Saskia K.*

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Geschichten, die das Leben schreibt

Saskia Kölliker* (heute 31) war auf dem besten Wege, Pfarrerin zu werden. Die Matur hatte sie bereits mit Bravour hinter sich gebracht, jetzt war sie an der Uni am Theologie-Studium. Aber da gab es etwas in ihrem jungen Leben, das ihr schwer zu schaffen machte: Drogen. Wenn ich mein bisheriges Leben Revue passieren lasse, frage ich mich: Saskia, wie konnte es jemals so weit kommen? Wie konnte aus einem wohlbehüteten Mädchen mit christlicher Erziehung ein heroinsüchtiger Junkie werden? Vielleicht weil ich den frühen Tod meiner Mutter nicht richtig verkraftet habe? Ich weiss es nicht – und ich glaub es nicht. Denn ich war gerade mal zwei Jahre alt, als meine Mutter infolge eines schweren Krebsleidens verstarb. So richtig erinnern an sie kann ich mich nicht. Dafür umso mehr an meine spätere Stiefmutter, die eine gute und herzliche Ersatzmutter für mich war und so gar nichts mit der bösen Stiefmutter aus den Märchen gemeinsam hatte. Auch wenn es bei uns zuhause nicht streng religiös zu und her ging, war doch ein tiefer Glaube an Gott vorhanden. Wir lebten nach christlichen Grundsätzen, gingen regelmässig in die Kirche und beteten vor dem Essen. Gott war mir immer nah. Darum ist es auch nicht überraschend, dass ich nach der Matur das Theologie-Studium begann. Amsterdam versetzte mich in einen Rausch. Noch bevor es aber so weit war, geschah etwas, das mein Leben vollkommen aus den Angeln heben sollte. Ich war mit unserer Klasse auf der Maturareise in Amsterdam, als ich in einem Coffeeshop zum ersten Mal mit Cannabis in Berührung kam. Naiv wie ich war, wollte ich einfach mal probieren. Die berauschende Wirkung der Droge war für ein unerfahrenes Landei wie mich ein völlig neuartiges Erlebnis. Und so verführerisch, dass ich diesen schwebenden Zustand am nächsten Tag gleich noch einmal ausprobieren musste. Zurück in der Schweiz liessen mich die Drogen nicht mehr los. Wobei ich nicht so genau weiss, ob es einfach der Kitzel war oder ob ich vielleicht unbewusst mit dem Konsum von Drogen etwas übertünchen wollte. In den ersten Monaten habe ich vor allem gekifft. Aber irgendwann fand ich heraus, dass mich der richtige Mix von Medikamenten genauso in einen Rausch versetzen konnte. Drogen bestimmten immer mehr mein Leben. Im Altersheim, in dem ich parallel zum Theologie-Studium arbeitete, fand ich fast unbegrenzten Nachschub an Medikamenten. Was immer an geeigneten «Medis» vorrätig war, nahm ich mir. Heute habe ich wegen meines Handelns von damals ein extrem schlechtes Gewissen und kann es nur damit entschuldigen, dass ich wohl schon zu tief im Drogensumpf steckte. Was einst aus Leichtsinn begann, wurde immer mehr zu einem Albtraum. Immer wieder nahm ich einen Anlauf, um von den Drogen loszukommen – aber die Sucht hatte mich fest im Griff. Und es kam noch schlimmer – ich kam in Kontakt mit Heroin. Anfangs rauchte ich den Stoff, später spritzte ich ihn auch. Die Dealer konnten es kaum fassen, dass eine angehende Theologin zu ihren besten Kundinnen zählte. Entsprechend respektvoll sprachen sie mich immer mit «Frau Pfarrerin» an. Gott sei Dank fand ich den Weg heraus.

«Na, Frau Pfarrerin, was darfs heute sein? Hasch, Koks, Heroin?»

* Bei der hier dargestellten Lebensgeschichte haben wir die Namen geändert und die Bilder von einer anderen Person verwendet. Dies zum Schutz der Privatsphäre von Saskia Kölliker.

Das Studium, die Arbeit im Altersheim, die Drogen, die endlose Beschaffung von Stoff und Geld, die Geheimhaltung vor der Familie – irgendwann wurde dann aber alles zu viel. Mit letzter Kraft und dank der Hilfe Gottes zog ich die Notbremse und meldete mich zum Entzug an. Es brauchte eisernen Willen und zwei Anläufe, bis es mir gelang, definitiv von den Drogen loszukommen. Meine Sucht war aber vor allem hart für mein Umfeld. Dass mir meine Familie und meine Freunde von der Heilsarmee trotz meines Fehlverhaltens so viel Verständnis und Liebe entgegengebracht haben, erfüllt mich mit unendlicher Dankbarkeit. Auch in meinen schlimmsten Zeiten haben sie mich nicht verurteilt oder gar verstossen. Mittlerweile bin ich seit zwei Jahren clean. Ich arbeite in einem Heim für demente Menschen und bin nach wie vor in meiner Heilsarmee-Gemeinde aktiv. Zwar hadere ich noch immer mit meiner Vergangenheit und frage mich, wie es so weit kommen konnte. Aber ich habe jetzt wieder Gott im Herzen und festen Boden unter den Füssen.


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