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Spannend wie lange nicht mehr

Das British Open in Carnoustie – das ist Garantie für ein grossartiges, bis zum Schluss spannendes Turnier. Und für einen grossen Sieger, wie Hogan, Watson, Player oder Garcia. Ausnahmen: Paul Lawrie und Garcia. Lawrie gewann zwar 1999, ein Grosser ist er aber bisher nicht geworden. Und Garcia ist zwar ein grosser, doch gewonnen hat er 2007 nicht. Leider. Denn zum Schluss schaffte er es wieder nicht, setzte er das bereits Erreichte Schlag für Schlag wieder in den Sand, bis zum bitteren Ende. Alles war angerichtet für den totalen Durchbruch des Sergio Garcia, für den wir Schweizer wegen seiner «Crans Connection» und seines Sieges am Swiss Open vor zwei Jahren ein engeres Verhältnis haben als mit irgend einem anderen Golfer-Superstar. Vielleicht ist das auch so, weil Sergio zwar ein ganz Grosser unter den Kleinen, aber nur zweite Wahl unter den echten Cracks ist. Immer, wenn es eng wird, guckt er in die Röhre; ist einer da, der sich ihm vor die Nase setzt. Das ist für uns Schweizer in sportlicher Hinsicht ein guter Grund für solidarische Gefühle...

Das begann bereits bei seinem ersten Major, den PGA Championship von 1998. Das Bild, wie Sergio dem Tiger Woods buchstäblich hinterher rennt, bleibt unvergesslich (er rannte tatsächlich unter den Bäumen hervor über den Fairway, um zu sehen, wo einer seiner Wunderschläge gelandet war). Am Schluss wurde er zweiter hinter Tiger, und wir alle waren sicher, dass das der Auftakt zu einer der ganz grossen Karrieren gewesen war. Doch daraus ist leider bisher nichts geworden; das Swiss Open hat er zwar gewonnen, aber ein Major noch immer nicht. Dafür wäre er allerdings längst überfällig. Und nun wurde er am British Open auf dem wundervollen Golfplatz von Carnoustie, den viele Leute für den schönsten der Welt halten, zum grossen Dominator. Eine grandiose Startrunde bei misslichem Wetter verschaffte ihm die Führung, die er bis zum Schluss behauptete; aber der neue Open Champion heisst trotzdem Padraig Harrington.

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Man muss wohl hinterher feststellen, dass Sergios Nerven nicht gehalten haben. Er schwang den Club während einiger Holes mitten in der Schlussrunde sehr verkrampft; während die Konkurrenten Schlussrunden weit unter Par spielten, schaffte der Spanier gerade mal +2 (Richard Green -7, Andres Romero -6, Padraig Harrington -4, Ben Curtis -6, um nur einige zu nennen). Seine Birdiechancen liess er aus, und seinen Par-Putt auf dem 18. Green, der ihm den Sieg gebracht hätte, brachte er nicht im Loch unter. Es war knapp, und es war sicher auch etwas Pech dabei, aber der Ball war einfach nicht drin.

Es gibt Spieler, die haben immer wieder Siegchancen an Majors. Sergio hat jetzt zum vierten Mal um den Sieg an einem Major mitgespielt, darunter auch am British Open des lewtzten Jahres. Wie viele Gelegenheiten er noch haben wird, das wissen vielleicht die Golfgötter; aber Raymond Poulidor hat auch kaum jemals ein wichtiges Radrennen gewonnen und ist so zum Inbegriff des ewigen

Zweiten im Weltsport geworden. So gesehen war Sergios Sprint ja wirklich der Start zu einer grossen Karriere. Gegenwärtig ist er aber auch hinter Poulidor noch Zweiter unter den ewigen Zweiten; um diesen zu überholen, muss er noch ein paar weitere Ehrenplätze schaffen. Ist Ihnen das alles ein bisschen zu kompliziert? Golf, hat ein Freund mal gesagt, ist ganz einfach. Da ist der Ball, da ist das Loch, rein muss er. So sieht das wohl auch der Ire Harrington, der sich nach der halben Schlussrunde plötzlich ganz weit vorne im Klassement wiederfand, zubiss und nicht mehr losliess. Er überstand irgendwie den Grossangriff des Argentiniers Andres Romero, sich mit zwei Schlägen Vorsprung im Rough des 17. Lochs zu einem Amateurfehler hinreissen liess. Schliesslich überstand Harrington auch die eigenen weichen Knie: zwei Bälle im Wasser am 18. Loch bedeuteten Doppelbogey (was schon erstaunlich genug war...), und hätte ihm Garcia nicht den Gefallen eines Bogeys getan, wäre die Entscheidung gefallen gewesen. So kam es eben zum Playoff ... aber das wissen wir alle ja schon; denn wir sind ununterbrochen an der Mattscheibe geklebt, so spannend war die Sache. Ich selber bin genau einmal vom Sofa aufgestanden, was nicht schlecht ist, aber gar nichts gegen die Leistung, die Ivor Robson jedes Jahr erbringt. Er ist der Starter des R&A, begrüsst während aller vier Tage jede Paarung persönlich, kündigt die Spieler den Zuschauern an und schickt sie auf die Runde. Das macht er, ohne sein Pult neben dem ersten Abschlag jemals zu verlassen. Um das zu schaffen, trinkt er extrem wenig und isst nichts. Das kann man nicht anders denn als Weltklasseleistung bezeichnen. Doch die Geschichten um Ivor Robson oder Sergio Garcia sind längst nicht die einzigen Legenden, die sich um dieses faszinierende Turnier ranken. Es hat jetzt zum 136. Mal stattgefunden. Padraig Harrington interessiert das alles herzlich wenig…

■ Urs Bretscher

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