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Kreatives Bollwerk

Der zweifache Weltmeister Tobias Gustafsson gehört bei Storvreta zu den absoluten Leaderfiguren.

Zweimal innerhalb von elf Monaten Weltmeister zu werden, kann nicht jeder. Tobias Gustafsson ging seinen eigenen Weg und hat es geschafft.

TEXT DAMIAN KELLER • FOTOS DIETER MEIERHANS, ADAM TROY, DAMIAN KELLER

Gold. In Schweden zählt schlicht kein anderes Edelmetall, wenn es um Unihockey geht. Folglich war Tobias Gustafsson enttäuscht, als er bei seiner ersten Weltmeisterschaft in Riga 2016 nur Silber gewann. Als das Mutterland des Unihockeys zwei Jahre später in Prag den Finnen erneut zum Titel gratulieren musste, platzte Gustafsson der Kragen. Er wollte seine beiden Silbermedaillen entsorgen. «Meine Eltern dachten erst, das sei ein Scherz. Als sie merkten, dass es mir ernst war, nahmen sie mir die Medaillen weg und bewahrten sie in ihrem Haus auf», erzählt Tobias Gustafsson in der Lobby des Parkhotels in Winterthur, wo die Schweden bis und mit Viertelfinal der WM 2022 logierten.

Rückblickend ist er seinen Eltern dankbar. «Wenn ich später einmal meine Karriere Revue passieren lasse, werden auch diese beiden Medaillen ihren Wert haben, weil sie eine Geschichte erzählen und mit Menschen verbunden sind», sagt der 30-Jährige. Gold ist ihm trotzdem lieber. Deshalb nahm er an der WM in Helsinki im letzten Jahr das Heft gleich selber in die Hand und erzielte im Final gegen Finnland 97 Sekunden vor Schluss den wegweisenden Treffer zum 5:4, ehe Hampus Ahrén per Empty-Netter den Sack zumachte. Die Goldmedaille brachte Gustafsson, der auch ins AllstarTeam des Turniers gewählt wurde, seinen Eltern. «Ich fand es nicht fair, dass sie nur die silbernen Auszeichnungen aufbewahren dürfen», sagt er lachend.

IM EISHOCKEY AUSSORTIERT

Tobias Gustafsson träumte als Jugendlicher nie davon, eines Tages die schwedische Unihockey-Nationalmannschaft als Captain an eine WM zu führen oder sie gar zum Titel zu schiessen. Bis er 15 Jahre jung war,

Defense first, lautet Gustafssons Motto.

stand Eishockey im Vordergrund. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt war er lediglich 1.60 Meter gross.

«In Schweden werden im Nachwuchs schon recht früh die besten Kräfte forciert. Mit meiner Grösse gehörte ich nicht dazu. Und wenn du nicht zu den Besten gehörst, verlierst du den Glauben daran, es schaffen zu können», blickt Gustafsson zurück. Er fokussierte sich fortan aufs Unihockey, das er schon parallel zum Eishockey gespielt hatte. Dass er in den folgenden Jahren innert kurzer Zeit fast 30 Zentimeter wachsen würde, konnte ja niemand wissen.

STETIG AUFWÄRTS

«Keine Ahnung, was aus mir geworden wäre, wenn ich dem Eishockey treu geblieben wäre», sagt der heute 1.87 Meter grosse Verteidiger. «Aber ich verspüre keine Reue. Ich wollte immer gut in allem sein, was ich mache – und das ist mir im Unihockey nicht schlecht gelungen.» In der Tat. Sowohl im Verein als auch im Nationalteam gilt er als kompromissloser Verteidiger, der sich immer wieder in die Offensive einschaltet. Ein kreatives Bollwerk gewissermassen.

Im Nationalteam verteidigt Gustafsson seit Jahren an der Seite von Robin Nilsberth, auch bei Storvreta waren die beiden während fünf Saisons ein Back-Paar und feierten zwei Meistertitel. Doch anders als Nilsberth, der schon die U19-WM 2007 in der Schweiz bestritt, wurde Gustafsson nie für Schwedens Junioren-Nati aufgeboten. Sein Aufstieg verlief langsamer – aber ste-

TOBIAS GUSTAFSSON

Geburtsdatum: 17.10.1992 • Wohnort: Uppsala • Zivilstand: vergeben an Evelina • Beruf: Student (Elektroingenieur) • Hobbys: Golf, MathematikRätsel (Sudoku, Rubik Cube) • Lieblingsfilm: The Green Mile • Lieblingsgetränk: Holunder-Limonade • Stationen: Hölö/Mörkö IF, Södertälje IBK (Junioren und Div. 3), Onyx IBK (Allsvenskan), Balrog (Allsvenskan), Linköping IBK (SSL, 201317), Storvreta IBK (seit 2017) • Erfolge: 2 x WM-Gold (2021 und 2022), 2 x WM-Silber (2016 und 2018), 2 x Meister mit Storvreta tig – über die Allsvenskan in die SSL. In seiner dritten Saison bei Linköping wurden Rufe laut, er gehöre ins Nationalteam.

«Spieler, die in unwichtigen Partien glänzen oder viele Tore schiessen, gibt es jede Menge. Die Nationaltrainer hingegen achten besonders darauf, wie sich Spieler unter Stress bewähren – vor allem in den Playoffs. Akteure von Falun oder Storvreta haben diesbezüglich die beste Plattform, weil sie seit Jahren oft bis in den Final vorstossen – damals gehörte aber auch Linköping zu den besten Teams der Liga», erinnert sich Tobias Gustafsson an seine internationalen Anfänge.

Letztes Jahr wurde er vom schwedischen Innebandymagazinet zum besten Spieler der Welt ausgerufen. Vor ihm war mit Emil Johansson erst einem Verteidiger diese Ehre zugekommen. Mit diesem Johansson teilt er sich heute alternierend das Captain-Amt – am 13. November stemmten die beiden innerhalb von elf Monaten zum zweiten Mal den WM-Pokal gemeinsam in die Höhe. Und die Goldmedaille dieser WM? «Die behalte ich jetzt mal für eine Weile bei mir», sagt Gustafsson in der Mixed Zone nach dem Endspiel. Seine Eltern werden es verstehen.

TOBIAS GUSTAFSSON IM INTERVIEW

«Es hilft, von besseren Spielern Dinge abzuschauen»

Tobias Gustafsson in der Mixed Zone der Swiss Life Arena nach dem WM-Final 2022.

In 17 Jahren wurden mit Emil Johansson und dir erst zwei Verteidiger als beste Spieler der Welt bezeichnet. Werden Abwehrspieler zu wenig geschätzt?

Tobias Gustafsson: Mag sein, dass man ihnen nicht den gleichen Wert zuschreibt wie Stürmern. Aber ich muss zugeben, dass auch ich mehr von Stürmern beeindruckt bin, die kreativ sind und im höchsten Tempo alles können, statt nur destruktiv zu verteidigen.

Destruktiv bist du ja nicht, du hast in den letzten sieben SSL-Saisons immer einen Punkt oder mehr pro Spiel abgeliefert – und dann war da dieser Treffer im WM-Final von Helsinki.

Dieses Tor hat bei der Wahl zum besten Spieler der Welt sicher geholfen (lacht). Sagen wir es so: Viele Verteidiger haben sich in den letzten Jahren offensiv entwickelt, da sonst viel weniger Tore fallen würden.

Johansson und Gustafsson stemmen die WMKübel Schwedens gemeinsam. Warum wurdest du nie für die schwedische Junioren-Nati berücksichtigt?

Ich war in dem Alter gut – aber nicht gut genug. Ich bin meinen Weg gegangen, indem ich schrittweise in besseren Teams von stärkeren Mitspielern umgeben war und von diesen gelernt habe. Das ist mein Tipp – es hilft immer, sich von besseren Spielern Dinge abzuschauen.

Was oder von welchen Spielern kannst du heute noch lernen?

Vor allem von offensiv ausgerichteten Spielern. Ich schaue, wie Albin Sjögren bei voller Ballkontrolle immer den Kopf oben hält und so wählen kann, ob er schiesst oder passt. Ich bewundere Johan Samuelssons Technik bei Höchstgeschwindigkeit. So gut wie sie werde ich in diesen Bereichen nicht mehr werden, aber ihnen etwas näher zu kommen, wäre bereits gut.

Wie gehen Johansson und du als Captains des schwedischen Nationalteam vor? Macht es die Sache einfacher oder schwieriger, eine Truppe voller erfolgsverwöhnter Alphatiere zu führen?

Ich sehe es als Vorteil, dass wir über so viele natürliche Leaderfiguren verfügen. Alle sind sich gewohnt, Verantwortung zu tragen, somit muss der Captain nicht dauern pushen. Manchmal braucht es kleine Erinnerungen, was unser Weg ist – aber solche Kritik wird angenommen, weil alle wissen, wie hoch unsere Ziele sind. In erster Linie haben wir als Captains die Aufgabe, auf dem Feld mit dem richtigen Einsatz den Takt anzugeben.

Du schliesst im kommenden Sommer dein Studium als Elektro-Ingenieur ab und löst in deiner Freizeit gerne mathematische Räsel – hilft dieses logische Denken auf dem Feld?

Ich fürchte, Unihockey ist dafür etwas zu schnell (lacht).

Ein Zahlenrätsel – warum spielst du bei Storvreta mit der Rückennummer 77 und im Nationalteam mit der 14?

Bei den Junioren trug ich die Nummer 66, aber als ich zu Balrog wechselte, war diese besetzt – also entschied ich mich für ein «Upgrade» auf die 77, die ich seit bald zehn Jahren trage. Die 14 auf dem schwedischen Trikot fasste ich vor der WM in Finnland, als unser Ausrüster keine Trikots bedrucken konnte. Da es mit dieser Nummer mit WM-Gold klappte, blieb ich dabei.

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27. bis 30. Dezember 2022

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(Beschränkte Teilnehmerzahl)

Anmeldung schicken an: (wenn via Internet nicht möglich) unihockey.ch, Schauenbergstrasse 1, 8400 Winterthur Name

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