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Lockerheit & kurzes Spiel

Wohl alle Zuschauer, die selber mit mehr oder weniger Erfolg versuchen, den Ball vom Abschlag so Schlag-sparend und bewegungskonform wie möglich ins Loch zu spielen, pilgern nicht nur in der Hoffnung auf spannende Duelle nach Crans, sondern auch mit der Absicht, den Könnern abzuschauen, wie man «es» eigentlich richtig macht. Dass die Pros unterdessen praktisch alle den Ball unheimlich weit schlagen können – das moderne Material und ihre Fitness stehen dafür – löst keine allzu grosse Verwunderung und praktisch kein Raunen mehr unter den Zuschauern aus. Viel eher ist die Tatsache bemerkenswert, dass die Spieler beim Abschlag immer öfter zum Fairwayholz statt zum Driver greifen. Länge ist zur Selbstverständlichkeit geworden und wird auch nicht mit allen Mitteln gesucht. Der Koreaner Yong-eun Yang traf am ersten Tag – wohl auch begünstigt durch den Rückenwind – vom Abschlag aus das fünfte Green (ein Par 4, 310m). Er musste sich dafür sogar bei den Spielern des Flights vor ihm entschuldigen, denn diese waren noch mit Putten beschäftigt, als sein Ball unverhofft auf dem Green aufschlug. Das Publikum reagierte reserviert – ganz im Gegensatz des Spektakels, als Sergio Garcia dasselbe Kunststück erstmals gelungen war. Der beste Anschauungsunterricht bietet sich auf der meist dicht bevölkerten Driving Range. Am Sonntagmorgen war wenig Betrieb, als Eduardo Romero auftrat, um sich für die letzte Runde einzuspielen. Wie er das tat, war merkwürdig, nämlich im wahrsten Sinn des Wortes: des Merkens würdig. Mit seinem Caddy und einem anderen Spieler und desssen Helfer scherzend, kickte er lässig mit dem Fuss in die zur Pyramide aufgeschichteten Rangebälle, ergriff ein Wedge und begann einige Bälle zu schlagen. Dann folgte wieder eine mit Gelächter begleitete Gesprächspause, ehe das nächste Eisen zum Zuge kam, dann wieder das nächste und so weiter bis zum Driver. Zwei Versuche genügten damit, dann konnte der Caddy zusammenpacken, und die beiden verliessen in bester Laune den Trainingsplatz. Sie liessen einen Clubspieler zurück, der die Demonstration mit offenem Mund verfolgt hatte: Natürlich war jeder Ball perfekt getroffen, und das mit einer unbeschreiblichen Lockerheit und Souplesse – eine Welt liegt zwischen dieser selbstverständlichen Leichtigkeit und dem verkrampften und hastigen Gehabe, das sich bei Clubspielern bereits auf der Driving Range beobachten lässt. Übrigens: Eduardo Romero, Jahrgang 1954, hat nach- her 6 unter Par gespielt und belegte im Schlussklassement den geteilten 8. Rang.

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Was hat schlussendlich über Sieg oder Niederlage entschieden? Ein Glückschip – oder war es gar grossartiges Können? Natürlich war das Schicksal beim Stechen Brett Rumford günstig gesinnt, doch wer sein Spiel verfolgt hat, für den fiel der Siegeschip nicht aus heiterem Himmel, denn Rumford ist ein ausgewiesener Spezialist des kurzes Spiels. Das hat er auch auf der letzten Runde wiederholt bewiesen, zum Beispiel mit einem Wunderchip am dritten Loch aus dichtestem Rough an die Fahne oder mit dem wichtigen AchtmeterPutt über eine Welle nach dem Schlag aus dem Sand am Loch 13. Unerklärlich schien das Versagen beim relativ kurzen Chip aus dem Rough am Loch 17. Doch es waren nicht die Nerven, die dem Kurzspiel-Fuchs einen Streich spielten, sondern vielmehr war die überaus schwierige Ball-Lage für den zu kurzen Schlag verantwortlich. Hinter dem Ball sei ein dichter Grasbüschel gewesen, eine Distanzkontrolle so unmöglich, erklärte der Sieger im Nachhinein. Und vor der letzten Runde hatte er selbstbewusst bekannt, dass er voller Zuversicht sei, besonders weil er sich auf sein kurzes Spiel verlassen könne. Die in Crans gesammelten Eindrücke haben den Schreibenden (ein Clubgolfer) dazu veranlasst, sein eigenes Spiel zu überdenken. Viel lockerer muss er an die Sache heran gehen, und statt nach Macho-Länge zu streben sein kurzes Spiel verbessern. Ganz nach dem Vorbild der Pros, die vor und nach dem Spiel unablässig am Üben sind, nicht nur auf der Range, sondern vor allem auch beim Putten, Chippen und im Bunker. Wie einträglich subtiles kurzes Spiel sein kann, hat der Hüne Antony Wall bewiesen, dessen geteilter 8. Rang fast 45000 Euro wert ist. Gemäss Statistik hatte er in den ersten drei Runden bei sechs Versuchen jedes Mal aus dem Sand das Par geschafft.

■ Martin Schnöller

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