruit Company" sind eben nicht zu unterschätzen. Das gilt auch für andere global agierende US-Firmen. Doch nicht immer war die CIA "erfolgreich". Nach der Machtergreifung

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Fidel Castros und der Verstaatlichung der Zuckerrohrplantagen auf Kuba wurden 1961 ca. 1.400 (von der CIA in Guatemala ausgebildete) "Exilkubaner" bei ihrer Landung in der Schweinebucht zurückgeschlagen. Nach CIA-Plan sollten nun die "Freiheitskämpfer" die USA um militärische Hilfe ersuchen. Doch entgegen aller Prognosen hatte nicht Nixon, sondern ein politischer Newcomer die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen. Nixon hätte sicherlich keine Sekunde gezögert und Truppen entsandt. Doch John F. Kennedy war anders – er wollte keinen ernsthaften militärischen Konflikt mit der Sowjetunion provozieren. In den Augen der CIA war so allein JFK für das Kuba-Desaster verantwortlich. Danach hatte der Präsident "seinen" Geheimdienst kaum noch unter Kontrolle, die CIA wurde zu einem Staat im Staate. JFK versuchte zwar die Macht der CIA zu beschneiden, indem er z. B. den mächtigsten aller CIA-Chefs, Allen Dulles, zum Rücktritt zwang – doch das gelang ihm nicht. Noch einen Monat vor seinem Tod sagte JFK voller Zorn: "Ich möchte die CIA auseinandernehmen und in alle Winde zerstreuen!" Doch dazu kam es nicht, JFK starb unter noch immer ungeklärten Umständen. Später wurde ausgerechnet der von JKF entmachtete ehemalige CIA-Chef Allen Dulles mit der Untersuchung des Mordes betraut – sein Ergebnis: Lee Harvey Oswald hatte ganz allein gehandelt. Folge-Präsident Johnson ließ die CIA im August 1964 einen nordvietnamesischen Angriff auf ein US-Kriegsschiff vortäuschen – einfach nur, um einen „guten“ Kriegsgrund zu liefern. Während des folgenden Vietnamkrieges töteten CIA-Spezialtrupps unzählige Zivilisten, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Offizielles Ziel der CIA-Operation "Phönix": Zerschlagung der zivilen Strukturen des Vietcongs. Inoffizielles Ziel der CIA-Operation: Alle Zivilisten foltern und töten, die irgendetwas mit dem Vietcong zu tun haben könnten. Um die vietnamesische Zivilbevölkerung effektiv einzuschüchtern, hinterließen die CIA-Killerkommandos bei jeder Leiche eine Spielkarte: ein Pik-As. Operationsleiter William Colby wurde einige Jahre später zum CIA-Direktor befördert. Noch später – als ein Untersuchungsausschuss auch die Methoden der CIA in Vietnam untersuchte – erklärte er bei seiner Anhörung, dass durch die Operation "Phönix" etwa 20.000 Zivilisten getötet worden waren. Während des Vietnamkrieges läuft auch in den USA eine großangelegte CIA-Aktion. Die Operation "Chaos" bespitzelt alle "Linken und Subversiven", die sich von "fremden Mächten beeinflussen lassen". Das trifft mit der Zeit auf einen Großteil der Bevölkerung zu, die mit der Kriegspolitik der Regierung nicht einverstanden ist. Über 300.000 Bürger wurden damals überwacht, neben der CIA bespitzelten auch FBI und andere staatliche Geheimorganisationen große Teile der Bevölkerung. "Feindlisten" wurden erstellt, private Post überwacht. Ohne Grenzen, ohne Skrupel. Auch politische Gegner landeten im Visier der CIA – im Watergate-Hotel wurde der Stab der demokratischen Partei im Auftrag des amtierenden Präsidenten Nixon abgehört. Durch zwei mutige Reporter flog das Ganze auf und Nixon musste zurücktreten. Auch für die CIA hatte die Affäre Folgen: Ein Untersuchungsausschuss wurde einberufen und einiges Ungeheuerliches kam ans Licht. Doch viele CIA-Geheimnisse blieben geheim. Die CIA dachte überhaupt nicht daran, ihr Profil zu verändern. Schließlich hing ihr der selbst-gepflegte Mythos nach, sie könne hinter den Kulissen so ziemlich alles erreichen, was politisch unlösbar erscheint. 1970 wurde in Chile Präsident Salvador Allende demokratisch gewählt. Als er große Bereiche der Schwerindustrie zum Wohle des Volkes verstaatlichte, inszenierte die CIA einen Militärputsch, der General Pinochet an die Macht brachte. Dessen Militärjunta ermordete in den folgenden Jahren über 30.000 Chilenen – die Todeslisten lieferte die CIA. Umso interessanter erschien da 1976 ein Erlass von Präsident Ford, in dem es hieß: "Kein Beamter darf einen politischen Mord begehen oder sich daran beteiligen". Damit sollte die Handlungsfreiheit der CIA eingeschränkt werden, deren zweifelhafte Methoden mittlerweile bekannt geworden waren. Der „Erlass 12033“ war daher lediglich eine Reaktion auf den öffentlichen Druck, der durch die Enthüllungen des CIA-Untersuchungsausschusses entstanden war. Das amerikanische Volk ließ sich erneut täuschen und dachte tatsächlich, man könne Anstand und Moral gesetzlich verordnen. Die CIA mordete und putschte insgeheim fleißig weiter. Wenn sie etwas gelernt hatte, dann nur, ihre Operationen noch geheimer zu halten. Im September 1978 besetzten die Russen Afghanistan und Präsident Carter befahl der CIA, den Afghanen gegen die Russen beizustehen. Also machte sich die "Agency" daran, die afghanischen Mudschahe-



din auszubilden, zu bewaffnen und zu finanzieren. Tatsächlich hätten die Afghanen ohne den Einsatz von US-amerikanischen Stinger-Raketen die Russen kaum vertreiben können. Die Sowjetunion hatte sich auf eine irrsinnige militärische Kraftprobe eingelassen – 10 Jahre Krieg mit Afghanistan laugten das Land aus, doch die CIA wollte von all dem nichts gemerkt haben. Während Reagans gesamter Amtszeit sorgte die CIA mit völlig überzogenen Informationen über die angeblich riesige Armee der Sowjetunion dafür, dass ständig neue Waffensysteme produziert wurden und die CIA-Budgets kräftig stiegen. 1986 erschütterte ein politischer Skandal die internationale Arena. Es wurde bekannt, dass die CIA geheime Waffenlieferungen an den Iran organisiert hatte und dabei erhaltene Gelder gesetzwidrig zur Unterstützung nicaraguanischer Contras benutzte. Die Contras wiederum "zahlten" mit Drogen, welche von der CIA in die USA geschmuggelt wurden. Die "Crack-Epidemie" der 80er Jahre lässt sich direkt auf die geheimen Drogenimporte der CIA zurückführen, was allerdings von den verantwortlichen Stellen noch immer geleugnet wird. Als 1989 die Berliner Mauer fiel und mit ihr der gesamte Ostblock, schützte die CIA einen Großteil der weltweit agierenden und noch nicht aufgeflogenen Stasi-Spione in großen Firmen, Parteien und Forschungseinrichtungen vor der Enttarnung, um sie in Folge für eigene Zwecke nutzen zu können. Dem Leiter der USA-Abteilung der Auslandsaufklärung des MfS wurde sogar eine Million Dollar angeboten, wenn er den IM-Bestand in den Staaten verrate. Dieser überlegte nicht lange und schlug ein – tatsächlich fanden ein Großteil der nun arbeitslosen MfS-Spione in der CIA einen neuen Arbeitgeber. Doch wozu? Der kalte Krieg war schließlich vorbei und es gab keine "kommunistische Bedrohung" mehr. Doch die CIA fand schnell neue Feinde. Es waren zwar zunächst nur "kleine" Feinde, doch dafür eine ganze Menge. Und auch der „internationale Terrorismus“ begann bereits seinen Aufstieg als neuer großer Feind der USA. Bereits 1993 fand der erste – auch schon sehr umstrittene – Anschlag auf das World Trade Center statt. In der WTC-Tiefgarage detonierte in unmittelbarer Nähe eines tragenden Pfeilers eine Autobombe. Nicht nur die CIA, sondern auch das FBI war darin verwickelt, beide Behörden wiesen sich gegenseitig die Schuld zu. Die wahren Hintergründe wurden nie geklärt, doch es gibt wohl mittlerweile Beweise, dass der ausführende Terrorist von CIA-Leuten gekauft war. Nicht nur die CIA, der ganze US-amerikanische Verteidigungsapparat brauchte in den 90er Jahren dringend eine neue Bedrohung, um auch weiterhin die eigene Existenz begründen zu können. 1995 wurde Al Qaida zum großen neuen Feind erklärt, die finanzkräftigen Sponsoren der Terrororganisation in Saudi-Arabien wurden jedoch weiterhin toleriert, um die mehr als lukrativen Ölgeschäfte (Gewinn für US-Firmen pro Jahr: 150 Milliarden Dollar) nicht zu gefährden. Außerdem wurden viele Politiker von den Saudis gekauft, manchmal wurde eine Million Dollar für eine einzige öffentliche Rede bezahlt. Drei Jahre später zerstörten Anschläge die US-Botschaften in Tansania und Kenia und Osama Bin Laden wurde zum Staatsfeind Nummer eins. Der internationale Terrorismus hatte nun endlich ein Gesicht und die CIA wieder ein Budget von mehreren Milliarden (!) Dollar pro Jahr. Nach dem 11. September 2001 stieg es sogar noch. Dieses Budget muss natürlich auch irgendwie "verdient" werden. So steht mittlerweile fest, dass die CIA die Computeranlage des Europäischen Parlaments "angezapft" hatte, um vor internationalen Wirtschaftskonferenzen die Strategien der verschiedenen europäischen Staaten ausspionieren zu können. 1997 wurde dann erstmals ein amerikanischer CIA-Agent in Deutschland als Industriespion enttarnt und in seine Heimat zurückgeschickt. Der amerikanische Diplomat hatte versucht, einen ranghohen Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums anzuwerben. Über den Bonner Beamten wollte die CIA den Stand der deutschen Hochtechnologie ausspionieren. Doch der Beamte unterrichtete nicht die CIA, sondern den deutschen Verfassungsschutz. Mit Rücksicht auf die guten Beziehungen zur USA wurde die Affäre schließlich auf der Dienstebene geregelt, der Agent verließ Deutschland freiwillig und kam so seiner Ausweisung zuvor. Damals schrieb der SPIEGEL: "Sechseinhalb Jahre nach der Wiedervereinigung und dem Ende der Sonderrechte alliierter Streitkräfte sind die Deutschen auf konspirativem Gebiet immer noch nicht Herren im eigenen Haus. Nach wie vor agiert manch westlicher Dienst – die Amerikaner vorneweg – hier ungehemmt wie auf dem eigenen Hinterhof. Über 1.000 Lauschtechniker und 100 gelernte US-Agenten tummeln sich nach Schätzungen von Sicherheitsexperten noch auf deutschem

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Boden. Die Späher der befreundeten Macht sitzen in Konsulaten, alliierten Oberkommandos und Kasernen. Sie versuchen, Agenten in Deutschland anzuwerben, sie zapfen ohne Rücksprache neue Quellen an, und wer immer zwischen Alpen und Ostsee zum Telefonhörer greift, muss in Betracht ziehen, dass auch die NSA dabei ist. Also Vorsicht: Freund hört mit!" Tatsächlich liegt das Hauptaugenmerk der CIA heute auf Industriespionage, meist in eigentlich verbündeten Ländern. 1998 warnte der BND die Bundesregierung mit der Studie "Verstärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der USA durch Nachrichtendienste" davor, dass die USA den Kampf um Weltmarktanteile "mit aller Entschlossenheit" führe. Dazu beschäftigt die CIA mittlerweile mehrere hundert sogenannte NOC's (Non-Official Cover), also Agenten ohne offiziellen Schutz, die als Manager multinational operierender amerikanischer Konzerne im Ausland Industriespionage betreiben. Die CIA verfügt derzeit in mehr als 140 Ländern ganz offiziell über Auslandsresidenturen. Die amerikanische Presse nannte bereits 1984 über 19.000 CIAMitarbeiter. Heute sind es etwa doppelt so viele. In allen bedeutenden Städten der USA unterhält die CIA Werbezentren, sie inseriert auch in großen Zeitungen: "You can do great things with the CIA!" und heuert mit einem beträchtlichen Mitarbeiterstab in allen Universitäten des Landes begabte Agentenanwärter an. Auf ihrer Internetseite (www.odci.gov/cia) bietet die CIA nicht nur eine virtuelle Reise durch ihr Hauptquartier in Langley – sie listet neben Abhandlungen über Arbeitsweise, Auftrag und Ziel auch die aktuellen Stellenangebote auf. Unter der kostenlosen Rufnummer 1-800-jobs-CIA kann man sich auch gleich telefonisch bewerben. Dann gehört man möglicherweise bald zu der CIA-Abteilung, die ausschließlich damit beschäftigt ist, all jene online zu beäugen, die CIA-Seiten im Internet besuchen. Und das Fazit? Ich würde sagen, ein großer Verdienst der CIA liegt darin, dass sie den auch nur halbwegs aufmerksamen Bürgern eines demonstriert hat: Bestechung, Lug und Trug bis hin zu kaltblütigem Mord gehören zum Repertoire von US-amerikanischen Herrschaftsmethoden. Kaum ein anderes Argument nötigt mit ähnlicher Überzeugungskraft dazu, die Gültigkeit von zweierlei Maß für Moral und Recht anzuerkennen. Denn wo sich eine Regierung durch Gesetze gehemmt sieht, lässt sie die Dinge nach wie vor durch ihre Geheimdienste erledigen. Ganz im Geheimen.



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Noch kann man protokumpel als absoluten Geheimtipp bezeichnen, denn obwohl ihre Tracks auch schon mal im Radio laufen, sind sie vom kommerziellen Erfolg noch weit entfernt. So war es dann auch gar nicht so schwer, die Kumpels zu einem ausführlichen Interview zu überreden. Wir trafen die zwei in einem Café in Moabit und bröselten erstmal einen an.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Auf die Gefahr hin, dass ihr diese Frage eigentlich schon gar nicht mehr hören könnt: Wie kamt ihr eigentlich auf den Bandnamen?

Logan: Vor allem, wenn es um Frauen geht. Jedenfalls artete das dann ganz schön aus und ging so weit, dass der Partyveranstalter die Bullen rief...

tim: Uns war wichtig, dass unser Name verschiedene Interpretationsmöglichkeiten bietet: So kann man beispielsweise das „proto“ vor „Kumpel“ als etwas noch nicht ganz Ausgereiftes sehen – da kann es dann auch unter Kumpels schon mal Konflikte um den richtigen Weg geben. Man kann „proto“ aber auch als Vorläufer oder Vorreiter von irgendetwas Neuem verstehen.

tim: Die waren auch nicht gerade zimperlich...

Logan: Genau, wie zum Beispiel „Proto-Punk“ – da wurde ja auch eine Welle losgetreten. Aber letztendlich ist das ganz einfach eine Wortschöpfung, die sich für uns beide ganz cool anhörte.

tim: Tja, so sind wir aufeinander gestoßen – im wahrsten Sinne des Wortes.

tim: Richtig, das ist halt ein geiler Name. Und wer den richtig begriffen hat, wird ihn auch nicht wieder so leicht vergessen. Logan: Und wenn man ihn googelt, dann landet man ganz automatisch bei uns – das Wort ist wirklich einzigartig.

Logan: Das war eine eher unschöne Begebenheit: Wir sind auf einer Party aneinandergeraten... tim: Logan ist nämlich manchmal ganz schön aggressiv...

Logan: Es endete damit, dass wir dann beide in einer Wanne gelandet sind und nach einer Weile auch festgestellt haben: „Okay, ich wollte dem Typen da zwar gerade mitten in die Fresse hauen, aber irgendwie ist der ja doch gar nicht so Scheiße...“

Wann war das? tim: Das war im Juli 2009 – danach haben wir uns ein paar Mal zum Songbasteln getroffen. Live sind wir dann ab dem 12. Dezember 2009 in Erscheinung getreten – da war unser allererster Gig im „Lovelite“ in Berlin-Friedrichshain. Wo seht ihr eure musikalischen Wurzeln? Logan: Meine liegen ganz eindeutig im Punk – ich bin mit Bands wie den „Ramones“ oder den „Sex Pistols“ im Nordwesten Berlins aufgewachsen und wurde so quasi musikalisch sozialisiert. Punk war in Reinickendorf aber auch mächtig angesagt. Ich habe dann auch in einer ganzen Reihe von Punkbands gespielt, aber je älter ich wurde, desto mehr verstand ich es, auch über den Punk-Tellerrand hinwegzusehen und öffnete mich zunehmend auch gegenüber anderen Spielarten der Musik. Als Teenie ging es mir sicher auch ein Stück weit darum, mich über diese Musik zu definieren – alles außer Punk war halt Scheiße. Inzwischen ist mein Musikgeschmack deutlich breiter geworden. Tim: Also ich war schon immer breit. Ich habe sehr früh Blockflöte und etwas später Trompete gespielt – da hatte ich gerade erst meine Schneidezähne wieder. Dementsprechend begegnete mir der Punk erst verhältnismäßig spät – schließlich komme ich ursprünglich aus der westfälischen Provinz, und da musste ich dann oft auch Blasmusik spielen. Auch wenn ich die eigentlich nie besonders gemocht habe. Bei mir gab es dann in der Jugend ganz wechselnde Lieblinge, angefangen von Hendrix über Queen, dann kamen Suicidal und Pantera, ich mochte aber auch noch Jazz und Klassik – ich bin da halt recht breit aufgestellt. Habt ihr euer erstes Album „Irgendwas kann Jeder“ eigentlich selbst herausgebracht? tim: Ja, wir haben dafür extra ein eigenes Label gegründet – seitdem sind wir nicht nur protokumpel, sondern auch oké Records. Logan: Es soll ja immer noch Leute geben, die Musik gerne physisch erwerben, daher wollten wir auch eine CD anbieten und denken zurzeit sogar darüber nach, mal eine Vinyl zu machen. Ansonsten sind wir natürlich auch auf allen einschlägigen Musik-Download-Portalen zu finden – von Amazon bis iTunes. Glaubt ihr selbst an die Möglichkeit, mit eurer Mucke eines Tages auch kommerziellen Erfolg haben zu können? tim: Die Hoffnung stirbt zuletzt – will sagen: Ja, ich glaube daran, weil ich naiv bin. Logan: Von mir gibt’s da ein viel klareres „Ja“. Ich glaube daran, weil sich meist nur Sachen nachhaltig durchsetzen, die neue Wege gehen und nicht irgendetwas kopieren, was schon

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tausendmal da ist. Insofern muss man da vielleicht einfach nur genug Durchhaltevermögen aufbringen – vielleicht wird unser Sound ja in 20 Jahren mal als „Genre prägend“ bezeichnet. Wenn also euer Genre noch nicht bezeichnet wurde – wo werdet ihr heutzutage eingeordnet? Logan: Das ist genau unser Problem, denn wir stellen im Alltag fest, dass es für die Vermarktung viel schwieriger ist, wenn man nicht genau sagen kann, wir machen diese oder jene Musik mit einer klaren Genre-Zuordnung. Denn jeder Konzertveranstalter, jeder A&R-Manager, jeder Plattenladenbesitzer will natürlich wissen: Wo ordne ich das ein? Was schreib ich auf das Konzertposter oder die Produktinfo? Das bremst unsere Karriere schon ein wenig aus. Ihr habt also bisher auch noch keinen eigenen Genre-Begriff geschaffen und angeboten? tim: Nee, danach suchen wir nun schon seit über zwei Jahren. Wir hatten es mal mit „Sample-Punk-Dance-Pop“ versucht – aber das ist ja auch nur eine Aneinanderreihung von verschiedenen Elementen, die man bei uns findet. Unsere gesamte Bandbreite lässt sich damit aber auch nicht passend beschreiben, insofern sind wir tatsächlich immer noch auf der Suche nach einem passenden Begriff. Habt ihr auch schon mal im Ausland gespielt? Logan: Ja, tatsächlich waren wir schon ein paar Mal in der Schweiz und einmal sogar in London, was echt eine witzige Erfahrung war, da die Leute dort ja unsere Texte gar nicht verstehen konnten. Trotzdem gab es ein ziemlich gutes Feedback vom Publikum – ich kann mich noch daran erinnern, wie so ein großer, karibischer Typ im feinsten Patois zu mir sagte: „Wicked show, man!“, und erstmal mit mir einen rauchen wollte... tim: Oder die voll besoffenen Britinnen, die unser Punk-Sample-Stück „Und was habt Ihr?“ richtig klasse fanden – das war natürlich auch ein Vorteil für die Leute, nicht auf die Texte achten zu müssen. Sie haben sich halt ausschließlich auf unsere musikalische Seite konzentriert. Arbeitet ihr inzwischen bereits an neuen Stücken? tim: Klar, auch wenn wir für unsere nächsten Veröffentlichungen einen anderen Release-Weg planen: Wir werden neue Stücke in kleineren Blöcken veröffentlichen und diese dann nur als Download oder Vinyl anbieten. Logan: Also so etwas wie EP’s oder Singles mit mehreren B-Seiten machen – sodass da immer um die vier neue Stücke drauf sind... tim: Das hängt vor allem damit zusammen, dass wir uns so besser auf das Songwriting und die Studioproduktion konzentrieren können – dann sind wir nicht mehr gezwungen, gleich mehr als zehn Song-Baustellen für ein ganzes Album aufzumachen. Bei dieser Herangehensweise findet man ziemlich schnell seine Favoriten, auf die man sich dann auch mit Freude stürzt – doch es bleiben dann auch immer ein paar Nummern übrig, in die man nicht soviel Zeit, Herzblut und Energie steckt, wie es den Titeln vielleicht gutgetan hätte. Daher wollen wir es einfach mal auf eine andere Art probieren. Eure letzte, schon fast Reggae-mäßige Single „Boot fahrn“ lässt ja Rückschlüsse darauf zu, dass euch Cannabis nicht ganz unbekannt ist... tim: 50 Prozent von protokumpel sind mit dem Kraut eigentlich ganz zufrieden. Logan: Dazu muss ich sagen, dass ich – nachdem ich zuvor auch schon eine ganze Menge gesoffen und gekifft hatte – im Alter von siebzehn Jahren beschloss, sämtlichen Drogen konsequent zu entsagen. Das galt dann natürlich auch für Alkohol und Nikotin, und dabei ist es seitdem tatsächlich geblieben. Resultierte deine Entscheidung daraus, dass du es zuvor kräftig übertrieben hattest, oder hast du eher schlechte Erfahrungen mit Drogen gemacht?

Logan: Eigentlich habe ich es auch nicht mehr übertrieben als alle anderen in meinem damaligen Freundeskreis. Irgendwie hat mich das ziemlich schnell angeödet – wobei das weniger das Kiffen war, als der hemmungslose Alkoholkonsum an jedem Wochenende. Irgendwann wollte ich dann einen kompletten Schnitt machen und mir auf diese Art neue Perspektiven schaffen – allerdings habe ich damit keinen missionarischen Anspruch verbunden, auch wenn mir schon aufgefallen war, dass die gesellschaftliche Verwurzelung von Alkohol bei uns schon so weit geht, dass eigentlich keine sachliche Diskussion über die realistischen Gefahren der verschiedenen Drogen möglich ist. So kann man als Kiffer schnell mal kriminalisiert werden, während du dich mit Alkohol ganz legal und gesellschaftlich akzeptiert zu Tode saufen darfst – das finde selbst ich mehr als fragwürdig. tim: Das sehe ich auch so – und ich konsumiere ja selbst Alkohol und mehr Nikotin, als mir lieb ist. Dazu kiffe ich dann auch noch gerne – obwohl ich erst relativ spät dazu gekommen bin. Wie alt warst du da? tim: Das war mit Anfang Zwanzig. Als ich dann die ersten Male Cannabis rauchte, war das für mich schon ein ziemliches Erweckungserlebnis. Ich hatte den Eindruck, dass sich das Gehirn ganz anders auf emotionale Dinge fokussiert – bzw. das Emotionale hervorbringt, was ich unheimlich faszinierend fand. Damals habe ich auch eine Zeitlang in Holland gewohnt, und da war die ständige legale Verfügbarkeit eigentlich gar nicht so gesund für mich, da ich einfach keine Grenzen kannte bzw. akzeptieren wollte und es teilweise auch mächtig übertrieb. Heute komme ich mit Cannabis viel besser klar und weiß ziemlich genau, wann es mir guttut und wann eher nicht. Rauchst du eher Tüten oder Pfeifen? tim: Meistens Tüten – und zwar Tabak mit Cannabis gemischt. Ich war noch nie ein großer Bong-Raucher, habe es aber eine Zeitlang auch mal mit kleinen Purpfeifen probiert. Das Rauchvergnügen war dann aber doch nicht so meins, und so gelang es mir leider nicht, auf den Tabak zu verzichten. Das ist ja auch der Grund, warum ich immer wieder mit dem Rauchen anfange. Hast du Cannabis auch mal gegessen – zum Beispiel in Keksen oder im Kuchen? tim: Ja, sogar schon ein paar Mal – allerdings hat das bei mir nie so richtig angeschlagen. Ich kann die Dinger echt fressen wie normale Kekse – es tut sich einfach nix. Offensichtlich ist das keine für mich geeignete Verabreichungsform. Ist bei dir nach Alk, Kippen und Cannabis eigentlich Schluss, oder bist du auch anderen Substanzen gegenüber nicht abgeneigt? tim: Darüber hinaus bin ich tatsächlich unbefleckt – ich habe noch nie LSD oder Pilze genommen, obwohl letztere mich durchaus mal interessieren würden. Vor vielen illegalen Drogen habe ich auch großen Respekt – weil ich weiß, dass schon THC bei mir große Wirkungen hervorrufen kann. Damit muss man ja auch erstmal lernen umzugehen – viele holländische Sorten sind ja mittlerweile auch schon ganz schön stark geworden. Und das reicht mir erstmal. Aber als Mittel zur Bewusstseinserweiterung hat mich Cannabis echt weitergebracht – das waren schon einschneidende Erlebnisse, die ich in der Anfangszeit hatte. In welchen Situationen verzichtest du lieber auf einen Joint? tim: Vor Konzerten lasse ich zum Beispiel lieber die Finger davon – danach kiffe ich dann allerdings umso lieber. Vor dem Gig trinke ich höchstens mal ein Bier, wobei ich hier auch häufig in Bedrängnis gerate, die ausgegebenen Schnäpse für Logan mittrinken zu müssen. Das macht die Sache natürlich nicht besser, da ich mit Schnaps auch nicht gut umgehen kann. Insofern gibt’s bei mir eigentlich ganz viele Situationen, wo ich lieber völlig nüchtern bin. Im Großstadtleben will ich ja auch möglichst fit sein, was ich im beraucht und berauschten Zustand nun mal nicht bin. Okay, dann anders gefragt: Wann rauchst du ganz gerne mal einen?

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tim: Manchmal finde ich es ganz großartig, mit einem MP3-Player drauf, bekifft durch die Stadt zu latschen – auch wenn das heute nur noch recht selten vorkommt. Inzwischen bevorzuge ich Cannabis in gemütlichen Runden oder auch mal ganz alleine beim Musikhören. Wahrscheinlich wäre mir eine Menge Musik komplett entgangen, wenn ich nicht mit dem Kiffen angefangen hätte. Und natürlich würde ich gerne mal einen mit Logan rauchen, aber vielleicht hätte er mich ebenso gerne auch mal völlig nüchtern dabei, um zum Beispiel mal richtig ernsthafte Gespräche führen zu können... Logan, woraus ziehst du eigentlich deine Kicks im Leben? Drogen sind es ja nun schon mal nicht... Logan: Ich glaube, die körpereigenen Drogen – beispielsweise hervorgerufen durch Sex – sind auch nicht zu verachten. Auch auf der Bühne genieße ich das Adrenalin durchaus, und wer weiß – wenn ich eines Tages mit dem Musikmachen aufhören würde, könnte es schon sein, dass ich dann auch wieder zu körperexternen Drogen greife. tim: Ich finde es eigentlich prima so, wie es ist – da gibt’s dann wenigstens nie Streit darüber, wer nach dem Gig einen klaren Kopf behalten und noch fahren muss...

zu Cannabis entwickelt haben, es aber ihren Alltag doch nachteilig beeinflusst und beispielsweise das Sozialleben in Mitleidenschaft zieht und zu einer gewissen Trägheit führt. tim: Klar, auch eine psychische Abhängigkeit kann ganz schön fies werden – vor allem bei Jugendlichen, die schon sehr früh mit dem Kiffen anfangen. Ich glaube, wenn man zum Beispiel das Gefühl hat, man kann ohne Cannabis gar nicht mehr normal interagieren oder einem wird alles zu viel und man will eigentlich nur noch in Ruhe kiffen und sich gar nicht mehr mit dem Leid und der Schlechtigkeit der Welt auseinandersetzen, dann geht es dabei nur noch um Betäubung. Das hat dann mit Bewusstseinserweiterung nichts mehr zu tun. Letztendlich ist auch Cannabis missbrauchsfähig – vor allem, wenn man den ersten nach dem Frühstück raucht und danach den Tag kiffend vor der Playstation verbringt oder „World of Warcraft“ zockt. Doch diesen Unterschied macht das Gesetz leider nicht – für die Justiz ist jeder Gebrauch gleich Missbrauch. Das ist natürlich auch Käse, genau wie die längst überholte Einstiegsdrogentheorie. Wer nun gleich mal in die Musik der zwei reinhören möchte, muss einfach nur folgende Website besuchen und die Aktivboxen aufdrehen: www.protokumpel.de

Logan: Yeah, ich bin der Natural Born Autofahrer und kriege dafür immer mitleidige Blicke und Kommentare à la: „Ach Mensch, tut mir leid – musst du später noch Auto fahren?“ Und kurioserweise werde auch immer ich – und nicht etwa Tim – nach langen Papers gefragt. Wahrscheinlich, weil ich lange Haare habe... tim: Klar, lange Haare, lange Papers... Zum Abschluss noch eine Frage pro und kontra Cannabis – wo seht ihr die Vorzüge und wo auch eventuelle Gefahren? tim: Einen großen Vorteil sehe ich in der angenehmen Muskelentspannung – das ist schon ein unheimlich gutes Gefühl. Und auch wenn Cannabis sicherlich kein Mittel zur Problembewältigung darstellt, kann es einem helfen, den Blick auf problematische Situationen zu schärfen und Erkenntnisse zur Lösung zu gewinnen. Man fühlt sich denktechnisch recht potent, wenn man gekifft hat – am nächsten Morgen dafür umso weniger. Da geht dann das Mitteilungsbedürfnis gen Null, und ich habe manchmal sogar Auswirkungen auf mein Sprachzentrum bemerkt. Oder, dass ich unsicherer wurde – ich hoffe, ich verrate hier nicht zu viel Persönliches... Logan: Nein, nein – sprich ruhig weiter... tim: Eine mögliche Gefahr sehe ich eher in dem immer stärker werdenden Gras, welches mir auch schon mal Halluzinationen verschaffte – das war schon ziemlich spooky. Wie, du hattest nur von Cannabis richtige Halluzinationen? tim: Ja, ich sagte ja schon, dass manche holländischen Sorten bei mir ganz schön reinhauen – damit meinte ich ebendiese krasse Wirkung, die mich Sachen sehen ließ, die gar nicht da waren. Denn obwohl ich gar nicht religiös erzogen wurde oder irgendwie gläubig bin, war da plötzlich Jesus, der versuchte, mich ins Klo zu ziehen. Da kam ich mir fast schon wie in „Trainspotting“ vor, ohne dass es mir dabei irgendwie schlecht ging – ganz im Gegenteil. Dazu kam, dass wir gerade in Vancouver waren, wo man ja auch schon fast legal rauchen kann – insofern gab’s zum Glück auch gar keinen Grund für Kifferparanoia. Logan: Ich kenne auch ein paar Leute – und damit meine ich jetzt nicht tim – bei denen ich das Gefühl habe, dass sie zwar keine körperliche Abhängigkeit

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Wer seit Beginn des Jahres 2012 die Begriffe "strange noises" oder "strange sounds" in die digitalen Suchmaschinen eingab, stieß auf eine wachsende Sammlung von Aufzeichnungen akustischer Phänomene, die auf mehreren Kontinenten und unabhängig voneinander aufgenommen wurden. Eine der ersten oder zumindest prominentesten dieser Aufnahmen wurde auf YouTube unter dem Namen „What is this loud noise?“ bekannt. In diesem Amateurvideo scheint ein Ehepaar aus Florida zunächst einen aufkommenden Tornado zu beobachten. Schließlich sind dann aber nicht viel mehr als ein paar verwackelte Baumkronen zu sehen, untermalt von einem dröhnenden Geräusch (einer Mischung aus Gewitter- und Flugzeuglärm in Dauerschleife), das sich über den Himmel auszubreiten scheint und von dem Paar mit zunehmender Sorge kommentiert wird. Videos und Berichte dieser Art gibt es mittlerweile nicht nur aus den USA, sondern auch aus Kanada, Mexiko, Malaysia, Russland, Tschechien, der Ukraine und Skandinavien. Kaum eine dieser Aufzeichnungen wurde bisher ernsthaft untersucht, dafür sprießen die Spekulationen über die Quellen der Geräusche wild ins Kraut. Mittlerweile fällt es zudem schwer, zwischen realen Aufnahmen und digital bearbeiteten Hoaxes zu unterscheiden. So gibt es einige so genannte Strange Noise Videos, die mit dem markanten Sound der außerirdischen Tripods aus dem Film "Krieg der Welten" unterlegt wurden (welcher den ursprünglich aufgezeichneten Geräuschen tatsächlich ähnelt) – die Strange Noises seien wahrscheinlich nichts weiter als eine groß angelegte Marketing-Kampagne für ein kommendes Sequel des Films, hieß es dazu. Die Reaktionen auf die Geräusch-Phänomene reichen im Internet von Skepsis und Spott über wissenschaftliches Interesse bis hin zu einem bunten Reigen an persönlichen und kollektiven Obsessionen. Für Ufologen und religiöse Fanatiker liefern die Strange Noises nur einen weiteren Beweis dafür, dass die finale Schlacht (zwischen wem auch immer) nun unmittelbar bevorstehe. Und Verschwörungstheoretiker können sich schnell darauf einigen, dass ihre Regierungen hier wieder einmal irgendeine große Sauerei planen, wahlweise durch Forschungsprogramme mit extrem niedrig frequentierten (ELF) oder hoch frequentierten Radiowellen (HAARP). Den Fans von TV-Mystery-Serien wird das Thema vielleicht bekannt vorkommen. Zeugen eines ähnlichen Phänomens traten bereits in den frühen 90er Jahren an die Öffentlichkeit. Die amerikanische Fernsehserie „Unsolved Mysteries“ widmete wenig später erstmals eine komplette Folge den seltsamen Geräuschen, die als ein tief frequentiertes Summen beschrieben wurden. In der Sendung kamen vor allem Bewohner der Gemeinde Taos in New Mexico zu Wort. Teilweise seit Jahren fühlten sich diese Menschen von den Summgeräuschen verfolgt. Aber nicht nur aus New Mexico berichteten Menschen von einem Summen, insgesamt sollen weltweit über 1.000 Zeugen etwas Ähnliches erlebt haben. Und obwohl damals ganz offensichtlich nur eine bestimmte Gruppe von Menschen das Geräusch hören konnte, waren die Betroffenen sich sicher, dass die Ursache dafür außerhalb ihres eigenen Körpers liegen müsse, also auch nicht auf einen Tinnitus zurückzuführen sei. Das Summen hat sich inzwischen offenbar zu einem weltweiten akustischen Spuk ausgeweitet. Die Strange Noises allerdings werden nicht mehr nur von einigen auserwählten Hörern wahrgenommen. Sie scheinen realer, lauter und beängstigender zu sein: "Ich hörte ein lang anhaltendes, donnerndes Geräusch. Es klang, als ob es von einem wirklich riesigen Objekt, einer Maschine oder etwas Ähnlichem erzeugt wurde", wird zum Beispiel die 59-jährige Lynn Madelyn Bailey aus dem US-Bundesstaat Maine im Februar 2012 zitiert. Wie andere Zeugen auch, erzählte Mrs. Bailey, dass sie ein solches Geräusch nie zuvor gehört hätte. Sie hätte es ebenso stark fühlen wie hören können. Eine eindeutige Geräuschquelle zu identifizieren, ist oft schwerer, als man annehmen sollte. Schallwellen können umgeleitet, verstärkt und verfremdet werden, auch durch natürliche Ursachen. Für einige der Strange Noises in der kanadischen Provinz Saskatchewan vermutet der dort ansässige Physik-Professor Jean-Pierre St. - Maurice akustische "Trugbilder" als mögliche Ursache. Durch eine Temperaturumkehr würden sich ausbreitende Schallwellen zurück auf die Erde geworfen und könnten auf diese Art bizarre Klänge erzeugen. Festlegen möchte sich Prof. St. - Maurice darauf aber nicht. Und als Erklärung für sämtliche der berichteten Phänomene taugt diese Theorie wohl auch nicht. Was also sind das nun für seltsame Geräusche? Werden sie womöglich von Maschinen erzeugt, führt das Militär geheime Experimente durch, donnert eine außerirdische Invasion heran, läuten hier die Posaunen des Weltgerichts oder ist am Ende doch wieder nur das Wetter schuld? In jedem Fall kann es vielleicht nicht schaden, sich schon einmal mit ausreichend Ohropax einzudecken. Für alle Fälle. Denn wie es scheint, wird es in Zukunft noch ein ganzes Stück lauter werden auf unserem Planeten.

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Es war wie eine einzige Selbstfindungs-Orgie, wobei es nicht nur um Sex und Drogen ging. Die ganze Lebensweise war ein Experiment – auch in der Kunst oder der politischen Ausdrucksweise wurden bisher unbekannte Wege beschritten. Die Mittel, mit der Jugendliche ihre Missbilligung der Regierungspolitik demonstrierten, nahmen völlig neue Ausdrucksformen an. Den größten Konsens stellte dabei die Ablehnung des Vietnam-Krieges dar, "Make love, not war" wurde eine der bekanntesten Slogans jener Zeit. Der Brennstoff für die revolutionäre, alle Regeln ignorierende Haltung vieler Jugendlicher war eine Mischung aus Politik, Wirtschaft und Generationenkonflikt - der Auslöser dagegen war LSD, jene bewusstseinserweiternde Substanz, deren Popularität Ende der 60er Jahre ihren Zenit erreichte. Mit der Zeit entstanden verschiedenste Gruppen, die außergewöhnliche Pläne verfolgten - eine davon waren die "Diggers". Diese hatten es sich zunächst zur Aufgabe gemacht, allen bedürftigen Menschen ausreichend Nahrung zu geben. Zu diesem Zweck veranstalteten sie riesige, öffentliche Grill-Gelage mit Fleisch, das sie von LKWs oder aus Lagerhäusern entwendeten. Doch "Essen für alle!" war nur der Anfang, bald entstanden auch preiswerte Wohn-Kommunen, da die Mehrzahl der "Brüder und Schwestern" ständig auf der Durchreise waren und eine feste Wohnung von vielen als gar nicht mehr zeitgemäß angesehen wurde. Mit der Zeit gab es auch Läden der Diggers, in denen sich Aussteiger kostenlos einkleiden konnten und jeden Mittwoch kamen Medizinstudenten zum "Diggers-Freestore" wo sie ebenfalls kostenlos - Sprechstunden für jedermann anboten. So entstand mit der Zeit viel mehr als nur eine revolutionäre Jugendbewegung - es entstand eine alternative Gesellschaft. Diese freie Gesellschaft war absolut un-materialistisch, was jedoch nicht heißt, dass sie anti-materialistisch war. Haight Ashbury war im Herbst 1966 ein halb-autonomer, psychedelischer Stadtstaat mit einem ganz eigenen Lebensstil, einer eigenen Kultur und sogar eigenen Zeitungen. Es war eine Alternative zur konventionellen Gesellschaft, eine, die Konformität durch Kreativität ersetzte, Repressionen durch emotionale oder sexuelle Freiheit und Krieg durch Liebe und Frieden. Eine Zeit lang existierte die Welt von Haight Ashbury relativ friedlich neben der konservativen Gesellschaft, bevor Ronald Reagan im November 1966 überraschend den amtierenden Gouverneur Kaliforniens ersetzte. Kurz darauf erklärte er das Viertel zu einer "Quelle des Übels" und sagte über seine Bewohner: "Sie kleiden sich wie Tarzan, haben Frisuren wie Jane und riechen wie Chee-Tah!" Fortan stand Haight Ashbury im Mittelpunkt des weltweiten Interesses. Dabei konzentrierten sich die großen Massenmedien fast ausschließlich auf die skurril-verrückten Aspekte des Ganzen - insbesondere auch auf Fotos von hübschen, halbnackten Hippiemädchen. Die dahinter entstandene Philosophie der Hippie-Bewegung wurde dagegen so gut wie nie reflektiert. Im Frühling 1967 war die Flower-Power-Bewegung im vollen Gange, es ging vor allem darum, seine Missbilligung gegenüber dem "American way of life" auszudrücken und sich von den Idealen und Lebensweisen der Eltern möglichst energisch abzugrenzen. Mit dem 5-Sterne-General Eisenhower im weißen Haus sowie Selbstaufopferung und Gehorsam auf dem Dienstplan wurde das Land von "Freiheit und Demokratie" immer mehr zu einem Ort der Bürokratie, Reglementierung und Konformität. Es gab nur eine einzige Möglichkeit, Karriere zu machen: Man musste tun, was einem gesagt wurde ohne dumme Fragen zu stellen oder moralische Zweifel zu äußern. Dagegen machte sich Unmut breit, man suchte nach Alternativen, die es einem erlaubten, anders zu leben und sich trotzdem wohl dabei zu fühlen. Von Florida bis Seattle entstanden immer mehr kleine Ableger von Haight Ashbury, gleichzeitig hatten sich psychedelische Szenen gebildet, die viele Möchtegern-Revoluzzer magisch anzogen. Im New Yorker "East Village" war man beispielsweise künstlerisch-intellektuell, bald dominierten hier Drogen wie Speed oder Heroin die Szene. In Los Angeles zog es die Blumenkinder in die Clubs des Sunset-Strips, wo sie Schulter an Schulter mit Filmstars oder Hollywood-Bossen abfeiern konnten. In San Francisco selbst wurden die Hippies zu einem regelrechten Tourismus-Magneten. Viele der neugierigen Besucher fuhren mit verriegelten Autotüren und hochgekurbelten Fenstern durch Haight Ashbury wie durch einen Wildtier-Park. Für viele Touristen waren die Hippies ganz einfach ein Haufen Verrückte, die allerdings ganz hübsch anzuschauen waren und daher ständig fotografiert wurden.

Ab dem 5. April 1967 bot die Grayline-Busgesellschaft die erste "Hippie-Hop-Tour" in den Haight-Distrikt an - sie bewarben ihr Angebot als "eine Safari durch Psychedelphia" und "die einzige Auslandsreise innerhalb der Vereinigten Staaten". Das kam bei den Hippies natürlich nicht besonders gut an und sie begannen sich zu wehren. Sie hielten Busse an und verlangten Eintrittsgeld, bevor die Touristen durch „ihr“ Viertel gehen durften - das wiederum lieferte der Polizei den willkommenen Anlass, nun endlich einmal aufzuräumen und die Straßen von diesem bunten Pack zu "säubern". Es kam zu zahlreichen Verhaftungen und die Szene wurde von der Straße in ein weniger sichtbares und nun zum Großteil privates Umfeld gedrängt. Doch das Schlimmste kam erst noch in Form von immer mehr Jugendlichen aus allen Teilen des Landes, die glaubten, in Haight Ashbury ihren ganz persönlichen Traum von Liebe, Frieden und Harmonie ausleben zu können. Viele der Zugereisten hatten alle Brücken hinter sich abgebrochen und waren weitgehend mittellos. Sie kamen in Haight Ashbury an, völlig pleite und ohne irgendeine Verdienstmöglichkeit in Sicht und fanden auf den Straßen kaum noch Liebe, Frieden oder Harmonie. Auch hier galt das gnadenlose Gesetz des Stärkeren, gestrandete Jugendliche wurden oft regelrecht ausgeplündert. Junge Mädchen waren dabei besonders betroffen. Viele erlitten ein trauriges Schicksal - nicht nur wegen dem freiwilligen und oft wahllosen Sex, den sie hatten. Es gab Zuhälter, die gezielt junge obdachlose HippieMädchen ansprachen, einlullten und schließlich dazu zwangen, für sie anschaffen zu gehen. Nichtsdestotrotz stieg die Anzahl der in Haight Ashbury campierenden Ausreißer schließlich auf über 100.000 und die ehemals blühende alternative Gemeinschaft des Viertels zerbrach endgültig unter der Last der unzähligen Jugendlichen, die weder wussten wohin noch was sie mit sich anfangen sollten. Oft erschien da die Flucht in den Rausch als einzige Möglichkeit. Doch auch die Drogen hatten sich geändert, plötzlich gab es Amphetamine und Heroin an jeder Ecke und Zahl der Süchtigen stieg unaufhaltsam an. Dennoch - die Bewegung war immer noch sehr lebendig und hatte sich bereits neu orientiert. Plötzlich machten nämlich die Beatles bei den Hippies mit und hatten mit "Sgt. Peppers Lonely Hart's Club Band" das vielleicht größte Meisterwerk der psychedelischen Ära geschaffen. Während sich die Beatles ihre Haare wachsen ließen und sich immer bunter kleideten, bekam die mittlerweile weltweite Bewegung einen neuen Schub. Die "Fab Four" hatten eine Vorliebe für Indien und spirituelle Kultur entwickelt. Insbesondere George Harrison verfiel einem indischen Guru, der nicht unumstritten war, da er sich seine spirituellen Dienstleistungen stets gut bezahlen lies. Dafür versprach er aber auch kosmisches Bewusstsein sowie einen Zustand höherer Erkenntnis und Kreativität - und das ganz ohne Drogen. Sehr bald schon praktizierten die Beatles, Donovan und andere langhaarige Musikstars den besonderen Yoga-Ansatz des Maharischi - dieser war damals auch als "transzendale Meditation" - oder kurz "TM" - bekannt. Für eine Zeit waren Popstars die Schüler eines selbsternannten Gurus und sorgten damit für ein enormes weltweites Interesse an indischer Spiritualität, die fortan zu einem festen Bestandteil der sich immer weiter entwickelnden Hippie-Kultur wurde. Es sollten noch viele Gurus, Swamis oder Schamane folgen. Die Leidenschaft für das Mystische war schon immer Teil der Bewegung gewesen, sie war eine Reaktion auf die steife, leidenschaftslose Religiosität der Elterngeneration. Diese hatte ein spirituelles Vakuum gebildet, in welchem sich nun viele junge Menschen auf die Suche nach neuen Wegen machten. Dabei wurden die meisten mystischen Verirrungen der Hippies eher als harmlos oder sogar ganz charmant betrachtet. Einige Rockstars dagegen - die von Ruhm, Drogen und Sex übersättigt waren - fühlten sich zu schwarzer Magie hingezogen. Der Doors-Sänger Jim Morrison taugt hier als populäres Beispiel dafür, wie Okkultismus und schwarze Magie plötzlich schick und akzeptabel wurden. Plötzlich gab es eine Satanskirche und religiöse Sekten, die mit klassischer Religionsausübung kaum noch etwas zu tun hatten. Dennoch war der soziokulturelle Einfluss nachhaltig - ohne diese Entwicklung gäbe es heute sicherlich keine "Gruftis", "Wave" oder "Gothic"-Fans. Im Frühjahr 1968 entstand ein ganz neuer Trend innerhalb der HippieBewegung. Tausende ließen sich in ländlichen Gebieten nieder und gründeten gemeinsame Landkommunen. Sie wollten der Natur wieder nahe sein und dem politischen System entkommen, sie waren der Meinung, dass die steife, konventionelle Gesellschaft die eigentlich Ursache für Krieg und Kriminalität sei. Auf dem Land wollten sie nun ihre eigenen Ideale verwirklichen. Obwohl die Kommunen zum Teil recht unterschiedliche Lebensweisen vertraten, versuchten doch die meisten, das gezwungenermaßen materielle Leben durch ein spiritu-

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elles auszugleichen. Im Grunde genommen lebten viele Hippies wie die ersten Christen, denn sie folgten Geboten wie "Was du nicht willst, dass man dir tut, das füge auch keinem Anderen zu" und arbeiteten hart an der Verwirklichung ihrer Pläne, die gemeinsame Kommune immer mehr auszubauen und so immer lebenswerter zu machen. Viele empfanden es als positive Erfahrung, den ganzen Tag körperlich zu arbeiten und alles miteinander zu teilen. In vielen Kommunen wurden auch die Sexualpartner geteilt, was aber mit der Zeit zu immer tiefgreifenderen Problemen führte. Auch viele Hippies waren in Sexfragen durchaus besitzergreifend oder eifersüchtig, zudem wurde auch unterschätzt, wie schwierig mit der Zeit das einfache Leben sein konnte. Die ewig gleichen Leute - Tag für Tag - konnten sich auch ganz schön auf die Nerven gehen. Nur wenige blieben auf Dauer. 1968 standen die Vereinigten Staaten am Rande des absoluten Chaos nach einen halben Jahr voller Katastrophen. Im Januar waren über 2.000 US-Soldaten in der TED-Offensive gefallen, was der öffentlich propagierten Annahme der Armeeführung entgegenstand, die behaupteten, eine baldiges erfolgreiches Ende des Vietnamkrieges wäre in Sicht. Im April wurde Martin Luther King in Memphis erschossen, in der Folge darauf kam es zu den schlimmsten Aufständen und Rassenunruhen seit dem amerikanischen Bürgerkrieg. Im Juni wurde

dann auch noch der politische Hoffnungsträger und "Friedenskandidat" Robert Kennedy - Bruder des ebenfalls ermordeten John F. Kennedy - regelrecht hingerichtet. Die gesellschaftliche Atmosphäre war verrückt und vergiftet. Die Frage, ob man für oder gegen den Vietnamkrieg sei, spaltete das Land und führte zu immer gewalttätigeren Ausschreitungen. Die Hippies waren geschlossen auf Seiten der Kriegsgegner und unterstützten auch aktiv die Bürgerrechtsbewegung. Dennoch gab es viele Diskrepanzen zwischen ihnen und anderen Gruppen der eigenen Seite. Einige Linksradikale hatten sogar die Theorie aufgebracht und verbreitet, die Hippies wären ein Instrument der CIA und hätten die Aufgabe, die Antikriegsbewegung mit LSD lahm zulegen und revolutionäre Demonstranten in selbstverliebte Tagträumer zu verwandeln. Doch die Hippies hatten ihren Traum von Liebe und Frieden noch nicht aufgegeben - ganz im Gegenteil, sie verkündeten ihre Philosophie bei allen Gelegenheiten. Das vielleicht Interessanteste am politischen Engagement der Hippies war, dass sie Humor und Leichtigkeit in politische Debatten einbrachten - derartiges hatte es in der linken Protestbewegung zuvor noch nicht gegeben. So kam es auch zu dem spektakulären Versuch einer "Teufelsaustreibung" - 50.000 Menschen zogen im Sommer 1968 durch Washington und umstellten schließlich das Pentagon, um es durch gemeinsames Schreien und verschiedenste Rituale vom Einfluss des Bösen zu befreien. Leider vergeblich, doch viele Menschen erlebten dabei, dass politischer Protest auch Spaß machen kann. Den Durchschnittsamerikanern dagegen machten derartige Aktionen weniger Spaß, sie wünschten sich mittlerweile nur noch eins: Zucht und Ordnung. Der Mann, den sie dafür wählten, war der Republikaner Richard Nixon. Er war bereit, die Hippie-Bewegung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen - im Januar 1969 wurde er der 37. Präsident der USA. Eine seiner ersten

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Amtshandlungen war, eine geheime FBI-Aktion gegen "Staatsfeinde in Amerika" zu genehmigen. Auf der langen Liste der Gesuchten standen viele verschiedene Organisationen und Gruppen, die sich aus der Hippie-Bewegung entwickelt hatten. Immer repressivere Gesetze passierten den Kongress und viele verdeckte Ermittler wurden in HippieKommunen eingeschleust, um an persönliche Informationen zu gelangen. Diese FBI-Agenten hatten zudem die Aufgabe, bei öffentlichen Protestveranstaltungen Übergriffe oder Tumulte zu provozieren, um so dem Ansehen der Hippie-Bewegung zu schaden. Als Vorbereitung für diese Einsätze mussten die Agenten - staatlich verordnet mehrfach LSD nehmen und durften sich zudem oft tagelang nicht waschen. Dennoch stieg der Einfluss der Hippies - auch ohne großen Rückhalt bei der schweigenden Masse - stetig an. Schon damals zeigten selbst die staatlichen Statistiken, dass immer mehr Durchschnittsbürger illegale Drogen nahmen - meistens Marihuana. Banker, Ärzte und sogar Polizisten ließen sich längere Haare wachsen und der Handel mit Perücken und falschen Bärten florierte wegen all denen, die morgens sauber und rasiert zur Arbeit gingen, am Wochenende aber Hippiemäßig und wild aussehen wollten. Es hatte nichts mehr mit einer bestimmten Einstellung zu tun, wenn man lange Haare trug - es war

einfach eine freche Mode. Männer trugen plötzlich viel zu enge Hemden, Ketten, Pelze oder Handtaschen. Die Frauen trugen nun oft psychedelische Muster und verzichteten auf ihre BHs. Auch das Show-Geschäft wurde nachhaltig beeinflusst, zu einem der größten Erfolge wurde das Broadway-Musical "Hair", dem es gelang, die Botschaften der Hippies einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Auch für das Kino wurden mittlerweile Pro-Hippie-Filme gemacht, in ihnen gab es meistens jede Menge psychedelisch inspirierte Spezialeffekte und leicht bekleidete Hippie-Mädchen in zu sehen. Einer dieser Filme war "The Trip" - Peter Fonda und Dennis Hopper spielten die Hauptrollen nach einem Drehbuch von Jack Nicholsen. Obwohl der Film von Kritikern fast durchweg verrissen wurde, war er an den Kinokassen ein großer Erfolg - daher gab es auch für den nächsten Film des Trios grünes Licht, bei dem Dennis Hopper nun auch die Regie führen sollte. "Easy Rider" spielte über 50 Millionen Dollar ein, gewann den Nachwuchspreis für Regie in Cannes und veranlasste Hollywood, sich fortan um Drehbücher zu schlagen, in denen es um die Gegenbewegung der Hippies ging. Den größten Profit zog jedoch die Musikindustrie aus dem medialen Hippie-Trend. Es hatten sich viele neue Musikrichtungen entwickelt, insbesondere "Acid-Rock" traf genau den Nerv der Zeit und ermöglichte besonders viele goldene Schallplatten. Auch die Besucherzahlen von Live-Konzerten und Open-Air-Festivals schossen nun in die Höhe. Doch während die Woodstock-Besucher im August 1969 dem Staat New York die Macht der Liebe verdeutlichten, bekam Kalifornien eine Lektion in ungeahnter Grausamkeit erteilt. In einer prunkvollen Beverly-Hills-Villa wurden fünf verstümmelte Leichen gefunden, unter ihnen befand sich auch die schwangere Ehefrau des Regisseurs Roman Polanski. Im Oktober 1969 fasste die Polizei schließlich den Mann, den sie hinter diesen Morden und einer Vielzahl anderer abscheulicher Verbrechen vermu-



tete. Es war ein langhaariger Liedermacher, Kommunenanführer und ehemaliger Bewohner von Haight Ashbury - Charles M. Manson. Für die konservative Presse war das natürlich ein gefundenes Fressen derartiges könne eben leicht passieren, wenn man freie Liebe und Drogen propagiere. Am Ende würde man in die Häuser braver Bürger einbrechen und diese im Blutrausch zerstückeln. Die Presse stellte die Manson-Morde geradezu als ein Sinnbild für die späten 60er Jahre dar und viele HippieKommunen reagierten verunsichert und vermuteten eine Verschwörung der Regierung und Geheimdienste. Doch die Beweislast wuchs ständig an und bald mussten auch die letzten Verschwörungstheoretiker einsehen, dass auch ein langhaariger Kommunarde ein psychopathischer Massenmörder sein kann. Zusammen mit ihrem moralisierenden Image verlor die Bewegung nun auch viele ihrer Helden. 1970 lösten sich die Beatles auf, andere HippieIkonen hatten ihren Abtritt von der Bühne nicht selbst geplant. Im September 1970 starben Jimi Hendrix und Janis Joplin an einer Überdosis Drogen, nur wenig später auch Jim Morrison. Die Presse trauerte zwar etwas um die Idole, doch nachdem Hippies bereits als mögliche Massenmörder a la Manson dargestellt wurden, kam nun auch noch das Bild des lebensmüden Drogenjunkies dazu. Eine herausragende Ära der Musikgeschichte ging so zuende, fast parallel dazu hatte auch der Vietnamkrieg ein Ende gefunden. Desillusioniert, ihrer Helden beraubt und ohne den Krieg, gegen den sie gemeinsam protestieren konnten, wurde es für viele Anhänger der Bewegung Zeit, zu ihren Wurzeln und damit oft auch nach Hause zurückzukehren. Nach fünf aufregenden Jahren der Bewegung schien der Traum nun ausgeträumt - oder doch nicht? Am 22. April 1970 versammelten sich landesweit 22 Millionen Menschen, um den ersten überregionalen "Earth Day" zu feiern. Seit dem steht auch die Umwelt auf der politischen Agenda der US-Regierung - bis heute. Der erste landesweite "Earth Day" war auch die Geburtsstunde vieler verschiedener Umweltschutzorganisationen, die sich fortan rasant weiterentwickelten. Entstanden war der Feiertag in San Francisco und aus dem damaligen Trend heraus, gemeinsam aufs Land zu ziehen, um dort in Kommunen zusammen zu leben. Viele Landkommunenhippies glaubten an die Vorraussagung einer ökologischen Katastrophe, was mit der Veranstaltung des "Earth Day" zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die heute 30 Milliarden schwere Bio-Lebensmittelindustrie, der wachsende Raum für Selbstverwirklichung, alternative medizinische und spirituelle Praktiken, die Bewegung der Naturschützer ebenso wie die der Homosexuellen und die der Feministinnen - all diese Entwicklungen konnten nur entstehen, weil die Hippies die Wertewelt Amerikas weitgehend beeinflussten und nachhaltig veränderten. Sie hatten die Grenzen der Kultur unwiderruflich aufgebrochen. Ihren größten Einfluss auf die Zukunft hatten die Hippies jedoch nicht im kulturellen, sondern im technologischen Bereich. Im April 1977 präsentierten Steve Jobs und sein Partner Steve Wozniak den Apple II - den ersten käuflich zu erwerbenden Personal Computer. Über ihre anfänglichen Motive sagte Wozniak später: "Unser Grundgedanke war, die Machtstrukturen der Reichen zu zerstören und den Individuen wieder mehr Macht zu verschaffen. Dabei war Steve damals viel mehr Hippie als ich. Er trug Sandalen, aß Samen und flog nach Indien, um im Ganges zu baden. Er versuchte, das Hippie-Phänomen zu ergründen, während er gleichzeitig hart an seiner Karriere arbeitete." Der PC revolutionierte die Welt von Grund auf. Auch die nächste revolutionäre Technologie wurde von einem High-Tech-Hippie erfunden. Stuart Brandt war ein Schützling der Hippie-Ikone Ken Kesey und Mitverfasser des "Whole Earth Catalog", der Ende der 60er Jahre zur Bibel vieler Kommunen wurde. In den 80er und 90er Jahren war Stuart Brandt maßgeblich an den Ideen und Entwicklungen beteiligt, die schließlich zum "World Wide Web" führten. Das Internet gab einfachen Menschen etwas von der Informationsmacht zurück, die sich mächtige Institutionen und großen Firmen längst angeeignet hatten. Es war in vielerlei Hinsicht eine logische Konsequenz der Philosophie und der Ideale der Hippie-Bewegung. Vielleicht war der Niedergang der Hippies als Massenbewegung unvermeidlich, nichtsdestotrotz hat ihr Widerstand gegen den gesellschaftlichen Status Quo die Wertetabelle einer ganzen Generation auf den Kopf gestellt und in Folge dessen einer unvergleichlichen Innovationswelle den Weg geebnet.

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