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«Number One Ball in Golf»

Eine gute Frage: wer ist die Nummer 1 bei den Golfbällen? Seit über 70 Jahren Titleist, und das pflegen die Leute der bedeutendsten Ballmarke auch mit Zahlen zu belegen. Ihre Bälle sind seit 1949 ununterbrochen die meistgespielten am US Open, und rein zahlenmässig sind sie auch auf der US PGA Tour nicht zu schlagen. Immer wieder hat Titleist Entwicklungsschritte als erster Hersteller realisiert. Heute gehören auch die Marken Cobra, Pinnacle, Scotty Cameron und FootJoy zur Acushnet Company. Nummer 1? Nun, der Name ist Programm. Titleist heisst «Titelhalter»; Title-ist. Und das verpflichtet ja wohl wirklich.

1910, vor bald hundert Jahren, steckte die industrielle Produktion in jeder Beziehung in den Kinderschuhen. Drei Absolventen des MIT (Massachusetts Institute of Technology) erfanden ein Verfahren zur Verwertung von Gummiabfällen; die drei eröffneten in einem Kaff namens Acushnet in Massachusetts eine Fabrik. Doch bald zwangen die in den Keller stürzenden Gummipreise das Unternehmen zur Flexibilität. Anstelle des Handels mit Rohwaren begann die Fertigung von in Formen hergestellten Produkten aus Gummi. Aber nur einer der drei Gründer, Phil Young, spielte Golf. Die Saga will, dass er so frustriert über die miesen Eigenschaften der damaligen Golfbälle (Haskells) gewesen war, dass er einen solchen Ball 1930 mit den damals gerade neuen Röntgenstrahlen durchleuchtete und so herausfand, dass dieser Ball seinen Schwerpunkt gar nicht in der geometrischen Mitte hatte, sondern sonst wo; dass er also gar nicht geradeaus rollen konnte. Young erfand darauf ein Verfahren zur Herstellung von Gummi-Golfbällen, wofür er eine Art Wickelmaschine konstruierte und patentieren liess. Schon die ersten Golfbälle, die er auf den Markt brachte, hiessen Titleist und wurden ausschliesslich in Proshops verkauft.

Während des Zweiten Weltkriegs kam die Ballproduktion zum Erliegen. Acushnet wurde zum bedeutendsten Hersteller von Gasmasken aus Gummi; daneben wurden auch Sauerstoffmasken und Gummiteile für Kriegsgerät produziert.

Nach dem Krieg wurde wieder Golf gespielt, die Nachfrage nach Golfbällen schnellte in die Höhe. Wichtigster Konkurrent von Titleist war damals Wilson. In der Folge verbesserten Youngs Leute aus der neu geschaffenen R&D-Abteilung (Research & Development) zuerst einmal die Gummimischungen, welche bald einmal ersten Kunststoffen wichen, um sich anschliessend mit der Aerodynamik der Bälle – und damit mit ihrer Oberfläche – zu beschäftigen. Der Ballmarkt liess solche Investitionen in den Fortschritt zu, weil er explosionsartig wuchs, und weil gleichzeitig auch die Materialtechnologien rasche Fortschritte machten.

Nach und nach wurden andere Bereiche der «Golf-Hardware» erschlossen; in der Regel durch Kauf eines erfolgreichen Unternehmens. Bulls Eye Putter, Foot Joy, Scotty Cameron und auch Cobra sind auf diese Weise in die Acushnet Company integriert worden. 1976 allerdings wurde die Company selber aufgekauft, und zwar durch eine grössere Gruppe mit dem Namen American Brands, zu welcher die Golfer aus Massachusetts noch heute gehören – sie hat allerdings den Namen 1997 auf Fortune Brands Inc. geändert.

Die Golfball-Schlacht

Doch das Kerngeschäft von Acushnet mit seiner Leadermarke Titleist ist das Herstellen von Golfbällen geblieben. In den zwei Jahrzehnten nach 1945 verdoppelte sich in den USA die Zahl der Golfplätze – aus 4000 wurden über 8000, und entsprechend gab es auch massiv mehr Golfspieler. Die vielen Neugolfer hatten die Tendenz, die Bälle haufenweise daneben zu schiessen, weshalb sich der Ballmarkt effektiv nahezu raketengleich entwickelte. 1952 sollen weltweit 30 Millionen Bälle hergestellt worden sein. Bald darauf kamen die ersten Bälle mit flüssigem Kern, die bei der Herstellung gefroren waren und so mit einem extra dichten, harten Gummifaden umwickelt wurden, bis sie die richtige Grösse hatten. Die Flüssigkeit wurde aus Maisstärke hergestellt und hatte den Vorteil, dass die Anordnung des Schwerpunktes kein Problem war.

Auch Balata für die Aussenhülle der Bälle war schwer im Gebrauch; das Derivat eines den Gummibäumen abgezapften Harzes war allerdings nicht besonders dauerhaft, produzierte aber eine enorme Menge Spin, was die Profis schätzten – das «Shotmaking» wurde zum entscheidenden Kriterium für Siege an Turnieren. Mit den damaligen Clubs und den Balatabällen liessen sich die Bälle um alle Hindernisse herum manövrieren – wenn man das beherrschte.

Doch die Konkurrenz schlief nicht; in der Zwischenzeit hatte sich vor allem Spalding als Konkurrent im Sektor Bälle profiliert. Dort hatte man zwar viel mehr am Hut mit Baseball und Basketball; doch lange vor Titleist wurden gewickelte Golfbälle mit Flüssigkern hergestellt (der Kro-Flite), und Spalding war auch das erste Unterneh- men, welches einen Kunststoff namens Surlyn für die Aussenhülle der Bälle einsetzte. Weil Titleist bald darauf einen ähnlichen Ball herausbrachte, kam es zu jahrelangen Patentstreitigkeiten, welche 1989 mit einem Urteil gegen Acushnet und 1990, nach Berufung, mit einem aussergerichtlichen Vergleich beigelegt wurden. Doch die weltbesten Spieler entschieden sich mehrheitlich dafür, mit Bällen von Titleist zu spielen. Jahrelange Werbekampagnen in den USA, dem weltgrössten Golfballmarkt, hatten das Engagement der Marke auf der Tour zum Gegenstand. Mehr als die reinen Siege zählten die Menge der Spieler, die man unter Vertrag hatte; zu Beginn seiner Karriere als Pro auch Tiger Woods, der 2000 allerdings ganz zu Nike wechselte.

Die in den USA eingesetzten Werbebudgets erlaubten auch TV-Commercials für Modelle, welche nur von Hackern gespielt wurden; beim Launch der noch heute hergestellten NXT-Bälle spielte der aus «Monty Pythons Flying Circus» bekannte John Cleese die Hauptrolle in auf «Comedy» aufgemachten Spots.

Doch auch die Zahlen sind beeindruckend: im Jahr 2000 gab das Unternehmen bekannt, dass vom Modell PTS, das in den USA unter der Bezeichnung DT angeboten wurde, mehr als eine Milliarde Stück produziert worden waren! 2001 schlug der Pro V1 ein wie eine Bombe; er beendete die Epoche der «Wound Balls», der mit einem langen Gummifaden gewickelten Kerne der Bälle, endgültig. Der Pro V1, heute in zwei Varianten erhältlich, ist seither mehrfach verbessert worden, setzt aber nach wie vor die Massstäbe für die ganze Golfballbranche.

Die wichtigste Marke im Portefeuille neben Titleist, King Cobra nämlich, wurde 1996 gekauft. Ein australisches Bastlertalent namens Thomas Crow hatte 1973 einen genialen Club, den «Baffler», herausgebracht; das erste

Trouble Wood, ein Vorläufer der heutigen Hybrids. Doch von der genialen Idee zur Serienfertigung und zu einem weltweiten Vertrieb ist ein langer Weg. Cobra hatte trotz hohen Stückzahlen und trotz einem massiven Engagement von Greg Norman Mühe, es überlebte nur dank der Übernahme. Acushnet entschied sich bald darauf, mit Cobra-Produkten eher ein Publikum bei den Amateuren zu suchen, während Titleist-Clubs sich eher an die ambitionierten Golfer richten sollten.

Schläger mit der Marke Titleist gab es ab 1971: das AC 108 war ein gegossenes Eisen mit Tungsten-Einsatz, dessen Gewichtsverteilung auf eine Vergrösserung des Sweetspots zielte. 1990 kam das Modell DCI in den Handel, welches von vielen Spielern noch heute eingesetzt wird. Bald folgen auch Hölzer und Wedges; Titleist ist jetzt auch ein «normaler» Club-Produzent geworden, obschon das Schwergewicht des Umsatzes bis heute bei den Bällen liegt.

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