Sind reinkarnation und christlicher glaube

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Sind Reinkarnation und christlicher Glaube miteinander vereinbar? In unserer Zeit glauben immer mehr Menschen an die Reinkarnation. Sie sind davon überzeugt, daß der Mensch nach einem Aufenthalt im Jenseits immer wieder auf die Erde zurückkehrt. Ursache dafür sei die karmische Notwendigkeit. „Karma", ein Sanskrit-Begriff, hat die Bedeutung von „tun", „handeln" und meint hier die Wirkung, die Folge eines Tuns. Ist das Handeln eines Menschen dieser Welt verhaftet, sei es durch Begierden, Haß und so weiter, drängt die eigene Seele nach dem Tod zur Rückkehr in diese Welt. Erst dann, wenn in einem Erdenleben alle Verhaftungen gelöst, wirkliche Losgelöstheit erreicht wurde, ist eine Rückkehr in diese Welt nicht mehr notwendig. Sie kann aber weiterhin freiwillig erfolgen, um anderen Menschen bei der Loslösung zu helfen. Gute Taten schaffen nach dem Glauben der Reinkarnationsanhänger bessere Schicksalsvoraussetzungen in den folgenden Erdenleben, während schlechte Handlungen entsprechend negative Bedingungen verursachen. Nach Ansicht vieler Theologen (Frei, Küng, Aichelin, Hummel und andere), die sich mit der Reinkamationsproblematik auseinandergesetzt haben, seien Christentum und Reinkarnation unvereinbar. Diese Auffassung kann ich nicht teilen. Sie steht meines Erachtens auf sehr schwankenden Füßen. Im Rahmen eines Aufsatzes kann ich natürlich nicht auf die sehr divergierenden Argumente der Reinkamationsgegner Im theologischen Lager eingehen. Vielmehr möchte ich skizzenhaft aufzeigen, daß die Reinkarnationsthematik keinen Widerspruch seitens der Bibel erfährt, ja ihr sogar implizit zu sein scheint.

Herkunft der Seele klären Von entscheidender Bedeutung für die Frage nach der Wiederverkörperung (Reinkarnation) ist die Frage nach der Herkunft der Seele. Der Kreatianismus, von der katholischen Kirche als verbindlich gelehrt, besagt, daß Gott jede einzelne Seele aus dem Nichts erschaffe und mit den durch Zeugung verschmolzenen elterlichen Zellen verbinde. Der Traduzianismus (oder auch „Generatianismus" genannt) lehrt die Leib-Seele-Einheit und leistet damit der Ganztodtheorie Vorschub. Die Seele entstehe durch die Zeugung und vergehe zumindest nach der Ganztodtheorie - mit dem Tod. Dieser Materialismus hat meiner Meinung nach keinerlei biblischen Rückhalt. Für unsere Fragestellung kommt deshalb nur der Kreatianismus in Betracht. Unverständlich bleibt bei dieser Anschauung allerdings, was Gott veranlassen könnte, einmal gute und schöne Seelen zu schaffen und ein andermal offensichtlich böse und mißgebildete?! Es ist ja eine offensichtliche Tatsache, daß Menschen mit geistig-seelischen Defekten geboren werden und herausragende psychische Eigenschaften (zum Beispiel Autismus) schon im Kleinkindalter auftreten. An der Ratlosigkeit gegenüber solchen Fragen und denen nach dem schicksalhaften Umfeld scheiterte bisher jegliche Theodizee. Ganz anders wird es, wenn man klar zwischen der Vollkommenheit Gottes und des Menschen Verderbtheit unterscheidet. Dann ist es allerdings unmöglich,


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