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Prävention besser als Heilung

Der Schweizer Golfsport soll bis 2030 frei von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln werden. Diese Umstellung betrifft alle Player der Branche. Und sie startet jetzt, denn es wartet viel Neuland.

In der Nachhaltigkeitsstrategie «Golf Course 2030 Schweiz» hat Swiss Golf das Ziel festgeschrieben, künftig ohne den Einsatz chemisch­synthetischer Pflanzenschutzmittel (PSM) auszukommen. Ein Verbot von synthetischen Pestiziden hat das Schweizer Stimmvolk am 13. Juni 2021 zwar klar verworfen, doch für die betroffenen Berufsgruppen bleibt das Thema aktuell. Das Bundesamt für Landwirtschaft hat zudem einen Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verabschiedet, um die negativen Auswirkungen von PSM deutlich zu reduzieren. In der Europäischen Union ist derzeit ein erster Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung, welcher einschneidende Einschränkungen beim PSM­Einsatz vorsieht. Eine Folge davon: Die Zahl der verfügbaren Pflanzenschutzmittel wird zunehmend kleiner, da Neu­ und Wiederzulassungen deutlich abnehmen.

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Neue Pflegepl Ne

Beim Wechsel zu PSM­freier Platzpflege warten verschiedenste Herausforderungen auf die Branche. «Ein 1:1­Ersatz der chemischen Pflanzenschutzmittel ist so nicht möglich», sagt der unabhängige Rasenexperte Dirk Kauter. «Biologische Pflanzenschutzmittel für Rasengräser sind mit Ausnahme von einigen Insektiziden am Markt bislang kaum vorhan­ den.» Es fehle an Fungiziden und Herbiziden, welche für die Pflege von Golfrasen wichtig wären. Als Alternativen blieben mechanische Pflegemassnahmen, der Einsatz biologischer Pflanzenstärkungsmittel sowie resistentere Rasensorten. Und immer gelte: «Die Rahmenbedingungen für das Pflanzenwachstum müssen stimmen.» Das könne in einzelnen Fällen auch eine Umgestaltung einzelner Platzbereiche erforderlich machen, erklärt Kauter.

«In der Praxis bedeutet das einen noch stärkeren Fokus auf präventive Pflege und eine entsprechende Anpassung des Pflegeplans», erklärt Yannick Weber, Head Greenkeeper im Golf & Country Club Zürich und Mitglied der Swiss Golf Kommission Nachhaltigkeit. «Wir Greenkeeper antizipieren, zu welchem Zeitpunkt der Saison der Krankheitsdruck hoch ist, um die Gräser rechtzeitig mit präventiven Massnahmen gegen drohende Krankheiten stärken zu können.»

UMDENKEN NOTWENDIG

Einen hundertprozentigen Schutz vor Krankheiten gibt es nicht, weder für Menschen noch für Rasengräser. «Man kann die Pflanzen zwar stärken und widerstandsfähiger machen. Wenn aber eine Krankheit einmal aufgetreten ist, verbleiben Sporen im Boden, die die Krankheit bei ’passenden’ klimatischen

R&A-STUDIEN STARTEN

Auf Initiative der R&A starten dieses Jahr europaweit Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Rasenpflege; Swiss Golf ist mit zwei Projekten beteiligt. Gemeinsam mit den Golfverbänden Belgiens (Leitung) respektive Walloniens und Dänemarks wird bis 2024 ein Projekt zur Testung alternativer Methoden bei der Kontrolle von Dollar Spot auf Greens durchgeführt. Elf Clubs nehmen an diesem Forschungsprojekt teil; die Schweiz ist mit den GEOzertifizierten Anlagen des Golfclub Wylihof, des Golf Limpachtal und des Golfpark Moossee vertreten.

Die Versuchsphase startet am 1. April und dauert bis Ende September. Derzeit laufen die Vorbereitungen; unter anderem müssen die Versuchsflächen definiert werden. «Sie sollen dem Spielbetrieb unterworfen sein. Wir werden die 44 Parzellen vermutlich auf einem Teil des Putting Greens abstecken», sagt Michael Burren, Head Greenkeeper in Wylihof.

Bedingungen erneut ausbrechen lassen», erklärt Weber. «Eliminieren gelingt nie – je widerstandsfähiger die Gräser, desto kleiner die Schäden bei einem erneuten Ausbruch.»

Kauter ist deshalb überzeugt: «Von ’geschleckten’, komplett unkrautfreien Golfanlagen werden wir uns in Europa teilweise verabschieden müssen.» Ohne PSM liessen sich beispielsweise Dollar Spot, Schneeschimmel und Unkrautbesatz derzeit nur bedingt kontrollieren. Mechanische Pflegemassnahmen, angepasste Schnitthöhen und Düngung, bessere Wachstumsbedingungen und auch andere Pflanzenbestände werden deshalb immer wichtiger. Wenn es um die Bespielbarkeit von Anlagen geht, ist ein Umdenken der Golferinnen und Golfer notwendig. «Vielleicht sollten wir uns an Old Tom Morris erinnern, den Erneuerer des Greenkeepings, der einst sagte, Golfer würden möglicherweise keinen Ruhetag benötigen, der Platz aber sehr wohl», sagt Kauter. Weber verweist in dem Zusammenhang auf den klassischen Pflegetag, wie man ihn in einigen Clubs noch immer kennt.

Zeitintensiv Und Heraufordernd

«Dass Golferinnen und Golfer durchaus bereit sind, Anpassungen zu akzeptieren, zeigt sich in den Niederlanden», sagt Kauter. Dort forsche man seit Längerem im Bereich PSM­freier Platzpflege und führe diese mittels eines Leitermodells in den Clubs ein. «Man nähert sich dem Ziel über Jahre hinweg an, indem man eine Sprosse nach der anderen nimmt, respektive eine Massnahme nach der anderen umsetzt.» Das mache Sinn, denn eine Umstellung auf PSM­freie Platzpflege sei nicht von heute auf morgen möglich, erklärt der Rasenexperte.

«Das Thema der biologischen Pflanzenstärkungsmittel für Rasen wurde bislang wissenschaftlich nur wenig behandelt; entsprechend fehlen verlässliche Forschungsergebnisse und Berichte, auf die man sich stützen kann», sagt Weber. Umso wichtiger sei für ihn der Austausch mit unabhängigen Rasenexperten und Berufskollegen. «Neue Produkte testen wir auf Versuchsflächen selbst, um herauszufinden, was auf unserer Anlage funktioniert.» Das ist zeitintensiv, genauso wie die Suche nach den richtigen Webinaren verschiedenster Lehrstätten und Verbände. Äusserst wertvoll sind deshalb internationale Projekte angewandter Forschung, wie sie beispielsweise die R&A unterstützt. (siehe Seite 56) •

WAS HEISST...?

Pestizid — Als Pestizide werden viele unterschiedliche Stoffe und Stoffkombinationen bezeichnet, die als Pflanzenschutzmittel oder als Biozide eingesetzt werden. Pestizide sind giftig – insbesondere für Pflanzen (Herbizide), Insekten (Insektizide) oder Pilze (Fungizide). Sie sind dazu gemacht, unerwünschte Organismen zu töten oder zu schädigen und damit die Kultur zu schützen. Als Biozide sollen sie Menschen und Materialien schützen; sie finden daher Anwendung in Schädlingsbekämpfungsmitteln, Desinfektionsmitteln, Schutzanstrichen oder antibakteriellen Produkten. Man kann also sagen, dass Pflanzenschutzmittel eine Kategorie von Pestiziden sind, die dem Schutz der Pflanzen dienen.

Pflanzenschutzmittel — Als Pflanzenschutzmittel gelten alle Produkte, die zum Schutz der Kulturen vor Schadorganismen für Pflanzen eingesetzt werden. Dazu gehören hauptsächlich organische und synthetische Wirkstoffe. Grundsätzlich wird zwischen organischen Pflanzenschutzmitteln (weiterhin zugelassen, insbesondere im Biolandbau) und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln unterschieden. Letztere sind problematisch – auf sie wollen wir verzichten können.

PSM — Abkürzung für chemischsynthetische Pflanzenschutzmittel.

PSM-frei — Ohne den Einsatz chemischsynthetischer Pflanzenschutzmittel.

Pflanzenstärkungsmittel — Stoffe und Gemische auf organischer, mineralischer oder mikrobieller Basis, die dazu bestimmt sind, der Gesundhaltung der Pflanze zu dienen. Sie wirken präventiv. Pflanzenstärkungsmittel sind im biologischen Pflanzenschutz besonders wichtig.

Dollar Spot — im Fachjargon «Sclerotinia homoeocarpa» – ist eine durch Pilzbefall ausgelöste Rasenkrankheit, die zwischen Frühjahr und Herbst auftritt. Der Erreger befällt ausschliesslich die Blätter der Gräser. Besonders auf Greens kann dieser Pilz die Rasenqualität stark beeinträchtigen. Charakteristisch und namensgebend ist das hervorgerufene Schadbild: Je nach Schnitthöhe der Gräser bilden sich grosse, runde, scharf vom gesunden Rasen abgesetzte, strohige Flecken, die ungefähr die Grösse einer Dollar-Münze haben.

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