Masterthesis Architektur | Theorie | Die Grenze

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Die Grenze VON DER LINIE ZUM RAUM



Die Grenze VON DER LINIE ZUM RAUM

MASTERTHESIS ARCHITEKTUR

Tanja Fuchs BETREUUNG

Prof. Dr.-Ing. Andreas Schwarting HOCHSCHULE

HTWG Konstanz Fakultät Architektur und Gestaltung DATUM

Februar 2020



Vorwort

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Die Grenze in der Architektur

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Wahrnehmungstheorien in der Architektur Raumwahrnehmung Grenzwahrnehmung

Architektonische Elemente der Grenze

10 11 19

Bauliche Grenzen Öffnung der Grenze Räumliche Grenzen Auflösung der Grenze

26 27 30 35 49

Der Ortsbezug in der Architektur

53

Genius Loci

Ort und Landschaft Ort und Architektur

Grenzraum

Bayern und Böhmen Grünes Band

Grenzort Silberhütte Schutzhaus

Intervention Die Silberhütte

54 55 60

62 63 69

70 71 88

101

Vom Grenzort zum Schwellenraum

102 103

Quellenverzeichnis

138


Das Phänomen der Grenze und die Architektur sind unzertrennlich miteinander verbunden. Der Akt des Begrenzens ist die archetypische Handlung des Bauens. Ohne Grenzen kein Territorium, ohne Territorium keine Architektur.1 VORWORT

Matthias Sauerbruch

6


Innen, außen, dazwischen. Durch das Ziehen von Grenzen können Bereiche differenziert werden und gewährleisten eine räumliche Orientierung. Im Alltag tritt der Begriff in vielen Situationen des menschlichen Lebens auf. Zu Beginn steht meist die Assoziation der räumlichen Abtrennung, die eine Schutzfunktion erfüllt, als auch Eigentumsverhältnisse klarstellt. Diese mehrdeutige Eigenschaft zeigt sich auch im Sicherheitsgefühl auf der einen Seite, das durch eine Umgrenzung hergestellt wird sowie durch die Einschränkung der Freiheit andererseits, die parallel dazu eintritt.2 Ebenso ist die zeitliche Begrenzung allgegenwärtig. Nicht nur der Tag findet sein Ende mit dem Einbruch der Dunkelheit, auch unsere Lebenszeit ist endlich - jedoch nur, solange man von einer subjektiven Empfindung ausgeht. Betrachtet man das menschliche Leben im Kollektiv, so schreibt der Kommunikationswissenschaftler Vilém Flusser in seinem Essay „Räume“: „Damit [ist] die Grenze des Lebensraums (wie der Lebenszeit) der Tod, aber nur der eigene; andere überleben mich und werden wieder von anderen überlebt, also ist der gemeinsame Lebensraum unendlich und die gemeinsame Lebenszeit ewig.“3 Psychologisch betrachtet grenzt sich das menschliche Individuum mit dem Begriff „Ich“ vom kollektiven „Wir“ ab, es nimmt sich aus einem großen Ganzen heraus, um seine eigenständige Identität zum Ausdruck zu bringen. Das bezeichnen des „Ich“ setzt ein „nicht Du“ voraus, also eine Andersartigkeit des Einzelnen.4 Dieses Bedürfnis nach Differenzierung geht in der Soziologie mit der Diskriminierung von Einzelnen sowie Gemeinschaften einher, dem Wortursprung zufolge das „Trennen, Absondern“5 von einer Gruppe.

»Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache mit räumlichen Wirkungen.«6

1 Sauerbruch, Matthias (Hrsg.): Über die Grenze, Berlin 1998 (ISA Buch 3), S. 30. 2 Vgl. Bollnow, Otto Friedrich: Mensch und Raum, Stuttgart 1990, S. 155. 3 Flusser, Vilém: Räume (1991), in: Dünne, Jörg (Hrsg.): Raumtheorien. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M. 2006, S. 275. 4 Vgl. Ausführungen vom Religionsphi- losophen Martin Buber bzgl. der Dialektik der Ich-Du-Beziehung des Menschen zu seiner Umgebung, in „Ich und Du“ aus dem Jahr 1923. 5 www.duden.de, 25.11.2019. 6 Aussage des Philosophen Georg Simmel zu der Soziologie des Raumes.

Das Ziehen von Grenzen bezeichnet also das Ureigenste des Menschen. Grenzen können jedoch nicht nur Trennen und Teilen, sie beinhalten auch die Ambivalenz des Verbindens und die Möglichkeit der Überschreitung. Grenzerfahrungen werden dort gemacht, wo physische oder psychische Grenzen (annähernd) überschritten werden, eine Gratwanderung zwischen den Extremen. In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf das Phänomen der räumlichen Begrenzung gelegt. Von der theoretischen Wahrnehmung und dem individuellen Raumerlebnis über die Darstellung architektonischer Begrenzungselemente und die Analyse von historischen Beispielen wird eine Entwurfsmethodik formuliert, um die räumliche Entwicklung an einem grenznahen Ort identitätsstiftend wider zu spiegeln.

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VORWORT

Grenzen


8


Die Grenze in der Architektur

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THEORIEN DER WAHRNEHMUNG IN DER ARCHITEKTUR

»Raum im Sinne der Architektur [muss] als kontinuierliches Medium begriffen werden, welches auf der Wahrnehmungsebene unterscheidbar ist in Körpermasse und Leere.«7 Bernhard Hoesli

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Raumwahrnehmung Universeller Raum

Architektonischer Raum Architektonischer Raum

ung

Raumkontinuum

emente grenzen Raum ab und erfahrbar.

Raumdefinierendes Element nimmt durch sein Volumen selbst Raum ein, durch seine räumliche Verdrängung nehmen wir den Raum wahr. Seine Körperhaftigkeit in Bezug auf unsere körperliche Existenz macht Raumkontinuum Raum erfahrbar.

Hoesli, Bernhard, in: Rowe, Colin; Slutzky, Robert: Transparenz, Basel Boston Berlin 1997, S. 90. 8 Vgl. Hoesli in: Rowe 1997, S. 89. 9 Ebd. S. 89. 10 Vgl. ebd. S. 90 f. | Masse 11Körper Vgl. Jöchner, Cornelia: Wie kommt Bewegung in die Architekturtheorie? Zur RaumDebatte am Beginn der Die Körper befinden sich so nahModerne, in: www.cloud-cuckoo.net, Online-Version der Zeitschrift wolkenkuckucksheim, 9. Jg. (2004), Heft 1, Gebaute Räume. Zur beieinander, dass kein Zwischenraum kulturellen Formung vonkann Architektur und Stadt, S. 2. mehr wahrgenommen werden 12- sehr Gemeint ist hier immer ein nicht rein visuell betrachtender Rezipient, sondern ein große Dichte mit allen Sinnen wahrnehmendes und sich bewegendes Subjekt. 13 Hoesli, in: Rowe 1997, S. 91.

GRENZFÄLLE DER RAUMWAHRNEHMUNG Leere

RAUMDEFINITIONENA RAUMDEFINITIONEN

LLE DER RAUMWAHRNEHMUNG

Raumabgrenzung Raumabgrenzung

Der Zwischenraum ist so groß, dass die Körper nicht mehr in Beziehung gesetzt werden können - sehr geringe Dichte

Raumdefinierende Elemente grenzen Raumdefinierende Elemente grenzen universellem Raum TeilTeil vonvon universellem Raum ab ab undund machen dadurch erfahrbar. machen ihnihn dadurch erfahrbar.

GRENZFÄLLEDER DERRA RA GRENZFÄLLE

Abb. 1. Raumwahrnehmung

7

11

RAUMWAHRNEHMUNG

Universeller Raum Universeller Raum

Teilbereich universellen Raumes, Teilbereich desdes universellen Raumes, vom Menschen durch derder vom Menschen durch Begrenzung definiert wird Begrenzung definiert wird

RAUMBEGRIFF RAUMBEGRIFF

mathematisch-physikalischer Raum mathematisch-physikalischer Raum allumfasend, nicht greifbar, immer allumfasend, nicht greifbar, immer da da

RAUMWAHRNEHMUNG RAUMWAHRNEHMUNG

Raum im Allgemeinen wird bereits in der Antike vom griechischen Philosophen Platon begriffen als etwas, das allgegenwärtig ist, uns allseitig umgibt, immer und überall vorhanden und nicht greifbar ist.8 In seinem Kommentar zu „Transparenz“ von Colin Rowe und Robert Slutzky umschreibt der Schweizer Architekt Bernhard Hoesli den Raum als „die universelle Natur, die alle Körper umfängt und niemals eine Form annimmt“9. Außerdem führt Hoesli den Naturwissenschaftler Isaac Newton auf, der mit seiner Berechnung des mathematisch-physikalischen Raumes eine weitere Grundlage zur Definition des Raumbegriffs liefert. Architektonischer Raum Der Architektonische Raum, dessen Begrifflichkeit seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts wieder vielfach diskutiert wird, entsteht dadurch, dass der Mensch einen Bereich aus dem großen Ganzen des universellen Raumes abgrenzt, also einen Teilbereich definiert. Dieser Ausschnitt aus dem mathematisch-physikalischen Raum wird durch zwei verschiedenartige Beschreibungen dargestellt.10 In beiden wird bereits der Zusammenhang von der menschlichen Wahrnehmung im Verhältnis zum Raum deutlich. RAUMDEFINITIONEN ARCHITEKTUR In der ersten Auffassung grenzen raumdefinierende Elemente (Wände /Raumkontinuum Decke / Boden) einen Teil aus dem universellen Raum aus und maRaumabgrenzung chen dadurch ein Empfinden und Dazwischen mögRaumdefinierende Elemente grenzen Raumdefinierendes Element nimmt durchvon seinInnen, Volumen Außen selbst Raum Teil von universellem Raum ab und ein, durch seine räumlicheDefinition, Verdrängung nehmen den Raum auf das, im architektolich. In der zweiten welchewirdeutlicher machen ihn dadurch erfahrbar. wahr. Seine Körperhaftigkeit in11Bezug auf unsere körperliche Existenz nischen Raumdiskurs eingeführte betrachtende Subjekt12 eingeht, ist Raumbegrenzung macht Raum erfahrbar. ebenfalls von raumdefinierenden Elementen die Rede, diese nehmen allerdings durch ihr Volumen selbst Raum ein. Durch deren räumliche Verdrängung nimmt der Mensch den Raum wahr, die Körperhaftigkeit der Elemente in Bezug auf unsere körperliche Existenz macht Raum erfahrbar. Der Raum tritt als Kontinuum in Erscheinung, welches sowohl aus Masse, als auch aus Leere besteht. „Masse und Leere sind gleiFINITIONEN ARCHITEKTUR chermaßen beteiligt an einem Figur-Grund-Phänomen.“13


Wenn in dieser Arbeit in Zukunft von Raum die ner eckigen, und deshalb Erstere als angenehmer Rede ist, so ist stets der Architektonische Raum ge- empfunden wird. Die Form entwickelt sich bei ihm meint. Wo über Raum gesprochen wird, da kommt aus dem Stoff, dem Material heraus, so schreibt er in zwangsläufig auch die Frage nach der Raumbegren- seiner Dissertation über die Psychologie der Archizung auf. tektur: „In jedem Stoff lebt ein Wille, der zur Form In der Raumdebatte des 20. Jahrhunderts tritt der drängt […].“20 Außerdem „bestimmen“ die ProporKunsthistoriker August Schmarsow auf, der die Ar- tionen, sowie Symmetrien, die auch er vom Menchitektur als ganzheitliche Kunstform definiert. Er schen herleitet, „wesentlich den Charakter eines prägt den Begriff „Raumkunst“14 und grenzt sich da- Bauwerks.“21 mit vom Ingenieurbau ab, um nicht nur Fassaden In beiden Theorien wird die Begrenzung des Rauals Außenansichten zu gestalten, sondern die Archi- mes von verschieden Seiten wahrgenommen und sotektur im Ganzen von Innen heraus zu entwickeln.15 mit die Ambiguität der Raumbegrenzung deutlich. Dabei spielt der Betrachter eine essenzielle Rolle, da Schmarsow fokussiert die zum Innenraum zugeBaukunst lt. Schmarsow von innen gefühlt und nicht wandte Seite, Wölfflin die Außenwand, die Fassade, von außen betrachtet werden muss. Der Mensch wobei die Wahrnehmung stets durch das betrachträgt dabei die räumlichen Dimensionen in sich tende Subjekt geschieht. selbst: seine Höhenstreckung (aufrechte Stellung), seine Horizontalachse (ausgestreckte Arme) und seine Tiefendimension, wahrnehmbar durch den nach vorne gerichteten Blick und durch die Bewegung. GRENZWAHRNEHMUNG GRENZWAHRNEHMUNG Intuitiv begrenzt er sein Umfeld durch seine Proportionen. „Es ist der Geist, der sich den Körper baut im Subjekt im Schmarsow Subjekt Wölfflin Schmarsow Wölfflin […]“16, so stellt Schmarsow das betrachtende und Innenraum Außenraum Raum Raum entsteht von Innen Form, Raum heraus, entsteht von Innen heraus,Raum entsteht aus der entsteht aus der Form, schaffende Subjekt in den Mittelpunkt. Sobald derals Grenze wahrnehmbar Grenze als wahrnehmbar Grenze als wahrnehmbar Grenze als wahrnehmbar Betrachter sich im Außenraum befindet, das Bauwerk also von außen wahrnimmt, wird dieses zur starren Form, vergleichbar mit einer Plastik. Architektur als Gesamtkunst ist für Schmarsow also nur wahrnehmbar, wenn sich das sehende Subjekt im Inneren befindet, dort findet die Raumschöpfung statt.17 Sein geistiger Kontrahent ist Heinrich Wölfflin, der im Wesen der Architektur nicht den Raum, sondern die Form sieht und den Betrachter in den Außenraum stellt.18 Als Grundelemente der Architektur nennt er nicht den Raum, sondern Eigenschaften der Raumbegrenzung, wie Stoff und 14 Schmarsow, August: Das Wesen der architektonischen Form oder Schwere und Kraft, Empfindungen, Schöpfung, Leipzig 1894 (Antrittsvorlesung, gehalten in 19 der Aula der K. Universität Leipzig am 8. November 1893), die durch die Gravitation hervorgerufen werden. BAULICHE ELEMENTE ELEMENTE in:BAULICHE www.cloud-cuckoo.net, Offene Sammlung Theorie der Wölfflin fragt sich, wie Bauwerke (tektonische ForArchitektur. Keesser, Sina: Räume und Grenzen. Der Raumdiskurs in Decke Boden Decke Wand Boden men) einen Ausdruck haben können und Wand somit 15 Vgl. Architekturzeitschriften zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: beim Rezipienten eine Emotion erwecken. Dabei bearchimaera 5 „Grenzwertig“ (Juli 2013), S. 34 ff. schreibt er bildlich, dass beispielsweise dem Auge 16 Schmarsow 1894. Vgl. ebd. das Folgen einer welligen Form leichter fällt, als ei- 17 18 Vgl. Keesser 2013, S. 36. Abb. 2. Subjekt im Raum

RAUMWAHRNEHMUNG

RAUMDISKURS

12


RAUMWAHRNEHMUNG RAUMWAHRNEHMUNG RAUMERLEBNIS RAUMWAHRNEHMUNG RAUMWAHRNEHMUNG RAUMWAHRNEHMUNG Moholy-Nagy Moholy-Nagy

Raumfeld Raumfeld

GR G Raumbehälter Raumbehälter

RAUMWAHRNEHMUNG

Moholy-Nagy Moholy-Nagy Moholy-Nagy Raumfeld Raumfeld Raumfeld Raumbehälter Raumbehälter Raumbehälter Raumwahrnehmung ist bedingt durch SinneswahrDerDer Mensch Mensch trägtträgt die die drei dreidrei Raum Raum als Summe als als Summe der der nacheinander nacheinander Raum Raum als allseitig als als allseitig umschlossenes umschlossenes Der Mensch Der trägt Mensch die Der trägt Mensch die drei trägt die drei Raum Summe Raum als der Summe Raum nacheinander als der Summe nacheinander der nacheinander Raum allseitig Raum als umschlossenes allseitig Raum als umschlossenes allseitig umschlossenes nehmungen sowie in einem uns inne wohnenden Oriräumlichen räumlichen Dimensionen Dimensionen sich, in sich, Beziehungen Beziehungen zwischen zwischen Kontinuum räumlichen räumlichen Dimensionen räumlichen Dimensionen in sich, Dimensionen in sich, erfahrenen inerfahrenen sich, erfahrenen erfahrenen Beziehungen erfahrenen Beziehungen zwischenBeziehungen zwischen Kontinuum zwischen KontinuumKontinuumKontinuum durch durch ihn ihn wird wird der der Raum Raum erfahrbar erfahrbar Orten Orten entierungssystem, wodurch wirerfahrbar oben/unten, rechts/ durch ihn wird durch der ihn Raum wird durch erfahrbar der ihn Raum wird der Raum erfahrbar Orten Orten Orten links und vorne/hinten voneinander unterscheiden können. Je nach Herkunft und der persönlichen Erinnerungen des jeweiligen Betrachters kann das aus der Wahrnehmung resultierende Raumerlebnis ganz unterschiedlich empfunden werden.22 Subjektive Filter, die das Erlebnis stark beeinflussen können, sind beispielsweise Assoziationen, die durch Gerüche aufkommen und uns zu Erlebnissen aus der Kindheit zurückdenken lassen, wodurch in dem Einen vielleicht eine wohlige Wärme aufsteigt und ein Anderer wiederum von panischer Angst erfüllt wird.

RAUMERLEBNIS RAUMERLEBNIS RAUMERLEBNIS RAUMERLEBNIS RAUMERLEBNIS Realität Realität Wahrnehmung Wahrnehmung Erlebnis Erlebnis RealitätRealitätRealität Wahrnehmung Wahrnehmung Wahrnehmung ErlebnisErlebnisErlebnis

Abb. 3. Raumerlebnis

Geometrie Geometrie des desGeometrie subjektive subjektive Filterung Filterung sujektive sujektive Erlebnisräume Erlebnisräume Geometrie subjektive verschiedenartige Geometrie des Geometrie des subjektive des Filterung subjektive Filterung subjektive sujektive Filterung Erlebnisräume sujektive Erlebnisräume sujektive Erlebnisräume Raumes Raumes durch durch Erinnerung Erinnerung Raumes Raumes Raumes durch Erinnerung durch Erinnerung durch Erinnerung des Raumes Filter Erlebnisräume

19 Vgl. Wölfflin, Heinrich: Psychologie der Architektur, München 1886. 20 Wölfflin 1886. 21 Ebd. 22 Vgl. Joedicke, Jürgen: Raum und Form in der Architektur. Über den behutsamen Umgang mit der Vergangenheit, Stuttgart 1985, S. 9.

13

Leer Le

DerDe Zw dassdad Bezieh Be - sehr -s

RA R

Leer Le

innere inn äußere äu


»Architektur wird durchwandert, durchschritten. […] Ausgestattet mit seinen zwei Augen, vor sich blickend, geht unser Mensch, bewegt sich vorwärts, handelt, geht einer Beschäftigung nach und registriert auf seinem Weg zugleich alle nacheinander auftauchenden architektonischen Manifestationen und ihre Einzelheiten. Er empfindet innere Bewegung, das Ergebnis einander folgender Erschütterungen.«23 RAUMWAHRNEHMUNG

Le Corbusier

23 Le Corbusier: An die Studenten. Die "Charte d'Athenes", Hamburg 1962.

14


WAHRNEHMUNG

GRENZFÄLLE DER RAU Raumfeld

rägt die drei Dimensionen in sich, d der Raum erfahrbar

Raum als Summe der nacheinander erfahrenen Beziehungen zwischen Orten

s universellen Raumes, chen durch efiniert wird

Abb. 4. Raumfeld

onischer Raum

Raum als allseitig umschlossenes Kontinuum

Leere Der Zwischenraum ist so groß, dass die Körper nicht mehr in Raumdefinitionen finden sichwerden können Beziehung gesetzt - sehr geringe Dichte

Die zu Beginn von Hoesli beschriebenen auch beim Architekturtheoretiker Jürgen Joedicke ARCHITEKTUR wieder, der in seiRAUMDEFINITIONEN nem Buch „Raum und Form in der Architektur“ zwischen dem Raum Raumabgrenzung Raumkontinuum und der Raumbegrenzung unterscheidet.24 Einerseits entsteht Raum durch die Wahrnehmung des Menschen, andererseits durch seine Be-Element nimmt durch sein Volu Raumdefinierende Elemente grenzen Raumdefinierendes Teil von universellem Raum ab und ein, durch seine räumliche Verdrängung nehmen w grenzung, beispielsweise durch Flächen, Körper oder Formen. machen ihn dadurch erfahrbar. wahr. Seine Körperhaftigkeit in Bezug auf unsere kö 25 „Raum ist Lagebeziehung zwischen Körpern.“ - Wiemacht zuvor RaumLászló erfahrbar. Moholy-Nagy diesen Satz an den Ausgangspunkt seiner Raumdefinition setzt, so nimmt sich auch Jürgen Joedicke ein Beispiel daran und erklärt die Auffassung von Raum als Feld zwischen Körpern.26 Diese Annahme knüpft an das Verständnis von Masse und Leere als Raumkontinuum an. Je nach Standort des Subjekts verändern sich die wahrgenommenen Lagebeziehungen, die tatsächliche Lage bleibt jedoch gleich. Die Raumgeometrie wird hierbei durch die drei Raumkoordinaten ermittelt. Es gibt also einen Unterschied zwischen wahrgenommenen und gemessenen Distanzen zwischen Körpern. Solange die Körper statisch sind und auch das betrachtende RAUMDICHTE Subjekt einen festen Standort einnimmt, sind lediglich Teilausschnitte wahrnehmbar. Erst wenn Leere Raumfeld sich das Subjekt in Bewegung setzt, vereinen sich innere Dichte = 0 innere Dichte gering die wahrgenommenen Teilausschnitte einem äußerezu Dichte =0 äußere Dichte gering Ganzen, daraus folgt: „Raum [ist] die Summe nacheinander erfahGRENZFÄLLE DERderRAUMWAHRNEHMUNG renen Beziehungen von Orten.“27 Leere Körper | einer Masse Raumwahrnehmung ist abhängig von der Bewegung während Der Zwischenraum ist so groß, Die Körper befinden bestimmten Zeit. Dem zu Folge ist das Raumerlebnis abhängig vom sich so nah die Körper nicht mehr in beieinander, dass kein Zwischenraum Weg des Subjekts dass durch den welchen der Architekt vorgeben werden kann Beziehung gesetztRaum, werden können mehr wahrgenommen - sehr geringe Dichte auf die Raumwahrnehmung - sehr große Dichte kann und somit großen Einfluss nimmt. Dieses Wissen hat beispielsweise Le Corbusier in seiner „promenade architecturale“ angewandt, indem er den Besucher mit einer Rampe gezielt durch seine Architektur führt. Eine gegensätzliche Raumauffassung ist die Betrachtung eines Raumbehälters.28 Diese kommt dem laienhaften Verständnis vom Raum als etwas, das von Flächen umschlossen ist, nahe. Die Begrenzung steht hierbei also im Fokus, ähnlich wie bei Wölfflin. Diese besteht aus Wänden, Decke und Boden und umschließt das Kontinuum. Dieser Raumbehälter lässt sich abstrakt durch einen allseitig umschlossenen Quader abbilden, der das Innere durch die Begrenzungen nicht nur nach außen abgrenzt, sondern sich sogleich vom Außenraum absondert. Auch hier wird die ambivalente Eigenschaft des trennenden Elements spürbar.

»Raum [ist] die Summe der nacheinander erfahrenen Beziehungen Wahrnehmung Erlebnis subjektive Filterung sujektive Erlebnisräume von Orten.«27 durch Erinnerung

ERLEBNIS

s

Raumbehälter RAUM UND ZEIT

RAUMWAHRNEHMUNG

Nagy

Raumbehälter

bnis

Raum als allseitig umschlossenes Kontinuum

Abb. 5. Raumbehälter

me der nacheinander ziehungen zwischen

24 Vgl. Joedicke 1985, S. 8 ff. 25 Moholy-Nagy, László: Von Material zu Architektur, Mainz 1968. 26 Vgl. Joedicke 1985, S. 12 ff. 27 Ebd. S. 21. 28 Vgl. ebd. S. 18.

RAUMDICHTE

e Erlebnisräume

15

Leere

Raumfeld

Stützenwand

Raumbehä

innere Dichte = 0 äußere Dichte = 0

innere Dichte gering äußere Dichte gering

innere Dichte gering äußere Dichte größer

innere Dichte g äußere Dichte


RAUMDICHTE RAUMDICHTE RAUMDICHTE RAUMDICHTE RAUMDICHTE RAUMDICHTE Leere Leere Leere Leere Leere Leere

Raumfeld Raumfeld Raumfeld Raumfeld Raumfeld RaumfeldStützenwand Stützenwand Stützenwand Stützenwand Stützenwand Stützenwand Raumbehälter Raumbehälter Raumbehälter Raumbehälter Raumbehälter Raumbehälter Feld Feld Feld inFeld in Behälter Feld in Behälter Feld in Behälter in Behälter inBehälter Behälter Körper Körper Körper Körper Körper Körper

innere innere innere Dichte innere Dichte innere Dichte =innere 0Dichte = 0=Dichte 0Dichte = 0 = 0= innere 0innere innere Dichte innere Dichte innere Dichte gering innere Dichte gering gering Dichte Dichte gering gering gering innere innere innere Dichte innere Dichte innere Dichte gering innere Dichte gering gering Dichte Dichte gering gering gering innere innere innere Dichte innere Dichte innere Dichte gering innere Dichte gering gering Dichte Dichte gering gering gering innere innere innere Dichte innere Dichte innere Dichte größer innere Dichte größer größer Dichte Dichte größer größer größer innere innere innere Dichte innere Dichte innere Dichte =innere 1Dichte = 1=Dichte 1Dichte = 1 = 1= 1 äußere äußere äußere Dichte äußere Dichte äußere Dichte =äußere 0Dichte = 0= Dichte 0Dichte = 0 = äußere 0= 0äußere äußere Dichte äußere Dichte äußere Dichte gering äußere Dichte gering gering Dichte Dichte gering gering äußere gering äußere äußere Dichte äußere Dichte äußere Dichte größer äußere Dichte größer größer Dichte Dichte größer größer äußere größer äußere äußere Dichte äußere Dichte äußere Dichte sehr äußere Dichte sehr groß sehr Dichte groß Dichte sehr groß sehr groß äußere sehr äußere groß groß äußere Dichte äußere Dichte äußere Dichte sehr äußere Dichte sehr groß sehr Dichte groß Dichte sehr groß sehr groß äußere sehr groß äußere groß äußere Dichte äußere Dichte äußere Dichte =äußere 1Dichte = 1=Dichte 1Dichte = 1 = 1= 1 Leere Raumfeld StützenRaumFeld in Körper

behälter

Behälter

RAUMWAHRNEHMUNG

Abb. 6. Raumdichte

wand

RAUMDICHTE Diese sogenannte Raumdichte kann auch als “Gedrängtheit oder Komprimiertheit“31 beschrieben werden und lässt sich zum Verständnis in Kategorien von einer geringen Dichte bis zu einer sehr hohen Dichte aufsteigend darstellen. Die Grafiken zeigen die Entwicklung von der Leere und dem Aufspannen eines Raumfeldes, über das „Verdichten“ des Raumfeldes, indem Körper näher aneinander rutschen und so eine geschlossene Umgrenzung bilden, bis hin zum Raumfeld im Raumbehälter, der im Extremfall als Masse seinen Ausdruck findet.

Da nach dem Verständnis des Raumfeldes der Raum wahrgenommen wird, wenn Körper in Beziehung stehen, stellt sich die Frage, was mit dem Raum passiert, wenn der Zwischenraum zu groß wird, die Körper also nicht mehr in Beziehung gesetzt werden können, bzw. wenn er so klein wird, dass der Zwischenraum nicht mehr wahrgenommen werden kann.29 Joedicke liefert auch hier passende Antworten: „Sind die Abstände zu groß [tritt] an die Stelle des Wahrnehmungsraumes die Leere. Die Leere ist also definiert durch die Abwesenheit von wahrnehmbaren Orten. […] Werden dagegen die Abstände [zu] klein, […] tritt in der Wahrnehmung an die Stelle des Raumes der Körper.“30 Masse und Leere nach Hoesli treten demnach als Grenzfälle von Raumwahrnehmung auf.

29 Vgl. Joedicke 1985, S. 16. 30 Ebd. 31 www.duden.de, 27.11.2019.

16


RAUM UND FORM Am Beginn des Raumdiskurses stand die Gegenüberstellung von Schmarsow und Wölfflin, Letzterer als Verfechter der Form bekannt. Die beiden Theoretiker haben versucht, Raum und Form unabhängig voneinander zu betrachten. Die späteren Raumtheorien entwickelten sich dahingehend, dass Innen und Außen immer mehr als Gesamtheit gesehen und nicht mehr radikal Einzeln betrachtet wurden. Joedicke schreibt, dass die beiden Disziplinen in direkter Wechselbeziehung stehen: „Ohne Form ist Raum nicht wahrnehmbar, zum anderen schafft Raum die Distanz, um Form wahrzunehmen.“32 Eine ähnliche Ansicht vertritt Bernhard Hoesli. Er entgegnet den Leitsprüchen "form follows function" bzw. "function follows form" aus der Architektur der Moderne mit der Auffassung, dass Form und Funktion sich im Entwurfsprozess wechselseitig annähern und aussöhnen müssen, denn "Raum ist die gemeinsame Grundlage von Nutzung und Form".33 Um die abstrakte Definition des Raumes als Summe der Beziehungen zwischen Orten in die praktische Ausbildung von Räumen zu übersetzen, die Wahrnehmung also von der gebauten Begrenzung zu differenzieren, bedarf es einiger Hilfsmittel.34 In der Praxis ist die Raumwahrnehmung von folgenden drei Faktoren abhängig: durch die Art der Ausbildung, also die Form (gerade, schräg, gekrümmt, geschlossen, perforiert etc.) kann der Blick gelenkt oder Räume verbunden werden; die Oberfläche der Begrenzung, ihre Struktur und Farbe, verändert zwar nicht die Geometrie, kann aber Distanzen anders erscheinen lassen; Licht hat die Eigenschaft

»Ohne Form ist Raum nicht wahrnehmbar, zum anderen schafft Raum die Distanz, um Form wahrzunehmen.«32

32 33 34 35

17

Joedicke, S. 23. Vgl. Rowe 1997, S. 89. Vgl. Joedicke, S. 20. Ebd. S. 23.

RAUMWAHRNEHMUNG

Flächen zu betonen und kann darüber hinaus im Dunkeln selbst einen Raum definieren. Je kleiner ein Raum, desto größer und bewusster ist die Raumwahrnehmung, umgekehrt verliert sie sich bei sehr großen Räumen, der Fokus wird mehr auf die einzelnen Elemente im Raum, also die Formen, gelenkt. Wie bereits Wölfflin mit seinem Vergleich des welligen und zackigen Ausdrucks feststellte, hat die Form, immer eine bestimmte Wirkung auf den Menschen.35


18

»Linie, die zwei Staaten, Länder, Grundstücke oder andere Bereiche voneinander trennt.« 36

[ Grenze ]

GRENZWAHRNEHMUNG


Grenzwahrnehmung

Dem Wortursprung zu Folge leitet sich der Begriff Grenze vom mittelhochdeutschen graniza ab, was aus dem Slawischen stammt und soviel wie Grenzzeichen, Grenzlinie bedeutet.37 Dem voraus ging die Bezeichnung Mark, womit eher ein großräumiges Grenzgebiet gemeint war. Die Auslegung des Grenzbegriffs ist nicht eindeutig. Sie kann, je nach Perspektive und Maßstab, unterschiedlich wahrgenommen werden. Die Grenze wird zum Beispiel als "Rand eines Raumes und damit [als] ein GRENZE Trennwert, eine Trennlinie oder Trennfläche"38 bezeichnet; sie kann 39 als Linie, Fläche oder Volumen verstanden werden. Linie Fläche Volumen

ölfflin

Durch das Ziehen von Grenzen entstehen zwei Seiten. Diese ambivalente Eigenschaft wurde bereits im vorherigen Kapitel angedeutet. Der Mensch definiert damit jedoch nicht nur ein Innen und Außen, sondern trennt vor allem das Private vom öffentlichen Leben.40 Diese Teilung ist ein ausschlaggebendes Kriterium für die Raumgestaltung. Mit der Entstehung des virtuellen Raumes wird die Trennung zwischen Privat und Öffentlich aber immer unklarer, der öffentliche Raum verliert seine Wichtigkeit und wird vom Virtuellen überdeckt. Die räumliNATÜRLICHE ELEMENTE che Nähe verliert an Bedeutung, zeitliche Abstände werden verschwinBäumeund / Wald Fluss Berg /sich Tal über großeHorizont dend gering menschliche Gemeinschaften bilden geografische Distanzen in kurzer Zeit in der virtuellen Welt. Der Zusammenhang von Raum und Zeit verändert sich dadurch dramatisch und so wird es auch immer schwerer Grenzen zu ziehen.

Boden

Volumen

GRENZWAHRNEHMUNG

Abb. 7. Grenze

m entsteht aus der Form, nze als wahrnehmbar

36 Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München 1997, S. 474. 37 Vgl. www.dwds.de, 28.11.2019. 38 de.wiktionary.org, 28.11.2019. 39 Vgl. Böttger, Till: Schwellenräume. Übergänge in der Architektur. Analyse und Entwurfswerkzeuge, Basel Boston Berlin 2014 40 Vgl. Flusser 1991, S. 279 ff.

ÖFFNUNGEN Tür

W

S Fenster

Durchgang

T

Fl

19


GRENZWAHRNEHMUNG

GRENZHISTORIE In der Publikation "Grenzen. Topographie, Geschichte, Architektur" von Leonardo Benevolo, an der sich dieses Kapitel orientiert, wird durch eine Sammlung zahlreicher Beispiele versucht, die Gesamtheit der Grenzen aufzuzeigen, die die Menschen in das räumliche Kontinuum der natürlichen Welt eingefügt haben.41 Zum ersten Mal behandelt wird die Grenze, wenn der Mensch die ihn umgebende Natur zu seinem Eigentum ernennt.42 Schon immer sucht er Schutz unter Bäumen und in Höhlen oder baut Hütten aus natürlichen Materialien, wie Lehm, Stroh, Stein oder Holz. Mit der Sesshaftwerdung gibt der Mensch sein Nomadentum auf und grenzt dabei einen kleinen Teilbereich aus dem großen Ganzen aus, um sich seinen eigenen Raum zu schaffen. Das Merkmal der Jungsteinzeit ist das Fehlen von festen Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum. Als Beispiel wird die anatolische Stadt Çatal Höyük aufgeführt, die um 7000 v. Chr. entstanden ist. Die Gebäude der neolithischen Siedlung werden nicht von einer Mauer umgeben, sondern aus verteidigungstechnischen Gründen eng aneinander gebaut, ohne Türen und nur mit kleinen Dach- und Fensterluken.43 So entstehen weder Straßen, noch öffentliche Plätze, die Bauwerke wirken wie allumseitig geschlossene, in sich konzentrierte Raumbehälter. Landschaftliche Grenzbildung entsteht im Neolithikum durch das Formen von Gräben und Aufschütten von Wällen, um Zonen zu definieren und zu schützen.44 Ein Beispiel dafür ist der Wehrhügel von Old Sarum (Wiltshire), der ca. 3000 m2 Fläche umgrenzt.

Die Stadt als Unterbrechung der räumlichen Kontinuität der Natur wird in der Antike entwickelt.45 Das entstehende Wertezentrum gliedert sich durch Hierarchien und komplexe Abfolgen von verschiedenartigen Grenzabstufungen. Nach außen hin separiert sie sich durch schützende Gräben und Mauern vom Umland. Die großen und weitläufigen Dimensionen der Landschaft finden sich teils abstrahiert und komprimiert in einem künstlichen Innenraum, der Stadt, wieder. Die entstandenen Orte wirken ganz unterschiedlich auf den Menschen. "Ihre verkürzten Distanzen und dreidimensionalen Bauten stehen im Gegensatz zur unbegrenzten Landschaft, deren Kontinuität durch die Stadt als Ganzes unterbrochen wird."46 Durch Stadterweiterungen kommt es später zum Aufbrechen der starren Grenzen, Stadt und Landschaft vermischen sich, es entstehen Vororte, sich überlappende Zonen des Übergangs. Athen ist hierbei ein Beispiel einer eher offenen Stadt, die sich mit ihren öffentlichen Bereichen, die den Privaten flächenmäßig überlegen sind, harmonisch in die Umgebung einfügt.47

41 42 43 44 45 46 47

20

Vgl. Benevolo, Leonardo: Grenzen. Topographie, Geschichte, Architektur, Frankfurt a. M. 1995. Vgl. ebd. S. 3 ff. Vgl. ebd. S. 9. Vgl. ebd. S. 18. Vgl. ebd. S. 32 ff. Ebd. S. 32. Vgl. ebd. S. 40.


21

Abb. 8. Wehrhügel von Old Sarum

GRENZWAHRNEHMUNG

Abb. 9. Athen, eingebettet in die Landschaft


22

Abb. 10. Kahlschlag im US-Staat Washington und ein Naturschutzgebiet auf kanadischer Seite machen den Grenzverlauf sichtbar

GRENZWAHRNEHMUNG


GRENZWAHRNEHMUNG

Die Landaufteilung erfolgt zu früherer Zeit auf unterschiedliche Weise.48 Natürliche Grenzen orientieren sich oft an geografischen Gegebenheiten, wie Gebirgszügen oder Wasserläufen, teils aber auch an der Verbindung von markanten geografischen Punkten und astronomischen Linien (Längen- und Breitengraden). So entsteht beispielsweise die geometrische, mathematische Grenze zwischen Kanada und den USA, die geradlinig auf dem 49. Breitengrad verläuft, ohne Rücksicht auf den topografischen Kontext zu nehmen. Die Aufteilung im Römischen Reich erfolgt durch ein regelmäßiges Netz von Verkehrswegen, das sich an die landschaftlichen Gegebenheiten anpassen kann, vergleichbar mit der Chinesischen Mauer, die sich an die Hügel anschmiegt. Der Limes, bekannt als römisches Grenzsicherungssystem mit diversen Verteidigungsanlagen, hat ebenso eine ambivalente Bedeutung, wie der Begriff Grenze.49 Als Verteidigungswall bezeichnet er die Ausdehnung über einen mehr oder weniger breiten Streifen in der Landschaft. In früherer Zeit wurden lediglich die einfassenden Markierungen bestellter Felder als limites bezeichnet. In der Mathematik wird mit Limes ein Grenzwert beschrieben, zu dem eine Folge reeller Zahlen hinstreben. Er kann also, wie die Grenze, als Punkt, Linie, Fläche oder Volumen verstanden werden. Abb. 11. Chinesische Mauer

Mit der eintretenden Industrialisierung und der damit verknüpften rasanten Entwicklung der Technik werden traditionelle Grenzsicherungen bald obsolet. Gegen die Atomwaffe, als bisher stärkste Distanzoffensive, sind befestigte Grenzanlagen nutzlos. Dadurch verlagert sich die Bedeutung der Grenze von der räumlichen Teilung zur politischen Trennungslinie.

48 Vgl. Benevolo 1995, S. 70 ff. 49 Vgl. ebd. S. 84.

23


24

Abb. 12. Grenzverlauf zwischen Kanada und den USA am 49. Breitengrad

GRENZWAHRNEHMUNG


25 GRENZWAHRNEHMUNG

Abb. 13. Rรถmische Landaufteilung in den Fluren von Imola


ARCHITEKTONISCHE ELEMENTE DER GRENZE

26


Raum entsteht von Innen heraus, Grenze als wahrnehmbar

Raum entsteht aus der Form, Grenze als wahrnehmbar

Bauliche Grenzen

Die drei räumlichen Dimensionen, die nach Schmarsow dem MenELEMENTE schenBAULICHE inne wohnen, finden ihre Begrenzung durch die architektonischen Elemente Wand, Decke und Boden.

Decke

Boden

Diese sind nicht nur in der "künstlichen" Raumbildung zu finden, sie können auch auf die Natur in einem größeren Maßstab transformiert werden. Baumreihen beispielsweise wirken je nach Perspektive als geschlossene Wand, ein wolkenverhangener Himmel liegt wie eine drückende Decke über der Welt und ein vom Regen aufgeweichter WaldboWAND den lässt den Betrachter den Raum anders empfinden, als das Gehen auf einem Linieharten Asphalt. Fläche Volumen

»Der architektonische Raum [wird] durch die Wahrnehmung der raumbegrenzenden Elemente gebildet.«50

BAULICHE GRENZEN

Abb. 14. Bauliche Grenzen

Wand

"Die Raumgestalter sind eigentlich Feldmesser, und sie teilen das Feld in Flächen, die hintereinander aufgesucht werden."51 - Vilém Flusser beschreibt die Ausdehnung unseres Lebensraumes in der Ebene, also über große entlang der x- und y- Achse, in die Höhe massivDistanzen hinweg, transparent aufgelöst Stütze / Säule erstreckt er sich allerdings, im Vergleich, nur wenige Meter. Dem zu Folge konzentriert sich die Raumgestaltung meist auf die Zonierung von Flächen, anstatt alle drei Dimensionen des Raumes gleichwertig zu betrachten. Der Wand als begrenzendes Element wird dabei eine besondere Bedeutung zugesprochen.

50 Böttger 2014, S. 17. 51 Flusser 1991, S. 278.

27


BAULICHE ELEMENTE Wand

Decke

NATÜRLICHE EL Boden

Bäume / Wald

Flus

DIE WAND Vertikale Begrenzungen treten, je nach Dimension und zu erfüllenden Funktionen in unterschiedlichen Ausformulierungen auf. So strukturieren beispielsweise Trennwände einen Innenraum, massive Mauern grenzen eine Stadt zur Landschaft ab, ein Zaun definiert den Landbesitz eines Vorstädters oder verhindert, mit Stacheldraht versehen, die Flucht eines Verfolgten. So wie die Grenze und der Limes, wird auch die Wand, je nach Standort des Betrachters, als WAND Linie, Fläche, oder Volumen wahrgenommen.

Volumen

Schmarsow Wölfflin

Stütze / Säule

Raum entsteht aus der Form, Grenze als wahrnehmbar

Boden

Volumen

aufgelöst

Raum entsteht von Innen heraus, Grenze als wahrnehmbar

Decke

Fläche

transparent

Der Architekt Uwe Schröder bezeichnet "[die] Wand als Grenze [als] Wesensbestimmerin des Raumes."52 Sie ist existenziell für den architektonischen Raum, da dieser von Grenzen, von Wänden definiert wird massiv transparent aufgelöst und seine Eigenschaften von denen der Begrenzung 53 abhängig sind. "Metrik, Tektonik und Materialität der Wand sind komplementär an Räume und Räumlichkeit der Wand gebunden."54 Ihre Ausformulierung spiegelt die Einstellung einer Gesellschaft zum Schutz des Privaten, sowie zur Natur, also zu den klimatischen Verhältnissen wider. Im Aufsatz "Grenzen - hart oder weich" in der Architekturzeitschrift archimaera zum Thema "Grenzwertig" vergleicht Manfred Speidel die unterschiedliche Bedeutung und Darstellung von Grenzen in Abhängigkeit vom Kulturraum am Beispiel von Europa und Japan.55 Die Ausbildung der Grenze beruht lt. Speidel auf dem Ausgleichsbestreben zwischen dem Schutzbedürfnis einerseits und dem Bedürfnis nach Dialog mit der Außenwelt auf der anderen Seite.56 Seine Analysen zeigen, dass im westlichen und östlichen Verständnis von der Beziehung des Innen- zum Außenraums klare Unterschiede bestehen, hier ist der Umgang mit der Begrenzung deutlich in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen zu sehen.

BAULICHE ELEMENTE

Wand

WAND

Abb. 15. Wand

Fläche

Linie

massiv

BAULICHE GRENZEN

Linie

In Europa werden traditionell massive, opake Wände aus Stein errichtet, die Lasten abtragen und somit konstruktiv notwendig sind.57 Sie speichern Wärme und fungieren als abschirmende Rückzugsorte, nach Außen hin dienen sie jedoch auch repräsentativen Zwecken. Durch Wandgemälde wurde in der Vergangenheit versucht, die Außenwelt ins Innere zu holen. Dies konnte man bereits bei den Höhlenmalereien der Steinzeitmenschen beobachÖFFNUNGEN ten. Fugenausbildung oder Oberflächenbehandlung Tür Fen sind heute Gestaltungselemente, um einen leichten, durchscheinenden Charakter zu erzielen und so den Bezug zur Natur herzustellen. Außerdem wird in der Architektur der Moderne versucht, durch vollflächige Verglasung den großen Wohnraum zum Naturraum optisch zu öffnen. Der Garten dient als Weiterführung des Innenraums, man setzt sich dort bereitwillig der Sonne aus. Anders in Japan: leichte, transparente Papierwände bilden die Abgrenzung des Innenraumes von der Außenwelt. Die Natur wird durch das schimmernde, Stütze / Säule Fenster gleichbleibende Licht und den Schatten der Bäume auf den verschiebbaren Trennelementen im Innengerahmter Blick Panor raum spürbar. Die vollflächige Öffnung der verschiebbaren Wände und filternde Bambusvorhänge zur Verschattung gewährleisten ausreichende Möglichkeit der Belüftung und Kühlung im Sommer. Wie beschrieben gibt es also je nach Kulturkreis und Klimazone verschiedene Arten der Wandausbildung.

52 Schröder, Uwe: Die Wand. Grenze der Architektur - Architektur der Grenze, in: der Architekt 4/2016, S. 21. 53 Vgl. Schröder 2016, S. 21 f. 54 Ebd. S. 24. 55 Vgl. Speidel, Manfred: Grenzen - hart oder weich. Von europäischer und japanischer Architektur, in: archimaera 5, "Grenzwertig" (Juli 2013). 56 Vgl. Speidel 2013, S. 10. 57 Vgl. ebd. S. 25 ff.

28

Linie

NATÜR

Bäume / W

ÖFFNU

Tür

Fenster

gerahmter Blic


BAULICHE GRENZEN 58 Schröder 2016, S. 21.

29

Abb. 16. Schattenspiel auf einer japanischen Papierwand

»[Die] Wand als Grenze [ist] Wesensbestimmerin des Raumes.«58


Öffnung der Grenze ENTGRENZUNG "Es steht […] fest, dass die gesamte Baukunst auf sechs Elementen beruht. Diese sind: die Gegend (regio), der Grund (area), die Einteilung (partitio), die Mauer (paries), die Decke (tectum) und die Öffnung (apertio)."59 Auf der Grundlage von Vitruvs zehn Büchern über die Architektur verfasst Leon Battista Alberti im 15. Jahrhundert seine "Zehn Bücher über die Baukunst". Wie Wölfflin, legt auch Alberti sehr viel mehr Wert auf die Raumbegrenzungen Decke und Wand, als auf den Raum selbst. Als Grundvoraussetzung für Architektur sieht Alberti, neben dem Bezug zum Ort und den baulichen Begrenzungen, die Öffnung, die Entgrenzung als wichtiges Element. Sie verbindet nicht nur innen liegende Räume miteinander, sondern auch den Innenraum (area) mit dem Außenraum (regio) und setzt sie in Beziehung. Dabei lässt erst das ausgewogene Spiel von Öffnung und Geschlossenem Baukunst entstehen. Tür und Fenster sind beides Wandöffnungen, haben aber jeweils ganz unterschiedliche Funktionen und Beziehungen zum Außenraum.

Abb. 17. Gerahmter Blick in einem japanischen Teehaus

ÖFFNUNG

»Nichts ist aufregender, als das Aufbrechen und Hinübergehen.«60

30


DAS FENSTER

"Es ist dem Menschen im Tiefsten wesentlich, dass er sich selbst eine Begrenzung setze, aber mit Freiheit, d.h. so, dass er diese Begrenzung auch wieder aufheben, sich außerhalb ihrer stellen kann."61 Die Tür ist Verbindung und Trennung zugleich. Ist sie geschlossen, so wirkt der gesamte Raum auf seine Mitte konzentriert, da sie von Grund auf opak in Erscheinung tritt; durchschreitet man die offene Tür, so ist die Welt zum greifen nahe.62 Die Tür gewährt nur dem Einlass in den Raum, der einen passenden Schlüssel hat. Von außen bietet sie Schutz vor dem Fremden, von innen ist sie hingegen meist von jedermann zu bedienen; der Raum kann also von jedem verlassen, jedoch nur von Auserwählten betreten werde. In vielen Kulturkreisen ist die Tür Sinnbild für den Ort der Begegnung.63 In Europa vermittelt sie klare Verhältnisse von innen und außen, offen oder geschlossen, vergleichbar mit der eindeutigen Geste des Handschlags zur Begrüßung. Zusätzliche Schließungsmechanismen wie Schlösser oder Riegel verstärken das bewusste Abgrenzen oder Zulassen von Besuch. Wie das sanfte Verneigen mit Abstand zum Gegenüber bei der japanischen Begrüßung, so vermitteln auch die Schiebetüren ohne Klinke in der östlichen Welt eine vage, fein justierbare Abstufung von Öffentlichkeit und Privatheit.

Die Grundfunktion des Fensters besteht im Belichten und Belüften des Innenraums.64 Im Gegensatz zur Tür sieht man durch das Fenster lediglich hindurch und kann es nicht durchschreiten. Die Welt rückt in die Ferne, denn für eine leibliche Beziehung bedarf es dem Abwenden vom Fenster und dem Zuwenden zur Tür. Seine transparente Eigenschaft ermöglicht ein Beobachten der Außenwelt. Ebenso kann, vor allem in der Nacht, der Innenraum durch die beleuchteten Fenster von Außen studiert werden. Das Erscheinungsbild des Fensters ändert sich mit Einbruch der Dunkelheit. Je nach Standort des Betrachters und des Betrachteten ermöglicht das Fenster einseitige Ausblicke, ohne zwangsläufig gesehen zu werden. Für den sich im Inneren befindlichen Menschen gewährt die Einrahmung der Landschaft Orientierung, ein sich zurecht finden und Verorten in der Welt.65 Durch Fensterrahmen und Kreuz entsteht ein besonderes Maß der Rahmung, sie wird zu einem Bild. Durch gerahmte Blicke können Sehnsüchte entstehen, bewusst verstellte Blicke führen zu "unerfüllten Sehnsüchten",66 dieses Gestaltungsmittel findet z.B. im asiatischen Tempelbau Anwendung. In Europa blickt man aus dem Fenster und sieht sowohl den Himmel, als auch die Erde. Die japanische Rahmung des Blickes erfolgt oft durch auskragende Dächer oder Bäume, welche den Fokus geradeaus in die Ferne auf den Horizont richten. In unserem Kulturkreis werden bei Nacht die Fensterläden und Vorhänge geschlossen, man fühlt sich wohl in einem temporär geschlossenen Raum, beschützt, in dem Wissen, dass am nächsten Tag wieder alles geöffnet werden kann. "Das morgendliche Öffnen der Fensterläden ist immer zugleich ein freudiges Sich-öffnen des Menschen zu einem neuen Weltkontakt."67

59 60 61 62 63 64 65 66 67

Alberti, Leon Battista: "De reaedificatoria" (Über das Bauwesen), 1443 - 1452. Kil, Wolfgang: Die Grenze im Kopf, in: Sauerbruch 1998, S. 18. Simmel, Georg: Brücke und Tür, in: Landmann, Michael (Hrsg.): Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, Stuttgart 1957, S. 4. Vgl. Bollnow 1990, S. 154 f. Vgl. Speidel 2013, S. 14 ff. Vgl. Bollnow 1990, S. 159. Vgl. ebd. S. 161 f. Speidel 2013, S. 29. Bollnow 1990, S. 161.

31

ÖFFNUNG

DIE TÜR


SCHWELLEN Wand TürschwelleSchwelle

Die Wand ist Schnittstelle zwischen Innen und Außen, an ihren Türöffnungen, bestehend aus Schwelle, Laibung und Sturz, findet das Öffnen und Schließen, das Verbinden und Trennen von Räumen statt. Die Schwelle ist Sinnbild für das Durchschreiten der Tür, das Überschreiten vom Außen- in den Innenraum. Dem Wortursprung zu Folge bezeichnet sie den "waagrecht liegende[n] Balken als untere Begrenzung eines Türrahmens"68, sie ist demnach SCHWELLEN massiv und unverrückbar. Viele Brauchtümer und Aberglauben weisen auf die historische Bedeutung Wand der Schwelle hin. So wird die Braut beispielsweise Türschwelle nach der Hochzeit über die Schwelle ins Eigenheim getragen, um diese nicht zu berühren, da das für die Zukunft des Paares Unglück bringen soll.69 Auch in der Religion findet man sie in Form einer Himmelspforte als Ort des Übergangs in ein Leben nach dem Tod. In seinem Passagen-Werk weist Walter Benjamin auf die Differenzierung der Schwelle zur Grenze hin. Die Schwelle bezeichnet eine Unterbrechung der Grenze, eine Zone, die den Übergang ermöglicht.70 Sie wird SCHWELLEN vom Menschen als Teilbereich der Grenze wahrgenommen, die in der selben Richtung verläuft und sie Wand linear durch eine Lücke perforiert.Boden Türschwelle Türlaibung Diese Grenzöffnung erlaubt nicht Belagswechsel nur ein subjektives Überschreiten, sie wird auch als räumliche Verbindung zwischen unterschiedlichen Zonen verstanden.

Türlaibung

Boden Türlaibung

Laibung

Sturz Stufe

Belagswechsel

ÜBER Decke

SCHWELLENRAUM Sturz Sturz Stufe

abrupt

Addition

plötzliche Änderung Höhendifferenz / Unterzug Zustands o Vermittlun

Türlaibung betont

Podest

Abb. 18. Schwelle

ÖFFNUNG

DIE SCHWELLE

AUTO Boden Belagswechsel

68 69 70 71

SCHWELLENRAUM

Box Decke

Stufe

Höhendifferenz / Unterzug

Erker

Addition

Pfeifer 1997. Türlaibung betont Vgl. Bollnow 1990, S. 157 f. Vgl. Böttger 2014, S. 46. Benjamin, Walter: Das Passagen-Werk (1927-1940), in: Tiedemann, Rolf (Hrsg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften V. Das Passagen-Werk, Frankfurt a. M. 1982.

32

Box

Podest

Vordach

Veranda

Balkon

Erker

Terrasse

Bewohn

Trennlinie Territorium das unabh Eintreten i Territorien


Walter Benjamin

33

ÖFFNUNG

Abb. 19. Große Holzschwelle als bewusster Eintritt in ein japanisches Stadthaus

»Die Schwelle ist ganz scharf von der Grenze zu unterscheiden. Schwelle ist eine Zone. Wandel, Übergang, Fluten liegen im Worte 'schwellen' und diese Bedeutung hat die Etymologie nicht zu übersehen.«71


34

1. 2.

freier Raum besonders zwischen zwei Dingen […] zeitlicher Abstand, der zwischen Vorgängen, Tätigkeiten o.ä. liegt 72

[ Zwischenraum ]

RÄUMLICHE GRENZEN


Räumliche Grenzen

Schwellen sind Zwischenräume, die in Bewegung wahrgenommen werden, sie können demnach also als Bewegungsräume bezeichnet werden.73 Das Erleben der Schwelle ist bedingt durch die Ambivalenz von Räumen, zwischen denen sie sich befindet.74 Je größer der Kontrast zwischen den Raumatmosphären, desto spürbarer ist der Übergang. Schwellen können außerdem durch ihre gezielte Ausbildung die architektonische Raumwahrnehmung beeinflussen und die Erwartungen auf das Kommende lenken. Ihre Materialität entscheidet dabei, in welchem Zusammenhang sie wahrgenommen wird. Bernd Krämer führt in seinen Analysen räumlicher Begrifflichkeiten und deren Veranschaulichung vier Prinzipien auf, nach denen die Änderung eines 76 Zustandes an einer Schwellensituation erfolgen kann.75 Der abrupte Übergang tritt plötzlich, ohne jegliche Heranführung auf. Beim Kontrastierten wird die Neugier des Durchschreitenden geweckt, beispielsweise das Eintreten in einen kleinen Vorbereich, durch den der folgende Saal erst recht überhöht wirkt. Die gleichmäßige, stufenweise Vermittlung ermöglicht einen harmonischen Übergang, jedoch ohne Spannungsmoment. Bei der modulierten Verknüpfung stehen Kontrast und Annäherung in einer ausgewogenen Wechselwirkung.

RÄUMLICHE GRENZEN

»Der Mensch lebt im Übergang. Architektur lebt vom Übergang.«

ÜBERGÄNGE ÜBERGÄNGE ÜBERGÄNGE ÜBERGÄNGE abrupt abrupt abrupt abrupt

kontrastiert kontrastiert kontrastiert kontrastiert

plötzliche plötzliche plötzliche plötzliche Änderung Änderung Änderung Änderung desdesdesdes Zustands Zustands Zustands Zustands ohne ohne ohne ohne abrupt Vermittlung Vermittlung Vermittlung Vermittlung

Überraschungsmoment Überraschungsmoment Überraschungsmoment Überraschungsmoment stufenweise stufenweise stufenweise stufenweise Vermittlung Vermittlung Vermittlung Vermittlung Kontrast Kontrast Kontrast Kontrast und und Annäherung und Annäherung und Annäherung Annäherung weckt weckt weckt Neugier weckt Neugier Neugier Neugier zwischen zwischen zwischen zwischen Zuständen, Zuständen, Zuständen, Zuständen, in in Wechselwirkung Wechselwirkung in Wechselwirkung in Wechselwirkung Auslgeich Auslgeich Auslgeich Auslgeich ohne ohne ohne Spannung ohne Spannung Spannung Spannung gleichmäßig kontrastiert moduliert

gleichmäßig gleichmäßig gleichmäßig gleichmäßig moduliert moduliert moduliert moduliert

Abb. 20. Übergang

Sturz Sturz Sturz Sturz

AUTONOME AUTONOME AUTONOME AUTONOME GRENZEN GRENZEN GRENZEN GRENZEN 72 www.duden.de, 29.11.2019. 73 Vgl. Böttger 2014, S. 19 f. Decke Decke Decke Decke Bewohnte Bewohnte Bewohnte Bewohnte Grenze Grenze Grenze Grenze Verflüssigte Verflüssigte Verflüssigte Verflüssigte Oszillierende Oszillierende Oszillierende Oszillierende 74 Vgl. ebd. S. 10. Grenze Grenze Grenze Grenze Territorien Territorien Territorien Territorien Höhendifferenz Höhendifferenz Höhendifferenz Höhendifferenz / Unterzug / Unterzug / Unterzug / Unterzug Trennlinie Trennlinie Trennlinie Trennlinie wird wird als wird als wird eigenes als eigenes als eigenes eigenes 75 Vgl. Krämer, Bernd: Der Raumbegriff Grenzbereich Grenzbereich Grenzbereich erfährt erfährt erfährt erfährt Überlappung Überlappung Überlappung Überlappung in in hybrider hybrider in hybrider in hybrider Territorium Territorium Territorium erfahrbar, erfahrbar, erfahrbar, erfahrbar,Grenzbereich in der Architektur - eine Analyse Territorium ständig ständig ständig wechselnde ständig wechselnde wechselnde wechselnde Zone, Zone, Zone, Zone, dasdas unabhängiges das unabhängiges das unabhängiges unabhängiges AusAusund Ausund Ausund und räumlicher Begrifflichkeiten und Nutzungen Nutzungen Nutzungen Nutzungen zwischen zwischen zwischen zwischen diedie Qualitäten die Qualitäten die Qualitäten Qualitäten beider beider beider beider Eintreten Eintreten Eintreten Eintreten in in vorhandene vorhandene in vorhandene in vorhandene deren Veranschaulichung am Bei- Territorien den Territorien den Territorien den Territorien Territorien Territorien Territorien Territorien Territorien beinhaltet beinhaltet beinhaltet beinhaltet Territorien Territorien Territorien ermöglicht ermöglicht ermöglicht ermöglichtden spiel des Weges und der Schwelle, Hannover 1983, S. 212 ff. 76 Böttger 2014, S. 10.

35

Verkörperte Verkörperte Verkörperte Verkörperte Grenze Grenze Grenz Gren

bildet bildet bildet das bildet das Verhältnis das Verhältnis das Verhältnis Verhältnis beider beider beider abge beid ab Territorien Territorien Territorien Territorien dreidimensional dreidimensional dreidimensiona dreidimensio ab ab


RÄUMLICHE GRENZEN

SCHWELLENRAUM Die bauliche Gestaltung des Ein-, Aus-, Durch- und Übergangs wird als Schwelle bezeichnet. Sie ist essenziell für jede Bauaufgabe, wird jedoch laut Böttger meist als selbstverständlich angesehen und nicht als eigene Einheit betrachtet. Um die Wichtigkeit dieses Elements zu verdeutlichen, widmet der Architekt sich in seiner Publikation ausführlich den "Schwellenräume[n]". In seinen einleitenden Worten führt er Robert Venturi auf, der den Zwischenraum als "Übergang zwischen Raumatmosphären, zwischen Innen und Außen, zwischen der einen Wirklichkeit und einer Anderen" definiert.77 Als Schwellenraum benennt Böttger die ambivalente Zone, die zwischen Schwellen und raumbildenden Elementen entsteht. Dieser Bewegungsraum übernimmt oft die Funktion einer Pufferzone, wie beispielsweise ein Flurbereich, Foyer oder Windfang, der für die Verknüpfung von Räumen als Verkehrsfläche dient, wodurch er im Grunde keine große Aufenthaltsqualität liefern muss. Er ist Verteiler, Wegweiser und wird im Durchschreiten wahrgenommen. Schwellenräume bezeichnen damit nicht nur räumliche, sondern auch zeitliche Übergangszustände. In Form von Stufen, Freitreppen, Vordächern, Portalen, Türen oder Fenstern werden sie zu Orten. Neben Wandöffnungen als Elemente der räumlichen Trennung und Verbindung, können ein sich verändernder Bodenbelag oder Höhenunterschiede ebenfalls als Indikatoren für einen Wechsel von Raumatmosphären fungieren. Genau so können sich in Wänden ausreichender Stärke Räume bilden, die einen eigenen Charakter haben oder sich zum Gesamtraum zugehörig fühlen können. Durch diese Nischen wird erst die Dicke der Wand deutlich.

Grenzübergänge als Schwellen kündigen den Charakter von Orten an, zu denen sie Zutritt gewähren oder den sie zu repräsentieren versuchen. Je nach Baukultur und Tradition werden unterschiedliche Schwellendetails entwickelt, so ist auch der Umgang mit ihnen je nach Kulturkreis unterschiedlich.78 Die zwischenmenschliche Annäherung sowie der subjektive Bezug zur Natur haben Einfluss auf ihre Ausformulierung. Wie die bereits beschriebene Begrüßung, so ist auch das japanische Zutrittsritual mehrstufig aufgebaut. Es wird eine langsame Annäherung vollzogen, in der man mehrere Schwellen überschreiten muss.79 Bei Tempelanlagen oder Palästen kann dem Bauwerk ein größerer, inszenierter Übergangsbereich vorgeschaltet sein, wie zum Beispiel ein angelegter Garten, der den Blick verstellt und leitet, um eine direkte Konfrontation zu verhindern. Dieses verzögerte Eintreten ergibt sich aus der Offenheit des japanischen Grundrisses. Nach außen hin grenzt sich das Wohnhaus durch leichte, transluzente Schiebewände ab. Eine breite, hohe Holzstufe symbolisiert sowohl den Zutritt auf das Höhenniveau des Wohnbereichs, als auch das traditionelle Ausziehen der Schuhe vor dem Eintreten. Der Innenraum ist fein gegliedert und wird durch über Eck führende Wege begangen. Die sich ergebenden, variablen Raumzellen, sind je nach Grad der Privatheit näher oder weiter vom Eingangsbereich situiert.

77 Böttger 2014, S. 4. 78 Vgl. Speidel 2013, S. 10. 79 Vgl. ebd. S. 14 ff.

36


»Der Ort der Grenzöffnung liegt am Rand des Schwellenraumes.«80

RÄUMLICHE GRENZEN

Auch in den barocken Anlagen Europas wird durch Raumfolgen eine Mehrstufigkeit bis zum Aufeinandertreffen des Gastes und des Gastgebers suggeriert, diese sind allerdings axial aufeinander ausgerichtet. Wenn alle Türen offen stehen, gibt es eine direkte Blickbeziehung, eine Enfilade entsteht. Architektonisch können Schwellenräume durch zwei Systematiken mit angrenzenden Räumen in Beziehung gesetzt werden. Zum einen werden sie additiv an bestehende Volumen angelagert oder andererseits durch ein Verfahren der Subtraktion in Gebäudekubaturen integriert. Folgende Grafiken zeigen beispielhaft Varianten von gebauten Zwischenräumen, haben dabei jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie orientieren sich an einer Aufzählung von Übergangszonen in "Öffnen und Schließen", herausgegeben von Alexander Reichel.81

80 Böttger, 2014, S. 49. 81 Vgl. Reichel, Alexander (Hrsg.): Öffnen und Schließen. Fenster, Türen, Tore, Loggien, Filter, Basel Boston Berlin 2010.

37


Boden

Decke

Belagswechsel

Stufe

Höhendifferenz / Unterzug

Boden

Decke

Belagswechsel

Stufe

Höhendifferenz / Unterzug

Boden

Decke

Belagswechsel

Stufe

Höhendifferenz / Unterzug

ADDITION SCHWELLENRAUM Addition

SCHWELLENRAUM Laibung Türlaibung betont

Podest

Podest

Vordach

Vordach

Addition

SCHWELLENRAUM Türlaibung betont

Podest

Vordach

Türlaibung betont

Podest

Vordach

Box

Erker

Terrasse

RÄUMLICHE GRENZEN

Addition

Box

Box

Erker

Erker

Terrasse

Terrasse

Box

Erker

Terrasse

Veranda

Balkon

Laubengang

Veranda

Balkon

Laubengang

Veranda

Veranda

Balkon

Balkon

38

Laubengang

Laubengang


Bewohnte Grenze

Verflüssigte

Trennlinie wird als eigenes Territorium erfahrbar,

Grenzbereich erfährt

Territorien ermöglicht Territorium erfahrbar, Bewohnte Grenze das unabhängiges Aus- und Eintreten in vorhandene Trennlinie wird als eigenes Territorien ermöglicht Territorium erfahrbar, das unabhängiges Aus- und Eintreten in vorhandene Territorien ermöglicht

Grenzbereich erfährt ständig wechselnde Verflüssigte Nutzungen zwischen Grenze den Territorien Grenzbereich erfährt ständig wechselnde Nutzungen zwischen den Territorien

Oszillierende Territorien Überlappung in hybrider Oszillierende Zone, die Qualitäten beider Territorien Territorien beinhaltet

AUTONOME GRENZEN Grenze

Bewohnte Grenze Verflüssigte wechselnde das unabhängiges Aus- und ständig AUTONOME Nutzungen zwischen Eintreten in vorhandene GRENZEN Trennlinie wird als eigenes Grenze den Territorien

Überlappung in hybrider Zone, Oszillierende die Qualitäten beider Territorien Territorien beinhaltet Überlappung in hybrider Zone, die Qualitäten beider Territorien beinhaltet

Verkörperte Grenze

Katalytische

bildet das Verhältnis beider abgetrennter Territorien dreidimensional ab

setzt durch Existe in Gang, z.B. Wun Katalytische Befreiung

bildet das Verhältnis beider abgetrennter Territorien dreidimensional ab

setzt durch Existe in Gang, z.B. Wun Katalytische Befreiung

bildet das Verhältnis beider abgetrennter Territorien dreidimensional ab

setzt durch Existe in Gang, z.B. Wun Befreiung

Verkörperte Grenze Verkörperte Grenze

? ? ?

SUBTRAKTION Subtraktion

Laibung

Türlaibung gestaffelt

Eingang

Eingang

Übereck

über Eck

Subtraktion Türlaibung gestaffelt

Eingang

Übereck

Türlaibung gestaffelt

Eingang

Übereck

Loggia

Nische

Arkaden

Subtraktion

Nische

Nische

Arkaden

Loggia

Nische

Arkaden

Innenhof

Rampe

Treppe

Innenhof

Rampe

Treppe

Innenhof

Hof

Rampe

Rampe

39

Treppe

Arkaden RÄUMLICHE GRENZEN

Loggia

Treppe Abb. 21. Schwellenräume

Loggia


Dem Eingangsbereich als Zone zwischen zwei heterogenen, in der Maßstäblichkeit unterschiedlichen Bereichen, nämlich dem privaten Innenraum und dem öffentlichen Außenraum, weist Joedicke eine große Bedeutung als Übergang, also als Schwellenbereich, zu.82 Schon in der frühen Architekturgeschichte hatte dieser Zwischenraum, der den Besucher aufnehmen und auf das Kommende vorbereiten soll, eine wichtige Rolle inne. Ein bekanntes Beispiel aus dem Barock, das sogar als Grenze zwischen zwei Staaten fungiert, nämlich dem Vatikan und Italien, sind die Kolonnaden von Gian Lorenzo Bernini am Petersplatz in Rom. Ihre umarmende Geste soll jeden Gläubigen und auch Ungläubigen willkommen heißen, ihn behutsam an die Kirche heranführen und schützend darin aufnehmen.83 Ein noch viel älteres Beispiel aus der Antike stellt das Ensemble der Akropolis in Athen dar, anhand derer im Folgenden historische Schwellenräume aufgezeigt und analysiert.84 Abb. 22. Die Kolonnaden von Bernini

RÄUMLICHE GRENZEN

HISTORISCHE SCHWELLENRÄUME

Die Akropolis befindet sich auf der über 150 Meter hohen Erhebung des Tafelberges und thront über der Stadt Athen. Sie ist das Wahrzeichen der Hauptstadt Griechenlands und entwickelte sich im 5. Jahrhundert v. Chr. zum kultischen Mittelpunkt der Stadt.85 Die Bauwerke, die noch heute dort zu finden sind, entstanden ab ca. 450 v. Chr. und sind namentlich der Parthenon, die Propyläen, der Nike-Tempel und das Erechtheion.

82 83 84 85

40

Vgl. Joedicke 1985, S. 48. Vgl. Schmidt, Christoph: Kunstvoller Grenzübergang, 27.02.2014, in: www.katholisch.de, 01.12.2019. Vgl. Joedicke 1985, S. 34 ff. Vgl. Philipp, Klaus Jan: Das Reclam Buch der Architektur, Stuttgart 2006, S. 14 f.


Parthenon Erechtheion

Athena Statue RÄUMLICHE GRENZEN

Propyläen

Abb. 23. Die Akropolis von Athen

Nike-Tempel

41


42 Abb. 25. Wegeführung

Abb. 24. Erlebnisraum

RÄUMLICHE GRENZEN

Parthenon

Propyläen


Der Aufstieg zur Akropolis beginnt von Westen, da der Hügel nach Norden, Süden und Osten steil abfällt und nur auf einer Seite begehbar ist.86 Über Serpentinen, die den Blick auf den vergleichsweise kleinen Nike-Tempel lenken, gelangt man zu den Propyläen. Diese stellen als Torbau den Übergang in den heiligen Bezirk der Akropolis dar. Eine Rampe leitet den Besucher durch eine seitlich begrenzte Säulenhalle. Durch die Verengung des Wegraumes entsteht Spannung und eine abwechslungsreiche Raumabfolge. Das Innere der Akropolis gestaltet sich als "zusammenhängender Erlebnisraum"87. Die Bauwerke und Mauern begrenzen den Außenraum und lassen ihn so zu einem Innenraum werden. Dieser Zwischenraum ermöglicht eine langsame Heranführung an die Bauwerke. Beim Schreiten durch die Propyläen richtet sich der Blick geradewegs auf die Athena-Statue, die axial auf den Portikus ausgerichtet ist, in sich jedoch leicht verdreht nahe einer Mauer steht. Die Axialität löst sich im Inneren des Erlebnisraums auf, die Baukörper werden dort über Diagonalen erschlossen. Das geometrische Ordnungsschema der Gesamtanlage beruht auf der Grundlage eines Radialsystems. Der Besucher wird entlang der Mauern zum Parthenon geführt. Die Hanglage ermöglicht eine Annäherung von unten, wodurch bereits von Weiten ein Fernbild entsteht, welches die großen Dimensionen des Tempels ausbalanciert und ihn kleiner erscheinen lässt. Die Erschließung über die Diagonale und das leichte Verdrehen des Körpers zum Betrachter ermöglichen eine räumliche Wahrnehmung des Heiligtums. Der gestaltete Weg führt den Besucher um den Tempel herum an die Rückseite, wo der Zutritt gewährt wird. Diese stufenweise Heranführung betont die Wichtigkeit des Elementes und steigert die Neugier auf das Allerheiligste. Die Akropolis besteht aus einer Vielzahl von Schwellenräumen. Neben dem Erlebnisraum der Gesamtanlagen, finden sich auch in den Bauwerken an sich feingliedrige Abstufungen zwischen Außen und Innen. Beispielhaft werden die Propyläen und der Parthenon genauer betrachtet.

»[Die Propyläen] sind das Meisterwerk eines Übergangselementes zwischen außen und innen.«88

86 Vgl. Joedicke 1985, S. 34 ff. 87 Böttger 2014, S. 22. 88 Joedicke 1985, S. 34.

43

RÄUMLICHE GRENZEN

DIE AKROPOLIS


RÄUMLICHE GRENZEN

DIE PROPYLÄEN

DER PARTHENON

Der Eingangsbau, ergänzt und gefasst durch seitliche Flügelbauten, symbolisiert sowohl Pforte als auch Übertritt in den heiligen Bezirk der Akropolis und verbindet ihn mit der Stadt.89 Durch den eingestülpten Eingangshof gelangt man zu einer leitenden Rampe, die den Besucher über einen sanften, gleichmäßigen Anstieg führt und einen "schwellenlosen" Übergang ermöglicht. Die seitlich von der Rampe entstehenden Räume sind durch Säulenreihen und Stufen definiert, sowie einseitig durch eine geschlossene Mauer begrenzt. Die Verengung des Wegraumes durch diese Schneise erzeugt eine erhöhte, spürbare Raumdichte. Die kontrastierte Schwellensituation lässt die Weite des Erlebnisraumes, die den Besucher nach dem Durchwegen der Propyläen erwartet, noch größer erscheinen. Die nacheinander geschalteten Säulenreihen im inneren der Propyläen rahmen perspektivabhängig Blicke und lassen vielschichtige Durchsichten zu. Ihre räumliche Zugehörigkeit ist variabel und nicht genau definiert, ihr Charakter eigenständig und vielseitig. Sie sind als Territorien erfahrbar und lassen ein unabhängiges Aus- und Eintreten in den jeweiligen Bereich zu. Das Bauwerk fungiert als Vermittler zwischen außen und innen und kann als "Meisterwerk eines Übergangselementes"90 angesehen werden. Die hybride Zone der Rampe lässt sich weder eindeutig dem Innen- noch dem Außen zuordnen. Je nach Standort und Blickrichtung fühlt man sich zur einen oder anderen Seite hingezogen.

Der symmetrische Tempel, der als dorischer Peripteros91 vollendet wurde, umhüllte einst das Allerheiligste auf dem Tafelberg, das riesige goldene Kultbild der Athena. Man nähert sich über eine Diagonale von Westen, wird an der Längsseite entlang geführt und betritt ihn von Osten her. Auf einem Sockel stehend ist er allumseitig durch mehrere Stufen erschlossen sowie räumlich durch eine umlaufende Säulenreihe, die den inneren Mauern vorgelagert ist, mit der Umgebung verknüpft.92 Der Zugang zur Cella und zur Westhalle, die von festen Mauern umschlossen sind, erfolgt jeweils über die Frontseiten durch mehrere Filter in Form von Säulenreihen, die eine durchlässige Grenze bilden. Diese Schwellenräume gewähren ein stufenweises Eintauchen ins Innere, welches durch ein eingestelltes Raumfeld im annähernd geschlossenen Raumbehälter eine hohe Dichte erfährt. Das Durchschreiten von mehreren Schwellenbereichen ist begleitet von einer feinen Gliederung vom Außen- zum Innenbereich, ein unabhängiges Eintreten in die Cella wird gewährleistet. Der Besucher kann sich bewusst auf das Erlebnis einstellen. Die symmetrische Aufteilung der Säulen ermöglicht eine vielseitige Durchsicht und räumliche Überschneidungen. Je nach Perspektive erscheinen die Säulenreihen als geschlossene Wände, Ihr Schattenwurf auf Boden und Wand zeigen jedoch ihre räumliche Durchlässigkeit.

89 90 91 92

44

Vgl. Joedicke 1985, S. 34 f. Ebd. S. 34. Philipp 2006, S. 17. Vgl. Joedicke 1985, S. 36 f.


Durchsicht

Zugang

Durchsicht

Raumcharakter

Abb. 27. Parthenon

Raumdichte

45

RÄUMLICHE GRENZEN

Abb. 26. Propyläen

Durchgang


Zustands ohne Vermittlung

Änderung des Zustands ohne Vermittlung

Änderung weckt desNeugier weckt Neugier zwischen Zuständen, zwischen in Zuständen, Wechselwirkung Zustands ohne Auslgeich ohne Spannung Auslgeich ohne Spannung Auslgeich ohne Spannung Vermittlung

in Wechselwirkung

AUTONOME GRENZEN AUTONOME AUTONOME GRENZEN GRENZEN

Bewohnte Grenze Verflüssigte Oszillierende Verkörperte Grenze Katalyt Bewohnte Grenze Bewohnte Verflüssigte Grenze Verflüssigte Oszillierende Oszillierende Verkörperte Grenze Verkörperte Grenze Territorien ug bildet das Verhältnis beider setzt durc Grenze Territorien Territorien hendifferenz / Unterzug Höhendifferenz / UnterzugTrennlinie wird als eigenes Trennlinie wird als eigenes Trennlinie wird als eigenes Grenze bildet abgetrennter das Verhältnis beider bildetabgetrennte das Verhält

rdach

Decke

Abb. 28. Autonome Grenzen

Grenzbereich erfährt Grenzbereich Überlappung in hybrider Territorium erfahrbar,Territorium Territorien dreidimensional ab dreidimensional Überlappung erfährtin hybrider Überlappung in hybrider erfahrbar,Territorium erfahrbar,erfährt Grenzbereich Territorien Territorien abin Gang, dreidiz ständig wechselnde ständig Zone, das unabhängiges Aus-das und Befreiung wechselnde wechselnde Zone, unabhängiges Ausdas und unabhängiges Aus- und ständig Zone, bewohnte verflüssigte Nutzungen zwischen die Qualitäten beider oszillierende Eintreten in vorhandene Nutzungen zwischen Nutzungen die Qualitäten zwischen beider die Qualitäten beider Eintreten in vorhandene Eintreten in vorhandene denermöglicht TerritorienTerritorien Territorien beinhaltet Territorien ermöglichtTerritorien Grenze Grenze den ermöglicht Territorien den Territorien Territorien beinhaltet Territorien beinhaltet Territorien

Subtraktion Vordach

Subtraktion

?

Subtraktion

Türlaibung gestaffelt Türlaibung gestaffelt Türlaibung Eingang gestaffelt

Eingang

EingangÜbereck

Übereck

Übereck

RÄUMLICHE GRENZEN

ecke

rrasse

Terrasse

Loggia

Loggia

Loggia Nische

Nische

Nische Arkaden

Arkaden

Arkaden

ubengang

Laubengang

Innenhof

Innenhof

InnenhofRampe

Rampe

Rampe Treppe

Treppe

Treppe

93 94 95 96 97

Vgl. Sauerbruch 1998 Ebd. S. 33. Ebd. Ebd. S. 10. Kil, Wolfgang: Die Grenze im Kopf, in: Sauerbruch 1998, S. 20. 98 Libeskind, Daniel: Die Grenze, in: Sauerbruch 1998, S. 12. 99 Sauerbruch 1998, S. 33.

46


Der Architekt Matthias Sauerbruch leitete 1996 an der TU Berlin ein Seminar zum Thema "Die Grenze", als Gastkritiker waren unter anderem Daniel Libeskind und Wolfgang Kil involviert.93 Während des Seminars wurde der Begriff der autonomen Grenze eingeführt, eine Grenze, "die selbst zu einem Raum wird, der die sie gestaltenden Kräfte abbildet."94 Bei der Analyse von räumlichen Grenzen wurden verschiedene Kategorien entwickelt, denen man sie zuordnen kann, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln.

Des Weiteren wird die verkörperte Grenze aufgeführt, "die das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Territorien dreidimensional abbildet. [Sie] ist nicht nur Ausdruck der beiden Qualitäten, die als solche ihre Identität bewahren, sondern auch die skulpturale Verbindung bzw. Konfrontation der beiden Parteien."96 Eine Trennung, die eher auf mentaler Ebene statt findet, ist die katalytische Grenze. Ihr alleiniges Vorhandensein weckt Sehnsüchte, den Wunsch nach Überschreitung und Verbindung. So führt beispielsweise Wolfang Kil den Eisernen Vorhang als trennendes Element auf. "Im Sprechen und Denken und Fühlen und Träumen von DDR-Bürgern war die Grenze allgegenwärtig. Je tiefer sie sich eingenistet hatte in den Köpfen der Menschen, desto weniger erschien sie noch als geografische oder wenigstens körperlich fassbare Gegebenheit, vor die man sich stellt, um sie, und sei es nur aus der Ferne, anschauen zu können. Mehr und immer mehr war sie zu einer Umklammerung der eigenen Person geworden, zum Inbegriff des eigenen beschränkten Handlungsraumes. […] Vor allem anderen war es das Wissen um die Grenze, welches das Selbstgefühl der Menschen in der DDR vergiftete und letztendlich aus der Bahn werfen musste."97

»Die autonome Grenze lädt […] den Benutzer durch ein Raumerlebnis zum Verstehen und damit zur Identifikation mit dem Raum ein.«95 Eine bewohnte Grenze bezeichnet lt. Sauerbruch eine Trennlinie, die als eigenes Territorium erfahrbar ist. Sie ermöglicht ein unabhängiges Aus- und Eintreten in vorhandene Territorien. Als Beispiel können die Säulenhallen der Propyläen genannt werden, welche die Eingangsrampe links und rechts flankieren. Durch ihre einseitig geschlossene Mauerbegrenzung haben sie einen ganz eigenen Charakter, der unabhängig von Außenraum, Erlebnisraum und Rampe besteht. Mit verflüssigten Grenzen sind Bereiche gemeint, die einen ständigen Nutzungswechsel zwischen Territorien erfahren und erst durch ihre Benutzung zu einem Ort werden. Angestrebt wird in der heutigen Architektur oft eine Multifunktionalität, ein Überlappen von hybriden Zonen, die Qualitäten beider Territorien beinhaltet. Die Grenzen verschwimmen, scheinen sogar langsam zu verschwinden, diese Möglichkeit wird von Sauerbruch als oszillierende Territorien bezeichnet. Die drei bisher genannten Kategorien können sowohl räumlich, als auch in der Fläche verstanden werden.

»Über Grenzen lässt sich eigentlich nichts sagen. Man kann sie nicht diskutieren, weil sie zu existieren aufhören, sobald man sie benennt […].«98 Die benannten Kategorien beschäftigen sich sowohl mit dem "Entweder - Oder", dem Innen oder Außen, als auch mit der Simultanität, der ambivalenten Eigenschaft einer Grenze, der Überlagerung und Durchdringung von Territorien. "Die autonome Grenze ist [somit] ein Plädoyer für die Transparenz der Architektur."99

47

RÄUMLICHE GRENZEN

AUTONOME GRENZEN


48

1. 2. 3.

das Durchscheinen; Durchsichtigkeit, [Licht]durchlässigkeit [Maß für die] Lichtdurchlässigkeit (als Kehrwert der Opazität) Durchschaubarkeit, Nachvollziehbarkeit 100

[ Transparenz ]

TRANSPARENZ


"Transparenz entsteht immer dort, wo es im Raume Stellen gibt, die zwei oder mehreren Bezugssystemen zugeordnet werden können […]."101 Gemeint sind beispielsweise Wandnischen, räumliche Überlagerungen, die sich sowohl innerhalb der Wand, als auch dem gesamten Raum zugehörig fühlen. Zum Verständnis dieser Aussage bedarf es einer Grundlage, welche in der Publikation "Transparenz" von Colin Rowe und Robert Slutzky aus dem Jahre 1968 geliefert wird. Zuerst wird dort die Wortbedeutung des Begriffs Transparenz analysiert. Dabei wird klar, dass sie auf zwei ganz verschiedene Arten verstanden werden kann. Transparenz beschreibt zum einen eine dem Material inne wohnende Eigenschaft, wie z.B. Glas, das lichtdurchlässig oder dünner Stoff, der luftdurchlässig ist. Andererseits ist damit aber auch ein Organisationsprinzip gemeint, das leicht erkennbar, also offensichtlich ist. Durch die Analyse und Interpretation von Kunstwerken der Moderne kristallisiert sich bei Rowe und Slutzky eine neue Bedeutung des Begriffs heraus, nämlich als gleichzeitige Wahrnehmung von verschiedenen räumlichen Lagen. Daraufhin entstehen auch in der Architektur weitere Synonyme, wie Raum-Zeit (Vgl. Space, Time and Architecture von Sigfried Giedion aus dem Jahr 1941), Überlagerung, Simultaneität, Durchdringung oder Ambivalenz. "Transparenz [schafft] die vielfachen Lesearten möglicher räumlicher Beziehungen und Zusammenhänge."102 102 Diesen Aussagen zu Folge ist die Schwelle ein transparenter Raum, die vorher genannte Wandnische also ein Schwellenraum, der sowohl einen Raum in der Wand bildet, als auch als Teilbereich dem Gesamtraum zugeordnet werden kann. In der Architektur der Moderne verändert sich das Verhältnis zur Schwelle.103 Frank Lloyd Wright nutzt die Schwelle gezielt als Übergangselement und macht so ein zusammenhängendes Raumkontinuum mit unterschiedlichen Atmosphären spürbar. Die räumliche Trennung widerspricht dem Gedanken des freien Grundrisses, wie er bei Ludwig Mies van der Rohe zu finden ist. Genannter Architekt neigt dazu, Schwellen abzubauen und den Grundriss aufzulösen. "Es besteht eine Ambivalenz zwischen dem Wunsch den Innenraum zu schützen und ihn so stark wie möglich zu öffnen."104 Dabei entsteht die Frage, welche Rolle die Transparenz in Bezug auf die Auflösung der Schwelle spielt.

»Transparenz [schafft] die vielfachen Lesearten möglicher räumlicher Beziehungen und Zusammenhänge.«

100 www.duden.de, 29.11.2019. 101 Rowe 1997, S. 61. 102 Ebd. S. 67. 103 Vgl. Böttger 2014, S. 32. 104 Böttger 2014, S. 12.

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TRANSPARENZ

Auflösung der Grenze


TRANSPARENZ

AUFLÖSUNG DES GRUNDRISSES Der Deutsche Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe, den er für die Weltausstellung 1929 in Barcelona entwarf, stellt ein gutes Beispiel dar, um die verschiedenen Facetten der Transparenz in der Architektur aufzuzeigen. Die Trennung von Tragwerk und räumlicher Begrenzung stellt die Weichen für einen fließenden Raum, der sich als Raumfeld zwischen Körpern (Stützen und Wänden) aufspannt und nicht fest umschlossen ist.105 Innen und Außen gehen ineinander über und sind nicht klar voneinander abzugrenzen, es bilden sich vielfältig lesbare Räume. Die Materialität der transluzenten Wandscheiben sowie die Anordnung der opaken Elemente ermöglichen tatsächliche Transparenz, also Durchsicht und eine gute Orientierbarkeit. An der Oberfläche des polierten Marmors entstehen Reflexionen, die Transparenz im übertragenen Sinne, Überlagerungen von Ebenen, darstellen. Deckenscheiben und Boden begrenzen und definieren Räume in der Vertikalen, es entsteht jedoch nicht der Eindruck eines komplett umschlossenen Raumbehälters, das Raumkontinuum zieht sich durchgängig durch den Entwurf. Beim Durchschreiten ändert sich stetig die Perspektive und der Raumeindruck, der Bezug von Innen und Außen wird dabei immer versucht herzustellen. Trotz des spürbaren Bedürfnisses der Auflösung des Grundrisses und der Verbindung mit der Natur steht der Pavillon deutlich abgesetzt auf einem Sockel. Diese Grenze verdeutlicht "den Rand eines Territoriums, der eine klare Zugehörigkeit eines Raumes markiert."106

Die raumdefinierenden Elemente erzeugen durch ihre Anordnung abwechselnd ein Gefühl der Enge und Weite, eine spannende Raumfolge, die durch modulierte Übergänge und ständige Veränderung der Atmosphäre betont wird. Die Architektur der Moderne liefert im Vergleich zur Antike einen sehr transparenten Umgang mit Grenzen. "Der Schwellenraum ist Eingang, Übergang und Zugang zur Architektur zugleich."107 Die Schwelle als Übergangsbereich ist vielfältig interpretierbar und stellt sich als räumliches Phänomen dar. Vilém Flusser hält fest, dass "bisher […] der Ausdruck alles Räumlichen seine Definition, die Grenze [war]. In Zukunft übernimmt das Element der Überlagerung das Wesen des Raumes, in dem sich Raum, Zeit und Bewegung miteinander verweben."108

105 Vgl. Joedicke 1985, S. 164. 106 Böttger 2014, S. 45. 107 Ebd. S. 131. 108 Flusser 1991, S. 283.

50


Abb. 29. Deutscher Pavillon in Barcelona

TRANSPARENZ

Enge und Weite

Durchsicht

Ãœberlagerung

51


52


Der Ortsbezug in der Architektur

53


GENIUS LOCI

»Die Grenze ist nicht das, wobei etwas aufhört, sondern […] jenes, von woher etwas sein Wesen beginnt.«

Martin Heidegger

54


Ort und Landschaft

Der lateinische Begriff Genius Loci hat seinen Ursprung in der römischen Mythologie und bedeutet wörtlich übersetzt "der Geist des Ortes".109 Der antiken Vorstellung zu Folge besitzt jedes Individuum einen Genius, einen (Schutz-)geist, der ständig bei ihm ist und seinen Charakter stark beeinflusst. Der Genius Loci ist demnach die spirituelle Atmosphäre eines Orte, die unter anderem vom Geiste der dort lebenden Menschen, als auch von räumlichen Merkmalen geprägt ist. Der Ort hat in der Umgangssprache verschiedene Bedeutungen.110 Einerseits ist damit eine genaue Lokalisierung gemeint, man ist "an Ort und Stelle" oder "vor Ort". Andererseits kann aber auch eine Flächenausdehnung, eine Ortschaft, also ein eingegrenzter Bereich damit bezeichnet werden. So wie es beispielsweise im Englischen für den Raumbegriff die Bezeichnungen von space und room gibt, finden sich im italienischen Sprachgebrauch die Differenzierungen für den Ort als sito (ein Bereich in der natürlichen Landschaft) und luogo (eine vom Menschen besetzte Stelle in der geschichtlichen Landschaft).111 Der norwegische Architekt Christian Norberg-Schulz bezeichnet den Ort in seiner Publikation "Genius Loci. Landschaft, Lebensraum, Baukunst" 112 als "eine Totalität, die aus konkreten Dingen mit materieller Substanz, Form, Oberfläche und Farbe gebildet wird."112 Dabei macht er den Genius Loci stark abhängig von den Eigenschaften der den Ort begrenzenden Elementen. Im künstlichen, vom Menschen gemachten Ort werden diese repräsentiert durch Boden, Decke und Wand, im natürlichen Ort äquivalent durch die Beschaffenheit des Grundes, Himmel und Horizont (Topografie). Erst durch das in Beziehung setzen mit ihrer Umwelt können Orte ausreichend beschrieben werden, wie z.B. am Hügel / im Tal / am Fluss / im Wald etc. Die Struktur des Ortes kann lt. Norberg-Schulz mit den Parametern Raum und Charakter dargestellt werden.113 Raum meint hier die dreidimensionale Organisation, die Anordnung der raumdefinierenden Elemente, die Lagebeziehung zwischen Körpern also. Je nach Eigenschaft der raumbegrenzenden Elemente kann der Charakter im Raum ganz unterschiedlich empfunden werden. Eine große Rolle in Bezug auf die Atmosphäre spielen dabei alle Faktoren, die Klima und Jahreszeiten betreffen, wie Licht, Luft und Witterung. Gemeinsam mit Form und Oberfläche der Grenzen prägen sie den Charakter eines Ortes.

»[…] eine Totalität, die aus konkreten Dingen mit materieller Substanz, Form, Oberfläche und Farbe gebildet wird.«

109 Vgl. Norberg-Schulz, Christian: Genius Loci. Landschaft, Lebens raum, Baukunst, Stuttgart 1982, S. 18. 110 Vgl. Valena, Tomas: Beziehungen. Über den Ortsbezug in der Architektur, Aachen 2014, S. 19. 111 Steinmann, Martin: Spiegelungen, S. 2, in: Archithese: Ort 3.84, Zürich 1984. 112 Norberg-Schulz 1982, S. 6. 113 Vgl. ebd. S. 11f.

55

GENIUS LOCI

DER GEIST DES ORTES


56

Abb. 30. Hermannsreuth in der Oberpfalz nahe der tschechischen Grenze

GENIUS LOCI


ERINNERUNG

Natürliches Licht verändert stetig die Atmosphäre in einem Raum, so hat der Wechsel von Tages- und Jahreszeiten in unserer Region großen Einfluss auf die unterschiedlichen Wahrnehmungen eines Ortes und seiner begrenzenden Elemente. Das Spiel von Licht und Schatten berührt die Empfindung des Menschen.114 Visuelle Helligkeit, Sonnenstrahlen auf der Haut, lösen ein Gefühl von Wärme aus. Schatten kann je nach Region unterschiedlich empfunden werden. Im sonnigen Süden ist er angenehm kühlend, bietet Schutz und einen Platz zum Ausruhen, im Norden hingegen wirkt er unangenehm dunkel und feucht, die klamme Kälte geht unter die Haut. Je dunkler ein Raum ist, desto wichtiger werden seine haptischen Eigenschaften. Otto Friedrich Bollnow unterscheidet in der menschlichen Wahrnehmung klar zwischen Tag- und Nachtraum.115 Bei Tag ist der ganze sichtbare Raum mit allen Gegenständen in vollem Ausmaß ersichtlich und überschaubar. Unser Gehirn lässt uns Lagebeziehungen zwischen Körpern klar definieren und Zwischenräume erkennen. Der Raum kann außerdem von allen sich im Raum befindlichen Personen ähnlich wahrgenommen werden, er ist also ein gemeinsamer Raum. Im Gegensatz dazu wird der Nachtraum, erhellt nur durch kleine, künstliche Quellen oder den angescheinten Mond, weniger mit dem Auge, als vermehrt durch andere Sinne wie Tasten und Hören wahrgenommen. Ohne räumliche Beziehungen ist es schwer, Distanzen richtig abzuschätzen, die Bewegung ist dadurch viel langsamer und vorsichtiger. Zwischenräume werden nicht explizit erkannt, sondern treten als dunkle Schatten auf. Als Schwellenraum zwischen Tag und Nacht kann nicht nur die Dämmerung, sondern beispielsweise auch der Wald oder natürliche Phänomene wie Nebel oder Schneefall gesehen werden, die das Sehfeld behindern oder verschleiern. Da weder ein Horizont zu Erkennen, noch ein Ende in Sicht ist, verliert der Mensch die Orientierung. Ohne feste Anhaltspunkte in der Umgebung ist er gefangen im offenen Außenraum, der zu einem beengenden, unübersichtlichen Innenraum wird.

Der phänomenologische Begriff des Genius Loci, wie ihn Norberg-Schulz erklärt, wird als Erscheinungsbild beschrieben. Er lässt außer Acht, dass "der Charakter eines Ortes nicht im Ort an sich [besteht], sondern in unserem Verhältnis zum Ort."116 So wie das Raumerlebnis beeinflusst ist durch die subjektiven Filter aus Erinnerungen und unterschiedlicher Wahrnehmung, variiert auch der Charakter des Ortes je nach Prägung des betrachtenden Subjekts.

»Es sind […] geschichtliche Ereignisse am Ort, die durch kollektive Erinnerung weitergegeben und somit zum immateriellen Bestandteil des Ortes geworden sind.«117 Laut Duden bezeichnet jenes Erinnern das "im Gedächtnis bewahrt haben und sich dessen wieder bewusst werden."118 Die Beschreibung eines Ortes, sei es eine Stelle oder Ortschaft, beinhaltet immer eine gewisse Einzigartigkeit, eine Qualität, an die man sich erinnert, die den Ort ausmacht. So ist die Erinnerung an Geschehnisse, die an Orten stattgefunden haben, maßgeblich prägend für den Genius Loci. Unser Gedächtnis ist jedoch oft trügerisch. Geschichten und Erinnerungen überlagern sich, es entsteht eine Transparenz, eine Simultaneität von stattfindenden Ereignissen in unserem Kopf, die sich nicht mehr richtig ordnen lassen, sie werden weiter entwickelt oder schlicht weg vergessen. "Jede Geschichtsschreibung ist eine Interpretation der Vergangenheit vom Standpunkt der Gegenwart aus."119 Der Ort ist dabei ein unerschöpflicher Speicher.

114 115 116 117 118 119

57

Vgl. Valena 2014, S. 48 f. Vgl. Bollnow 1990, S. 215 ff. Noseda, Irma: Ort und Heimat, S. 3, in: Archithese 3. 1984. Valena 2014, S. 53. www.duden.de, 29.11.2019. Giedion 1965.

GENIUS LOCI

ATMOSPHÄRE


GENIUS LOCI

HEIMAT Mit Heimat wird im Allgemeinen ein Ort bezeichnet, in dem man geboren oder aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt.120 Der Begriff wird oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend verwendet. Die Identifikation mit dem Ort ist essenziell für ein Heimat-Gefühl, ein sich wohl fühlen im großen un-heimlichen Raum.121 Dabei hat diese nicht immer etwas mit dem gebauten Raum zu tun, sondern mit verorteter Erinnerung. "Der Mensch ist raumbezogen durch seine Leiblichkeit und ortsbezogen durch seine Erinnerung der Ortsbilder."122 In unserer schnelllebigen, sprunghaften, unüberschaubaren Zeit ist der Mensch krampfhaft auf der Suche nach etwas Beständigem, etwas Gewachsenem, an dem er sich festhalten kann. Er ist überfordert von einer Flut aus Reizen, die ständig auf ihn einprasselt und ihn zu überrollen scheint. Wie Louis Kahn feststellte, haben unsere Orte keinen Genius mehr, sie wissen nicht mehr, was sie sein wollen.123 Ohne Bezugspunkte hat der Mensch deshalb die Orientierung verloren, hat verlernt sich alleine in seiner Umgebung zurecht zu finden und verlässt sich nicht mehr auf seine Sinne. Er sucht Orte der Erinnerung auf, um zu reflektieren, zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst zu kommen, zurück zur Natur.

»Das Haus, das uns in der Welt verorten soll, muss selbst verortet sein, muss ortsgebunden sein. Nur eine ortsgebundene Architektur kann unseren Ortsbezug zum Weltbezug transformieren.«124 Auch Norberg-Schulz schreibt: "Der Verlust des Ortes hat für die Menschen und für die Gesellschaft katastrophale Folgen: langsam nehmen wir sie wahr. […] Alle menschlichen Handlungen brauchen notwendigerweise einen angemessenen Ort, um sich ereignen zu können. Der Ort ist also integrierter Teil der Handlungen, und andererseits ist der Mensch nicht zu denken ohne Bezug auf die Orte."125 Zur Schaffung von Heimat muss die Architektur deshalb identitätsstiftende Handlungsräume zur Verfügung stellen.126

120 121 122 123

www.duden.de, 08.12.2019. Vgl. Norberg-Schulz 1982, S. 21. Valena 2014, S. 173 Vgl. Snozzi, Luigi: Der Ort oder die Suche nach der Stille, in: Archithese 3. 1984, S. 23. 124 Valena 2014, S. 173. 125 Norberg-Schulz, in: Snozzi 1984, S. 23. 126 Vgl. Noseda 1984, S. 5.

58


59 Abb. 31. Oberpfälzer Wald

GENIUS LOCI


GENIUS LOCI

Ort und Architektur

Mit seinem Buch "Beziehungen. Über den Ortsbezug in der Architektur" veröffentlicht der Tscheche Tomas Valena 2014 ein Plädoyer für die kontextuelle Architektur. Diese setzt sich in Beziehung mit ihrer Umwelt und macht laut Valena in sofern Sinn, dass Architektur, die sich nach einem Stil orientiert schnell aus der Mode kommt und sehr subjektiv bewertet wird. Unsere Umwelt hat hingegen einen stabilen, allgemeingültigen Charakter.127 Ortgebundene Architektur entsteht aus der Annäherung von Typus und Topos. Unter Typus wird eine Architektur des Regelfalls verstanden, eine optimale Ausformulierung und Funktionalität, die reproduzierbar ist, die Idealform im ökonomischen Sinne. Topos meint die Summe aller Umwelteinflüsse, die zu einer Einzigartigkeit des Ortes führen, sie wird als Realform bezeichnet. In der Architektur der Moderne wurde der Ortsbezug teilsweise verloren. Der Funktionalismus bezog sich auf die Bedürfnisse des Menschen im Raum, ohne die Umgebung mit einzubeziehen. Le Corbusier hat sich zum Beispiel in seinen "Fünf Punkten zu einer neuen Architektur" stark auf die den Innenraum betreffenden Theorien fokussiert, ohne die Frage zu stellen, was der Ort wirklich braucht. Seine Villa Savoye ist durch Stützen vom Grund abgehoben, sie steht nicht konkret mit der Umgebung in Beziehung und könnte leicht an einem anderen Standort platziert werden. Andere Architekten beziehen sich jedoch sehrwohl auf den Ort. Das House Fallingwater, ehemals Haus Kaufmann, von Frank Lloyd Wright passt sich materiell und räumlich an die Gegebenheiten der Natur an und auch Richard Neutra verschiebt die räumlichen Grenzen bis in die Landschaft hinaus.128 "Architektur bedeutet […] Visualisierung des genius loci."129 Der Ort muss dabei als Gesamtheit mit all seinen Eigenschaften und Einflüssen erfasst werden. Max Bosshard, der sich in dem Artikel "Die Quadratur des Ortes" unter anderem kritisch mit der Definition des Genius Loci auseinandersetzt, führt die Herangehensweise von Mario Botta auf, um einen Ort zu analysieren und eine äquivalente Architektur zu entwickeln.130

"Nach Mario Botta hat jedes Architekturwerk seine spezifische Umgebung, sein eigenes Territorium, mit dem es in einem engen Verhältnis steht. Die wechselseitige Beziehung ist dynamisch und kann sich mit der Zeit verändern. […] Wichtiger als das Objekt an sich sind […] seine räumlichen Beziehungen zur Umwelt."131 Botta differenziert zwischen physischen und kulturellen Merkmalen des Ortes. Zuerst sollen die physischen Eigenschaften, wie Topografie, Vegetation, Region und Natureinflüsse, das Erscheinungsbild also, analysiert werden. Danach soll das Augenmerk auf die kulturellen Besonderheiten gelegt werden. Sie müssen "als Zeugnis der Geschichte und des kollektiven Gedächtnisses interpretiert"132 und die Erkenntnisse daraus in unsere heutige Zeit transformiert werden. In der Adaption und Transformation kann die Architektur einen neuen Sinn bekommen, je nach materiellen oder sozialen Anforderungen, denn "mit dem Entwerfen für den Ort [wird] nicht nur Geschichte erhalten, sondern vor allem der Rahmen für gelebte (Zeit-)Geschichte geschaffen […]."133 Einen ähnlichen Entwurfsansatz verfolgen die Brüder und Architekten Peter und Christian Brückner. Aufgewachsen in der nördlichen Oberpfalz, bis 1989 gen Osten abgeschottet durch den Eisernen Vorhang, setzen sie sich in ihrer Werk-Biografie mit dem Begriff der Heimat und der Essenz des Bauens auseinander, die ihrer Meinung nach das Material, den Raum, den Ort und den Menschen einfasst.134 "Natur und Tradition sind unsere Lehrmeister, die Natur als etwas Gebautes zu erleben, ist unsere Maxime. Die Natur ist Inspiration unserer Arbeit, Inspiration für das Gebaute im Einklang mit dem Ort."135

127 Vgl. Valena 2014, S. 13 f. 128 Vgl. Böttger 2014, S. 32. 129 Norberg-Schulz 1982, S. 5. 130 Vgl. Bosshard, Max: Die Quadratur des Ortes, in: Archithese 3. 1984, S. 28. 131 Ebd. 132 Ebd. S. 29. 133 Noseda 1984, S. 4. 134 Vgl. Brückner & Brückner Architekten: Wurzeln und Flügel, Basel 2018. 135 Ebd. S. 19.

60


Brückner & Brückner

136 Brückner 2018, Beschreibung zum "Ort der Begegnung" an der Grenze zwischen Deutschland und Tschechien bei Bärnau in der Oberpfalz.

61

GENIUS LOCI

»Zwischen Magie und Melancholie: ein Ort, gebaut von Menschen an der Grenze. Der Raum ist einfach, innen wie außen. Das Material ist nur gefügt. Der Raum spielt mit Farbe, Licht, Schatten und den Jahreszeiten. Die Sonne ist sein Partner, der Mond die heimliche Liebschaft. Grenzerfahrungen. Grenzräume. Lebensräume. Der Wille des Ortes gibt die Antwort.«136


GRENZRAUM

»Grenzen sind immer ein Stück Willkür. Der Mensch braucht sie, benutzt sie, konstruiert sie. Abgrenzen heißt Überschaubarkeit herstellen. Nur so lässt sich Wesentliches erkennen, begründen, festhalten, erzählen und erinnern.«137 Brückner & Brückner

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Bayern und Böhmen

137 Brückner 2018, S. 38. 138 Altrichter, Frank: Grenzlandproblematik (nach 1918), publiziert am 26.06.2013, in: http://www.historisches-lexi- kon-bayerns.de, 17.10.2019; Mit dem Begriff Grenzlandprob- lematik wird in Politik und Wissenschaft die spezifische Grenzsituation Ostbayerns vom Ende des Ersten Weltkriegs bis heute bezeichnet.

63

D

CZ

offene Zollgrenze kaum gesichert

1918

Grenze durch Zollmauern befestigt

1947

Eiserner Vorhang Grenze geschlossen

1990

Eiserner Vorhang fällt Zollkontrollen

2004

Beitritt zur EU offene Landesgrenze

GRENZRAUM

Politische und gesellschaftliche Entscheidungen prägen seit jeher die Landschaft. Trennende Linien werden gezogen, um sich geografisch und wirtschaftlich voneinander abzugrenzen, Eigentum zu definieren und dieses zu verteidigen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen starr befestigten, unüberwindbaren Grenzen, wie Mauern und Zäunen, und unscharfen Grenzräumen, Landschaften und Kulturgrenzen, die man in der Natur kaum durch Linienstrukturen festmachen kann. Verschiedene Ereignisse haben aus dem Grenzgebiet zwischen Deutschland und der heutigen Tschechischen Republik eine vielschichtige Erinnerungslandschaft entstehen lassen, die Art der Abgrenzung unterstand stetigem Wandel. Um ein Verständnis für die örtlichen Gegebenheiten zu entwickeln, wird im Folgenden die geschichtliche Entwicklung der Region zwischen Bayern und Böhmen dargelegt. Die so genannte „Grenzlandproblematik“138, die politischen und wirtschaftlichen Einflüsse im Raum Ostbayern spielen dabei eine wichtige Rolle.


GRENZRAUM

1918 - 1933

1933 - 1945

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges grenzte Ostbayern an das Königreich Böhmen, welches seit 1806 als Kronland zur Österreich-Ungarischen Doppelmonarchie gehörte.139 Es bestand eine recht offene Zollgrenze, die kaum gesichert wurde und somit keine Behinderung für den Warenverkehr darstellte. Dies ermöglichte eine gute Zusammenarbeit zwischen Bayern und Böhmen.140 Es entstanden Hammerwerke zum Braunkohle-Abbau, Glashütten und Glasschleifen, u.a. zur Spiegelproduktion. Außerdem forderte die wachsende Porzellanherstellung große Fabriken. Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns und dem Ausruf der Tschechoslowakei als unabhängiger Staat im Jahr 1918 veränderte sich die Situation, „durch […] die territoriale Neugliederung in Mittel- und Osteuropa erfuhr Ostbayern einen Bedeutungszuwachs als Grenzland in den (wirtschafts-)politischen Beziehungen.“141 Die Grenze zum tschechoslowakischen Nationalstaat wurde durch Zollmauern befestigt und der Güterverkehr stark eingeschränkt, wodurch sich verschiedenartige Missstände in der Bevölkerung bildeten.142 In Folge dessen wurde an den deutschen Staat appelliert, Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zu ergreifen, wie beispielsweise die Bezuschussung von Bildungseinrichtungen oder die Verbesserung der Infrastruktur, um den Tourismus in der Region anzutreiben.

Die Nationalsozialisten ergriffen 1933 die Macht in Bayern und bauten, nicht für den Tourismus, sondern hauptsächlich für militärische Zwecke, die Infrastruktur weiter aus, was nichts desto trotz einen Mehrwert für die Grenzregion brachte. Die starre Gesinnung und „offensiv-völkische Stoßrichtung“143 des NS-Regimes gegen den Nachbarstaat zeigte sich auch darin, dass bereitwillig finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um Maßnahmen zu fördern, „die eine Stärkung des Deutschtums gegenüber der Tschechoslowakei zum Ziel hatten […]“.144 So wurde z.B. der Bau von Unterkunftshäusern (Schutzhütten) und Vereinsheimen (für die Hitlerjugend) nahe der Grenze zwischen Bayern und der Tschechoslowakei unterstützt. Die Funktion des Randgebiets gab Ostbayern kurzzeitig an das Sudetenland145 Richtung Osten ab, als dieses 1938 vom Deutschen Reich annektiert wurde.146 Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 endete die regionale Kultur- und Wirtschaftsförderung für das Grenzland Ostbayern, im Vergleich zu anderen Gebieten des Deutschen Reichs blieb es weiterhin eher wirtschaftsschwach.

139 Vgl. Altrichter 2013, S. 3 f. 140 Vgl. Guggenmoos 1981. 141 Altrichter 2013, S. 3. 142 Vgl. Altrichter 2013, S. 4. 143 Ebd. S. 5. 144 Vgl. ebd. 145 Sudetenland bezeichnet ein ehemals deutsches Siedlungsgebiet in der Tschechischen Republik 146 Vgl. Altrichter 2013, S. 6. 147 Vgl. Knedlik, Manfred (Hrsg.): Spurensuche, Region, Grenzgänge, Tirschenreuth 2002, S. 6.

64


Mit der Aufteilung Europas zwischen den Siegermächten nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 verlor die geografische Lage Bayerns weiter an Attraktivität. Durch den Ausbau der Grenzanlagen durch den Ostblock wurde der Warenaustausch zwischen den Nachbarn extrem eingeschränkt und zeitweise sogar komplett eingestellt. Während dem Kalten Krieg zonierten breite Grenzstreifen den Eisernen Vorhang, Zäune, Mauern und Wachtürme wurden errichtet und nahmen viele tausend Quadratkilometer Fläche ein. Aufgrund von Beschlüssen der Prager Regierung wurden die Deutschen aus Böhmen vertrieben, so kam es auf westlicher Seite durch die Einwanderung von Geflüchteten zu einer Verschlechterung auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt.147 Auf östlicher Seite wurden die zwangsumgesiedelten Deutschen so schnell wie möglich durch Tschechen und Slowaken ersetzt. Landsleute aus ganz Europa, oft mit handwerklichen Qualifikationen, wurden angeworben, um in der Tschechoslowakei die Leerstände zu bewirtschaften. Dieses Anwerben führte zu einer Heterogenität in der Gesellschaft der tschechoslowakischen Grenzregion, Rückwanderer aus u.a. Rumänien, Österreich, Polen, Belgien und auch Andere wie Roma, Ukrainer und Ungarn mit verschiedenartigen Traditionen und Sprachen fanden dort ein zu Hause. Weiterhin verlassene Dörfer wurden nach geraumer Zeit dem Verfall preisgegeben oder für den Kohle-Abbau dem Erdboden gleich gemacht.148 Die Regierung der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland versuchte die strukturschwache Region Bayerns durch Förderprogramme des Zonenrandgebiets, welches einen 40km breiten Streifen auf bayerischer Seite entlang der Grenze zur DDR und CSR umfasste, zu entschädigen. Als „Schaufenster“ gen Osten wurde dem Randgebiet eine wichtige politisch-ideologische Bedeutung zugeschrieben. Die soziale Marktwirtschaft sollte gegenüber der Planwirtschaft in Szene gesetzt und ihre Vorreiterrolle demonstriert werden.149

Die Grenze Bayerns zur DDR und zur Tschechoslowakei war im Kalten Krieg eine Nahtstelle zwischen Ost und West.

148 Vgl. Die Sudetendeutschen 2018. 149 Vgl. Altrichter 2013, S. 10.

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GRENZRAUM

1945 - 1989


66

Abb. 32. Grenzverlauf des Eisernen Vorhangs durch Deutschland

GRENZRAUM


67 GRENZRAUM

Abb. 33. Deutsch-Deutsche Grenze nach Fall des Eisernen Vorhangs


Abb. 34. Grünes Band bei Waldsassen

GRENZRAUM

»ES IST EIN HOHN DER NATUR: WO NACH DER WENDE DER VERHASSTE GRENZZAUN EILENDS HERAUSGERISSEN WURDE, WAR DER GELOCKERTE BODEN IDEAL FÜR BAUMSAMEN. UND SO WUCHS EIN GRÜNER ZAUN NACH, KAUM WAR DER ALTE DRAUSSEN, DIE GRENZE IST ZÄH, SO LEICHT WIRD MAN SIE NICHT LOS.«150

»Das Grüne Band ist eine einzigartige Möglichkeit alte Grenzen und Barrieren zwischen Ost und West zu überwinden - ein lebendiges Symbol für das zusammenwachsende Europa.«151 Bund Naturschutz 68


Grünes Band

Mit der Öffnung der Grenzen 1989 und dem Ende des Kalten Krieges wandelte sich die Standortsituation Ostbayerns erneut, diesmal zum Positiven. Der Güter- und Personenverkehr nahm schlagartig zu, grenzübergreifende Beziehungen, sowohl wirtschaftlich als auch kulturell wurden wieder aufgenommen. Bayerische Unternehmen profitierten von den billigen Produktionsbedingungen im Nachbarland, ebenfalls kamen billige Arbeitskräfte in den Westen. Die Situation barg sowohl Risiken, als auch Chancen für die Grenzstaaten. Mit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 sowie der endgültigen Grenzöffnung 2007 rückte Deutschland nun final in die Mitte Europas und fungiert seitdem als Drehscheibe.152 Zahlreiche grenzübergreifende Kooperationen wurden seit der Wende initiiert, denen unterschiedliche Beweggründe, wie politische Bildung, kultureller Austausch oder Erinnerungsarbeit in Grenzlandmuseen zu Grunde liegen. Ein herausragendes Beispiel der Förderung von Dialog zwischen Tschechien und Bayern ist das 2006 gegründete CeBB (Centrum Bavaria Bohemia)153 in Schönsee in der Oberpfalz, dessen Räumlichkeiten seit 2016 in einer von Brückner & Brückner Architekten umgebauten alten Brauerei beheimatet sind. Jahrzehntelang verhinderte die unüberwindbare Barriere des Eisernen Vorhangs jegliche Aktivitäten im Grenzgebiet.154 Die Natur konnte weiter bestehen, ihre artenreiche Flora und Fauna ausdehnen und stellt heute (Stand 2019) mit über 12 500 km Länge das Grüne Band Europa dar, eine der wichtigsten paneuropäischen Biotopen-Verbund-Achsen, an deren Verlauf sich 24 Länder angliedern.

Mit dem Iron Curtain Trail, dem europäischen Radfernweg EuroVelo 13, der über mehrere Nationalparks von der Barentsee an der norwegisch-russischen Grenze bis zum Schwarzen Meer an der bulgarisch-türkischen Grenze führt, besteht die Möglichkeit, den ehemaligen Eisernen Vorhang sportlich zu erkunden. Das Konzept, welches auch in der Publikation anlässlich der Ausstellung „Unbuilding Walls. Vom Todesstreifen zum freien Raum.“ im deutschen Pavillon auf der 16. Internationalen Architekturbiennale 2018 in Venedig vorgestellt wurde, orientiert sich an dem Berliner Mauerweg. Geschichte und Natur erleben, erinnern, europäische Identität stärken. So gewinnt das Zonenrandgebiet nicht nur im Bereich des Naturschutzes, sondern auch in Bezug auf die historischen Kulturlandschaften immer mehr an Bedeutung. Im Zuge des vom bayerischen Kabinett im Jahr 2017 begrüßten Lückenschlusses des Grünen Bandes im Bereich der Oberpfalz (etwa 200 km, die bis dato noch normal bewirtschaftet werden) wurde eine Machbarkeitsstudie beauftragt, die darstellen soll, inwiefern weitere grenzüberschreitende Projekte umgesetzt werden können.155 Als Themenschwerpunkte werden Biotopverbund und Biodiversität, Historische Kulturlandschaft und Naturverträglicher Tourismus bearbeitet. Einen möglichen Standort bildet hierbei die Silberhütte bei Bärnau. Dort soll in Zukunft naturverträglicher Tourismus gefördert, Information bereitgestellt, für den Grenzraum sensibilisiert sowie kulturelle Begegnung ermöglicht werden.

150 Weiss, Marlene: Ans Ende der Welt und einfach weiter, in: Süddeutsche Zeitung, publiziert am 18.08.2014. 151 Bund Naturschutz: Natur besiegt den Eisernen Vorhang, in: Mittelbayerische Zeitung, Region Cham, publiziert am 01.04.2014. 152 Vgl. Altrichter 2013, S. 14. 153 Vgl. Internetauftritt des CeBB: www.bbkult.net. 154 Vgl. Machbarkeitsstudie Grünes Band Oberpfalz Tschechische Republik, Planungsbüro Blum, Freising, veröffentlicht am 19.06.2019. 155 Vgl. ebd.

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GRENZRAUM

1989 - 2019


GRENZORT

»Unsere Bemühungen als Architekten […] sind nichts anderes als der Versuch, mit unseren Mitteln einen Ort aus dem grenzenlosen un-heimlichen Raum auszugrenzen, und ihm mit der physischen Qualität seiner Begrenzung eine Ordnung aufzuerlegen und Bedeutung zu schaffen, die diesem Kriterium genügt.«156 Matthias Sauerbruch

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Silberhütte LAGE UND GESCHICHTE

Abb. 35. Silberhütte um 1940

Die Silberhütte bezeichnet einen abgelegenen Ort auf einer Waldlichtung, welcher sich im Gemeindegebiet Bärnau, unmittelbar am ehemaligen Eisernen Vorhang, befindet. Alten Dokumenten zu Folge wurde im Jahr 1614 nahe der heutigen Ortschaft Altglashütte eine Glashütte mit Brauerei, Mahl- und Schneidemühle sowie Wohnhäusern für die angestellten Glasmacher gegründet.160 Namensgebend war ein nahes Silberbergwerk, das bis zum Dreißigjährigen Krieg betrieben wurde. Mehrere Plünderungen, die Jahre der Pest und Besitzerwechsel machten es schwer, die Hütte lohnenswert zu betreiben und so wurde sie 1707 wieder abgebrochen. 1723 entstand die heutige Lage der Silberhütte. Eine neue Glashütte zur Produktion von verschiedenen Glasarten, wie Tafelglas, Hohlglas und Glasperlen wurde ca. 1km südlich errichtet. Durch einen Großbrand und den dadurch verursachten Verlust von Räumlichkeiten und Rohstoffen wurde das Angebot auf Spiegelglas reduziert, um konkurrenzfähig zu bleiben. Weiterhin litt die Marktfähigkeit allerdings unter der abgelegenen Lage des Standortes, sodass auch dieses Unternehmen Ende des 19. Jahrhunderts schließen musste und vom Staat Bayern aufgekauft wurde. Außer dem Namen erzählt heute kaum noch etwas von der Geschichte des Ortes. Dieses Beispiel zeigt, dass Lage sowie Anbindung an Infrastruktur wichtige Faktoren für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens darstellen. 156 Sauerbruch 1998, S. 31. 157 Vgl. www.baernau.de, 11.06.2019. 158 Vgl. www.geschichtspark.de, 20.05.2019. 159 Vgl. www.heimatunternehmen. bayern, 20.05.2019. 160 Vgl. Silberhütte 1982.

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GRENZORT

Die kleine Stadt Bärnau mit ihren ca. 3100 Einwohnern157 liegt in der Oberpfalz, direkt an der Grenze zur Tschechischen Republik im Grünen Band Europa und ist eine der ältesten Städte Bayerns. Die Region ist von der scheinbaren Undurchdringlichkeit des Oberpfälzer Waldes geprägt, welcher sich im Norden mit dem Fichtelgebirge und im Süden mit dem Bayerischen Wald zu einer Gebirgskette verbindet. Mit der Entstehung des Geschichtspark Bärnau-Tachov und dem ArchaeoCentrum für Archäologie 2017 hat sich Bärnau zu einem bayerisch-tschechischen Universitätsstandort entwickelt, der sich hauptsächlich mit der Via Carolina beschäftigt.158 Außerdem sind zahlreiche Projekte im Aufbau, um den Standort attraktiver zu gestalten, wie beispielsweise der Umbau eines Ackerbürgerhauses zum Kulturtreff und Gemeindehaus, der Ausbau der Mountainbike-Strecken im Oberpfälzer und Böhmischen Wald und die Entstehung einer Umweltbildungsstation.159


Bärnau

Neumarkt Tachau

Amberg Klattau

Schwandorf

Cham

Regensburg

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Abb. 37. Karte Grünes Band Oberpfalz - Böhmen

GRENZORT

Abb. 36. Karte Deutschland - Tschechische Republik

Oberpfalz

Karlsbad

Eger Marienbad

Weiden Pilsen


Bärnau

GRENZORT

Altglashütte Waldnaabquelle Silberhütte Mittelpunkt Mitteleuropas

Kreuzstein

Aussichtsturm Havran

Flossenbürg

Burg Schellenberg

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Abb. 38. Lage Silberhütte an der Landesgrenze zur Tschechischen Republik

Goldbachhütte


Abb. 40. Vegetation Silberhütte

D

74 CZ Abb. 39. Topografie Silberhütte

GRENZORT

Silberhütte 850 m ü. NN Entenbühl 901 m ü. NN


»Am Anfang ist für uns der Ort. Die erste Frage, die wir uns stellen: Was will an diesem Ort sein? Dann beginnt die Spurensuche. Ein Gefühl im Raum entsteht.«163 Brückner & Brückner

Die Silberhütte kann als Einstieg in ein großflächiges Grenzgebiet angesehen werden. Die Landesgrenze zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik verläuft linear in einer Masse aus dichtem Wald und geht fast unter in der grenzenlosen Vielfalt von Naturphänomenen wie Felsen, Vertiefungen, Hainen, Dickichten, Büschen und Bäumen, welche die Natur zu bieten hat. Die spürbare Grenze hat sich dabei verschoben. Sie befindet sich nun bei der Silberhütte im Übergang von der leeren Fläche des Feldes zum dichten Volumen des Waldes. "Man muss sich nicht lange im Wald aufgehalten haben, um das eher furchterregende Gefühl zu erleben, immer tiefer in eine grenzenlose Welt zu gehen. Schon bald, wenn wir nicht wissen, wohin wir gehen, wissen wir nicht mehr, wer wir sind."161 - So spricht der französische Philosoph Gaston Bachelard vom sich verlieren im Wald. Dieser wird nur zu einem Ort, an dem wir uns heimisch fühlen, wenn er begrenzt ist, wenn wir uns orientieren können; auch das Paradies wird als eingefriedete Natur beschrieben. Oder wir haben von Kind auf gelernt, uns darin zurecht zu finden, verbinden positive Erinnerungen mit dem Durchwandern des Waldes und können uns mit dem Ort identifizieren. Der moderne Mensch findet sich jedoch meist nicht mehr in der Natur zurecht, benötigt Wegweiser um sich nicht zu verirren. Vor allem das Licht verleiht dem Wald seine verschiedenen Stimmungen. Der Wechsel von Tagesund Jahreszeiten erzeugt unterschiedliche Farben, Filter wie Dämmerung, Nebel und Dunst erzeugen mystische Atmosphären. Geschlagene Schneisen, wie die Forstwege und Loipen der Silberhütte und Lichtungen erzeugen spürbare Einschnitte im Wald. Die Silhouetten der raumbildenden und raumbegrenzenden Bäume zeichnen sich gegen den Himmel ab, die Bewegung der vorbeiziehenden Wolken wird spürbar.

Von oben wirkt der Wald als geschlossenes, schützendes Dach, von unten gesehen ist er durchlässig, aber undurchdringlich. Die Offenheit oder Geschlossenheit ist also von der jeweiligen Perspektive des Betrachters und seinen subjektiven Empfindungen abhängig. Auch die Beschaffenheit des Oberflächenreliefs, also die Topografie, bestimmt maßgeblich den Charakter eines Ortes. So wird die Oberpfalz als karg und trist beschrieben. Sie bekommt ihre Adjektive durch die gleichmäßige Ausdehnung der Landschaft. Flache Hügel, dazwischen sanfte Täler mit oft steinigem, unfruchtbaren Land. Die Silberhütte befindet sich am Fuße des Entenbühls, einem Hügel mit gleichmäßigem Anstieg, dessen höchster Punkt sich auf 901 ü. NN. befindet. Der Hang vermittelt zwischen unten und oben, die Aufwärtsbewegung fordert Anstrengung, sie lässt uns langsamer und bedachter werden. Dabei kann ein unsicheres Gefühl entstehen, man rutscht hab, strauchelt, sucht nach Halt. "Der Geist des hohen Ortes ist in der Tat ein 'erhebender', er weitet das Herz und macht es geräumig, um die ganze Landschaft zu fassen."162 Um den Hügel zu besteigen, gibt es zwei Arten des Begehens. Erstere geht steil bergauf, immer mit dem Ziel vor Augen. Die Andere orientiert sich entlang der Höhenlinien, ist sanfter und gewährt bei guter Sicht einen Panoramablick. Beim Abstieg des Entenbühls auf östlicher Seite gelangt man zur unbefestigten Landesgrenze, die durch Grenzsteine und Stangen markiert ist. Folgt man dieser Richtung Süden, erreicht man nach ca. 20 min den Aussichtsturm Havran auf tschechischer Seite.

161 Norberg-Schulz 1982, S. 25. 162 Valena 2014, S. 37. 163 Brückner 2018, S. 29.

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GRENZORT

SPURENSUCHE


Abb. 42. Walddickicht am Entenb端hl

Abb. 41. Ausblick vom Havran auf den Entenb端hl

GRENZORT

Silberh端tte Entenb端hl

76


77 GRENZORT

Abb. 43. Schneise durch den Wald für Forstweg / beleuchtete Loipe auf der Silberhütte


78

Abb. 46. Beschilderung der Staatsgrenze

Abb. 45. Grenzstein Aufsicht

Abb. 44. Grenzstein mit Markierung

GRENZORT


GRENZORT Abb. 47. Grenzweg markiert mit Stein und Stange

»WALD PRÄGT DIE REGION, […] EIN KOSMOS AN LICHTSTIMMUNGEN, ENDLOS MODULIERT NACH TAGES- UND JAHRESZEITEN; DIE UNENDLICH VIELFÄLTIGEN GERÜCHE, DIE SICH TIEF VERANKERN UND […] IMMER WIEDER BILDER AUFSTEIGEN LASSEN.«164

164 Brückner 2018, S. 44.

79


80

Abb. 49. Überreste der Befestigung des Eisernen Vorhangs

GRENZORT

Abb. 48. Aufklärungsstation während dem 2. WK


81 GRENZORT

Abb. 50. Ehem. Aufklärungsstation, heute Aussichtsturm Havran auf dem Rabenberg, Tschechische Republik


Skiverleih Abb. 51. Aktuelles Gebäudeensemble

Schiedsgericht

Abb. 52. Verortung des Ensembles auf der Silberhütte

SILBERHÜTTE

Schießstand Tourismus Trockenraum Sanitär

Kiosk Garagen

Leerstand

82


Das heutige Gebäudeensemble auf der Silberhütte ist am Hang gelegen, am Fuße des Entenbühls, und besteht aus einem Schutzhaus, welches 1932 als Gaststätte und Unterkunftshaus errichtet wurde sowie mehrerer Gebäuden eines überregionalen Skilanglaufzentrums. Errichtet, um den Einheimischen und Fremden den Oberpfälzer Wald besser zugänglich zu machen, erfreute sich die Hütte in der Nachkriegszeit großer Beliebtheit. Daraufhin wurde 1977 das "Langlaufzentrum Silberhütte" gegründet und nach und nach durch Loipen und Funktionsgebäude erweitert. Außerdem gibt es ein nahe der Staatsstraße gelegenes Forsthaus sowie einen großzügigen Parkplatz unterhalb des Schutzhauses. Durch seine relativ schneesichere Lage auf ca. 850 m ü. NN ist der Standort mit grenzübergreifenden Loipen vor allem seit der Grenzöffnung 1989 ein beliebtes Ziel für Freizeitaktivitäten im Winter. Das Sportzentrum bietet mit einem großen Materialverleih und einer Laser-Biathlonanlage Spaß für Groß und Klein. Schulklassen halten regelmäßig auf dem Gelände Wettkämpfe ab, andere Besucher kommen aus den umliegenden Orten, teils sogar bis aus Regensburg und Tachov, um nach Feierabend auf den beleuchteten Loipen den Alltag hinter sich zu lassen. In der näheren Umgebung finden sich die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg sowie das verschwundene Dorf Paulusbrunn auf tschechischer Seite, welches nach Ende des Kalten Krieges "geschliffen"165 wurde. Weitere Ausflugsziele, die auf den zahlreichen Wander- und Radwegen zu erreichen sind, sind beispielsweise der "Mittelpunkt Mitteleuropas", die Burg Schellenberg oder der Ursprung der Waldnaabquelle. Ein beliebter Aussichtsturm, der Havran, befindet sich als ehemalige Radar- und Abhörstation mit einer informativen Dauerausstellung zum Eisernen Vorhang auf dem Rabenberg, ca. 40 min fußläufig.

Somit wäre die Silberhütte auch im Sommer ein guter Ausgangspunkt für sportliche Aktivitäten im bayerisch-böhmischen Grenzkamm, diese werden allerdings noch nicht ausreichend ausgeschöpft. Wo in den 1970er Jahren noch Kellerräume des Schutzhauses an den Ski-Club vermietet wurden, sieht das Sportzentrum sich heute mit einer im Zentrum verlaufenden Loipe als eigenständiges Ensemble. Unterschiedliche Eigentumsverhältnisse und die fehlende Zusammenarbeit mit den Sport- und Naturschutzvereinen machten das Unterkunftshaus mit Gastronomie unrentabel. Zusätzlich haben wechselnde Pächter mit der Gaststätte Misswirtschaft betrieben, sodass sie vor einigen Jahren schließen musste und seitdem komplett leer steht. Problempunkte auf der Silberhütte sind momentan die fehlende, durchaus nachgefragte Gastronomie sowie eine nicht ganzjährige Nutzung des Areals. Die bereits angesprochene, eher abgelegene Lage sowie die verfallende Bausubstanz beeinflussen das zukünftige Bestehen des Hauses zusätzlich negativ. Anfang 2019 hat sich die Stadt Bärnau dazu entschlossen, das Schutzhaus inklusive ca. 2,5 ha Land zu erwerben und dem Standort ein neues Erscheinungsbild zu geben. Es soll sich, laut örtlicher Initiativen, zu einem grenzüberschreitenden Zentrum im Grünen Band, mit den Haupthandlungsfeldern Natur und Ökologie, Tourismus und (Nah-)Erholung und Bildung und Begegnung entwickeln.

165 "Schleifung" bedeutet meist den Abriss von Burgen oder Befestigungsanlagen der verlierenden Partei eines militärischen Konflikts, hier: Abriss einer Ortschaft, die der Grenze des Eisernen Vorhangs weichen musste.

83

SILBERHÜTTE

NUTZUNG


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Abb. 54. SLZ Altbau mit Kiosk-Anbau

Abb. 53. Links oben das Langlaufzentrum, rechts das Schutzhaus

SILBERHĂœTTE


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Abb. 56. Schutzhaus Silberhütte

Abb. 55. SLZ Neubau mit Garagen für Pistenraupen

SILBERHÜTTE


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Abb. 58. Laser-Biathlon-Anlage

Abb. 57. Zentrale Loipe im SLZ

SLZ SILBERHÃœTTE


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Abb. 60. Beschneiungsmaschinen

SLZ SILBERHĂœTTE

Abb. 59. Materiallager


Schutzhaus

SCHUTZHAUS

GESCHICHTE

166 Auszug aus einem Schreiben des Landesdenkmalamts zur geschichtlichen Bedeutung des Schutzhauses. 167 Vgl. Silberhütte 1982, S. 4 ff.

Errichtet vom Oberpfälzer Waldverein 1932 ist das Schutzhaus Silberhütte, trotz der Umbauten in den 1950er und -70er Jahren, ein „[...]anschauliches Zeugnis der aggressiven Gesinnung und Geisteshaltung in den Jahren vor und während des Dritten Reiches“166, so lautet die Begründung der Behörde zur Auflistung ausgewählter Bereiche des Hauses auf die Landesdenkmalliste im Frühjahr 2019. Aufgrund dessen stellt sich die Stadt Bärnau, als neuer Besitzer, die Frage, was mit dem verfallenden Gebäude in Zukunft geschehen soll, denn ein Abriss steht nicht zur Debatte. Bereits während dem Ersten Weltkrieg entstand der Oberpfälzer Waldverein (OWV) aus einem Zusammenschluss verschiedener Verschönerungs- und Fremdenverkehrsvereine.167 Das Interesse an der Natur sowie Freizeitaktivitäten wurde größer und so sollte eine Gaststätte mit Unterkunftsmöglichkeiten für Einheimische und Fremde geschaffen werden. Schon 1920 wurde bei einer Wanderung durch das Gebiet der Standort auf einer Waldlichtung am Fuße des Entenbühls festgelegt, wo nur wenige Jahrzehnte zuvor noch eine Glashütte gestanden hatte. Nachdem zahlreiche Spenden akquiriert werden konnten, wurde das Schutzhaus 1932 als Blockbau mit Satteldach auf einem massiven Steinsockel innerhalb von nur 10 Wochen nach den Plänen des Stadtbaurates Josef Linhardt errichtet. Dabei wurden 120 Festmeter Fichtenholz aus Flossenbürg verbaut. Im Erdgeschoss befanden sich, wie noch heute, Gastraum und Küche, im Obergeschoss die Schlafräume. Wegen mangelnder Kapazität folgte bereits ein Jahr später ein flacher Hallenanbau in Holzständerkonstruktion. Da sich das Haus in der Nähe des Konzentrationslagers Flossenbürg befand, galt es u.a. als Aufenthaltsort für Nationalsozialisten. Außerdem erhielt es während dem Zweiten Weltkrieg den Titel "Hermann-Esser-Schutzhaus", benannt nach dem damaligen Staatsminister für Fremdenverkehr.

BAUPHASEN 1932

1932

1933

88

1933

1939


Das Bewusstsein der Grenzexistenz und die ortsgebundenen Ereignisse sind als kollektive Erinnerungen noch immer fest in den Köpfen der Menschen verankert. Sie machen die Silberhütte zu einem besonderen Ort, dessen zukünftige Nutzung im Fokus dieser Arbeit steht.

1957

2020 Abb. 61. Bauphasen

1939

Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte fanden zahlreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten statt. Das Blockhaus bekam eine schützende Holzverkleidung und wurde nach außen hin gedämmt, sanitäre Anlagen und die Eingangshalle wurden umgestaltet sowie die Zimmer neu möbliert. Wechselnde Pächter und häufiger Leerstand zeigen seit Anfang der 2000er Mängel an der Bausubstanz. Fehlende Finanzierungsmöglichkeiten für eine Grundsanierung und ausbleibende Kundschaft führen 2016 zum endgültigen Leerstand und zur Schließung des Schutzhauses Silberhütte. Aktuell befinden sich im Erdgeschoss eine Großküche, Sanitärräume, zwei Gasträume/-säle und eine großzügige Steinterrasse mit freier Sicht auf das Oberpfälzer Land. Das Obergeschoss ist in Ein- und Zweibett-Zimmer inkl. Nasszelle für ca. 25 Gäste eingeteilt. Das unausgebaute Dachgeschoss dient als Lagerfläche.

SCHUTZHAUS

1939 entstand ein zweistöckiger Anbau aus massivem Blockbau nach Süden hin, mit großem Speisesaal und Fremdenzimmern, der den Altbau überragte. Im Zuge dessen wurde der Haupteingang der Schutzhütte nach Norden an die Stirnseite verlegt und der Innenraum umstrukturiert. Außerdem wurde der gesamte Baukörper durch eine großzügige, massive Sitzterrasse Richtung Westen mit Blick ins Tal ergänzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte das Schutzhaus als Auffanglager der Heimatvertriebenen, die den Beschlüssen der Prager Regierung zum Opfer fielen und ihr Zuhause im angrenzenden Böhmen verlassen mussten. Die Belegung durch amerikanische Besatzung hatte eine umfangreiche Verwüstung der Inneneinrichtung und somit kostspielige Neuanschaffungen zur Folge. Seit 1955 wird die Hütte verpachtet, da sie sich für den OWV als nicht wirtschaftlich lukrativ und für die Aufgaben des Vereins zu weitläufig herausstellte. Die Kriegslage und finanzielle Ungewissheit ermöglichten es erst 1957 den Altbau auf die Höhe des zweigeschossigen Anbaus aufzustocken. Zeitweise beherbergte die Hütte Dusch- und Umkleideräume für den örtlichen Ski-Club. Diese wurden allerdings hinfällig, als die steigende Beliebtheit des Wintersports in der Nachkriegszeit 1977 die Gründung des Ski-Langlauf-Zentrums (SLZ) Silberhütte und einen Ausbau der Parkmöglichkeiten zum Großparkplatz unterhalb des Schutzhauses veranlasste.

1939

1957

89

2019

2022


Abb. 62. Blick auf die Silberhütte Richtung Süd-Osten über die Grenze zum Havran

SCHUTZHAUS

Havran

90


91 SCHUTZHAUS

Abb. 63. Blick von Norden auf das aktuelle Ensemble


92

Abb. 64. Einladung zur Silberhütte um 1934

SCHUTZHAUS


Abb. 66. Hermann-Esser-Schutzhaus um 1935

Abb. 65.Skiparadies Silberhütte um 1960

SCHUTZHAUS

»Orte und Landstriche sind ein unerschöpflicher Speicher: Schicht um Schicht wachsen Natur und Menschenwerk. Unablässig modelliert die Witterung; rastlos überschreibt die Menschenhand […].«168

Abb. 67. Schutzhaus Silberhütte um 1960

Winfried Helm

168 Winfried Helm, in: Brückner 2018, S. 9.

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Abb. 69. Westfassade mit Nebeneingang zum Gastraum

Abb. 68. Auffahrt zum Schutzhaus

SCHUTZHAUS


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Abb. 71. Zugang zur Terrasse von Süden

SCHUTZHAUS

Abb. 70. Ausblick von der Terrasse


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SCHUTZHAUS


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Abb. 73. Fassadendetails

SCHUTZHAUS

Abb. 72. Öffnungen


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Abb. 76. Fenster in der Zwischenwand vom Altbau (1932) in den Anbau (1939)

Abb. 75. FalttĂźr zum Anbau

Abb. 74. Dachgeschoss

SCHUTZHAUS


99

Abb. 78. GroĂ&#x;er Saal im Erdgeschoss

SCHUTZHAUS

Abb. 77. Zimmer im Obergeschoss


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140


Abbildungen

Eigene Darstellung.

Abb. 8 - 13

Benevolo 1995, S. 19 ff.

Abb. 14 - 15

Eigene Darstellung.

Abb. 16

© Manfred Speidel.

Abb. 17

© Veronika Ferdinand.

Abb. 18

Eigene Darstellung.

Abb. 19

© Gerd Ackermann.

Abb. 20

Eigene Darstellung, Grundlage Krämer 1983, S. 124.

Abb. 21

Eigene Darstellung.

Abb. 22

https://ciaotutti.nl.

Abb. 23 - 25

Böttger 2014, S. 23 f. (bearbeitet).

Abb. 26 - 29

Eigene Darstellung.

Abb. 30

Brückner 2018, S. 8.

Abb. 31

Brückner 2018, S. 124.

Abb. 32

Eigene Darstellung, Grundlage Google Maps.

Abb. 33

© Florian Fäth.

Abb. 34

© Klaus Leidorf.

Abb. 35

Postkarte, Archiv Bärnau.

Abb. 36 - 37

Eigene Darstellung.

Abb. 38

Eigene Darstellung, Grundlage Google Maps.

Abb. 39

Eigene Darstellung.

Abb. 40

Google Maps (verändert).

Abb. 41 - 47

Eigene Aufnahmen.

Abb. 48

https://www.onetz.de, 06.11.2013.

Abb. 49 - 50

Eigene Aufnahme.

Abb. 51

Eigene Darstellung.

Abb. 52

Google Maps (bearbeitet).

Abb. 53 - 60

Eigene Aufnahmen.

Abb. 61

Eigene Darstellung.

Abb. 62 - 63

https://www.slz-silberhuette.org, Mai 2019.

Abb. 64 - 67

Silberhütte 1982.

Abb. 68 - 78

Eigene Aufnahmen.

Abb. 79

Postkarte, Archiv Bärnau.

Abb. 80

Eigene Darstellung.

Abb. 81

Google Maps (bearbeitet).

Abb. 82 - 104

Eigene Darstellung.

Abb. 105 - 107

Modellfotos.

QUELLEN

Abb. 1 - 7

141


142


Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich an Eides Statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter Zuhilfenahme der ausgewiesenen Hilfsmittel angefertigt habe. Sämtliche Stellen der Arbeit, die im Wortlaut oder dem Sinn nach anderen gedruckten oder im Internet verfügbaren Werken entnommen sind, habe ich durch genaue Quellenangaben kenntlich gemacht. Konstanz, Februar 2020

Tanja Fuchs

143



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