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Tiger,Annika, Steve
Alle Menschen sind verschieden, und deshalb können sie auch nicht alle mit dem gleichen Schwung Golf spielen. Das – mit Verlaub – ist nicht neu. Trotzdem, so ist zu hören, soll es immer noch Golflehrer geben, die ihren eigenen Schwung all den Amateuren beibringen wollen, die bei ihnen Lektionen nehmen. Das wäre, wenn es denn stimmte, eine krasse Missachtung der banalen Erkenntnis, dass nicht alle Menschen gleich sind. Zur Illustration bloss das: Tiger Woods ist die Nummer 1 der Welt, und Annika Sörenstam ist ebenfalls die Nummer 1 der Welt. Ihre Schwünge könnten nicht unterschiedlicher sein...
Gefällt Ihnen der Schwung von Tiger Woods? Damit kann man Millionen verdienen, also muss er gut sein. Drum nichts wie los: Videokamera, Dartfish oder eine andere Software zum Vergleich des Schwungs mit demjenigen des Weltbesten, und dann vorwärts auf dem Pfad des Erfolgs. Schwungelemente üben, Krafttraining, die ersten Sponsorenverträge abschliessen, die Clubmeisterschaft im Vorbeigehen, der Schwung wird immer tiger-esker, Übertritt zu den Pros, und dann – watch out, Tiger! Man sieht: so geht das in den wenigsten Fällen. Keiner ist wie Tiger, deshalb kann man ihn lange zu kopieren versuchen. Was bei ihm funktioniert, kann uns noch so gut gefallen – das bedeutet noch lange nicht, dass es bei einem anderen Golfer auch funktionieren würde. Und abgesehen davon – der Schwung von Annika Sörenstam wäre vermutlich einfacher zu kopieren.
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Auf C.G. Jung geht die Lehre der Typologie zurück, die besagt, dass psychologische, instinktive und motorische Eigenschaften eines Menschen zusammenhängen. Diese Eigenschaften sind objektiv, hängen also nicht von irgend einem «Gutdünken» ab, aber es ist schwierig, sie präzise zu erkennen. Wenn wir uns jetzt einmal auf den Golfschwung und seine mechanischen Fazetten konzentrieren (und die Psychologie für einmal aus dem Spiel lassen), so wird schnell klar, dass das Kennen des eigenen Typs sehr hilfreich sein kann bei der Frage, welcher Spieler aus den Top 10 der Welt man sich am besten als Vorbild auswählt. Daraus würden sich
Hinweise ergeben aufs Training; man kann entscheiden, in welchen Bereichen man echtes Verbesserungspotenzial hat, und wo man seine Energien verzettelt (zum Beispiel «Präzision oder Distanz»).
Soll ich einen Ball schlagen?
Dieser kurze Seitenblick auf eine sehr umfangreiche, spannende Materie ist die Ausgangslage für ein Gespräch zwischen mir und Steve Rey, dem neuen Head Pro im GC Patriziale Ascona. Ich will eigentlich keine langen Theorien hören, sondern praktische Tips für unsere Leser.
In Ascona auf der Driving Range hat der Walliser neu sein Hauptquartier aufgeschlagen, nachdem er mehrere Jahre in Sierre und Crans gleichzeitig unterrichtet hat. Vorher hat er mit ziemlichem Erfolg auf den europäischen Tours gespielt, ohne allerdings den absoluten Durchbruch zu schaffen.
«Soll ich einen Ball schlagen?» – das ist hier nicht ganz der richtige Approach. Steve Rey testet mich auf eine andere Weise aus. «Es gibt objektive Testmethoden, um herauszufinden, welcher Typ du bist; und das gilt im übrigen nicht nur für Golf, sondern für alle Sportarten».
Er hantiert an meinem linken Knie, macht mich mit den Händen nach innen und nach aussen gegen seine Hand drücken, macht einfache Geschicklichkeitstests mit mir, drückt an meiner Wirbelsäule herum und meint dann: «Alles klar. Du solltest schwingen wie Ernie Els und Annika Sörenstam!»
Okay. Mehr Eindruck haben mir am Fernsehen bisher eher die Swings von Vijay Singh oder von Phil Mickelson gemacht. Was soll das also alles bedeuten?
Wie Ernie, erklärt mir Steve, bin ich ein Typ, der beim Stehen das Gewicht in der Mitte der Füsse spüren will und nicht im Vorfuss (wie Tiger), und wie Annika eignet sich für mich ein Schwung am besten, bei dem der Körper kompakt bleibt, die Schulterlinie und die Hüften sich also kaum gegeneinander verwinden. Das lässt sich zweifelsfrei herauslesen daraus, wie ich auf meinen Füssen stehe, wie ich meine Bewegungen auslöse, wo ich meinen Schwerpunkt spüren will.
«Ich kann das sogar an der Art, wie die Sohlen abgenutzt sind, erkennen», meint der Pro.
Ich muss also jetzt Ernies Schwung kopieren, und nicht denjenigen von Tiger. «Falsch. Du musst deinen eigenen Schwung erarbeiten, den es nur einmal geben wird. Aber du kannst zahlreiche Hinweise von einem verwandten Schwung für dein Training verwenden, die dir helfen werden, einen rascheren, einfacheren Weg zu finden».
Verschiedene Schwünge
Die Typologie ist eine Wissenschaft, die darunter leidet, dass wir die genauen Funktionsweisen des Menschen nur rudimentär kennen. Doch die Aussagen, welche Steve Rey zu meinem Typ und zum besten Weg, zu einem besseren Golfschwung zu kommen, macht, sind absolut präzise und anwendbar. Aber ich muss daran glauben – das heisst, ich muss vor al- lem glauben, dass ich so bin, wie er sagt, und nicht anders. Und das scheint mir nicht so schwierig zu sein, angesichts der Tatsache, dass ich daraus handfeste Vorteile ableiten kann.
Steve Rey ist Headcoach im GCPatriziale Ascona und gleichzeitig auch Präsident der Ausbildungskommission der Swiss PGA. Er arbeitet eng mit den Typologie-Spezialisten Bertrand Théraulaz (Leiter Trainerausbildung Swiss Olympic) und Ralph Hippolyte (Professor am «Institut National du Sport et de l'Education Physique» in Paris) zusammen.

Gewisse Spieler und Spielerinnen fühlen sich wohl, wenn sie das Körpergewicht im Bereich der Fussballen spüren; andere müssen mit der Mitte der Füsse stehen.Den Unterschied in der Ansprechposition erkennt man in der Demonstration (in welcher Steve Rey aus Gründen der Anschaulichkeit etwas übertreibt).
Als zuverlässige Aussage lässt sich zum Beispiel für jeden der verschiedenen Typen sagen, in welchen Bereichen er seine Stärken hat. Wiederum würde das für alle Sportarten gelten; nicht nur fürs Golf. Steve Rey: «Man sollte in erster Linie alles daran setzen, seine Stärken weiter zu entwickeln. Das bringt viel mehr als der Versuch, seine Schwächen auszumerzen; denn dabei gehen meistens die Stärken verloren», meint der Pro. «Für den Golfschwung geht es also darum, die Gewichtsverteilung gemäss seinem Typ in der Ansprechposition zu optimieren. Man kann entscheiden, ob man den Schwung mit der linken oder mit der rechten Seite steuern will. Etwas vom schwierigsten ist es, für seinen Schwung die sogenannten Auslöser zu finden; jeder Pro der Welt hat damit regelmässig seine Mühe, schon nur, weil das sogar von Tag zu Tag ändern kann. Und dann kann man auch sein Fitness-Training auf diese Erkenntnisse ausrichten. Muss es mehr kraftorientiert sein, oder eher auf Beweglichkeit und Geschicklichkeit ausgerichtet?»
Und schliesslich kann man sich beim Golfspiel auch verletzen – lassen sich sogar Aussagen machen zu typischen Verletzungsrisiken? Grundsätzlich ja; obschon man hier sehr vorsichtig sein muss. Nach der Theorie ist der Typ, welcher von Tiger Woods oder von Sergio Garcia repräsentiert wird, anfällig für Verletzungen am linken Knie – und Tiger hat sich bereits mit Knieproblemen herumgeschlagen. Und so lassen sich für jeden der verschiedenen Typen besonders gefährdete Zonen des Körpers bezeichnen; doch das heisst noch lange nicht, dass er sich verletzen wird. Viel mehr als ein Hinweis auf die Ausgestaltung des Fitnesstrainings (Prophylaxe!) kann das deshalb nicht sein. Die Typologie will denn auch nicht in erster Linie ein System von verschiedenen Typen von Menschen postulieren, sondern sie will uns – allen Menschen – Hinweise zum Verständnis des eigenen Funktionierens verschaffen.
Was haben wir davon?
Was also will die ganze schöne Theorie? Steve Rey hat es geschafft, mich nach einigen real hinaus in die Weite der Range gehauenen Bällen, einigen schnellen Videosequenzen und mit ein paar Tips zu einem anderen Schwung zu überzeugen. Oder beinahe, jedenfalls; meine schwungtechnische Ausgangslage war nicht so schlecht, und die Demonstration diente vor allem dazu, die theoretische Materie greifbar und anschaulich zu machen – als Grundlage für einen Artikel. Trotzdem ist etwas abgefallen für diesen Schwung (der notabene, wie aufmerksame Leser wissen, durch den vergangenen Winter hindurch von Grund auf überarbeitet worden ist).
Die Quintessenz, das Fazit, auf einen einzigen Satz gebracht, lautet, dass jeder Golfer davon profitieren kann, wenn er genau weiss, wie er selber funktioniert.
Das ist in jedem Falle schwierig festzustellen; näher als die Typologie kommt einer solchen Aussage aber wahrscheinlich niemand und auch kein anderer Sport-Fachmann, wie Coaches, Trainer, Psychologen oder Club-Pros.
Diese Zusammenhänge sind innerhalb der Swiss PGA wohlbekannt, weshalb die Typologie eines der zahlreichen Themen im «Further Education Program» unserer PGA ist. Mehrere Kurse wurden dazu bereits angeboten, und sie waren gut besucht. Das sind gute Nachrichten; es liegt nun an all den Amateuren, die sich von einem Golflehrer Hilfe und ein besseres Game erhoffen, sich den richtigen Pro auszuwählen und allenfalls eben darauf zu achten, dass dieser typologische Kenntnisse anwendet.


■ Urs Bretscher
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Mit beiden Backswing-Positionen kann man gutes Golf spielen – auch die Verlagerung des Gewichts auf das rechte (hintere) Bein während des Backswings machen nicht alle Golfer gleich ausgeprägt.


