8 minute read

Sicherheit abhanden

Wenn die Sicherheit abhanden kommt

Alligator Malans im Strichkampf? Ein ungewohntes Bild. Die Herrschäftler reagierten im Oktober mit einem Trainerwechsel und holten den letzten Meistercoach Akseli Ahtiainen zurück. Sportchef Thomas Hitz nimmt Stellung.

TEXT STEFAN SALZMANN • FOTOS ERWIN KELLER, DIETER MEIERHANS, DAMIAN KELLER

Der schlechte Saisonstart von Alligator Malans mit nur einem Sieg aus den ersten sechs Runden blieb nicht ohne Folgen. Sportchef Thomas Hitz ersetzte Cheftrainer Pius Caluori durch den ehemaligen Meistertrainer Akseli Ahtiainen. Im Interview spricht er über Unsicherheiten im Team, den neuen Chef an der Bande, den Nachwuchs und weshalb Lukas Ujhelyi statt Robin Nilsberth bei den Herrschäftlern aufläuft. Trotz der aktuellen Lage glaubt Hitz, der sein Amt in der 14. Saison ausübt, dass im Frühling in einem allfälligen Playoff-Viertelfinal niemand gerne gegen Alligator spielen wird.

Der Blick auf die Tabelle ist aus Sicht von Alligator Malans gewöhnungsbedürftig. Weit weg von einem Top-4Platz, erst kurz nach der WM kurz über den Strich gerutscht. Wie geht es dir als Sportchef damit?

Thomas Hitz: Die Tabellensituation gefällt mir nicht. Noch gewöhnungsbedürftiger ist aber die Art und Weise, wie die Mannschaft bis zur WM-Pause aufgetreten ist. Die Leistungen führten dazu, etwas zu verändern. Wir merkten, dass wir ohne Inputs von aussen diese Unsicherheit nicht wegbringen würden und ersetzten deshalb Trainer Pius Caluori durch Akseli Ahtiainen.

Wie kam diese Unsicherheit ins Team, das noch im Frühling 2021 nur knapp am Superfinal vorbeischrammte?

Wir kamen schon zu Beginn dieses Jahres nicht auf Touren. Zwar gab es in den Playoffs gegen Zug einen kurzen Aufwärtstrend, aber mit dem frühen Ausscheiden im Viertelfinal war die sonst so selbstverständliche Sicherheit und Lockerheit weg.

Wie war das Gefühl nach der Vorbereitung im Sommer?

Wir waren positiv gestimmt, gut gearbeitet zu haben. Aber schon die ersten Partien zeigten, dass die Unsicherheit nicht weg

THOMAS HITZ

Alter: 41 Wohnort: Fideris Sportliche Laufbahn: aktiv als Spieler bis 2004, Trainer auf diversen Juniorenstufen (Wildcats Schiers, Alligator Malans) seit 1999, NLA-Staff Alligator (2005-09), Sportchef Alligator seit 2009

Akseli Ahtiainen hat die Aufgabe, Alligator wieder zu stabilisieren.

«Wenn wir im Moment davon sprechen ein TopTeam zu sein, verkennen wir die Realität»

Thomas Hitz

war. Es kam mir manchmal so vor, als würden fünf Fragezeichen auf dem Spielfeld herumlaufen. Deshalb sind wir zur Erkenntnis gelangt, dass wir einen neuen Input von aussen brauchen. Eine andere Stimme und frische Ideen können vieles verändern. Das Team kann ja seine Qualität nicht in einem halben Jahr komplett eingebüsst haben.

Weshalb konnte das Ruder nicht ohne Trainerwechsel herumgerissen werden?

Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Und zwar nicht nur innerhalb des Teams und von den Spielern gegenüber dem Staff, sondern im ganzen sportlichen Bereich. Weil die Verunsicherung nicht verschwand, suchten wir offen das Gespräch mit Pius Caluori. Wir fragten uns, ob es realistisch ist, die Kehrtwende hinzukriegen. Schnell sind wir zusammen zum Schluss gekommen, dass es nicht gehen wird und wir auf neue Impulse angewiesen sind.

Diese neuen Inputs kommen von Akseli Ahtiainen, während Pius Caluori in seine frühere Rolle als Assistent zurückkehrt. Das wirkt alles sehr harmonisch.

Das ist es auch, denn Pius Caluori hat den Entscheid mitgetragen. Er hat unbestrittene Qualitäten, sonst wären wir vor zweieinhalb Jahren nicht mit ihm diesen Weg gegangen. Rückblickend wird es nach dieser Entwicklung immer Leute geben, die diesen Weg als Fehlentscheidung sehen. Für mich ist es keine. Er hat es verdient, diese Chance zu erhalten, weil er über alle Trainerstufen bei Alligator Erfolge feiern konnte. Auch rückblickend würde ich diesen Entscheid wieder genau so fällen.

Ist das Projekt mit einem Trainer aus den eigenen Reihen gescheitert?

Mit Blick auf die nackten Resultate kann das so gesehen werden. Aber Alligator Malans hat schon vor Caluori länger

keine Titel mehr geholt. Es sind zweifellos viele verschiedene Faktoren ausschlaggeben und wir müssen uns auch selbstkritisch hinterfragen, ob das Setup für ihn das richtige war – ob der eingeschlagene Weg das eine oder andere Jahr zu früh kam. Da sind einige Fragen, mit denen auch ich mich als Sportchef kritisch auseinandersetzen muss. Im Endeffekt bin ich aber nach wie vor total davon überzeugt, dass Pius Caluori über genügend Qualitäten verfügt, um ein erfolgreicher NLA-Trainer zu sein. Seine Leidenschaft und sein Engagement sprechen ebenfalls dafür.

Die Türe für Coaches aus den eigenen Reihen ist also in der Zukunft nicht geschlossen.

Ganz sicher nicht. Obwohl ich betonen muss, dass wir diesen Weg mit einem eigenen Trainer nicht als Vereinsstrategie sahen oder auf Biegen und Brechen gehen wollten. Es war einfach so, dass sich Caluori mit seiner jahrelangen und erfolgreichen Arbeit aufdrängte und es deshalb verdiente. Es wird oft und gerne von der Entwicklung eigener Spieler gesprochen. Dasselbe sollte für die Trainer und ihre Karrieren gelten.

Mit Akseli Ahtiainen ist der Meistertrainer von vor zehn Jahren zurück an der Bande. Wie gelang diese Verpflichtung mitten in der Saison?

Ich blieb mit den meisten Trainern in Kontakt, die mal für Alligator Malans gearbeitet haben. Ahtiainen kam ja nach seiner erfolgreichen Tätigkeit vor zehn Jahren nochmals zu uns zurück und war in den Saisons 2017/18 und 2018/19 bei uns im Nachwuchs tätig. Ihm war es auch nie egal, was mit dem Verein geschieht. Ab und zu war er auf Besuch, kam im Winter zum Skifahren. Als wir uns überlegten, wer uns weiterhelfen könnte, kamen wir schnell auf Akseli Ahtiainen. Von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Vertragsunterschrift dauerte es keine zwei Wochen.

Seit Mitte Oktober arbeitet der Finne täglich mit der Mannschaft. Was hat sich geändert?

Akseli Ahtiainen ist eine extreme Respektsperson mit grossen Führungsqualitäten. Gefühlt war ab der ersten Minute alles anders als zuvor. Nun steht eine andere Person, eine neue Stimme mit frischen Ideen vor dem Team.

Die Physis der Spieler soll dem neuen Cheftrainer sehr wichtig sein.

Das ist so – und wer die WM verfolgt hat, muss ihm recht geben. Wer dort nicht 100 Prozent bereit war, hatte keine Chance. Doch auch spielerisch legt er Wert auf Dinge, die von aussen einfach aussehen, aber in unserer Situation wichtig sind. Dazu hat er einen extremen Anspruch auf Intensität in den Trainings. Diesen Einsatzwillen fordert er brutal ein. Eine einfache Struktur und klare Ansagen sind entscheidend, um einer verunsicherten Truppe am schnellsten und am besten helfen zu können. Ich bin

Mathias Larsson mit der Meister-Trophäe am Ende der Saison 2012/13.

Mit Lukas Uihelyi ist der Sportchef zufrieden. Malans braucht Tim Braillard in guter Form.

Pius Caluori trat ins zweite Glied zurück.

überzeugt, dass er den Spielern bis spätestens zu Beginn der Playoffs die Unsicherheit nehmen kann.

Ein Trainer schiesst aber keine Tore. Bist du von der Qualität des Kaders weiterhin überzeugt?

Das Kader besitzt Potenzial und Qualität. Es gilt nun hart zu arbeiten und Schritt für Schritt zu gehen, damit dies auch wieder auf dem Feld richtig zur Geltung kommt.

Esa Jussila war einer der Baumeister des Titels von 2006.

Vorab geht es um Stabilität, dann kommen auch die Tore wieder. Wenn wir im Moment davon sprechen ein Top-Team zu sein, verkennen wir die Realität. Dass dies im Kopf jedes einzelnen Spielers ankommt, ist keine zu unterschätzende Herausforderung. Wir sind uns der aktuellen Situation bewusst und wissen, wo wir aktuell stehen – aber auch, wohin wir wollen.

In den erfolgreichen Jahren konnte sich Alligator neben einem starken Gerüst an Schweizern auch auf überdurchschnittliche Ausländer verlassen. Einige von diesen hatten gar Weltklasse-Format. Nun stehen ein Tscheche, der im Nationalteam keine Rolle mehr spielt, und ein slowakischer Internationaler unter Vertrag. Reicht das?

Wir hatten im Meisterjahr 2006 eine andere Struktur im Team und mit Esa Jussila, Martin Olofsson und Mathias Larsson tatsächlich drei überragende Ausländer im Kader, die

«Es kam mir manchmal so vor, als würden fünf Fragezeichen auf dem Spielfeld herumlaufen»

Thomas Hitz

den Unterschied ausmachten. Aber vor zehn Jahren, als wir nochmals Meister und Cupsieger wurden, hatten die Ausländer nicht mehr derart entscheidenden Einfluss. Dort hatten die jungen Wilden um Claudio Laely, Tim Braillard, Kevin Berry und Remo Buchli schon tragende Rollen. Bereits 2006 fragten wir uns als Verein, ob das Kader fähig ist, die Saisonziele zu erreichen. Das ist heute nicht anders. Geändert hat sich höchstens, dass das Standing der aktuellen Nationalspieler ein anderes ist als früher und die Frage eher lautet, was es in Ergänzung zu diesen und dem eigenen Nachwuchs braucht, um die Saisonziele erreichen zu können.

Trotzdem würdest du auf der Ausländerposition statt Lukas Ujhelyi lieber einen schwedischen Weltmeister wie Robin Nilsberth verpflichten, oder?

Das ist eine Frage der Finanzen. Punkt, Aus, Amen. So einen Spieler können wir uns nicht leisten. Nicht nur finanziell, sondern auch in Sachen Arbeitsmöglichkeiten in Graubünden. Der Vergleich zwischen zwei derart unterschiedlichen Personen ist ohnehin nicht fair. Ich bin mit Lukas Ujhelyi zufrieden und bin sicher, dass er uns diese Saison noch viel Freude bereiten wird.

Wichtig ist und bleibt die Entwicklung im Nachwuchsbereich.

Natürlich ist das so. Und es ist ja auch keine Strafe, sondern eine schöne Sache, dass wir die eigenen Spieler entwickeln wollen. Denn die Zeiten, als Alligator Malans rief und internationale Topstars kamen, sind vorbei. Da es gibt es in zentraler gelegenen Regionen der Schweiz beste Alternativen.

Kann Alligator Malans in Zukunft trotzdem noch um Titel mitspielen?

Davon bin ich überzeugt, auch wenn die Herausforderungen gross sind. In der Ausbildung müssen wir noch viel mehr Qualität hinbekommen. Die Quantität im Nachwuchsbereich ist nicht das Problem. Die Frage ist, was wir in den kommenden Jahre herausholen können.

Was holt die erste Mannschaft in dieser Saison noch heraus?

Zunächst geht es darum, die Sicherheit zurückzuerlangen. Gelingt uns das, steht für mich ausser Frage, dass wir die Playoffs erreichen werden. Dann bin ich auch sicher, dass niemand gerne gegen uns spielen möchte. Doch in der aktuellen Situation müssen wir nicht darüber sprechen, was im Frühling sein wird.