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INSIDE Kühle, grüne Oasen

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NACHFOLGEREGELUNG

NACHFOLGEREGELUNG

Golfplätze steigern die Biodiversität an ihren Standorten. Auf ökologisch wenig wertvollen Flächen erstellt, tragen sie mit ihrer Vielfalt an Lebensräumen zur Aufwertung der Landschaft bei. Und verbessern mitunter sogar das Klima.

MIRJAM FASSOLD

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Golfanlagen beanspruchen viel Fläche, nutzen aber nur einen geringen Anteil davon effektiv für die Ausübung des Sports. In der Schweiz ist die Landnutzung für Golfanlagen gesetzlich geregelt.

Für die seit 1993 auf Schweizer Boden neu entstandenen 52 Golfplätze gilt die 3/3-Vorgabe des Bundes: Ein Drittel der Fläche muss aus naturnahen Zonen und Biotopen bestehen. Ein Drittel ist für extensive Wiesen, Sträucher und Gewässer vorzusehen. Das letzte Drittel dient der Golfnutzung in Form von Tees, Fairways, Greens, Gebäuden und Wegen. Aus dem Blickwinkel der Biodiversität erwähnenswert ist der Fakt, dass Golfanlagen nur auf ökologisch wenig wertvollen Flächen entstanden sind, wie auch Umweltberater Beat Hodel bestätigt. Sie durften nicht in natürliche oder naturnahe Lebensräume gebaut werden, sondern lösten eine Landnutzung ab, die aus ökologischen Gesichtspunkten unattraktiv war. Darunter fallen beispielsweise intensive Landwirtschaft (Beispiele: Küssnacht, Wylihof), Materialabbaustellen (Nuolen/Zürichsee) oder auch Waffenplätze der Armee (Andermatt, Ybrig). Im Falle des Golf Club Ybrig konnte mit dem Golfplatz auf dem Ochsenboden gar der Bau einer Verbrennungsanlage der chemischen Industrie verhindert werden. Dass Golfplätze zu einer ökologischen Aufwertung des betroffenen Gebiets beitragen, liegt auf der Hand. Das lässt sich auch belegen – oft mit dem kleinen Wermutstropfen, dass aus der Zeit vor dem Golfplatzbau keine bis sehr wenig Zahlen zur Biodiversität erhoben worden sind.

Mehr V Gel In Andermatt

In Andermatt wurde die Vogelwelt bereits 2006 auf dem damals landwirtschaftlich und als Armeeübungsgelände genutzten Land erfasst und dokumentiert. Ein zweites Monitoring erfolgte 2012 zum Abschluss der Bauphase, ein drittes – das entscheidende – 2019, nach fünf Betriebsjahren. Die Vogelwarte Sempach bestätigte anschliessend, dass sich die Vögel auf dem Golfplatz in Andermatt äusserst wohl fühlen. Speziell beliebt sind die entlang der Gewässer geschaffenen Räume sowie die extensiv bewirtschafteten Hanglagen. Bau und Unterhalt des Golfplatzes haben sich positiv auf die Brutvogelbestände ausgewirkt.

Primäre Zielart für den Golfplatz in Andermatt ist das Braunkehlchen, ein typischer Wiesenvogel, der blumenreiche, extensiv bewirtschaftete Wiesen bewohnt. Diese Art geht schweizweit immer mehr zurück, kommt im Mittelland kaum mehr vor und gerät auch in den Bergen immer mehr in Bedrängnis. Auf dem Golfplatz in Andermatt wurde ein gegenläufiger Trend beobachtet. Die Zahl der Reviere hat von 17 im Jahr 2006 auf 28 im Jahr 2019 zugenommen.

TIER- UND PFLANZENVIELFALT IN KÜSSNACHT

Über interessante Zahlen verfügt man auch in Küssnacht. 2010 wurde durch die Firma ANL die Vergleichsstudie «16 Jahre Golf Küssnacht» erstellt. Die einst landwirtschaftlich intensiv (u.a. Schweinemast) genutzte Fläche hat sich optisch und qualitativ verändert. Mit dem Bau des Golfplatzes sind Moore, Weiher und Bäche und damit Lebensräume für neue

Tier- und Pflanzenarten entstanden. Bei der Bestandserhebung 2010 wurden auf den Wiesen des Golfgeländes über 150 verschiedene Gras- und Krautarten festgestellt – während der Bauphase waren nur rund 100 Arten gefunden worden. Durch Neuanpflanzungen im Rahmen des Golfplatzbaus wurde der Bestand an Hochstamm-Obstbäumen auf rund 400 verdoppelt und die ehemalige Kastanienkultur in Küssnacht wiederbelebt. Ausserdem sind 1,03 Hektaren Hecken und 1,04 Hektaren Gewässer entstanden. Seit dem Bau des Golfplatzes werden im Rahmen eines Monitorings jährlich wechselnde Tiergruppen erhoben. Libellen und Amphibien sind neu auf das Gelände gezogen; dies, weil durch den Bau des Golfplatzes dafür geeignete Lebensräume entstanden sind.

K Hlung Bei Sommerhitze

Golfplätze leisten im urbanen Umfeld auch einen wichtigen Beitrag zur Hitzeminderung, dies konnte Thomas Pohl von der auf Umweltberatungen spezialisierten Umtec Technologie AG im Rahmen einer von Swiss Golf in Auftrag gegebenen Multikriterienanalyse nachweisen. «Der durchschnittliche Kühlungs-

Lebenswichtige Biodiversit T

Seit dem Jahr 2000 ist der 22. Mai der internationale Tag der Biodiversität. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat diesen zum Anlass genommen, seinen neuesten Bericht zum Stand der Artenvielfalt zu präsentieren. Die Lage ist bedenklich: Rund ein Drittel der geschätzten 85 000 Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz ist gefährdet. Mit dem Rückgang der Artenvielfalt geht auch die genetische Vielfalt verloren. Das ist gefährlich –und langfristig auch für den Menschen lebensbedrohlich.

effekt eines Schweizer Golfplatzes liegt gemäss unseren Berechnungen und Annahmen bei 2,6° Celsius», schreibt Pohl in seinem Bericht.

Bereits 2020 hatte Pohl im Rahmen einer SEBI-Studie zwei GEO-zertifizierte Schweizer Golfanlagen untersucht und mit der international gängigen Life Cycle Impact Method auch das Thema Biodiversität beleuchtet. Diese Methode basiert auf der Grundannahme, dass bei menschlicher Tätigkeit ein Biodiversitätsverlust eintritt.

Für die beiden untersuchten Golfanlagen Lausanne und Wylihof konnte Pohl im Vergleich zur früheren Landnutzung einen massiv kleineren Biodiversitätsverlust errechnen. Sowohl beim Traditionsclub am Genfersee wie auch bei der deutlich jüngeren Anlage im Mittelland besteht die frühere Landnutzungsform aus 90 Prozent Land- und 10 Prozent Forstwirtschaft. In einem Zeitraum von 200 Jahren gehen in Lausanne 59 Prozent weniger Arten verloren, im Wylihof sind es sogar 60 Prozent. •

Die Biodiversität ist ein ganz besonderes Gut unseres Planeten und für Menschen unverzichtbar. Natürliche Lebensräume und Arten versorgen uns mit Nahrung und Trinkwasser, liefern Fasern für Kleidung und Grundstoffe für Arzneien, bieten Schutz vor Stürmen und Überschwemmungen und regulieren das Klima. Ohne entsprechende Artenvielfalt ist die weltweite Lebensmittelproduktion in Gefahr. BAFU-Direktorin Kathrin Schneeberger führte am 22. Mai das folgende Beispiel an: «80 Prozent der Pflanzen, die weltweit für die menschliche Ernährung angebaut werden, sind auf bestäubende Tiere angewiesen. Fehlen sie, droht Hunger.» Sie verwies auch darauf, dass die Biodiversität eine der wichtigsten Quellen für Wirkstoffe ist, aus denen Medikamente hergestellt werden. «Das wohl berühmteste Beispiel ist Penicillin: die antibiotische Substanz wurde ursprünglich aus einem Schimmelpilz gewonnen», sagte Schneeberger an einer Medienkonferenz. Eine weitere Folge schwindender Regulierungsleistungen der Ökosysteme sind die Resistenz von Insekten und Pflanzen gegen häufig eingesetzte Pestizide und Herbizide und die Abnahme der Nährstoffe im Boden.

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