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Golf als Leistungssport

Das diesjährige Trainingslager des Nationalkaders der Girls (14–18 Jahre) fand unter der Leitung von Nationalcoach Régine Lautens in Emporda (nahe Girona, Costa Brava) statt. Lautens hatte einen ausgebildeten Sportlehrer von der Uni Lausanne als Fitness- und Konditionstrainer engagiert, um den Spielerinnen die Bedeutung der körperlichen Verfassung für gute golferische Leistungen näher zu bringen.

Einige verschiedene Teilgebiete lassen sich unterscheiden, wenn die Rede von Fitness – Kraft Beweglichkeit, Ausdauer – im Golf ist. Längst ist das Golfspiel auf höchstem internationalem Level, Amateure und Pros gleichermassen, zu einem Leistungssport geworden. Das hat allerdings kaum etwas damit zu tun, den Ball meilenweit zu hauen. Erstens ist es bekanntlich wichtiger, diesen im Spiel zu halten als grösstmögliche Distanzen zu schiessen. Und zweitens ist es eben trotzdem wichtig, über einen langen Abschlag zu verfügen. Doch ein solcher ist nicht einfach eine Sache der rohen Kraft, und er ist sinnlos, wenn es dem Spieler anschliessend nicht gelingt, den Vorteil auch in ein gutes Score umzusetzen. Die körperliche Fitness hat zum Beispiel auch damit zu tun, dass es nicht ganz so einfach ist, vier Runden lang an vier aufeinanderfolgenden Tagen seine Höchstleistung zu bringen. Doch das ist genau das, was wir von den Mitgliedern der National-Teams erwarten; und wir erwarten es noch viel mehr von ihnen, wenn sie einmal zu den Pros übergetreten sind. Training ist also notwendig – das, so Nationaltrainerin Régine Lautens, müssen jetzt langsam, aber sicher auch die verschlafensten aller Talente begreifen.

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Talent: das ist das Stichwort. Darunter kann man sich vieles vorstellen, und das meiste davon ist nur halb richtig. Am allerwenigsten hat der Begriff «Talent» mit der Tatsache zu tun, dass einer – oder auch eine –über einen hervorragenden Schwung verfügt. Einmal kann man sich einen solchen durch viel Fleiss auch aneignen, und zum andern kann man auch ohne einen solchen ausgezeichnetes Golf spielen.

Zu all den Elementen, welche das «Talent» ausmachen, gehören zum Beispiel auch die mentalen Aspekte und die Bereitschaft, quasi bis zum Umfallen zu kämpfen – im Turnier und im Training. Dass eine gute körperliche Verfassung vieles erleichtert, das wissen unterdessen nicht nur die Fans von Tiger Woods. Der Beispiele auf der Tour sind ungezählte: neuer-

Draussen auf dem Golfgelände werden die klassischen Übungen adaptiert; Rumpfmuskulatur, Bein- und Armmuskulatur sowie die Körperrotation spielen ins Programm hinein. Dazu werden Balance- und StretchingTeile ins Programm eingebaut.

Kraft, Ausdauer, Konzentration

Jean-Sébastien Scharl arbeitet als Sportlehrer an der Universität Lausanne und an der EPFL. Neben dem Unterricht hat er sich als Ausbildner und Betreuer in verschiedenen Sportarten betätigt; unter anderem auch im Rugby und als Trainer von Stéphane Lambiel. Er spielt als Mitglied des GC Lavaux selber Golf.

Zusammen mit dem Girls-Team von Régine Lautens wurden einige hergebrachte, aber auch ein paar neue Ansätze in die Diskussion gebracht. Die Mädchen wurden in verschiedenen Sessionen eingehend mit den Trainingseinheiten vertraut gemacht; wichtig ist dabei auch, dass man versteht, wieso eine Einheit so – und nicht anders – aufgebaut ist.

• Aufwärmen: leichtes kardiovaskuläres Belasten, einige Minuten leichtes Footing (Joggen oder Walken).

• Stretchen: Beweglichkeit der Glieder, Dehnen der Muskeln. Vor einem sportlichen Einsatz wird eher dynamisch gestretcht, also kein minutenlanges Halten von Positionen, sondern immer in leichter Bewegung, kombiniert mit Lockerungsübungen.

• Leichte Kraftübungen: einige Golfclubs kombiniert mit dem eigenen Körpergewicht haben einen kräftigenden Effekt, steigern aber auch den Muskeltonus (Grundspannung), was der Stabilität hilft.

dings hat sogar der Pykniker Phil Mickelson abgespeckt und oben herum ein paar Muskeln angesetzt. Drei Bereiche profitieren von einen guten Fitness, sagt Régine Lautens: die Leistung selber, die Erholung und die Verletzungsprophylaxe. Gerade ihr ist es ein grosses Anliegen, dass dieses Thema ernst genommen wird. In internationalen Einsätzen hat es sich während der letzten Jahre mehr und mehr gezeigt, dass die besten Girls und Ladies der Schweiz über zu wenig lange Abschläge verfügen, um ernsthaft mithalten zu können. Dieses Thema beschäftigt auch die Juniorenkommission sowie die Regionalcoaches; am Beispiel des Nationalkaders der Girls (14 bis 18

• Stabilität: eine Trainingseinheit besteht aus kurzen, aber ziemlich scharfen Belastungen, die den Puls in die Höhe treiben. Dann werden unmittelbar darauf kurze Putts aus verschiedenen Distanzen und Richtungen gespielt, um die Stabilität in der langsamen Bewegung zu trainieren.

• Rumpfmuskulatur: mit der Gymnastikmatte werden Übungen für Bauch- und Rückenmuskulatur eingestreut (weder neu noch attraktiv, aber extrem notwendig für alle Golfer und Golferinnen...). Besondere Beachtung verdienen Übungen für die Muskulatur des Beckens.

• Kraft in den Beinen: eine der Voraussetzungen für einen stabilen Stand beim Schwingen, aber erst recht – und oft unterschätzt – für gutes Putten. Mit dem Gewicht einiger Clubs werden Kniebeugen gemacht.

• Balance: sie ist auch bei fortgeschrittener Müdigkeit wichtig und kann mit Hilfsmitteln ausgezeichnet trainiert werden. Eine gute Balance ist eine wichtige Voraussetzung für regelmässiges Ball Striking; sie hängt mit der Konzentration zusammen.

Eine spezifische Übungsabfolge bestand aus einer Minute Seilspringen (um den Puls hochzutreiben) und gleich anschliessend – ausser Atem – dem Schieben von drei Putts. Feinkoordination unter Stress ist das Stichwort.

Jahre alt) wurde nun mit einem gezielten Training damit begonnen, die reine körperliche Fitness zu verbessern. Lautens hatte für das Trainingslager des Monats Februar im Emporda Golf Resort in Katalonien extra einen Sportlehrer der Uni Lausanne verpflichtet. Von seiner Arbeit mit den Girls, die ausschliesslich draussen auf dem Golfplatz und dem Practice-Gelände erfolgte, kann eigentlich jeder ambitionierte Golfspieler und jede Golfspielerin profitieren. Weder riskiert man, zum Body Builder zu werden, noch besteht die Gefahr, dass man sein spielerisches Niveau bald einmal nicht mehr kontrollieren kann (weil es dramatisch gegen Handicap 0 strebt...).

Sorge zu sich selber tragen

Im Gegenteil: die Motivation für eine verbesserte körperliche Vorbereitung kann durchaus sein, eine Runde Golf besser zu überstehen, sich anschliessend besser zu erholen und so dazu beizutragen, dass sich die unweigerlich belasteten Stellen – wie Rücken, Gelenke der Arme, Knie, Schultern –weniger abnützen. Und das heisst gegen das Alter hin länger Golf spielen!

Regionalkader auch in Emporda

Die 36-Loch-Anlage von Emporda, auf welcher auch schon Turniere der Q-School zur European Tour stattgefunden haben, eignet sich hervorragend für Trainingslager. Auch Christoph Bovet (l.) und Patrick Kressig (r.) hatten sich mit ihren Nachwuchs-Regionalkadern in Emporda eingemietet; mitten in der Anlage stehen auch einige Apartment-Häuser. Für die Verpflegung wurde ein pragmatisches Konzept gewählt: Frühstück mussten alle im Apartment selber zubereiten, Lunch wurde im Clubhaus geordert (eine reichhaltige, sportlich-währschaft orientierte Küche), das Nachtessen wurde im Speisesaal des Hotels eingenommen. Der Tagesablauf bestand aus Training, Training, Training und nochmals Training. Die beiden Coaches hatten ihre Kader aufgeteilt; die beiden Gruppen fanden sich nacheinander zu Aufenthalten von je sechs Tagen in Emporda ein. Kressig und Bovet waren mit dem ganzen Trainingsmaterial per Auto angereist, während die Sportler EasyjetFlüge nach Barcelona benutzten, mit anschliessendem Shuttle-Transport ins anderthalb Stunden nördlich liegende Trainingsquartier.

Das ist natürlich eine andere Ausgangslage, als sie die Boys und Girls unserer regionalen und nationalen Kader haben; und es ist im Konzept von Régine Lautens eine der drei tragenden Säulen. Denn auch sie will natürlich, dass ihre besten Spielerinnen ihre Karriere unverletzt überstehen.

Golf ist vielleicht nicht eine Sportart, die besondere Verletzungsrisiken mit sich bringt. Doch dieser erste Eindruck könnte täuschen: Spitzensportler sind immer dem Risiko ausgesetzt, die Grenze zum «roten Bereich» zu überschreiten. Entzündungen vor allem von Sehnenansätzen drohen; das sind typische Überlastphänomene. Dagegen hilft auf die Dauer nur eines – viel prophylaktisches Krafttraining nämlich. Die stärkere Muskulatur nimmt einen Teil der Belastungen auf und entlastet die Sehnen und Sehnenansätze.

Genau das gilt für jeden Golfer, auf jeder beliebigen Könnensstufe und jeden Alters. Man denke nur daran, wie viele Spieler und Spielerinnen sich mit schmerzenden Ellenbogen (Golfer- oder Tennisellenbogen) oder chronischen Rückenschmerzen herumschlagen!

Leistungssteigerung, verbesserte Erholung und Verletzungsprophylaxe, das sind die drei Eckpfeiler eines Fitnessprogramms. Wie das Girls-Kader zusammen mit Sportlehrer JeanSebastien Scharl zeigte, eignen sich die Übungen grundsätzlich für alle Menschen, und sie erfordern weder grosse Investitionen noch besondere Installationen. Das einzige, was man aufbringen muss, ist etwas Zeit. Und Durchhaltewillen: nicht nur für unsere Nationalteams, sondern für jedermann muss ein solches Programm langfristig verstanden und regelmässig durchgezogen werden. Besseres

Golf, ein besseres Selbstverständnis, gesteigertes Wohlbefinden, weniger Beschwerden und – vielleicht – sogar ein besseres Alter winken als Lohn (neben einigen Longest Drives in Club- oder Seniorenturnieren natürlich...).

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