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«AUSSEN ANDERS, INNEN ÄHNLICH»

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NACHFOLGEREGELUNG

NACHFOLGEREGELUNG

Pierre Massard hatte 2004 einen sehr schweren Bergunfall, Prognose querschnittsgelähmt. Für ihn ist Golf die treibende Kraft hinter seiner Entwicklung. Es ist mehr als eine Leidenschaft – es ist ein Bedürfnis.

Wir treffen uns um 14 Uhr im Golfclub Montreux. Bei unserer Ankunft ist Pierre Massard bereits da. «Ich kann Ihnen bestätigen, dass er schon am Trainieren war, als ich meine Runde begann», vertraut uns ein Stammgast an, als er das Green von Loch 9 verlässt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass der 70-jährige Pierre Massard, der 2004 Opfer eines sehr schweren Bergunfalls wurde, durchschnittlich 25 Stunden pro Woche auf dem Golfplatz verbringt. «Das ist der einzige

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Ort, an dem ich einen Rollstuhl brauche, um mich fortzubewegen», lacht er.

Schnell wird uns bewusst, welche Resilienz, Leidenschaft und Lebensfreude im ehemaligen Geschäftsführer stecken.

«Die Prognose der Ärzte war klar: querschnittsgelähmt, lebenslänglich. Während sechs Jahren hatte ich kein oder fast kein Gefühl in den Beinen. Man hat mir gesagt: Sie werden nie mehr gehen können. Aber ich habe durchgehalten, an mich geglaubt und trainiert. Und so habe ich einen winzigen Fortschritt nach dem anderen gemacht – so lange, bis ich meine Beine bis zu den Knöcheln spürte und an Krücken gehen konnte.»

JAPAN WAR PRÄGEND

Woher nimmt er bloss diese innere Kraft? «Vielleicht liegt es daran, dass ich mich nie damit abgefunden habe, behindert zu sein», sinniert Pierre Massard. «Zum anderen hat es aber sicher auch mit meiner Vergangenheit als Judoka zu tun. Ich habe auf Spitzenniveau gekämpft und war in der vorolympischen Auswahl. Wissen Sie, wenn man sich allein in Japan zu einem Vorbereitungslehrgang für die Spiele 1972 befindet, der Leichteste ist und dabei immer wieder als Verlierer von der Matte geht, lernt man Leiden, Opferbereitschaft und Selbstüberwindung. Das hilft mir heute durch meinen Alltag. Na ja – das, und die Freuden des Lebens.»

Das bringt uns zum Thema Leidenschaft. «Ich bin unabhängig und in der Lage, mit meinem Kleinbus allein auf Abenteuerreisen zu gehen. Ich verzichte auf nichts. Ich lebe den Moment, ohne zu hinterfragen, und geniesse in vollen Zügen. Denn ich liebe das Leben!» Dazu zählt auch Golf. Vor seinem Unfall hatte Pierre ein Handicap von 12. «Jetzt spiele ich überall Bogeys, wenn ich gut spiele. Das kurze Spiel ist mir geblieben, weil die Annäherungsschläge und das Putten wenig Unterkörperdrehung erfordern. Wenn ich hingegen den Driver in der Hand habe, bin ich zufrieden, wenn ich 150 Meter weit komme. Es ist nicht mehr der gleiche Sport für mich.»

WIE JUDO

Pierre Massard hat ein spezielles Hilfsgerät, mit dem er sich im Sitzen fortbewegen kann und das ihn beim Spielen in eine aufrechte Position hebt. Ein Gurt sorgt dabei für Stabilität. Mit einer selbst entwickelten Stange legt er seinen Ball und sein Tee ab oder hebt sie auf. Und sein Swing endet einhändig, wie bei einem Tennisprofi, der eine einhändige Rückhand spielt. Ansonsten unterscheidet sich das Mitglied des Golfclubs Montreux durch nichts von anderen Golffanatikern.

Sein Motto? «Aussen anders, innen ähnlich». «Nur mein Erscheinungsbild ist anders. In meinem Inneren bin ich genau so wie alle anderen: wie jemand, der seiner Leidenschaft nachgeht. Golf war die treibende Kraft hinter meiner gesamten Entwicklung. Ich fühle mich gut, ich fühle mich frei – dank Golf. Dieser Sport ermöglicht es mir, in der Natur zu sein, mich selbst herauszufordern und über mich hinauszuwachsen. Er erinnert mich an Judo. Man braucht Bescheidenheit und Willenskraft, es gibt Rückschläge, und man strebt nach der perfekten Bewegung. Beim Golf fordere ich mich selbst heraus, bei jedem Loch, bei jedem Schlag. Ich mag das, ich brauche das.» •

Seit 1750 haben wir einige Finanzkrisen erlebt. Das hat uns gelehrt, grösser zu denken. In grösseren Zeiträumen.

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