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ICH LASSE DIE LANDSCHAFT AUCH MAL HUSTEN
from SWISS GOLF 01-23 DE
by swissgolf.ch
Alfi Stoisser ist Head-Greenkeeper im Engadine Golf Club. Seit 34 Jahren hegt und pflegt er mit einem Team von inzwischen zwölf Mitarbeitern die Golfplätze Zuoz und Samedan und bringt sie für die Saison auf Top-Niveau. Genug Erfahrung also, um über Biodiversität und besondere Momente bei seiner Arbeit zu sprechen.
Herr Stoisser, der Engadine Golf Club wurde von der GEO Foundation nun für seine Biodiversität und Nachhaltigkeit zertifiziert. Wie nachhaltig kann ein Golfplatz denn sein?
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Alfi Stoisser: Eine vollständige Nachhaltigkeit gibt es im Golfbetrieb kaum. Wir streben über die Zeit aber ein Optimum an und konnten in den vergangenen Jahren sehr viel Positives erreichen, deshalb wurden wir zertifiziert: Auf unseren Plätzen in Zuoz und Samedan setzten wir beispielsweise seit 2020 keine Fungizide und Insektizide mehr ein. Die Natur des Platzes ist in guter Balance.
Das heisst, dass Sie ausser Greens zu kürzen, im Sommer sonst nichts mehr zu tun haben?
Alfi Stoisser (lacht): Schön wärs. Aber im Sommer haben wir Arbeitstage von mindestens zehn Stunden. Wir müssen die Plätze bewässern, Gott sei Dank können wir das hier oben in den Bergen mit Gletscherwasser machen, das in Weier geleitet und dann abgepumpt wird. Wir müssen genau beobachten, wie sich die Pflanzen verhalten, denn das eiskalte Wasser ist wie für uns Menschen ein kurzfristiger Stressfaktor. Neben dem Wässern und der Pflege der Greens sorgen die Tiere immer wieder für Überraschungen und Arbeit. Wir haben seit Jahren Füchse auf dem Platz in Samedan. Im Frühjahr toben die Jungen in den Bunkern wie Kinder im Sandkasten. Der Sand muss von uns immer wieder glatt gehalten werden. Für die Golfspieler sind die Tiere aber ein besonderes Erlebnis.
Das klingt nach einer tollen Arbeit, Sie sind immer an der frischen Luft. Alfi Stoisser: Ja, es ist eine sehr schöne Tätigkeit. Wir stehen morgens mit der Natur auf, mit den Pflanzen und den Tieren. Einmal graste eine Rehmutter mit zwei Jungen ganz in unserer Nähe, sie haben gemerkt, dass von uns keine
Gefahr ausging und liessen sich während der ganzen Saison sehen. Aber für uns Greenkeeper ist nichts, wie es einmal war. Jede Saison fangen wir von vorne an. In Samedan haben wir beispielsweise push-up-greens. Sie haben unterschiedliche Aufbauten, sie sind wie 18 Kinder, die alle eine eigene Aufmerksamkeit benötigen. Wenn sie mal kränkeln, müssen wir genau abwägen, ob und wann wir mit Hilfsmitteln eingreifen. Aber es ist wie bei uns Menschen: Eine kleine Erkältung muss nicht mit heftigen Mitteln bekämpft werden. Ich lasse die Landschaft auch mal husten.
In den 34 Jahren Ihrer Tätigkeit sind Sie bestimmt schon zu einem Experten für Gräser geworden.
In 1800 Meter Höhe eignet sich nicht jedes Gras. Gräser für warme Gegenden wie etwa Hunds-Straussgras funktioniert bei uns nicht. Es verträgt keine grossen Temperaturunterschiede wie bei uns im Engadin. Inzwischen haben wir einen Garten mit Testflächen und dort eigene Gräser zusammengestellt. Wir wandeln unseren Bestand zu reinem Rotschwingelgras um. Es ist feinblättrig und wächst sehr dicht und teppichartig. Das alles ist ein ständiges Austarieren. Die Grasindustrie wird in den nächsten Jahren bestimmt noch neue Gräser züchten, die noch resistenter gegen Trockenheit und Krankheiten sind.
Ihre Arbeit muss bei Golfern doch grossen Respekt auslösen. Sollte man meinen. Das hat sich in den letzten Jahren jedoch ein bisschen verändert. Früher hatte ich mehr Kontakt zu einzelnen Spielern. Heute ist alles schneller und kurzlebiger geworden. Alle wollen alles – und das in kurzer Zeit. Und es gibt Spieler, die geben einem das Gefühl, man sei zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Der Grossteil weiss aber nach wie vor zu schätzen, dass wir jeden Tag über 30 Hektar Fläche pflegen und für sie perfekt spielbar machen. •