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Vom Kurzplatz nach Florida

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NACHFOLGEREGELUNG

NACHFOLGEREGELUNG

Der Urner Joshua Hess startete seine Golfkarriere auf dem Kurzplatz von Seedorf. Wenn der 16-Jährige nicht gerade internationale Turniere spielt, trainiert er dort mit David Crawley. Schon im August wechselt das Grosstalent mit Handicap + 3 an eine private Academy im sonnigen Florida.

STEFAN WALDVOGEL

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Joshua Hess wird Anfang Dezember 17. «Bis dann habe ich mich hoffentlich gut an die neue Highschool und die Golf Academy gewöhnt. Ich freue mich jedenfalls riesig darauf», blickt der Schattdorfer in die recht kurzfristige Zukunft. Bis zum Sommer besucht er die Sportklasse an der Kantonsschule Luzern; auf die vier Jahre in der Schweiz folgen dann zwei in den USA. Damit sei er früher bereit für die geplante College-Karriere und besser darauf vorbereitet, sagt Joshua Hess auf eine entsprechende Frage.

Die meisten seiner Golfkollegen wechseln erst nach der Matura und starten dann direkt an einer der vielen amerikanischen Universitäten. «Ich will nicht so lange warten und möglichst bald schon von den ganzjährigen und sehr professionellen Trainingsmöglichkeiten in Florida profitieren», sagt Hess im Gespräch. Auf dem Kopf trägt er die Mütze der «International Junior Golf Academy». Er sei nun schon drei Mal in zweiwöchigen

Trainingscamps gewesen und sei überzeugt vom Angebot, sagt der Junior vom Golfclub Andermatt-Realp.

«LIEBE AUF DEN ERSTEN SCHLAG»

Wie später am College, ist der Morgen für die Ausbildung reserviert; am Nachmittag bleibt viel Zeit fürs Training. «In der Academy gibt es keine eigentlichen Teams, aber wir werden auch an den Turnieren intensiv betreut. Das ist die perfekte Voraussetzung, um später mit den richtigen Personen im College Golf zusammenzukommen», erläutert Hess den aufwändigen Plan. Für seinen Traum sammelte der Schüler über die Plattform

«I believe in you» in kurzer Zeit 20’000 Franken. Allerdings kostet allein der golferische Teil der Academy 50’000 Franken pro Jahr, dazu kommen 20’000 Franken für die private Highschool.

«Das ist sehr viel Geld, und den allergrössten Teil davon haben bisher meine Familie und private Supporter bezahlt», erzählt Hess auf eine entsprechende Frage.

Swiss Golf unterstützt den Nationalspieler unter anderem mit Trainingslagern und bei den internationalen Turnieren. Bisher halfen unter anderem private Geldgeber wie der Kies-Unternehmer Bobi Arnold, was den 6-Loch-Kurzplatz samt grosszügiger Trainingsanlage in Seedorf überhaupt möglich machte.

Als Joshua sieben Jahre alt war, kamen Freunde seiner Eltern zu Besuch, und sie spielten im Garten zusammen Golf. «Es war Liebe auf den ersten Schlag; seither hat mich dieser Sport nicht mehr losgelassen.» Seine Eltern schenkten ihm ein Golfset, und er fing an zu spielen. Im nahen Seedorf begann Hess als Siebenjähriger mit den ersten Versuchen, und er trainiert hier noch immer regelmässig. «Es war ein eiskalter Dezembertag, doch es hat mich von Anfang an gepackt», erinnert sich «Josh». Der erfahrene Golfpro David Crawley konnte nicht glauben, dass er zum ersten Mal auf einer Driving Range stand. Klar habe «etwas Tennis» beim Start geholfen, mittlerweile spiele er aber fast nur noch mit seinem Grossvater Tennis. Diesen Frühling seien die beiden gemeinsam in Saint Apollinaire gewesen. «Ich habe meine Runde gespielt, und mein Opa ist mitgelaufen und hat die schöne Natur genossen», erzählt der 1,80 Meter grosse Teenager.

Dem grossen Ziel

PGA Tour will ich alles unterordnen.

JOSHUA HESS

Der Vater Durfte Nicht Mit Auf Die Runde

Die ersten grösseren Golfausflüge mit seinem Vater verliefen deutlich weniger erfreulich. Als Neunjähriger hatte er sich auf eine Runde auf dem 18-Loch-Platz im Golfclub Ennetsee gefreut. «Mein Vater durfte mich als Nichtgolfer damals nicht begleiten, ich musste wohl oder übel auf die Driving Range», erinnert er sich. Die einzige positive Konsequenz aus dieser merkwürdigen Episode: «Mein Vater hat danach selber mit Golfen angefangen. Für meine Mutter ist es aber nicht das Richtige, wie sie selber festgestellt hat.»

Klar hilft auch sie beim Familienprojekt

Golf mit. Unter anderem fährt sie ihren Junior praktisch jeden Mittwoch ins Swiss Golf Kadertraining auf dem Golfplatz Sempachersee und opfert damit ihren freien Tag. Auch für den Weg nach Andermatt ist Hess froh um die Unterstützung seiner Mutter. «Der Platz ist absolut top und vor allem beim häufigen Wind richtig schwierig – der einzige Nachteil ist die relativ kurze Saison», sagt der «Botschafter» von Andermatt Swiss Alps, der im vergangenen Jahr in der

Schweizer Illustrierten porträtiert wurde. Dank des sogenannten «brevet sportif» dürfen die Kaderspieler in der ganzen Schweiz gratis spielen. So chauffiert Mutter Corine ihren einzigen Junior ab zu nach Zumikon oder Breitenloo. Beide Plätze seien lang, schwierig und immer in einem Top-Zustand. Öfters misst sich Hess dort beispielsweise mit Daniel Wunderlin. Der frühere Spitzen-Kunstturner betreut das Zürcher Kader von Swiss Golf im Bereich Fitness. «Von ihm kann ich auch auf dem Platz enorm viel lernen. Er war als Turner an den Olympischen Spielen, von ihm profitiere ich etwa punkto Wettkampftauglichkeit. Gleichzeitig machen die Matches mit ihm immer sehr viel Spass – es ist eine Art Freundschaft daraus geworden», freut sich der aktuelle U16-Schweizermeister.

POTENZIAL BEIM PUTTEN

Den schulfreien Freitagnachmittag verbringt Hess meist mit seinem Kollegen Tim Schächtelin auf dem Luzerner Dietschiberg. «Klar werde ich vieles vermissen. Dem grossen Ziel PGA Tour will ich aber alles unterordnen. Ich bin extrem zielorientiert und trainiere sehr gern. Der amerikanische Stil gefällt mir, und ich kann es kaum erwarten, bis es nach dem Sommer endlich so weit ist», sagt der Blondschopf auf eine entsprechende Frage.

Seine Homepage ist schon jetzt professioneller als diejenige der allermeisten Schweizer Profis. Unter anderem präsentiert der 16-Jährige dort Schwungvideos und seinen Lebenslauf samt Schulnoten (von der 4,5 in Geschichte bis zur 6 in Englisch).

Richtig «tief» ist nur sein Handicap. Ende Jahr lag es noch bei + 2,3, mittlerweile würden dem Talent bei einem Clubturnier schon drei Schläge notiert, die er gar nie ausgeführt hat.

«Dank der vielen Runden auf dem Kurzplatz mit Spielbahnen zwischen 40 und 80 Metern ist das Wedge-Spiel sicher meine grosse Stärke. Daraus ergab sich auch ein gutes Eisenspiel in den Bereichen bis etwa 200 Meter. Beim Putten kann man eigentlich nie genug machen, und hier erhoffe ich mir mit den perfekten Bedingungen in den USA auch die grössten Fortschritte», sagt Hess. Dort sind die – kleinen – Greens in aller Regel deutlich langsamer als bei den grossen Amateur-Turnieren, trotzdem hinterlässt der Schattdorfer einen inoffiziellen Rekord, der nur schwer zu schlagen ist: sechs Löcher, sechs Birdies. Bei den bisherigen Assen ist er sich nicht mehr ganz sicher: «Wohl vier oder fünf.» •

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